Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristungshöchstgrenze bei wissenschaftlichen Hilfskräften
Leitsatz (redaktionell)
1. Auf die fünfjährige Befristungshöchstgrenze des § 57c Abs 2 HRG sind Zeiten einer Beschäftigung als wissenschaftliche Hilfskraft nicht anzurechnen.
2. Als wissenschaftliche Hilfskraft im Sinne der Befristungshöchstgrenzen gilt nur, wer mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit beschäftigt wird.
Normenkette
HRG § 57c Abs. 2, 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des letzten von ihnen vereinbarten befristeten Arbeitsvertrages vom 30. April 1992 und über die Verpflichtung des beklagten Landes zur Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der 1954 geborene Kläger ist seit Februar 1986 Diplom-Soziologe. Das beklagte Land beschäftigte ihn an der Gesamthochschule als "wissenschaftliche Hilfskraft" in der Zeit vom 1. März 1986 bis 31. Dezember 1988 zunächst im Rahmen von acht befristeten Arbeitsverträgen mit 92 Monatsstunden Arbeitszeit und ab dem 1. März 1987 mit 86 Monatsstunden Arbeitszeit. Außerdem wurde der Kläger aufgrund eines Privatarbeitsvertrages vom 1. Januar 1988 bis zum 30. Juni 1989 zur Hälfte der tariflichen Arbeitszeit bei Professor Dr. B als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Gesamthochschule beschäftigt. Für die Zeit vom 1. März 1989 bis zum 30. Juni 1989 folgte ein weiterer Vertrag mit dem beklagten Land als wissenschaftliche Hilfskraft mit 82 Monatsstunden. Ab 1. Juli 1989 wurde dem Kläger in einem Arbeitsvertrag als wissenschaftlicher Mitarbeiter Gelegenheit zur Vorbereitung einer Promotion im Forschungsbereich "Dienstleistungsqualität" bis zum 31. Oktober 1989 gegeben. Daran schlossen sich zwei Privatarbeitsverträge als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Professor Dr. B (Vollbeschäftigung für die Zeit vom 1. November 1989 bis 31. Januar 1990) und Professor Dr. R für die Zeit vom 5. Februar 1990 bis 4. November 1990 mit der Hälfte der tariflichen Arbeitszeit für Vollbeschäftigte an.
Während der anschließenden Arbeitslosigkeit promovierte der Kläger im Juni 1991. Mit Vertrag vom 30. April 1992 wurde er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Aufgaben von begrenzter Dauer am empirischen Forschungsprojekt "Steuerungspotentiale in Hochschulen" vom 1. Mai 1992 bis zum 30. April 1993 beschäftigt.
In der Beschreibung der für den Kläger anfallenden Arbeitsvorgänge hatte die Projektleiterin vermerkt: "Es handelt sich um Aufgaben von begrenzter Dauer, die für die Dauer eines Jahres konzipiert sind und bis zum 30. April 1993 abschließend zu erarbeiten sind." Das Forschungsprojekt "Steuerungspotentiale von Hochschulleitungen" war im Oktober 1991 als Großprojekt zunächst auf drei Jahre angelegt und als solches im Rahmen der zentralen Forschungsförderung beantragt worden. Die zuständigen Gremien lehnten es jedoch als Großprojekt ab und billigten es nur im normalen Förderungsverfahren für ein Jahr. Daraufhin wurde es neu konzipiert, um es den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Im Oktober 1992 stellte die Projektleitung einen Verlängerungsantrag bis zum 31. Dezember 1993.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe mit dem letzten Vertrag die Höchstgrenze des § 57 c Abs. 2 Satz 2 HRG überschritten, da er mit 64 Monaten länger als fünf Jahre an der Gesamthochschule beschäftigt worden sei. Es seien auch die Zeiten zu berücksichtigen, in denen er als sogenannte "wissenschaftliche Hilfskraft" nach Abschluß seines Studiums mit annähernd der Hälfte der tariflichen Arbeitszeit beschäftigt worden sei. Soweit die Einkünfte der wissenschaftlichen Hilfskraft aus ihrer Anstellung bei der Universität ihre alleinige Existenzgrundlage bilden und die Teilzeitbeschäftigung unfreiwillig sei, müßten diese Verträge miteingerechnet werden, da es andernfalls im Belieben des Landes stehe, wessen Arbeitsverträge als wissenschaftlicher Mitarbeiter nach § 57 c Abs. 2 Satz 2 HRG zusammenzurechnen seien. Darüber hinaus liege der im Arbeitsvertrag vom 30. April 1992 genannte Befristungsgrund nicht vor. Bereits in den ersten zehn Tagen nach Arbeitsbeginn sei im Mai 1992 von der Projektleiterin eine Ergänzung der Projektskizze vorgelegt worden, wonach eine weitere Zeitspanne bis Dezember 1993 bis zum Projektbericht erforderlich werde. Die Projektleiterin habe am 21. Mai 1992 angekündigt, daß sie im Oktober 1992 einen entsprechenden Verlängerungsantrag stellen werde.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des
Klägers mit dem beklagten Land über den
30. April 1993 hinaus unbefristet fortbesteht,
2. das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger
als wissenschaftlichen Mitarbeiter weiterzube-
schäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat im wesentlichen die Auffassung vertreten, die Fünf-Jahres-Grenze des § 57 c Abs. 2 HRG sei nicht überschritten. Die Zeiten der Beschäftigung des Klägers als wissenschaftliche Hilfskraft seien nicht mit denen eines wissenschaftlichen Mitarbeiters vergleichbar und könnten nicht zusammengerechnet werden. Der Kläger sei jedenfalls seit März 1987 entsprechend den Erlassen des hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst als wissenschaftliche Hilfskraft nur mit der höchstzulässigen monatlichen Arbeitszeit unterhalb der Hälfte der Vollarbeitszeit beschäftigt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch rechtswirksame Befristung mit dem 30. April 1993 endete.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die befristeten Arbeitsverträge des Klägers insgesamt die fünfjährige Befristungshöchstgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG nicht überschritten haben und der Kläger daher nicht aus diesem Grunde in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.
