Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Klagerechts bei Kündigung wegen Betriebsübergangs
Leitsatz (redaktionell)
1.Zur Bestimmung des für die Frage der Prozeßverwirkung erheblichen sogenannte Zeitmomentes ist nicht auf eine starre Höchst- oder Regelfrist, sondern auf die konkreten Umstände des jeweiligen Falles abzustellen.
2.Das Vorliegen des Zeitmomentes indiziert nicht das sogenannte Umstandsmoment, sondern es bedarf besonderer Umstände für die berechtigte Erwartung des Schuldners, er werde nicht mehr gerichtlich in Anspruch genommen werden. An dieses Vertrauen sind insbesondere dann strenge Anforderungen zu stellen, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung mit der Begründung angreift, sie sei wegen eines Betriebsüberganges ausgesprochen worden (§ 613a Abs 4 BGB).
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 24.10.1986; Aktenzeichen 12 Sa 58/84) |
ArbG Göttingen (Entscheidung vom 27.01.1984; Aktenzeichen 3 Ca 1225/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer vom Beklagten zu 2) ausgesprochenen Kündigung und um die Frage, ob das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 1) übergegangen ist.
Der Kläger, der verheiratet ist und zwei 1972 und 1975 geborene Kinder hat, war zum Kündigungszeitpunkt 43 Jahre alt und seit 1. April 1954 bei der I Werke GmbH (spätere Gemeinschuldnerin) beschäftigt. Er verdiente zuletzt rund 2.700,-- DM brutto monatlich. Der Kläger war Ersatzmitglied des Betriebsrates und nahm als nachgerücktes Mitglied in der Zeit von Juli bis September 1982 an einigen Betriebsratssitzungen teil.
Am 30. August 1982 wurde über das Vermögen der I Werke GmbH das Vergleichsverfahren, am 7. Oktober 1982 das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Beklagte zu 2) war Vergleichs- und später Konkursverwalter. Am 20. Oktober 1982 schloß er mit dem Betriebsrat der Gemeinschuldnerin eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan, der eine Stillegung des Betriebes und Abfindungszahlungen vorsah. Ziffer 11 der BV lautet:
"Die Vertragschließenden sind sich darüber einig,
daß im Rahmen des eingeleiteten Konkursverfahrens
der Betrieb zum 31. Dezember 1982 stillgelegt werden
muß. Der Betriebsrat erhebt gegen die Kündigungen
aus Anlaß der Betriebsstillegung keine Einwendungen.
Damit ist in diesen Fällen das Anhörungsverfahren
im Sinne des § 102 BetrVG und § 15 KSchG ordnungsgemäß
durchgeführt worden."
Zuvor hatte der Konkursverwalter der sich ebenfalls in Insolvenz befundenen Muttergesellschaft der Gemeinschuldnerin, der J Werke AG, dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin L am 6. Oktober 1982 fristlos gekündigt und einen neuen Geschäftsführer eingesetzt. Die fristlose Kündigung wurde später vom Oberlandesgericht Celle als unwirksam erachtet. Geschäftsführer L war in der Folge als Berater beim Beklagten zu 2) tätig.
Am 21. Oktober 1982 kündigte der Beklagte zu 2) sämtlichen Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin. Das an den Kläger gerichtete Kündigungsschreiben vom 21. Oktober 1982 lautet:
"... Sie wissen, daß über das Vermögen der Gesellschaft
am 7. Oktober 1982 das Anschlußkonkursverfahren
eröffnet wurde und ich zum Konkursverwalter
bestellt worden bin.
Aufgrund des eröffneten Anschlußkonkursverfahrens
und der damit verbundenen Stillegung des Betriebes
mit Wirkung vom 31. Dez. 1982 bin ich leider gezwungen,
das zwischen Ihnen und der Gesellschaft
bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum
31.12.1982 zu kündigen. Der Betriebsrat der Gesellschaft
ist zu den Kündigungen gemäß den Bedingungen
des Betriebsverfassungsgesetzes gehört
worden."
Mit Schreiben vom 30. November 1982 stellte der Beklagte zu 2) den Kläger von der Arbeitsleistung frei, da er infolge der Insolvenz keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für ihn habe. Der Kläger meldete sich arbeitslos und bezog ab 14. Dezember 1982 Arbeitslosengeld. Er hatte sich 1982 ein Grundstück gekauft, welches bis zum Sommer 1983 bebaut werden sollte, kümmerte sich um seinen Bau und zog im Juni 1983 in das Haus ein.
Im Laufe des Insolvenzverfahrens gab der Geschäftsführer L - am 2. Oktober 1982 - ein Kaufangebot für eine Interessengemeinschaft ab, der neben ihm eine amerikanische Unternehmensgruppe (T-Gruppe) angehörte. Über dieses Angebot wurde am 23. Oktober 1982 mit dem Beklagten zu 2) in Hamburg ergebnislos verhandelt. Unter Vermittlung eines Hamburger Notars erwarb der Geschäftsführer am 15./16. November 1982 einen GmbH-Mantel und firmierte diesen in "I GmbH" um in der Hoffnung, die T-Gruppe werde 2/3 der Gesellschaftsanteile übernehmen. Am 16. November 1982 kam es zum Abschluß eines Kaufvertrages über Gegenstände des Anlage- und Vorratsvermögens sowie des know-how der Gemeinschuldnerin mit der I GmbH, der späteren Beklagten zu 1). Dieser Vertrag war von verschiedenen Bedingungen abhängig, und gelangte nicht zur Durchführung, weil sich die amerikanische Gruppe noch im November 1982 aus den Verhandlungen zurückzog.
Im Rahmen einer Interimslösung übernahmen der Beklagte zu 2) mit der Masse und sodann der Geschäftsführer die Gesellschaftsanteile der Käufer-GmbH jeweils zur Hälfte, der Beklagte zu 2) treuhänderisch zu dem Zweck, diese hälftige Beteiligung einem möglichen Kaufinteressenten übertragen zu können. Gleichzeitig wurde mit dieser GmbH am 30. November 1982 ein Kaufvertrag zu neuen Bedingungen abgeschlossen. Die Produktion wurde ab 1. Dezember 1982 fortgesetzt.
