Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertragliche Altersgrenze bei Piloten; Arbeitsvertragliche Altersgrenze eines Flugzeugführers; Anwendbarkeit des § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO; Fiktion der Rechtswirksamkeit einer Befristung; Befristungsrecht
Orientierungssatz
- § 41 Abs. 1 Satz 2 LuftBO findet seit 1. September 1998 keine Anwendung mehr auf die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LuftBO bezeichneten Großflugzeuge.
- Streiten die Parteien darüber, ob überhaupt eine Befristungsabrede getroffen wurde oder ob eine vertraglich vereinbarte Voraussetzung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, findet die Klagefrist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG keine Anwendung. In diesem Fall ist auch für die Fiktion des § 7 KSchG iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG kein Raum.
Normenkette
BGB § 620; Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO) § 41 Abs. 1 S. 2, § 1 Abs. 2 Nr. 1; Joint Aviation Authorities über die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen in Flugzeugen (JAR-OPS 1 deutsch) Abschn. N – Flugbesatzung; Joint Aviation Requirements – Flight Crew Licensing (JAR-FCL) Abschn. A 1.060 (Entwurf); BeschFG § 1 Abs. 5 Sätze 1-2; KSchG § 7; LuftPersV § 16 Abs. 1, 2 S. 1, § 17 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2000 – 3 Sa 2099/99 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 27. Oktober 1999 – 9 Ca 474/98 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. November 1998 hinaus fortbesteht.
Der Kläger hat ¼, die Beklagte ¾ von den bis zur teilweisen Rücknahme der Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20. Februar 2002 entstandenen Kosten zu tragen.
Die danach entstandenen Kosten hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer arbeitsvertraglich vereinbarten Altersgrenze im November 1998 geendet hat.
Der am 18. November 1938 geborene Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 28. Juni 1991 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der G. GmbH (G.), ab 1. Juli 1991 als Flugzeugführer im internationalen Luftverkehr eingestellt und als Flugkapitän auf Großflugzeugen beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags ergeben sich die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters aus der Beschäftigungsordnung der G. sowie den jeweils gültigen Dienstvorschriften der G. Die "Beschäftigungsordnung für das Cockpitpersonal der G. GmbH" (BeschO) sieht in § 10 unter der Überschrift "Altersbegrenzung/Rentenzahlung" ua. vor:
"Der Arbeitsvertrag endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, spätestens dann, wenn der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet hat.
Soweit ein Gesetz oder eine Verordnung den fliegerischen Einsatz über ein bestimmtes Alter hinaus durch eine zwingende oder eine Soll-Bestimmung nicht gestattet, endet der Arbeitsvertrag, ohne daß es einer Kündigung bedarf, wenn der Mitarbeiter das dort bestimmte Lebensjahr vollendet (gemäß § 41 Abs. 1 der Betriebsordnung)."
Mit Schreiben vom 14. September 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Arbeitsverhältnis ende am 30. November 1998. Ab dem 18. November 1998 beschäftigte sie den Kläger nicht mehr, bezahlte ihm jedoch bis zum 30. November 1998 die Vergütung.
Mit der am 6. Oktober 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, sein Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 14. September 1998 nicht aufgelöst worden. Mit einem am 13. September 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er geltend gemacht, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch Vollendung seines 60. Lebensjahrs beendet, sondern bestehe jedenfalls bis zu seinem 65. Lebensjahr fort. § 10 Abs. 2 BeschO sei unklar. § 41 Abs. 1 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO) sei keine Regelung, die den fliegerischen Einsatz des Klägers iSd. § 10 Abs. 2 BeschO "nicht gestattet". Eine Altersgrenzenregelung von 60 Jahren sei durch medizinische Erfahrungswerte nicht mehr gerechtfertigt. Außerdem sei nach dem 18. November 1998 gemäß § 625 BGB ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien entstanden.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 14. September 1998, vom Kläger erhalten am 21. September 1998, nicht aufgelöst worden ist,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe auf Grund der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Altersgrenzenregelung in § 10 Abs. 2 BeschO mit Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers geendet. Der in § 10 Abs. 2 BeschO angesprochene § 41 Abs. 1 LuftBO gelte über den 31. August 1998 hinaus auch für die von der Beklagten betriebenen Großflugzeuge fort.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision hat der Kläger seine Klageanträge zunächst uneingeschränkt weiter verfolgt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er mit Zustimmung der Beklagten die Kündigungsschutzklage zurückgenommen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist in dem nach der teilweisen Klagrücknahme noch vorliegenden Umfang begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund einer arbeitsvertraglich vereinbarten Altersgrenze mit der Vollendung des 60. Lebensjahrs des Klägers im November 1998 geendet. Denn es fehlte zu diesem Zeitpunkt an einer auf den fliegerischen Einsatz des Klägers noch anwendbaren öffentlichrechtlichen Bestimmung iSd. § 10 Abs. 2 BeschO. § 41 Abs. 1 LuftBO ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts seit dem 1. September 1998 beim fliegerischen Einsatz auf Großflugzeugen nicht mehr zu beachten.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Linsenmaier, Coulin, Hoffmann
Fundstellen
NZA 2002, 1304 |
EzA |
NJOZ 2003, 1623 |