1. Gemäß § 57 c Abs. 2 Satz 2 HRG dürfen mehrere befristete Arbeitsverträge nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG bei derselben Hochschule insgesamt die Höchstgrenze von fünf Jahren nicht überschreiten. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß diese Vorschrift nur für befristete Arbeitsverträge von wissenschaftlichen Mitarbeitern, nicht aber von wissenschaftlichen Hilfskräften gilt. Denn für letztere gilt die besondere vierjährige Befristungshöchstgrenze des § 57 c Abs. 5 HRG. Nach dieser Vorschrift dürfen mehrere befristete Arbeitsverträge einer wissenschaftlichen Hilfskraft bei derselben Hochschule die Höchstgrenze von vier Jahren insgesamt nicht überschreiten; nach § 57 c Abs. 5 Satz 3 HRG werden Zeiten eines befristeten Arbeitsvertrages als wissenschaftliche Hilfskraft, die vor dem Abschluß eines Studiums liegen, auf die Höchstgrenze nicht angerechnet.
2. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß Beschäftigungszeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter und solche als wissenschaftliche Hilfskraft bei der Anwendung des § 57 c Abs. 2 HRG grundsätzlich nicht zusammenzurechnen sind. Die Gerichte haben zu beachten, daß die §§ 57 a ff. HRG insbesondere bei den Befristungshöchstgrenzen streng zwischen wissenschaftlichen Mitarbeitern und wissenschaftlichen Hilfskräften unterscheiden und sie damit als getrennte Beschäftigungsgruppen behandeln.
3. Allerdings läßt sich dem Hochschulrahmengesetz kein sicherer Anhaltspunkt dafür entnehmen, durch welche Merkmale das Gesetz beide Beschäftigtengruppen - insbesondere für die Anwendung der Befristungshöchstgrenzen der Absätze 2 bzw. 5 des § 57 c HRG - voneinander abgrenzt. Auf diesen Mangel hat schon Buchner (RdA 1985, 258, 263) hingewiesen.
Zwar ergibt sich aus der Nichterwähnung der wissenschaftlichen Hilfskräfte in der Aufzählung des "hauptberuflich tätigen wissenschaftlichen Personals" in § 42 HRG, daß der Gesetzgeber hiervon die wissenschaftlichen Hilfskräfte offenbar dadurch unterscheiden will, daß sie "nebenberuflich" tätig seien. Wann aber eine lediglich "nebenberufliche" Tätigkeit vorliegen soll, wird nicht mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich.
Entgegen der Ansicht der Revision spricht nichts dafür, daß der Gesetzgeber darauf abstellen wollte, ob neben der wissenschaftlichen Tätigkeit noch ein "Hauptberuf" außerhalb der Hochschule ausgeübt wird. Dieses Merkmal würde erkennbar zu einer für Fristberechnungen unerträglichen Rechtsunsicherheit führen. Im Rahmen der §§ 57 a ff. HRG kann sich daher die Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen Mitarbeitern und wissenschaftlichen Hilfskräften nur auf Art und Umfang ihrer Dienstaufgaben bei der Beschäftigung an der Hochschule beziehen.
Der Art nach unterscheiden sich die Dienstaufgaben von wissenschaftlichen Mitarbeitern und wissenschaftlichen Hilfskräften nicht wesentlich (vgl. z.B. Buchner, RdA 1985, 258, 264). Auch auf die Bezeichnung als "wissenschaftliche Mitarbeiter" bzw. als "wissenschaftliche Hilfskraft" im Arbeitsvertrag kann es nicht ankommen, weil sonst die Fristberechnung im Belieben der Hochschule stünde.
