Entscheidungsstichwort (Thema)
Reisekostenvergütung. Monatliche Pauschale
Orientierungssatz
Die Regelungslücke in Nr 10 Abs 6 SR 2a zu § 38 MTArb kann auf verschiedene Weise geschlossen werden. Die Tarifvertragsparteien können zB als Bezugsgröße statt der bisherigen Reisekostenstufe A einen der in § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 5 Satz 2 EStG genannten Beiträge wählen und diesen mit einem Multiplikator versehen, der nicht unbedingt mit dem bisherigen übereinstimmen müßte. Denkbar wäre auch, daß sich die Tarifvertragsparteien bezüglich der Höhe der monatlichen Pauschalvergütung von den für die Beamten geltenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen lösen und diese eigenständig im Tarifvertrag beziffern. Es gibt daher eine Vielzahl von Möglichkeiten, die entsprechende Tariflücke sachgerecht zu schließen. In Anbetracht der bestehenden Tarifautonomie muß die Neuregelung den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben.
Tenor
1. Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 17. Dezember 1998 - 5 Ca 248/98 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Sprungrevision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine pauschale Reisekostenvergütung des Klägers für die Monate September 1997 bis Mai 1998.
Der Kläger ist seit 1977 als Kolonnenarbeiter bei dem beklagten Land beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder vom 6. Dezember 1995, gültig ab 1. März 1996 (MTArb) Anwendung. § 38 MTArb lautet auszugsweise wie folgt:
"Entschädigung bei Dienstreisen, Abordnungen und Dienstgängen
(1) Für die Erstattung von
a) Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge (Reisekostenvergütung)
...
sind die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen ... sinngemäß anzuwenden ..."
Nr. 10 SR 2 a zu § 38 MTArb lautet auszugsweise:
"Zu § 38 - Entschädigung bei Dienstreisen, Abordnungen und Dienstgängen
(1) Der Arbeiter erhält ein Wegegeld für jeden Tag, an dem
a) eine Rückkehr an den Wohnort möglich ist,
b) der Weg in den Fällen der Nr. 4 Abs. 2 Buchst. a zur Wärterstrecke, im übrigen zum Sammelplatz oder zum Arbeitsplatz außerhalb der Arbeitszeit zurückgelegt wird und
Wärterstrecke, im übrigen zum Sammelplatz oder zum
c) die kürzeste befahrbare Wegstrecke von der Mitte des Wohnortes in den Fällen der Nr. 4 Abs. 2 Buchst. a bis zur Wärterstrecke, im übrigen bis zum Sammelplatz oder Arbeitsplatz 5 km überschreitet. ...
...
(4) Der Arbeiter erhält für jeden Tag, an dem sein Arbeitsplatz so weit von seiner Wohnung entfernt ist, daß er das Mittagessen nicht zu Hause einnehmen kann und die Überbringung an den Arbeitsplatz nicht zumutbar ist, ein Zehrgeld von 4,49 DM.
...
(6) Die Ansprüche der ständigen Lastkraftwagenfahrer, der ständigen Beifahrer, der ständigen Bedienungsmannschaften wandernder maschineller Geräte, der ständigen Angehörigen von Unterhaltungstrupps (Kolonnenarbeiter), der Streckenwarte (Verkehrssicherheitswarte, motorisierten Straßenwarte), der ständigen Baumwarte, der ständigen Bauaufseher sowie der ständigen Meßgehilfen auf Reisekostenvergütungen für Dienstreisen und Dienstfahrten einschließlich Zehrgeld werden durch eine monatliche Pauschvergütung abgegolten. Die Pauschvergütung beträgt das Fünffache des vollen Tagegeldes der Reisekostenstufe A, im Lande Hessen der Reisekostenstufe II. ... Daneben wird Wegegeld nach den Absätzen 1 und 2 gezahlt. Wird aus dienstlichen Gründen eine Übernachtung erforderlich, wird daneben das Übernachtungsgeld nach den Reisekostenvorschriften gezahlt. ...
..."
§ 9 des für die Beamten des beklagten Landes geltenden Landesreisekostengesetzes (LRKG) lautete bis zum 31. August 1997 auszugsweise wie folgt:
"§ 9
Tagegeld
(1) Das Tagegeld beträgt für eine Dienstreise, die nicht mehr als einen vollen Kalendertag beansprucht, in
Reisekostenstufe A 25,00 DM
Reisekostenstufe B 28,00 DM
Reisekostenstufe C 31,00 DM.