Im Januar 1983 trat mit der Firma O Corporation, Californien, und Herrn R eine neue Interessentengruppe auf und übernahm am 2. Februar 1983 die vom Beklagten zu 2) gehaltenen Gesellschaftsanteile sowie bis auf ein Drittel die Gesellschaftsanteile vom Geschäftsführer.
Auf seine Forderung aus dem Sozialplan in Höhe von 12.760,-- DM, die er am 24. November 1982 zur Konkurstabelle anmeldete, erhielt der Kläger keine Zahlung. Am 25. Januar 1983 erteilte ihm die Gemeinschuldnerin ein Zeugnis.
Mit Schreiben vom 29. September 1983 forderte der Kläger die Beklagte zu 1) zur Weiterbeschäftigung auf. Am 30. September 1983 hat er die Beklagte zu 1), am 9. Januar 1984 den Beklagten zu 2) verklagt.
Der Kläger hat vorgetragen, die vom Beklagten zu 2) ausgesprochene Kündigung sei gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam, da die Beklagte zu 1) die meisten Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin sowie die Betriebseinrichtung und Geschäftsverbindungen übernommen habe und die gleiche Produktion wie diese fortführe. Der Beklagte zu 2) habe schon während der Sozialplanverhandlungen erklärt, es bestünden berechtigte Aussichten, den Betrieb der Gemeinschuldnerin zu verkaufen; der Erwerber werde die Produktion allerdings nur mit 150, höchstens 200 Arbeitnehmern fortsetzen. Die Betriebsübernahme sei von langer Hand vorbereitet gewesen. Schon von vornherein sei angestrebt worden, ein verkleinertes gesundes Unternehmen fortzuführen. Durch rechtswidriges Zusammenwirken des Geschäftsführers mit dem Beklagten zu 2) sei die schon vorher angekündigte Fortführung des Betriebes auch erreicht worden. Der Geschäftsführer L hätte schon am 4. Juni 1981 auf die Frage des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, ob er die Firma kaufen würde, falls die Muttergesellschaft sie abstoße, geäußert, die Firma sei noch zu teuer, er werde sie aber übernehmen, wenn dies nicht mehr der Fall sei. Er habe genug Leute zur Hand, die die Sache finanzieren würden. Am 26. Februar 1982 habe er dem Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter seine Absicht mitgeteilt, als Teilhaber in die Firma einzusteigen. Diesen gegenüber habe er auch im Mai 1982 geäußert, er und ein guter Freund seien bereit, die Firma zu kaufen, das Unternehmen müsse aber erst am Ende sein; man könne ohne die alten Schulden mit ungefähr 150 Arbeitnehmern einen guten Anfang machen. In einem Gespräch am 19. Juni 1982 habe L geäußert, wenn die Stunde Null eingetreten sei, müsse jemand gefunden werden, der die notwendigen Formalitäten erledige, etwa ein Konkursverwalter wie bei der Firma Ro, der auf alle Fälle versuche, den Betrieb - auch wenn dieser wesentlich kleiner geworden sei - zu verkaufen. Konkursverwalter der Ro-Werke sei - insoweit unstreitig - der mit dem Beklagten zu 2) in einer Steuerberatersozietät verbundene Herr G gewesen. In einer Besprechung mit Geschäftspartnern am 9. Juli 1982 habe Geschäftsführer L erklärt, er wisse, was für den Fall einer Insolvenz über das Vermögen der Gemeinschuldnerin zu tun sei. Er habe für diesen Fall so weit vorgesorgt, damit es am nächsten Tag weitergehen könne.
Sein Klagebegehren sei nicht verwirkt. Er habe erst Anfang September 1983 erfahren, daß der Betrieb weitergeführt werde. Er habe nämlich zu dieser Zeit in G ein Fahrzeug der Beklagten zu 1) und am Steuer einen früheren Arbeitskollegen gesehen und sich dann um die Angelegenheit gekümmert.
Mit der gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Klage hat der Kläger beantragt
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis
nicht durch die Kündigung des Konkursverwalters
der früheren I Werke GmbH G
vom 21. Oktober 1982 beendet sei,
hilfsweise festzustellen,
daß die Beklagte verpflichtet sei, ihn
weiterzubeschäftigen.
Hinsichtlich des Beklagten zu 2) hat der Kläger beantragt
festzustellen, daß die durch den Beklagten zu 2)
mit Schreiben vom 21. Oktober 1982 zum 31. Dezember
1982 ausgesprochene Kündigung unwirksam sei.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt.
Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, die Kündigung sei nicht wegen des Betriebsüberganges erfolgt. Dem Beklagten zu 2) sei es erst nach der Kündigung gelungen, sie, die Beklagte zu 1), als Kaufinteressentin zu finden und den Betrieb an sie zu veräußern. Der Klage stehe zudem der Einwand der Verwirkung entgegen. Sie habe davon ausgehen können, der Kläger werde ihr gegenüber keine Ansprüche mehr geltend machen, da der Kläger weder seine Arbeitskraft angeboten noch beim Empfang der Arbeitspapiere irgendeinen Vorbehalt gemacht habe. Sie habe sich in der Zwischenzeit bei ihrer Personalpolitik hierauf eingerichtet. Die Betriebsfortführung sei im Frühjahr 1983 durch alle Zeitungen gegangen. Auch der im Betrieb der Gemeinschuldnerin Anwendung findende Tarifvertrag sehe eine Ausschlußfrist von drei Monaten für die Geltendmachung von Ansprüchen vor.
Der Beklagte zu 2) hat sich ebenfalls auf Verwirkung berufen und geltend gemacht, der Kläger habe auch durch die Anmeldung seiner Ansprüche aus dem Sozialplan zu erkennen gegeben, er nehme die Kündigung hin. Die Kündigung sei nicht wegen des Betriebsüberganges erfolgt. Irgendwelche greifbaren Tatsachen, die eine Aussicht begründet hätten, das Unternehmen als lebende Betriebsstätte zu veräußern, hätten bei Abschluß des Sozialplanes und Ausspruch der Kündigung nicht bestanden. Nach außen habe er den Eindruck der Zuversicht erweckt, die Betriebsstätte und einen Teil der Arbeitsplätze zu erhalten. Das Kaufangebot vom 2. Oktober 1982 habe er lediglich verfolgt, um dem Vorwurf vorzubeugen, er habe irgendwelche Chancen für einen Unternehmensverkauf ausgelassen. Er habe sich zwar mit allem Nachdruck bemüht, trotz des gefaßten Stillegungsbeschlusses und der unausweichlich drohenden Betriebsstillegung doch noch einen teilweisen Betriebserhalt zustande zu bringen. Die Verwirklichung einer solchen Teillösung sei jedoch völlig ungewiß gewesen.