Es kann daher nur angenommen werden, daß der Gesetzgeber die Unterscheidung nach dem zeitlichen Umfang der Dienstaufgaben in der Weise treffen wollte, daß "hauptberufliche" Tätigkeit und damit die eines wissenschaftlichen Mitarbeiters bei einer vertraglichen Arbeitszeit von mindestens der Hälfte der im BAT vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit und "nebenberufliche" Tätigkeit und damit die einer wissenschaftlichen Hilfskraft bei unterhälftiger Beschäftigung vorliegt (vgl. z.B. die Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 10/2283, S. 16).
Allein dieses Unterscheidungsmerkmal trägt auch der bei Fristberechnungen erforderlichen Rechtssicherheit hinreichend Rechnung. Für die Anwendung der gesetzlichen Befristungshöchstgrenzen in den Absätzen 2 und 5 des § 57 c HRG ist daher davon auszugehen, daß ein befristeter Arbeitsvertrag mit einer wissenschaftlichen Hilfskraft nur vorliegt, wenn die vertraglich vorgesehene Arbeitszeit die Hälfte der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit nicht erreicht.
4. Im Entscheidungsfalle wurde der Kläger ausweislich der in seinen Arbeitsverträgen getroffenen Vereinbarungen in den Vertragszeiten vom 1. März 1987 bis zum 31. Dezember 1987 nur mit monatlich 86 Stunden anstatt der damals geltenden regelmäßigen Arbeitszeit von 176 Stunden und damit unterhälftig beschäftigt. Auch in der Zeit vom 1. März 1989 bis zum 30. Juni 1989 übte er nur eine unterhälftige Tätigkeit aus. Die diese Zeiten betreffenden befristeten Arbeitsverträge bleiben mithin für die Berechnung der Fünf-Jahres-Grenze des § 57 c Abs. 2 HRG außer Betracht. Da die verbleibenden Vertragszeiten zusammengerechnet lediglich 59 Monte betragen, ist das Landesarbeitsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger nicht wegen Überschreitens der Fünf-Jahres-Grenze des § 57 c Abs. 2 HRG in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.
II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß die Befristung des letzten Arbeitsvertrages vom 30. April 1992, auf den es für die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle allein ankommt, nicht wegen Fehlens eines sachlichen Grundes unwirksam ist. Für die Befristung lag vielmehr ein sachlicher Grund vor, weil der Kläger für eine Aufgabe von begrenzter Dauer eingestellt wurde, von deren Beendigung zum 30. April 1993 die Parteien im allein maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausgehen mußten.
1. Im Arbeitsvertrag vom 30. April 1992 wurde der Kläger nach §§ 57 a ff. HRG als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer (Durchführung eines empirischen Forschungsprojekts "Steuerungspotentiale in Hochschulen") für die Zeit bis zum Abschluß des Vorhabens, längstens bis zum 30. April 1993, eingestellt.
Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war das Forschungsprojekt, nachdem es zwar im Oktober 1991 zunächst als Großprojekt auf drei Jahre angelegt worden war, nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nur für ein Jahr bewilligt und dementsprechend neu konzipiert worden. Erst im Oktober 1992 stellte die Projektleitung einen Verlängerungsantrag.
2. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob das Forschungsprojekt während der Dauer des letzten Arbeitsvertrages abgeschlossen werden konnte. Entscheidend ist allein, welchen zeitlichen Zuschnitt das Projekt im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages hatte. Insoweit hat das beklagte Land bereits im Schriftsatz vom 8. Juli 1993 vorgetragen, erst bei der Bearbeitung des Projekts habe sich herausgestellt, daß es nicht innerhalb eines Jahres beendet werden konnte. Dies habe dann zum Verlängerungsantrag vom Oktober 1992 geführt.
III. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers mithin am 30. April 1993 endete, hat das Landesarbeitsgericht auch den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers zu Recht abgewiesen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Zugleich für den er-
krankten Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Weller
Steckhan Schmidt
Kordus Peter Haeusgen
Fundstellen
Haufe-Index 441465 |
DB 1996, 1420 (Leitsatz 1-2) |
EzB BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag, Nr 50 (Leitsatz 1-2) |
EzB HRG §§ 57 b, c, Nr. 12 (Leitsatz 1-2) |
NZA 1996, 764 |
NZA 1996, 764-765 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
RdA 1996, 258 (Leitsatz 1-2) |
RzK, I 9d Nr 36 (Leitsatz 1-2) |
ZTR 1996, 326-327 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
AP § 57c HRG (Leitsatz 1-2 und Gründe), Nr 2 |
AR-Blattei, ES 380 Nr 11 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
ArbuR 1996, 229 (red. Leitsatz 1) |
EzA § 620 BGB, Nr 137 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
EzBAT, Hochschulen Forschungseinrichtungen Nr 19 (Leitsatz 1-2 und Grün |
PERSONAL 1996, 620 (Leitsatz 1-2) |
RiA 1996, 210 (Kurzwiedergabe) |