Bei einer Dienstreisedauer bis zu 12 Stunden gilt Absatz 3.
...
(3) Für eine Dienstreise, die keinen vollen Kalendertag beansprucht, oder für den Tag des Antritts und den Tag der Beendigung einer mehrtägigen Dienstreise beträgt das Tagegeld bei einer Dauer der Dienstreise
von mehr als sechs bis acht Stunden drei Zehntel des vollen Satzes,
von mehr als acht bis zwölf Stunden fünf Zehntel des vollen Satzes,
von mehr als zwölf Stunden den vollen Satz.
..."
Der Kläger erhielt bis zum 31. August 1997 eine monatliche Pauschvergütung von 125,00 DM.
Mit Wirkung zum 1. September 1997 wurde das Landesreisekostengesetz des beklagten Landes geändert. § 8 LRKG, der die Einreihung der Beamten in die Reisekostenstufen A, B und C, je nach Besoldungsgruppe, vorsah, wurde aufgehoben. § 9 LRKG lautet seit dem 1. September 1997:
"Die Höhe des Tagegeldes zur Abgeltung von Mehraufwendungen und Verpflegung bei Dienstreisen bestimmt sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommenssteuergesetzes."
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG lautet:
"Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, ist für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt
a) 24 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 46,00 Deutsche Mark,
b) weniger als 24 Stunden, aber mindestens 14 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 20,00 Deutsche Mark,
c) weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 10,00 Deutsche Mark
abzuziehen; eine Tätigkeit, die nach 16 Uhr begonnen und vor 8 Uhr des nachfolgenden Kalendertags beendet wird, ohne daß eine Übernachtung stattfindet, ist mit der gesamten Abwesenheitsdauer dem Kalendertag der überwiegenden Abwesenheit zuzurechnen."
Das Finanzministerium des beklagten Landes setzte durch Erlaß vom 21. August 1997 (1-0352.2-01/1) die monatliche Pauschvergütung unter Zugrundelegung einer Bezugsgröße von 18,00 DM auf 90,00 DM fest. Diesen Betrag zahlt das beklagte Land seit dem 1. September 1997 an den Kläger. Mit der Klage hat dieser Zahlung des Unterschiedsbetrags zu der bis dahin gezahlten Pauschvergütung von jeweils 35,00 DM für die Monate September 1997 bis Mai 1998 begehrt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die tarifliche Bemessungsgrundlage für die monatliche Pauschvergütung, dh. das Fünffache des vollen Tagegeldes der Reisekostenstufe A, wirke nach § 4 Abs. 5 TVG bis zu einer Neuregelung durch die Tarifvertragsparteien nach. Durch die grundlegende Änderung der für die Beamten geltenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen, insbesondere den Wegfall der Reisekostenstufe A, auf die der Tarifvertrag verweise, sei zwar eine nachträgliche Tariflücke entstanden. Diese sei jedoch vom Gericht durch systemkonforme ergänzende Auslegung zu schließen. Die Arbeitnehmergruppe, der er angehöre, solle nach dem Willen der Tarifvertragsparteien einen angemessenen Ausgleich für die durch den kontinuierlichen Außendienst entstehenden Aufwendungen erhalten. Dazu sei die tarifliche Verweisungsregelung vereinbart worden, die zu einem monatlichen Pauschalbetrag von 125,00 DM geführt habe. Die geänderte Reisekostenregelung für Beamte ergebe unter keinen Umständen einen vergleichbaren Betrag. Deshalb müsse die tarifliche Verweisung als statisch angesehen werden mit der Folge, daß das bis zum 31. August 1997 geltende volle Tagegeld der Reisekostenstufe A bis zu einer Neuregelung durch die Tarifvertragsparteien weiterhin als Bemessungsgrundlage für die monatliche Pauschvergütung anzuwenden sei. Dafür spreche bereits der Wortlaut des Tarifvertrags, der vom Bestehen einer fest definierten "Reisekostenstufe A" und dem dazu gehörigen Tagegeld für einen vollen Kalendertag ausgehe.