Das Arbeitsgericht hat das Recht des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung als verwirkt angesehen und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter. Die Beklagten bitten um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe sein Klagerecht verwirkt. Die Frage, ob die Auflösung des Arbeitsvertrages hingenommen werde oder nicht, dulde keinen längeren Schwebezustand, sondern könne nur innerhalb angemessener Frist beantwortet werden. Das Klagerecht verwirke, wenn bis zu seiner Ausübung eine gewisse Zeit vergangen sei. In Fällen des Betriebsüberganges stehe der Arbeitnehmer zwar oft vor einer für ihn noch unübersehbaren Situation. Trotzdem dürfe er aber nicht beliebig lange zuwarten. Die zeitliche Obergrenze liege insoweit regelmäßig zwischen zwei und vier Monaten, auf jeden Fall dürfe der Arbeitnehmer nicht mehr als ein halbes Jahr warten, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist im bisherigen Betrieb weitergearbeitet werde.
An das weiterhin zu beachtende Vertrauensmoment seien keine besonders strengen Anforderungen zu stellen, wenn es um einen Fall gehe, in dem es nach der gesetzlichen Wertung auf eine schnellstmögliche Klärung ankomme. Die Beklagten hätten darauf vertrauen dürfen, nicht mehr mit einer Klage überzogen zu werden, nachdem der Kläger elf Monate lang nicht zu erkennen gegeben habe, er gehe von einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis aus. Er habe insoweit keine Initiative unternommen, vielmehr widerspruchslos seine Papiere entgegengenommen und sich nicht mehr um das Schicksal des Betriebes gekümmert, sondern seinen Hausbau vorangetrieben. Ein solches Untätigbleiben verdiene keinen Schutz, auch wenn zugunsten des Klägers unterstellt werde, der Konkursverwalter und der Geschäftsführer hätten sich bei der Liquidation der Gemeinschuldnerin unredlich verhalten und die Weiterführung des Betriebes bereits vor der Insolvenz beabsichtigt gehabt. Ein derart unseriöses Verhalten sei nur erheblich, wenn dadurch die verspätete Geltendmachung der vom Kläger in Anspruch genommenen Rechte maßgeblich veranlaßt und verursacht worden sei. Der Kläger habe sich jedoch nicht um die weitere betriebliche Situation gekümmert, sonst hätte ihm die seit Dezember 1982 völlig offene Weiterführung des Betriebes nicht verborgen bleiben können. Eine entsprechende Benachrichtigungspflicht der Beklagten habe nicht bestanden.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht wird erneut zu überprüfen haben, ob das Klagebegehren verwirkt ist und im Falle der Verneinung darüber zu befinden haben, ob die Kündigung wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 BGB erfolgt ist.
1. Das Berufungsgericht ist im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen, das Recht, eine Klage zu erheben, könne verwirkt werden (BAGE 11, 353 = AP Nr. 1 zu § 242 BGB Prozeßverwirkung; Urteil vom 11. November 1982 - 2 AZR 552/81 - AP Nr. 71 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag sowie Urteile vom 9. Januar 1987 - 2 AZR 37/86 - und - 2 AZR 126/86 -, unveröffentlicht, sowie vom 7. März 1980 - 7 AZR 177/78 - AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; zur Verwirkung bei Berufung auf die Unwirksamkeit einer Kündigung: BAGE 9, 330 = AP Nr. 43 zu § 626 BGB und Urteil vom 5. Dezember 1961 - 3 AZR 439/60 - AP Nr. 80 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
Das Klagebegehren ist danach verwirkt, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraumes erhebt (Zeitmoment) und dadurch ein Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen wird, er werde nicht mehr gerichtlich belangt. Hierbei muß das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, daß dem Gegner die Einlassung auf die nicht mehr innerhalb angemessener Frist erhobene Klage zuzumuten ist (vgl. BAGE 11, 353 = AP, aa0; Urteile vom 9. Januar 1987 - 2 AZR 37/86 - zu II 1 der Gründe und - 2 AZR 126/86 - zu I der Gründe; Urteil vom 10. Januar 1956 - 3 AZR 245/54 - AP Nr. 3 zu § 242 BGB Verwirkung; KR-Friedrich, 2. Aufl., § 13 KSchG Rz 305).
2. Wenn auch mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgegangen werden kann, ein Zeitablauf von über elf Monaten sei in der Regel geeignet, das Zeitmoment im Rahmen der Verwirkung auszufüllen, so ist die durch das Berufungsgericht erfolgte Festlegung einer starren Höchstfrist von sechs Monaten nicht frei von Rechtsfehlern. Der Verwirkungstatbestand ist als außerordentlicher Rechtsbehelf ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. In der illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 46. Aufl., § 242 Anm. 9 a und b). Die Frage des Rechtsmißbrauchs läßt sich nur für den Einzelfall klären. Eine schematisierende Betrachtungsweise wird dem nicht gerecht.
