Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösung. vertragliche Versorgung durch Betriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu 3 AZR 573/89
Normenkette
BetrVG § 77; BetrAVG § 1 Ablösung, § 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 10.08.1989; Aktenzeichen 10/11 Sa 320/89) |
ArbG Köln (Urteil vom 19.01.1989; Aktenzeichen 8 Ca 3625/88) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. August 1989 – 10/11 Sa 320/89 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer vom beklagten Pensions-Sicherungs-Verein zu zahlenden Betriebsrente. Die Klägerin will nicht hinnehmen, daß ihre betriebliche Altersrente nach einer Betriebsvereinbarung berechnet wird, die eine zuvor geltende, vom Arbeitgeber erlassene betriebliche Ruhegeldordnung abgelöst hat.
Die Klägerin, geboren am 7. Juli 1930, war vom 1. Juli 1964 bis zum 31. Dezember 1987 Arbeitnehmerin der J & Co. GmbH in D. Ihr stand gegen ihre Arbeitgeberin eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente zu.
Die betriebliche Altersversorgung in den Unternehmen der J -Gruppe war in einer Ruhegeldordnung vom 30. November 1970 geregelt (RGO 1970). Darin waren Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrenten vorgesehen (§ 10 RGO 1970). Die Höhe des Ruhegelds richtete sich nach der anrechnungsfähigen Dienstzeit und dem ruhegeldfähigen Einkommen (§ 4 Abs. 1 RGO 1970). Die Rente setzte sich zusammen aus einem Grundbetrag von 10 % nach 10-jähriger Wartezeit und Steigerungsbeträgen von 0,25 % für jedes weitere Dienstjahr (§ 4 Abs. 2 RGO 1970). Die §§ 16 und 17 RGO 1970 enthielten eine sog. Einspruchsordnung. Die Vorschriften lauten:
„§ 16 Einspruchsausschuß
(1) Zur Prüfung von Einsprüchen gegen Rentenbescheide wird ein Einspruchsausschuß gebildet.
(2) Der Einspruchsausschuß besteht aus sechs Mitgliedern. Drei Mitglieder, darunter der Vorsitzende, werden von der FIRMA ernannt; die drei anderen Mitglieder werden auf Vorschlag des Gesamtbetriebsrates von der FIRMA berufen.
(3) Die Amtszeit des Einspruchsausschusses beträgt längstens drei Jahre. Wiederwahl ist zulässig.
(4) Die Geschäftsordnung für den Einspruchsausschuß wird von der FIRMA festgelegt.
§ 17 Einspruchsverfahren
(1) Versorgungsberechtigte oder Ruhegeldempfänger können innerhalb eines Monats nach Zugang des Rentenbescheides unter schriftlicher Darlegung der Gründe beim Einspruchsausschuß Einspruch einlegen.
(2) Nach Prüfung und Beratung des Einspruchs im Einspruchsausschuß erteilt die FIRMA einen Bescheid. Dieser ist endgültig; ein weiterer Einspruch ist unzulässig.”
In § 19 enthielt die RGO 1970 die allgemeinen und besonderen steuerunschädlichen Mustervorbehalte gemäß Abschnitt 41 EStR.
Die J -Gruppe geriet zu Beginn der 80er Jahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Zusammenhang mit anderen Sparmaßnahmen schloß die Geschäftsführung mit den Betriebsräten der zugehörigen Unternehmen am 28. Dezember 1982 eine „Betriebsvereinbarung zur Ruhegeldordnung” ab (BV 1982). Darin heißt es:
„Die bestehende Ruhegeldordnung der J & CO. GmbH vom 30. November 1970 wird mit Rücksicht auf die seit Jahren völlig unbefriedigende Ertragslage und auf Grund der Aussicht, daß auch in kommenden Jahren keine ausreichenden Erträge für die unveränderte Fortführung der Ruhegeldordnung zu erwirtschaften sein werden, den veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten angepaßt:
1. Für Versorgungsberechtigte mit unverfallbaren Anwartschaften wird die anrechnungsfähige Dienstzeit sowie das ruhegeldfähige Einkommen auf den Stand 31. Dezember 1982 begrenzt.