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 315,00 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem jeweiligen Fälligkeitstag auf den entsprechenden Nettobetrag zu bezahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, die tarifliche Regelung enthalte hinsichtlich der monatlichen Pauschvergütung eine dynamische Verweisung auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen. Nach dem Wegfall der Reisekostenstufe A sei die tariflich gewählte Bezugsgröße entfallen. Zwar liege es nahe, nunmehr das niedrigste Tagegeld bei einer Abwesenheit von mehr als zwölf Stunden nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG, dh. 10,00 DM, als Bezugsgröße für die Berechnung der monatlichen Pauschvergütung zugrundezulegen, weil zuvor das volle Tagegeld der Reisekostenstufe A der niedrigste Tagessatz für Dienstreisen mit einer Abwesenheitsdauer von mehr als zwölf Stunden gewesen sei. Gleichwohl gewähre das beklagte Land den betroffenen Arbeitnehmern, so auch dem Kläger, nicht nur den fünffachen Betrag von 10,00 DM, sondern insgesamt 90,00 DM. Vertrete man hingegen die Auffassung, durch den Wegfall der Reisekostenstufen im Landesreisekostengesetz sei eine nachträgliche Tariflücke entstanden, könne diese von den Gerichten für Arbeitssachen nicht geschlossen werden, weil es mehrere Möglichkeiten gebe, die Höhe der monatlichen Pauschvergütung zu regeln. Die Entscheidung darüber sei allein von den Tarifvertragsparteien zu treffen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Mit der Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt, die Sprungrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat für die Monate September 1997 bis Mai 1998 keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Pauschvergütung von 125,00 DM. Zwar hat das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen, auf das Arbeitsverhältnis seien die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für Arbeiter der Länder (MTL II) anzuwenden und nicht die diesen Tarifvertrag seit dem 1. März 1996 und damit bereits im streitgegenständlichen Zeitraum (September 1997 bis Mai 1998) ersetzenden Vorschriften des Manteltarifvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder vom 6. Dezember 1995 (MTArb). Auf diesem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil jedoch nicht. Der Kläger hat auch nach § 38 Abs. 1 MTArb und Nr. 10 SR 2 a zu § 38 MTArb im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Pauschvergütung von 125,00 DM.
1. Nach § 38 Abs. 1 Buchst. a MTArb sind für die Erstattung von Dienstreisen und Dienstgängen (Reisekostenvergütung) die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen mit bestimmten, in der Tarifnorm genannten Maßgaben sinngemäß anzuwenden. Dies sind hier die Regelungen des Landesreisekostengesetzes des beklagten Landes. Die Arbeiter des beklagten Landes sind nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 MTArb der Reisekostenstufe A zugeteilt. Nach Nr. 10 Abs. 6 SR 2 a zu § 38 MTArb werden die Ansprüche bestimmter Arbeitnehmergruppen, ua. der Kolonnenarbeiter, zu denen der Kläger gehört, auf Reisekostenvergütungen für Dienstreisen und Dienstfahrten einschließlich Zehrgeld durch eine monatliche Pauschvergütung in Höhe des Fünffachen des vollen Tagegeldes der Reisekostenstufe A abgegolten. Der Tarifvertrag enthält daher eine eigenständige Regelung über die Reisekostenvergütung dieser Arbeitnehmer. Sie erhalten - anders als die Beamten und andere Arbeitnehmergruppen - eine pauschalierte Reisekostenvergütung. Die Höhe der Pauschvergütung haben die Tarifvertragsparteien nicht abschließend festgelegt. Sie haben vielmehr auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen verwiesen, indem sie als Bezugsgröße für die Berechnung der monatlichen Pauschale das "volle Tagegeld der Reisekostenstufe A" bestimmt haben. Dadurch wird ersichtlich bezweckt, daß sich Veränderungen der Höhe des Tagegeldes der Reisekostenstufe A auch auf die monatliche Pauschvergütung auswirken sollten. Die tarifliche Regelung enthält daher insoweit, wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, eine dynamische Verweisung auf das Landesreisekostengesetz.