Es ist allerdings nicht zu leugnen, daß sich Rechtsprechung und Literatur im Interesse der Rechtssicherheit bemühen, zumindest einen zeitlichen Orientierungsrahmen festzulegen.
a) Der Senat hat in den beiden unveröffentlichten Entscheidungen vom 9. Januar 1987 (aa0), die einmal eine Kündigung vor Erfüllung der Wartezeit, zum anderen die Kündigung gegenüber einem Schwerbehinderten ohne Zustimmung der Hauptfürsorgestelle betrafen, angenommen, zur Konkretisierung des Zeitmoments könne auf die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG zurückgegriffen werden. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit der Zeitspanne, innerhalb der der Vertrauenstatbestand für die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage geschaffen werde, enge Grenzen zu setzen. Im Rechtsstreit 2 AZR 126/86 hat der Senat angenommen, bei Klageerhebung ein Jahr nach Zugang der Kündigung sei der Zeitraum, der dem Kläger zur gerichtlichen Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung zugebilligt werden könnte, in jedem Fall verstrichen, ohne daß die Grenzen der zeitlichen Geltendmachung generell, etwa durch Regelfristen, bestimmt werden müßten.
b) Auch in den in Befristungsrechtsstreitigkeiten ergangenen Urteilen vom 11. November 1982 (- 2 AZR 552/81 - AP Nr. 71 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu A II 3 a und b der Gründe und vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - AP Nr. 19 zu § 619 BGB Beschäftigungspflicht zu B I 1 d aa der Gründe; vgl. auch Urteil vom 7. März 1980 - 7 AZR 177/78 - AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 1 b der Gründe) ist der Senat davon ausgegangen, zur Konkretisierung des Zeitmoments könne die Drei-Wochen-Frist herangezogen werden. Die Aussage des Senates, die Befristungskontrolle wolle keine Besserstellung des befristet eingestellten Arbeitnehmers erreichen (zustimmend KR-Friedrich, aaO, Rz 310 a zu § 13 KSchG), läßt sich jedoch auf Kündigungsrechtsstreite, in denen die Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes keine Rolle spielt, nicht ohne weiteres übertragen.
c) Die Instanzgerichte bemessen bei Kündigungsstreitigkeiten den für die Erfüllung des Zeitmoments erforderlichen Zeitraum nicht sehr lang. Verwirkung angenommen haben das LAG Baden-Württemberg (DB 1958, 1468) nach knapp drei Monaten, das LAG Düsseldorf (DB 1969, 1155) nach vier Monaten; das Arbeitsgericht Wilhelmshaven (BB 1960, 1060) nach zweimonatiger Untätigkeit; das Arbeitsgericht Husum (ARST, Bd. 18, Nr. 459) nach zweieinhalb Monaten; das Arbeitsgericht Bielefeld, aaO, nach mehr als zwölf Wochen. Das Arbeitsgericht Pforzheim (ZIP 1987, 264) sieht wie das Berufungsgericht die Höchstfrist bei sechs Monaten.
d) Im Rahmen des Schwerbehindertenschutzes hat der Senat zu §§ 15, 21 SchwbG 1986 (§§ 12, 18 SchwbG 1979) auf den allgemeinen Rechtsgedanken abgestellt, ein Arbeitnehmer könne sich nur innerhalb angemessener Frist auf den besonderen Kündigungsschutz berufen, und das Gebot der Rechtssicherheit erfordere im Kündigungsrecht eine zeitliche Begrenzung bei der Geltendmachung des Kündigungsschutzes (BAGE 30, 141 = AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG, zu B III 3 a und d der Gründe). Soweit er von einer Regelfrist von einem Monat ausgegangen ist, sind diese Erwägungen jedoch auf den im Streitfall zu prüfenden prozessualen Verwirkungstatbestand nicht übertragbar. Während nämlich bei der dort behandelten Fallkonstellation der Arbeitgeber die schützenswerte Position des Arbeitnehmers gar nicht kennt und deshalb baldige Aufklärung erwarten kann, wird bei den Fällen der vorliegenden Art vom Arbeitnehmer gerade gegen die vom Arbeitgeber realisierte Kenntnis des Sachzusammenhangs angegangen.
e) Im Schrifttum wird ebenfalls darauf abgestellt, die Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen außerhalb des KSchG könne nicht zeitlich unbegrenzt erfolgen, denn die Frage, ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hingenommen werde oder nicht, dulde keinen langen Schwebezustand. Ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten werde jedenfalls dann häufig die Obergrenze sein, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei (KR-Rost, aaO, § 7 KSchG Rz 35, 39; im übrigen Staudinger/Weber, BGB, 11. Aufl., § 242 Rz D 673 ff., 696). Auch Herschel/Löwisch (KSchG, 6. Aufl., § 7 Rz 3) meinen, je nach den Umständen des Falles könnten schon einige Monate ausreichen. Ein hohes Maß an Rechtssicherheit durch die Orientierung an der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG begrüßt Buchner (Anmerkung zum Senatsurteil vom 13. Juni 1985, aaO, in AR-Blattei Beschäftigungspflicht Nr. 17), im Ergebnis ebenso Willemsen (EWiR 1986, 1185 ff.).
f) In früheren Entscheidungen wurden allerdings auch längere Zeitabläufe in Erwägung gezogen. In BAGE 9, 330 (= AP, aaO, zu III 2 der Gründe) hat sich der Kläger, dem 1942 gekündigt worden war, im Rahmen einer 1957 auf Zahlung von Versorgungsbezügen gerichteten Klage auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen. Das Bundesarbeitsgericht hat Verwirkung angenommen, wenn der Gekündigte sich jahrelang so verhalte, daß der Kündigende nicht mehr mit einem Angriff auf die Kündigung zu rechnen brauche.
In BAGE 11, 353 (= AP, aa0, zu II 1 der Gründe) begehrte die Klägerin 1960 die Feststellung, daß die ihr gegenüber 1946 ausgesprochene fristlose Entlassung unwirksam sei. Der Senat hat die Klage ebenso als verwirkt angesehen wie im Urteil vom 8. September 1955 (- 2 AZR 9/54 - AP Nr. 1 zu § 242 BGB Verwirkung), weil der Kläger dort mindestens drei Jahre vor seiner auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichteten Klage nichts unternommen hatte. Im Urteil vom 10. Januar 1956 (aaO) hat das BAG angenommen, einer erst nach mehreren Jahren erfolgten gerichtlichen Geltendmachung der Unzulässigkeit einer Kündigung stünde, wenn nicht besondere Umstände vorlägen, regelmäßig der Einwand der Verwirkung entgegen. Schließlich hat das BAG im Urteil vom 5. Dezember 1961 (aaO) angenommen, nach mehr als zehn Jahren habe der Arbeitgeber darauf vertrauen dürfen, der Arbeitnehmer habe sich mit der Kündigung abgefunden (vgl. auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 5. September 1951 - 1 Sa 96/51 - DB 1951, 764: Klage nach sechs Jahren verwirkt; LAG Bremen, Urteil vom 3. September 1952 - Sa 26/52 - DB 1952, 848: Verwirkung nach fünf Jahren; LAG Hamburg, Urteil vom 2. August 1955 - 3 Sa 15/55 - ARST, Bd. 15, Nr. 106: Verwirkung nach sieben Jahren).
g) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis die Klageerhebung nahezu ein Jahr nach Kündigungszugang nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles als geeignet erachtet, das Zeitmoment auszufüllen. Auch wenn, wie ausgeführt, die Festlegung einer Regelfrist abzulehnen ist, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt, die um fast ein Jahr verzögerte Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung erfülle das Zeitmoment im Rahmen der Verwirkung. Liegt ein für eine Klageerhebung maßgebendes Ereignis ein Jahr zurück, so wird der Anspruchsverpflichtete nicht mehr damit rechnen, von dem Anspruchsberechtigten belangt zu werden.
Das Revisionsgericht kann diese Rechtsfrage abschließend beurteilen, denn das Verhalten der Parteien im Prozeß, so auch die Klageerhebung, unterliegt der freien revisionsgerichtlichen Überprüfung (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 550 Anm. 2 B; Zöller/Stephan, ZPO, 15. Aufl., § 550 Rz 11).
3. Nicht gefolgt werden kann jedoch - auch im Ergebnis nicht - den Ausführungen des Berufungsgerichts zum sogenannten Umstandsmoment. Das LAG hat den Tatbestand der Verwirkung als erfüllt angesehen, weil die Beklagten infolge der langen Untätigkeit des Klägers darauf hätten vertrauen dürfen, nicht verklagt zu werden.
a) Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht allerdings zunächst darin, das Verhalten des Klägers sei an sich geeignet, bei den Beklagten das Vertrauen zu begründen, er werde sich auf Unwirksamkeit der Kündigung nicht mehr berufen. Das Berufungsgericht hat insoweit zu Recht berücksichtigt, daß der Kläger seine Papiere entgegengenommen und sich in der Folge allein um seinen Hausbau gekümmert und daß er auch sonst in keiner Weise zu erkennen gegeben habe, er wolle die Kündigung nicht als wirksam anerkennen.
b) Der Zeitablauf und die Untätigkeit des Anspruchsberechtigten reichen allerdings für sich allein noch nicht aus, das Umstandsmoment auszufüllen (BAGE 11, 353 = AP, aaO; Senatsurteile vom 9. Januar 1987 - 2 AZR 36/86 - zu II 2 b der Gründe und - 2 AZR 126/86 - zu II 2 b der Gründe, beide nicht veröffentlich; BAG Urteil vom 10. Januar 1956, aaO; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Februar 1983, aaO; Arbeitsgericht Bielefeld, Urteil vom 22. November 1984, aaO; KR-Rost, aaO, Rz 40; KR-Friedrich, aaO, Rz 309).
c) Das Berufungsgericht hat demgegenüber zu Unrecht ohne weitere Feststellungen einen Vertrauenstatbestand allein wegen des Zeitablaufs und des Untätigbleibens des Klägers angenommen, womit nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts das Zeitmoment das Umstandsmoment gleichsam indiziert.
aa) Es folgert unzutreffend aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mitteilungspflicht der Schwerbehinderten (BAGE 39, 59 = AP Nr. 4 zu § 18 SchwbG), an das Vertrauensmoment seien keine strengen Anforderungen zu stellen, wenn es um einen Fall gehe, in dem es nach der gesetzlichen Wertung auf schnellstmögliche Klärung ankomme. In BAGE 39, 59 hat der Siebte Senat, worauf das Berufungsgericht abstellt, ausgeführt, wegen der Ausgestaltung der Frist als materiell-rechtliche Ausschlußfrist trete mit der Versäumung der Frist auch Verwirkung des besonderen Kündigungsschutzes der Schwerbehinderten ein, ohne daß der Arbeitgeber sonstige Verwirkungsgesichtspunkte, z.B. Vertrauens- und Umstandsmomente, darlegen und beweisen müsse. Damit würde dem im Kündigungsschutzrecht geltenden Grundsatz der Rechtsklarheit Rechnung getragen. Beim Abstellen auf eine nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilende Verwirkung würde eine die Interessen der Arbeitsvertragsparteien nachteilig berührende Unsicherheit herbeigeführt.
Wie das Landesarbeitsgericht verkennt, ist dieser zur materiell-rechtlichen Ausschlußfrist entwickelte Grundsatz auf Tatbestände der vorliegenden Art nicht übertragbar. Geringere Anforderungen an das Vorliegen des Umstandsmoments zu stellen, ist mit der für jeden Einzelfall vorzunehmenden Prüfung der unzulässigen Rechtsausübung nicht zu vereinbaren.
Dies gebietet schon die Verfassung. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG gewährleistet den ordentlichen Rechtsweg. Eine "Abschneidung der Klagebefugnis unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung" (Bötticher, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 242 BGB Prozeßverwirkung; eine Prozeßverwirkung lehnt auch Herschel, Anm. EzA Nr. 17 zu § 4 KSchG n.F. ab) stößt nur dann nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auf Bedenken, wenn der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (BVerfGE 32, 305, 308, 309). Auch das Bundesverfassungsgericht (aa0) fordert deshalb neben dem Zeitablauf allein, der zudem nicht zu kurz bemessen sein darf, daß durch das Verhalten des Berechtigten eine Situation geschaffen wird, auf die der Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf. Die Rechtsprechung hat auf solche Umstände auch immer entscheidend abgestellt.
