Normenkette
BGB § 611; ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 4, § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 26.10.1977; Aktenzeichen 2 Sa 474/75) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 1977 – 2 Sa 474/75 – wird zurückgewiesen. Die Urteilsformel wird in ihrem zur Sache entscheidenden Teil wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß sich der Kläger beim Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet.
Es wird weiter festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger in dem zeitlichen Umfang zu beschäftigen, wie sie ihn in der letzten Zeit vor dem 30. November 1974 beschäftigt hat.
- Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war bis zum Jahre 1971 einige Jahre als Sprecher für den Beklagten tätig. Ab 1. September 1971 moderierte er die Hörfunksendung “Herzlichen Glückwunsch”, die werktags von 9.00 bis 10.00 Uhr ausgestrahlt wurde. Der Kläger war für diese Sendung ein über die andere Woche von montags bis freitags tätig; er wechselte wöchentlich mit der Moderatorin Frau C… ab. Der Beklagte zahlte ihm zuletzt pro Sendung 150,-- DM brutto. Außerdem wurde der Kläger noch als Sprecher verwendet. Sein beim Beklagten erzielter Bruttoverdienst betrug im Monatsdurchschnitt 2.000,-- DM.
Die genannte Sendung wurde am 30. November 1974 eingestellt. Seit dieser Zeit moderierte der Kläger an jedem 4. Montag im Monat eine Tanzmusiksendung unter dem Titel “Stars und Bands = Tanzmusik”.
In der am 27. November 1974 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, er sei Arbeitnehmer des Beklagten. Seine Feststellungsklage hat er in erster Linie mit seiner Tätigkeit als Moderator für die Sendung “Herzlichen Glückwunsch” begründet. Er hat dazu behauptet, der Beklagte habe ihm genaue Dienstanweisungen für seine Tätigkeit als Moderator gegeben. Er habe ihm praktisch den Inhalt der Sendung vorgeschrieben. Er sei ohne Einzelabsprache eingesetzt worden. Daneben hat der Kläger noch auf seine Sprechertätigkeit verwiesen. In bezug auf diese Tätigkeit hat der Kläger behauptet, der Beklagte habe auch für ihn Dienstpläne erstellt, er habe ihn in seine Sendetermine ohne weitere Absprache eingeplant. Ende November 1974 – als die Sendung “Herzlichen Glückwunsch” abgesetzt worden sei – habe der Hörfunkdirektor des Beklagten (Herr J…) ihm eine kontinuierliche Weiterbeschäftigung zugesagt. Nach Erhebung der Klage sei er nicht mehr zu Sprecherdiensten herangezogen worden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß er sich beim Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinde.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, ein etwaiges Dauerrechtsverhältnis sei zeitlich auf die Dauer der Sendung “Herzlichen Glückwunsch” beschränkt gewesen. Die Tätigkeit des Klägers sei die eines freien Mitarbeiters gewesen. Der Kläger sei in der Gestaltung der Sendung frei gewesen und habe nur allgemeine Richtlinien beachten müssen. Als Sprecher sei er nur gelegentlich zur Aushilfe herangezogen worden. Er habe mit dem Kläger jeden Einsatz vereinbart, seine Dienste seien nicht eingeplant worden. Jetzt werde der Kläger mit seinem Einverständnis nur in der Unterhaltungssendung “Stars und Bands = Tanzmusik” tätig. Bei Übernahme dieses Auftrags sei dem Kläger erklärt worden, man wolle seine Leistung nur für diese Sendung haben. Damit sei der Kläger einverstanden gewesen. Gelegentlich würden auch in der letzten Zeit Sprecherleistungen mit dem Kläger vereinbart.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 22. April 1975 wie folgt erkannt:
“Es wird festgestellt, daß sich der Kläger bei dem Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.”