…
1.2. Für Versorgungsberechtigte, deren Versorgungsfall in der Zeit vom 1. Januar 1983 bis 31. Dezember 1985 eintritt, gilt die Begrenzung der anrechnungsfähigen Dienstzeit nach Nr. 1 nicht.
Lediglich das ruhegeldfähige Einkommen wird in diesen Fällen auf den Stand vom 31. Dezember 1982 festgesetzt.
…
3. Ab 1. Januar 1983 eintretende Versorgungsfälle werden dahingehend überprüft, ob die Gesamtversorgungsbezüge das letzte monatliche Netto-Arbeitseinkommen überschreiten.
Ist dies der Fall, werden die betrieblichen Versorgungsleistungen dergestalt festgesetzt,
daß sie zusammen mit den Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung 100 Prozent des letzten monatlichen Netto-Arbeitseinkommens nicht übersteigen.”
In der Folgezeit gelang es nicht, die Unternehmensgruppe wirtschaftlich zu sichern. Mit Schreiben vom 4. November 1986 teilten die Betriebsräte der Unternehmensgruppe der Geschäftsleitung mit:
„Aufgrund der eingetretenen Insolvenzen und unter Bezugnahme auf zahlreiche BAG- und LAG-Urteile erklären wir die Betriebsvereinbarung zur Ruhegeldordnung vom 28.12.1982 für nichtig.
Die Ruhegeldordnung vom 30.11.1970 hat uneingeschränkte Gültigkeit.
Wir bitten dies bei den Meldungen an den Pensions-Sicherungs-Verein zu berücksichtigen. Über die Meldungen erbitten wir Kopien.”
Am 17. Dezember 1986 wurde über das Vermögen sämtlicher Unternehmen der J -Gruppe das Konkursverfahren eröffnet.
Der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein ist in die unverfallbaren Anwartschaften und laufenden Versorgungsverpflichtungen eingetreten. Er hat die der Klägerin ab 1. Januar 1987 zu zahlende Rente mit 373,10 DM monatlich berechnet und dabei die Betriebsvereinbarung vom 28. Dezember 1982 zugundegelegt.
Damit ist die Klägerin nicht einverstanden. Sie hat geltend gemacht, maßgebliche Rechtsgrundlage sei die RGO 1970. Bei dieser handele es sich um eine betriebliche Einheitsregelung, die gegen eine nachträgliche Verschlechterung durch eine Betriebsvereinbarung geschützt sei. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1982 sei insgesamt ungünstiger und daher unwirksam. Zudem habe der Betriebsrat diese Betriebsvereinbarung angefochten und fristlos gekündigt.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr bei Eintritt des Versorgungsfalles ein Ruhegeld nach Maßgabe der Ruhegeldordnung vom 30. November 1970 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die betriebliche Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 sei durch die nachfolgende Betriebsvereinbarung wirksam abgeändert worden. Es seien nur mögliche Überversorgungen ausgeschlossen und künftige Zuwächse gekürzt worden. Die RGO 1970 sei betriebsvereinbarungsoffen gewesen; das sei der Einspruchsordnung und den Leistungsvorbehalten zu entnehmen. Zudem habe die Gemeinschuldnerin nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darauf vertrauen dürfen, eine vertragliche Ruhegeldordnung durch eine Betriebsvereinbarung auch zum Nachteil der Arbeitnehmer ablösen zu können. Der Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 16. September 1986 (BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972) entfalte keine Rückwirkung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Entscheidung des Berufungsgerichts ist im Ergebnis, aber nicht in der Begründung zu folgen. Es ist zu unterscheiden, ob die Betriebsvereinbarung vom 28. Dezember 1982 ein geeignetes rechtliches Mittel war, die in einem vertraglichen Regelungswerk begründeten Rechte der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer zu beschneiden, und, falls dies zutrifft, ob die Neuregelung inhaltlich den Anforderungen genügt, die im Hinblick auf den Schutz der Versorgungsberechtigten vor nachteiligen Änderungen einer betrieblichen Versorgungsordnung zu stellen sind. Beide Fragen sind zu bejahen.