bb) In der Revisionssache 2 AZR 126/86 (aaO) hat der erkennende Senat z.B. das Umstandsmoment u.a. durch eine zwei Monate vor Erhebung der gegen die Kündigung gerichteten Klage ebenfalls klageweise erhobene Forderung auf Zahlung eines Nachteilsausgleiches nach § 113 Abs. 3 BetrVG als erfüllt angesehen. Diese setze die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus. Die Beklagte habe schon diese Reaktion des Klägers dahin auffassen können, er sehe das Arbeitsverhältnis weiterhin als beendet an. Im Urteil vom 10. Januar 1956 (aaO) hat das Bundesarbeitsgericht Umstände vorausgesetzt, denen der Arbeitgeber habe entnehmen müssen, der Arbeitnehmer habe sich mit der Kündigung abgefunden, so daß er seine Betriebsführung demgemäß habe einrichten und ggf. andere Arbeitnehmer habe einstellen können. Das LAG Frankfurt (ARST 1980, Nr. 149) hat ebenso wie das LAG Berlin (aa0) verlangt, das Aufrechterhalten des Arbeitsverhältnisses dürfe dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar sein. Das Arbeitsgericht Bielefeld (aa0) hat das Umstandsmoment bejaht, weil der Arbeitgeber auf die Situation der Nichtverfolgung der Unwirksamkeit der Kündigung die endgültige Schließung des Betriebes beschlossen, gegenüber allen Arbeitnehmern aus diesem Grunde gekündigt sowie den Verkauf des noch vorhandenen Materials und Aufräumarbeiten vorgenommen hätte.
cc) Auch der Bundesgerichtshof verlangt in ständiger Rechtsprechung (BGHZ 25, 47, 52 und Urteil vom 24. März 1969 - II ZR 126/67 - WM 1969, 688 ff.), der Verpflichtete müsse auf das bisherige Verhalten des Anspruchsberechtigten vertrauen und sich darauf eingerichtet haben, dieser werde das ihm zustehende Recht nicht mehr geltend machen. Im Urteil vom 24. März 1969 (aa0) hat der BGH im Rahmen eines Rechtsstreits um die Höhe eines Gesellschaftsanteils trotz einer (nichtigen) Verzichtserklärung und zehnjähriger Praktizierung eines Gesellschaftsvertrages Feststellungen vermißt und deshalb auch keinen Raum für die Annahme der Verwirkung gesehen, die Beklagten hätten sich durch irgendwelche Dispositionen von einiger Tragweite auf die Fortgeltung der bisherigen Beteiligungsquoten eingerichtet und ihnen sei gerade deshalb nicht zuzumuten, dem Kläger die höhere Beteiligung noch heute zu gestatten.
4. Für den Streitfall ist darüberhinaus entscheidend, daß der Arbeitnehmer in Fällen des Betriebsüberganges im Gegensatz zu sonstigen Kündigungen oft vor einer Situation steht, die für ihn in ihrer Entwicklung noch unübersehbar ist.
a) Der Arbeitnehmer kann zumeist nicht sogleich beurteilen, ob der Betrieb - wie ihm gegenüber angegeben - tatsächlich stillgelegt oder in Wahrheit auf einen Erwerber übertragen worden ist. Ihm muß deshalb eine angemessene Zeitspanne zugebilligt werden, in der er die Entwicklung beobachten kann (BAGE 48, 40, 54 = AP Nr. 40 zu § 613 a BGB, zu II 2 d aa der Gründe; Senatsurteil vom 5. Dezember 1985 - 2 AZR 3/85 - AP Nr. 47 zu § 613 a BGB, zu B I der Gründe). Das gilt erst recht dann, wenn ein Betriebsübergang verschleiert und dem Arbeitnehmer dadurch die Durchsetzung seiner Ansprüche erschwert wird (so zutreffend Arbeitsgericht Pforzheim, Urteil vom 9. Dezember 1986 - 3 Ca 199/86 - ZIP 1987, 264 ff.).
Die Zumutbarkeit, sich auf eine Klage einlassen zu müssen, hängt immer auch davon ab, wie das Verhalten des Verpflichteten unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu beurteilen ist (BGHZ 25, 47, 52: ... von Bedeutung ist "ob dem Verpflichteten der Vorwurf einer unredlichen oder mindestens die Belange des Berechtigten schuldhaft außer acht lassenden Geschäftsgebarung trifft"). Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 4. Februar 1987 - 7 AZR 560/85 - n.v.) hat selbst eine nach vier Jahren auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses erhobene Klage nicht als verwirkt angesehen, weil ein Mitarbeiter des beklagten Arbeitgebers bei der Beendigungsmitteilung nicht beachtet hatte, daß auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Eintritts der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle bedurfte.
b) Das Berufungsgericht hat diese rechtlichen Gesichtspunkte zwar gesehen, bei Auswertung des Sachverhaltes jedoch nicht ausreichend berücksichtigt.
aa) Im Rahmen der Prüfung des Umstandsmomentes ist im Falle einer Betriebsübernahme zu berücksichtigen, ob ein Arbeitnehmer hierüber informiert war, ob er sich aus allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen hätte informieren können oder ob er gezielt darüber im Unklaren gelassen oder gar darüber getäuscht wurde, daß ein Erwerber in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer getreten ist.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision besteht zwar insoweit gegenüber dem Arbeitnehmer keine Unterrichtungspflicht. Die Bundesrepublik Deutschland hat von der in Art. 6 Abs. 5 der EG-Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen vom 14. Februar 1977 (77/187/EWG - zitiert nach RdA 1977, 162) den Mitgliedsstaaten überlassenen Möglichkeit, in betriebsratslosen Unternehmen eine Informationspflicht vorzusehen, allerdings keinen Gebrauch gemacht.