2. Durch den Wegfall der Reisekostenstufe A und der übrigen Reisekostenstufen im Landesreisekostengesetz des beklagten Landes zum 1. September 1997 ist die Bezugsgröße für die Berechnung der monatlichen Pauschvergütung entfallen. Die Reisekostenvergütung der Beamten des beklagten Landes richtet sich seitdem nicht mehr nach Reisekostenstufen, vielmehr errechnet sie sich für alle Beamten einheitlich nach der Dauer der Abwesenheit von der Wohnung bzw. dem Tätigkeitsmittelpunkt.
Aufgrund dieser Änderung des Landesreisekostengesetzes läßt sich die Höhe der monatlichen Pauschvergütung des Klägers seit dem 1. September 1997 nicht mehr bestimmen. Die vom beklagten Land gewählte Bezugsgröße von 18,00 DM ergibt sich weder aus dem Tarifvertrag noch aus den geänderten Bestimmungen des Landesreisekostengesetzes. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ist die tarifliche Regelung nicht dahingehend auszulegen, daß nunmehr der niedrigste der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG genannten Beträge, dh. 10,00 DM, als Bezugsgröße für die Berechnung der monatlichen Pauschvergütung zugrundezulegen ist. Einer solchen Auslegung steht bereits der Tarifwortlaut entgegen, der eindeutig auf das - nicht mehr gesetzlich geregelte - volle Tagegeld der Reisekostenstufe A verweist. Außerdem ist der Betrag von 10,00 DM in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG mit dem früheren vollen Tagegeld der Reisekostenstufe A strukturell nicht vergleichbar.
Zwar haben die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des Tarifvertrags den vollen Tagessatz der niedrigsten Reisekostenstufe nach den damals für Beamte geltenden Reisekostenbestimmungen als Bezugsgröße für die Berechnung der monatlichen Pauschvergütung vereinbart. Eine vergleichbare Bezugsgröße gibt es in dem seit dem 1. September 1997 geltenden Landesreisekostengesetz des beklagten Landes jedoch nicht. Dieses enthält, anders als die Vorgängerregelung, keine betragsmäßige Staffelung der Reisekostenvergütung nach Besoldungsgruppen, vielmehr ist die Höhe des Tagegeldes ausschließlich abhängig von der Dauer der Abwesenheit. Zwar war auch nach § 9 LRKG in der bis zum 31. August 1997 geltenden Fassung die Dauer der Abwesenheit für die Höhe des Tagegeldes von Bedeutung. Es galten aber andere Abwesenheitszeiten als nach der jetzigen Regelung. Nach § 9 LRKG aF war das volle Tagegeld bereits bei einer Abwesenheit von mehr als 12 Stunden bis zu 24 Stunden zu zahlen. Bei einer Abwesenheit von acht bis 12 Stunden betrug das Tagegeld 5/10, bei einer Abwesenheit von sechs bis acht Stunden 3/10 des vollen Satzes. Nach § 9 LRKG nF iVm. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG besteht Anspruch auf das volle Tagegeld von 46,00 DM nur bei einer Abwesenheit von 24 Stunden, bei einer Abwesenheit von 14 bis 24 Stunden beträgt das Tagegeld 20,00 DM, bei einer Abwesenheit von acht bis 14 Stunden 10,00 DM. Damit haben sich die Anspruchsvoraussetzungen für die Reisekostenvergütung der Beamten des beklagten Landes grundlegend geändert. Das niedrigste Tagegeld nach § 9 LRKG nF iVm. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG ist mit dem früheren vollen Tagegeld der Reisekostenstufe A schon deshalb nicht vergleichbar, weil jenes für eine Abwesenheit zwischen acht und 14 Stunden gezahlt wird, dieses hingegen für eine Abwesenheit von 12 bis 24 Stunden gezahlt wurde. Auch das volle Tagegeld nach § 9 LRKG nF iVm. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG entspricht nicht dem früheren vollen Tagegeld der Reisekostenstufe A, denn es setzt eine Abwesenheit von 24 Stunden voraus, während dieses bereits bei einer Abwesenheit von mehr als 12 Stunden gezahlt wurde. Die seit dem 1. September 1997 für die Beamten des beklagten Landes geltenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen sind daher mit den bis dahin geltenden Regelungen nicht vergleichbar. Deshalb läßt sich auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, bestimmten Arbeitnehmergruppen eine pauschale Reisekostenvergütung zu gewähren, die sich am vollen Tagegeld der Reisekostenstufe A orientiert, die Höhe der monatlichen Pauschvergütung nach der Gesetzesänderung nicht mehr bestimmen.