Durch Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 15. Dezember 1975 – 2 Sa 474/75 – wurde die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil kostenpflichtig zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Tätigkeit des Klägers in der Sendung “Herzlichen Glückwunsch” sei die eines Arbeitnehmers gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei nicht auf die Dauer dieser Sendung befristet gewesen. Der Beklagte sei deshalb verpflichtet, den Kläger nach Absetzen dieser Glückwunschsendung anderweitig einzusetzen.
Auf die Revision des Beklagten hat der Senat durch Urteil vom 22. Juni 1977 – 5 AZR 155/76 – das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Senat ist davon ausgegangen, daß der Kläger mit der erhobenen Klage von Anfang an ein doppeltes Klageziel verfolgt habe: Er habe mit seinem Antrag nicht nur den Status als Arbeitnehmer geklärt wissen wollen; zugleich habe er die Feststellung begehrt, daß der Beklagte ihn im gleichen Umfang beschäftigen müsse, wie das bis zum 30. November 1974 der Fall war. In der Sache selbst konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Er hat zwar angenommen, der Kläger sei Arbeitnehmer des Beklagten gewesen, solange er die Sendung “Herzlichen Glückwunsch” moderiert habe. Dem Berufungsgericht müsse auch darin beigepflichtet werden, daß dieses Arbeitsverhältnis nicht als befristetes Arbeitsverhältnis am 30. November 1974 geendet habe. Für die Statusbeurteilung und für die Feststellung, in welchem zeitlichen Umfang ein Sender zur Beschäftigung des Mitarbeiters verpflichtet sei, komme es aber auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht an. In diesem Zeitpunkt sei der Kläger in zeitlich erheblich geringerem Umfang und unter Bedingungen tätig geworden, die im einzelnen noch nicht aufgeklärt seien. Das wäre nur dann unbeachtlich, wenn der Kläger dieser Änderung seiner Arbeitsbedingungen widersprochen hätte. Es müsse daher geprüft werden, ob das von dem Beklagten behauptete Einverständnis des Klägers mit dieser Änderung vorgelegen habe.
Nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits hat das Berufungsgericht Beweis erhoben über die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe sich nach Fortfall der Glückwunschsendung damit einverstanden erklärt, nur noch die Musiksendung “Stars und Bands = Tanzmusik” zu moderieren. Es hat sodann die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts erneut zurückgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte erneut mit der Revision. Er begehrt die Abweisung der Klage, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
I. Die Verfahrensrüge der Revision ist unbegründet.
Die Revision macht geltend, die Urteilsformel des angefochtenen Urteils sei unbestimmt. Es sei nicht ersichtlich, ob das Berufungsgericht auch über den zeitlichen Umfang des Arbeitsverhältnisses entscheiden wollte, wenn ja, in welchem Umfang der Kläger beschäftigt werden müsse. Deshalb sei das angefochtene Urteil unwirksam und müsse aufgehoben werden.
Diese Rüge der Revision ist nicht begründet. Zwar muß ein Urteil, dessen Urteilsformel so unbestimmt ist, daß dieser Mangel auch im Wege der Auslegung nicht behoben werden kann, vom Revisionsgericht aufgehoben werden. Ein solcher Mangel wäre von Amts wegen – ohne daß es einer Verfahrensrüge bedürfte – zu beachten (BGHZ 5, 240 [246]). Er liegt hier aber nicht vor. Der Revision ist zuzugeben, daß weder in der Urteilsformel des Arbeitsgerichts noch im Tenor des angefochtenen Urteils mit der wünschenswerten Klarheit zum Ausdruck kommt, ob und wie über den Antrag auf Feststellung des zeitlichen Umfangs des Arbeitsverhältnisses entschieden wurde. Das läßt sich aber durch Auslegung der Urteilsformel ermitteln. Dazu sind die mitgeteilten Anträge und die Entscheidungsgründe heranzuziehen.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger beide Anträge gestellt. Das ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. Das Berufungsgericht hat sich die Auffassung des Senats, daß im vorliegenden Fall nicht nur über die Statusfrage, sondern auch über den zeitlichen Umfang des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden war, zumindest nach der Zurückverweisung zu eigen gemacht. Dafür, daß der Kläger den vom Senat ermittelten Streitgegenstand nachträglich wieder eingeschränkt hätte, fehlt jeder Anhaltspunkt. Folglich war über beide Anträge zu entscheiden.