Das schließt aber nicht aus, das konkret gezeigte Verhalten von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber einerseits sowie Arbeitnehmer andererseits im Hinblick auf die Möglichkeit einer Kenntniserlangung des Arbeitnehmers vom Betriebsübergang im Rahmen des Umstandsmoments zu berücksichtigen. Wird der Arbeitnehmer bewußt getäuscht oder werden Maßnahmen getroffen, die geeignet sind, eine Betriebsveräußerung zu verschleiern, werden sich Betriebsveräußerer und/oder -erwerber länger auf eine Inanspruchnahme einstellen müssen, als wenn ein Arbeitnehmer vom Betriebsübergang unterrichtet worden ist.
cc) Bereits hinsichtlich der Frage des Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen die Rechtsfolge des Übergangs des Arbeitsverhältnisses geht die Rechtsprechung davon aus, die beteiligten Arbeitgeber hätten es in der Hand, sich insoweit Gewißheit zu verschaffen. Sie müßten dazu nur rechtzeitig alle betroffenen Arbeitnehmer über den geplanten Betriebsübergang informieren. Dadurch werde eine Erklärungsfrist in Gang gesetzt (vgl. BAG Urteil vom 17. November 1977 - 5 AZR 618/76 - AP Nr. 10 zu § 613 a BGB). Seiter (Betriebsinhaberwechsel, S. 71) sieht hierin eine Obliegenheit des Arbeitgebers, bei deren Nichterfüllung dieser das Risiko der späteren Ausübung des Widerspruchs trage.
dd) Hat der Arbeitgeber von sich aus keine Maßnahmen zur Unterrichtung seiner Arbeitnehmer getroffen, so ist es für die Bemessung des Umstandsmomentes wiederum von Bedeutung, ob der Arbeitgeber oder Betriebserwerber annehmen konnte, die Arbeitnehmer hätten auf andere Weise (z.B. Presse, Rundfunk) Kenntnis vom Betriebsübergang erlangt. In welchem Maße Verzögerung bei der Geltendmachung der Arbeitnehmer rechtlich hinzunehmen ist, ist daher immer eine Frage des Einzelfalles.
c) Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat insoweit nicht möglich.
aa) Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Klägers ist zwischen den Parteien streitig. Die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Verwirkungstatbestandes obliegt den Beklagten als den Verpflichteten. Der Umstand, daß der Beklagte zu 2) im Kündigungsschreiben und der Ziff. 11 der Betriebsvereinbarung auf eine Betriebsstillegung zum Jahresende abgestellt hat, spricht dafür, daß er den Kläger nicht über den Betriebsübergang informiert hat. Ein gegen das Umstandsmoment sprechender Gesichtspunkt ist auch der unwidersprochene Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 29. Juli 1986, Arbeitnehmer, die eine Kündigungsschutzklage erheben, hätten von Abfindungszahlungen ausgeschlossen sein sollen.
bb) Hingegen spräche für eine Verwirkung, wenn der Kläger eine doppelte Abfindung mit der Begründung beansprucht hätte, er sei nicht übernommen worden. In dieser Klausel wird § 613 a BGB nämlich im Zusammenhang mit einem "Erwerber des Betriebes" genannt. Für eine Verwirkung könnte weiter der Wortlaut des vom Kläger an die Beklagte zu 1) gerichteten Schreibens vom 29. September 1983 sprechen, wonach er "erst jetzt erfahren" habe, "daß diese Kündigung unwirksam war". Das Berufungsgericht wird aufzuklären haben, ob der Kläger damit hat zum Ausdruck bringen wollen, er habe erst jetzt die Tatsache des Obsiegens in den ihm u.U. schon vorher bekannten Prozessen erfahren, oder ob er geltend machen will, er habe im Zusammenhang mit den Prozeßausgängen überhaupt erst vom Betriebsübergang erfahren. Ebenso wird dem bisher unsubstantiierten Vortrag der Beklagten durch Aufklärung nachzugehen sein, die Betriebsfortführung sei durch "alle Zeitungen" gegangen. Insoweit kann es von Bedeutung sein, was wann an welcher Stelle welcher Zeitung veröffentlicht worden ist. Sofern die Beklagten den Kläger nicht bewußt getäuscht haben, hätte nämlich bei ihnen im Hinblick auf das Umstandsmoment dann die zu berücksichtigende Vorstellung bestehen können, der Betriebsübergang sei allen Arbeitnehmern bekannt gewesen.
cc) Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Aspekte kann der Beklagten zu 1) im Streitfall auch nach einem Zeitraum von rund elf Monaten bei bloßer Nichtinformation nicht unzumutbar sein, sich auf die Klage einzulassen, wenn der Kläger erst im September 1983 vom Betriebsübergang erfahren haben sollte. Das Berufungsgericht hat diesem Umstand keine Bedeutung beigemessen, weil es unzutreffend davon ausgegangen ist, auf die Kenntnis des Berechtigten von diesen Umständen komme es nicht an.
dd) Sofern für die Inanspruchnahme des Beklagten zu 2) ein Rechtsschutzinteresse besteht, was der Senat aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend entscheiden kann, wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, daß dieser erst nach Ablauf weiterer vier Monate nach der vom Kläger hinsichtlich der Betriebsfortführung behaupteten Kenntniserlangung im September 1983 am 9. Januar 1984 verklagt worden ist. Der Kläger hat bisher nicht dargetan, warum er nicht in der Lage gewesen sein soll, seine Rechte gegen den Beklagten zu 2) im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der behaupteten Kenntniserlangung geltend zu machen. Aus dem Umstand, daß er zunächst nur die Beklagte zu 1) verklagte und gegen den Beklagten zu 2) weitere drei Monate nichts unternahm, hätte für diesen die Vorstellung erwachsen können, mit einer Klage gegen ihn sei nicht mehr zu rechnen. Sofern der Beklagte zu 2) nicht unredlich gehandelt hat, wäre dies schutzwürdig, da sich die Tatsache der bloßen Nichtunterrichtung über die Betriebsveräußerung nach September 1983 nicht mehr auswirken konnte.
Soweit der Kläger die Klage auch auf § 15 KSchG stützt, ist insoweit beachtlich, daß er die auf diesen Unwirksamkeitsgrund gestützte Feststellungsklage bereits erheblich kürzere Zeit nach Ausspruch der Kündigung hätte erheben können.
5. Gelangt das Berufungsgericht zu der Auffassung, das Klagebegehren sei noch nicht verwirkt, so wird es zu prüfen haben, ob die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 BGB erfolgt ist.
a) Hierbei hat das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen, daß der Kläger die Voraussetzungen des Kündigungsverbotes darzulegen und zu beweisen hat. Er hat darzutun, ob der Betriebsübergang der maßgebende Beweggrund für die Kündigung gewesen ist (BAGE 43, 13, 21, 23 = AP, aa0, zu III 1 und V 1 der Gründe). Da vorliegend die Unwirksamkeit der Kündigung nur davon abhängt, ob das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB eingreift, muß nämlich der Arbeitnehmer die Voraussetzungen dieser Vorschrift darlegen und beweisen.