3. Die zum 1. September 1997 eingetretene Änderung in dem für die Beamten des beklagten Landes geltenden Reisekostenrecht war für die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des Tarifvertrags nicht absehbar. Zwar mußten sie mit Veränderungen der Höhe des Tagegeldes der Reisekostenstufe A rechnen. Solche Veränderungen haben sie auch bewußt und gewollt in Kauf genommen, wie die dynamische Verweisung zeigt. Mit einer vollständigen Änderung der für die Beamten geltenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen, insbesondere dem Wegfall der Reisekostenstufe A, konnten und mußten sie jedoch nicht rechnen. Durch die Änderung der in Bezug genommenen reisekostenrechtlichen Bestimmungen für die Beamten des beklagten Landes ist daher nachträglich eine Regelungslücke im Tarifvertrag entstanden. Diese kann, wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, nicht im Wege ergänzender Auslegung durch das Gericht geschlossen werden.
a) Zwar sind auch tarifvertragliche Regelungen grundsätzlich einer ergänzenden Auslegung zugänglich, jedenfalls dann, wenn der Tarifvertrag - wie hier - nachträglich lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte die Möglichkeit und Pflicht, die Lücke, ggf. unter Rückgriff auf eine artverwandte und vergleichbare Regelung, zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, wie die Tarifvertragsparteien den Sachverhalt bei Kenntnis der Lücke geregelt hätten (BAG 23. Januar 1980 - 4 AZR 105/78 - BAGE 32, 364, 369; 24. Februar 1988 - 4 AZR 614/87 - BAGE 57, 334; 10. Dezember 1986 - 5 AZR 517/85 - BAGE 54, 30, 35; 3. November 1998 - 3 AZR 432/97 - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 41 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 31; 20. Mai 1999 - 6 AZR 451/97 - AP TVAL II § 42 Nr. 7 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 4, zu B I 2 der Gründe). Diese Auslegung scheidet allerdings aus, wenn verschiedene Möglichkeiten bestehen, die Lücke zu schließen. In diesem Fall muß es allein den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben zu entscheiden, welche Lösungsmöglichkeit gewählt werden soll. Eine Ausfüllung der Lücke durch das Gericht würde einen unzulässigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie bedeuten (BAG 10. Dezember 1986 aaO; 3. November 1998 aaO; 20. Mai 1999 aaO; Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 817; vgl. auch Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn. 424 ff. , 428; Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. Grundlagen Rn. 334 und 335).
b) Die Regelungslücke in Nr. 10 Abs. 6 SR 2 a zu § 38 MTArb kann auf verschiedene Weise geschlossen werden. Die Tarifvertragsparteien könnten zB als Bezugsgröße statt der bisherigen Reisekostenstufe A einen der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG genannten Beträge wählen und diesen mit einem Multiplikator versehen, der nicht unbedingt mit dem bisherigen übereinstimmen müßte. Denkbar wäre auch, daß sich die Tarifvertragsparteien bezüglich der Höhe der monatlichen Pauschvergütung von den für die Beamten geltenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen lösen und diese eigenständig im Tarifvertrag beziffern. Es gibt daher eine Vielzahl von Möglichkeiten, die entstandene Tariflücke sachgerecht zu schließen. In Anbetracht der bestehenden Tarifautonomie muß die Neuregelung den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben.
c) Dem steht die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 1982 (- 3 AZR 251/80 - BAGE 41, 163) nicht entgegen, in der der Dritte Senat sich gezwungen sah, eine Regelungslücke systemkonform zu schließen, weil nur auf diese Weise die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG beseitigt werden konnte. Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Ein Verstoß der Tarifregelung gegen den Gleichheitssatz steht nicht in Rede.
4. Entgegen der Auffassung des Klägers wirkt Nr. 10 Abs. 6 SR 2 a zu § 38 MTArb nicht nach. Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags nach dessen Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Der MTArb und die dazu gehörigen Sonderregelungen sind jedoch nicht abgelaufen. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 TVG sind daher nicht erfüllt.
5. Die Kostenentscheidung beruht daher auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Peifer Dr. Armbrüster Gräfl
Zuchold Augat
Fundstellen