Das hat das Berufungsgericht auch getan. Es hat ein Schlußurteil erlassen. Die Entscheidungsgründe zeigen, daß es dem Klagebegehren des Klägers insgesamt stattgeben wollte. Es hat dargelegt, daß der Kläger vor der Änderung seiner Arbeitsbedingungen im November 1974 Arbeitnehmer war, daß sich daran später nichts geändert hatte, weil der Kläger jeder einseitigen Änderung der Arbeitsbedingungen widersprochen hatte. Das gilt insbesondere auch für den zeitlichen Umfang der Beschäftigung. Somit steht nach Auffassung des Berufungsgerichts fest, daß der Kläger Arbeitnehmer des Beklagten ist, und daß der Beklagte den Kläger in dem zeitlichen Umfang beschäftigen muß, in dem er vor dem 30. November 1974 beschäftigt wurde. Eine andere Frage ist die, ob eine solche den Umfang der Beschäftigungspflicht nur abstrakt beschreibende Klage zulässig ist oder ob dieser Antrag zu unbestimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Inhalt der Entscheidung jedenfalls ist bestimmt genug.
II. Das Berufungsgericht hat mit Recht beiden Anträgen des Klägers stattgegeben.
1. Daß der Kläger bis zum 30. November 1974 Arbeitnehmer des Beklagten war, hat der Senat im ersten Revisionsurteil näher begründet (zu 3a der Gründe); darauf wird hier Bezug genommen, zumal der Beklagte weder im Berufungsverfahren nach der Zurückverweisung noch im Revisionsverfahren die rechtliche Würdigung beanstandet hat. Es kam für die Entscheidung über diesen Anspruch deshalb nur noch darauf an, ob der Kläger mit einer Änderung der Arbeitsbedingungen nach dem 30. November 1974 einverstanden war. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß dies nicht der Fall war. Diese Feststellung hat die Revision nicht angegriffen. Sie ist deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO). Die Statusklage ist deshalb begründet.
2. Auch die Klage auf Feststellung, daß der Beklagte den Kläger in gleichem Umfang beschäftigen muß, wie das bis zum 30. November 1974 der Fall war, ist zulässig und begründet.
a) Die Revision meint, diese Klage sei nicht zulässig; der zeitliche Umfang sei nicht konkret mit einer Wochenstundenzahl angegeben. Das ist entgegen der Revision im vorliegenden Fall auch nicht erforderlich. Die Parteien haben nur darüber gestritten, ob der Beklagte den Kläger in dem Umfang weiterbeschäftigen muß, wie er ihn vor dem 30. November 1974 beschäftigt hat. Das allein war Streitgegenstand. Diese Streitfrage wird durch ein der Klage stattgebendes Urteil geklärt. Von dem Beklagten als einer Anstalt des öffentlichen Rechts kann erwartet werden, daß er einer solchen Feststellungsklage nachkommt. Der tatsächliche Umfang der Beschäftigung läßt sich anhand der dem Kläger in der letzten Zeit vor dem 30. November 1974 erteilten Aufträge für Moderation und Sprecherdienste hinreichend eindeutig ermitteln.
b) In der Sache muß auch diese Klage Erfolg haben. Der Beklagte konnte vom Fall der hier nicht ausgesprochenen Änderungskündigung abgesehen die Arbeitsbedingungen nicht einseitig ändern. Eine vertragliche Abrede über die Reduzierung der Beschäftigung ist nach dem von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zustande gekommen. Mithin bleibt es bei dem Inhalt des Arbeitsvertrages, wie er vor dem 30. November 1974 bestand. Das gilt für die Moderation ebenso wie für die Sprecherdienste.
Unterschriften
Dr. Heither, Dr. Fenge, Triebfürst, Dr. Gundelach, Halberstadt
Fundstellen