Bei der Anwendung von § 613 a Abs. 4 BGB ist stets zu prüfen, ob es neben dem Betriebsübergang einen "sachlichen Grund" gibt, der "aus sich heraus" die Kündigung zu rechtfertigen vermag, so daß der Betriebsübergang nur äußerlicher Anlaß, nicht aber der tragende Grund für die Kündigung gewesen ist (vgl. Urteil vom 27. September 1984, aa0, zu III 1 der Gründe). Zu diesen "sachlichen Gründen" gehört auch die ernsthafte und endgültige Stillegungsabsicht, wenn sie bereits greifbare Formen angenommen hat. Es spricht aber eine tatsächliche Vermutung gegen eine endgültige Stillegungsabsicht, wenn es vor Ablauf der Kündigungsfrist zu einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang kommt (BAG Urteil vom 27. September 1984 - 2 AZR 309/83 - AP Nr. 39 zu § 613 a BGB).
b) Wird die Kündigung, wie vorliegend von den Beklagten behauptet, auf die Stillegungsabsicht gestützt, muß zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose gerechtfertigt haben, bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist werde das erwartete Ereignis eingetreten oder sei die geplante Maßnahme durchgeführt und der Arbeitnehmer somit entbehrlich sein (Senatsurteil vom 27. Februar 1987, aa0; BAG Urteil vom 23. März 1984 - 7 AZR 409/82 - AP Nr. 38 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; Urteil vom 27. Februar 1987 - 7 AZR 652/85 - BB 1987, 2021 ff.; BAGE 47, 13, 23 = AP, aa0, zu B III 3 a der Gründe; BAGE 6, 1, 3 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Für die Annahme einer endgültigen Stillegungsabsicht reicht es nicht aus, wenn die Stillegung zwar im Gespräch und für den Fall des Scheiterns geplanter Sanierungsmaßnahmen als letztes Mittel vorgesehen war, jedoch nur ebenso im Bereich des möglichen lag wie eine andere angestrebte Maßnahme zur Erhaltung des Betriebs und der Arbeitsplätze (BAGE 47, 13 = AP, aa0, zu B III 3 b aa der Gründe).
c) Gegen eine ernsthafte Stillegungsabsicht spricht eine tatsächliche Vermutung, wenn der Betrieb alsbald wiedereröffnet wird oder es vor Ablauf der Kündigungsfrist zu einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang kommt (BAG Urteil vom 26. Februar 1987, aa0; BAGE 47, 13 = AP, aa0; BAG Urteil vom 3. Juli 1986 - 2 AZR 68/85 - AP Nr. 53 zu § 613 a BGB, zu B III 1 der Gründe; Urteil vom 5. Dezember 1985 - 2 AZR 3/85 - AP Nr. 47 zu § 613 a BGB, zu B II 2 b der Gründe). Dies gilt verstärkt dann, wenn die Produktion praktisch nicht unterbrochen war (BAGE 47, 13 = AP, aa0, zu B III 3 b bb der Gründe). Es ist dann Sache des in Anspruch genommenen Arbeitgebers, diese Vermutung durch Darlegung von Tatsachen, die für eine Stillegung sprechen, zu widerlegen.
Das Berufungsgericht wird zu beachten haben, daß im Streitfall mehrere Gesichtspunkte gegen eine ernsthafte Stillegungsabsicht des Beklagten zu 2) sprechen.
Der Senat ist bereits in einem Parallelprozeß im Urteil vom 5. Dezember 1985 (aa0) aufgrund des Kaufvertrages vom 30. November 1982 und der Produktionsaufnahme vom 1. Dezember 1982 von einer gegen eine endgültige Stillegungsabsicht sprechenden tatsächlichen Vermutung ausgegangen. Diese Vermutung hat er durch die vom Beklagten zu 2) geäußerte Hoffnung, den Betrieb erhalten zu können, und die Verkaufsgespräche mit dem Geschäftsführer L bekräftigt gesehen. Er hat weiter ausgeführt, auch der Interessenausgleich zum Sozialplan spreche trotz des Eingangssatzes "Die Vertragsschließenden sind sich darüber einig, daß im Rahmen des eingeleiteten Konkursverfahrens der Betrieb zum 31. 12. 1982 stillgelegt werden muß" eher gegen eine endgültige Stillegungsabsicht.
Der Sozialplan enthalte nämlich mehrere Regelungen, die eine Betriebsveräußerung voraussetzen: So sollen nach Ziffer 2.2. f) "Arbeitnehmer, die von einem Erwerber des Betriebs oder eines Betriebsteils weiterbeschäftigt werden (§ 613 a BGB)" keine Ansprüche haben und sich der Abfindungsbetrag für diejenigen Arbeitnehmer, die im Zuge eines Verkaufes des Betriebes vom Käufer nicht übernommen werden, verdoppeln. Besteht eine tatsächliche Vermutung gegen die endgültige Stillegungsabsicht des Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung, muß der Beklagte diese Vermutung widerlegen oder andere sachliche Gründe darlegen.
III. Wegen der nach alledem erforderlichen weiteren Aufklärung des Sachverhaltes war der Rechtsstreit nach § 565 Abs. 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Dr. Müller Dr. Bobke
Fundstellen
BB 1989, 990-992 (LT1-2) |
DB 1988, 2156-2158 (LT1-2) |
EWiR 1988, 1161-1161 (L1-2) |
Gewerkschafter 1989, Nr 2, 39-39 (T) |
JR 1989, 132 |
NZA 1989, 16-18 (LT1-2) |
RdA 1988, 381 |
RzK, I 10c Nr 15 (LT1-2) |
ZIP 1988, 1595 |
ZIP 1988, 1595-1601 (LT1-2) |
AP § 242 BGB Prozeßverwirkung (LT1-2), Nr 5 |
AR-Blattei, ES 1720 Nr 4 (LT1-2) |
AR-Blattei, Verwirkung Entsch 4 (LT1-2) |
EzA § 242 BGB Prozeßverwirkung, Nr 1 (LT1-2) |