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die RGO 1970 habe erkennbar unter dem Vorbehalt von Änderungen durch Betriebsvereinbarungen gestanden, sie sei „betriebsvereinbarungsoffen” gewesen. Einmal handele es sich bei der Ruhegeldordnung um eine Gesamtzusage, die den Arbeitnehmern nicht als einzelnen Mitarbeitern, sondern nur als Mitgliedern der Belegschaft Versorgungsrechte eingeräumt habe. Ansprüche hätten nur im Rahmen des unveränderten Fortbestands der abstrakt-generellen Ordnung bestehen sollen. Die sog. steuerunschädlichen Vorbehalte in § 19 RGO 1970 enthielten ein Indiz für den Vorbehalt, die Ruhegeldordnung durch nachträgliche betriebliche Regelungen ändern zu können. Dieser Änderungsvorbehalt stelle wie die Zusage selbst auf abstrakt generelle Maßstäbe ab. Die Arbeitnehmer hätten nicht erwarten können, eine Betriebsvereinbarung komme als Änderungsmittel nicht in Betracht. Ein weiteres Indiz für die Zulassung von Betriebsvereinbarungen als Änderungsmittel enthalte die Einspruchsordnung in den §§ 16 und 17 RGO. Darin sei die Mitwirkung des Gesamtbetriebsrats bei der Feststellung einzelner Versorgungsansprüche vorgesehen. Da vor der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 15. Januar 1972 ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der betrieblichen Altersversorgung allgemein verneint worden sei, könne hier die Beteiligung des Gesamtbetriebsrats als Hinweis auf die Änderung der Ruhegeldordnung durch eine gemeinsame Regelung der Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarung angesehen werden. Schließlich hätten weder die Arbeitnehmer noch die Betriebsräte seinerzeit darauf vertraut, daß die Ruhegeldordnung eine höhere Bestandskraft habe als eine Betriebsvereinbarung.
Die Begründung des Berufungsgerichts überzeugt nicht. Der Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 kann kein Vorbehalt der späteren Änderung durch Betriebsvereinbarung entnommen werden.
1. Der kollektive Charakter einer betrieblichen Einheitsregelung, einer betrieblichen Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung läßt noch nicht den Schluß zu, das geltende Regelungswerk könne von seiner vertraglichen Grundlage gelöst und zum Nachteil der Arbeitnehmer durch ein betriebverfassungsrechtliches Regelungswerk ersetzt werden. Diese Auffassung hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts durch seinen Beschluß vom 16. September 1986 verworfen (GS 1/82 – BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972). Vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf betriebliche Sozialleistungen können im Grundsatz nicht gegen den Willen der begünstigten Arbeitnehmer eingeschränkt werden (aa0, zu C der Gründe). Für das Verhältnis vertraglicher Ansprüche zu den Normen einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung gilt vielmehr das Günstigkeitsprinzip, das jedoch wegen des kollektiven Bezugs betriebseinheitlicher Regelungen nach dem Maßstab eines kollektiven Günstigkeitsvergleichs zu beurteilen ist. Nur wenn die Neuregelung nicht insgesamt ungünstiger ist, können auch individuelle Rechte von Arbeitnehmern durch die nachfolgende Betriebsvereinbarung geschmälert werden.
2. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Betriebsvereinbarung vom 28. Dezember 1982 insgesamt, bei kollektiver Betrachtung, ungünstiger ist als die vorhergehende Ruhegeldordnung. Die Frage muß bejaht werden. Die nach der alten Regelung erreichten Besitzstände wurden weitgehend, jedenfalls hinsichtlich des ruhegeldfähigen Einkommens, auf den 31. Dezember 1982 festgeschrieben. Die Zuwächse wurden beseitigt und es wurde eine Obergrenze auf die letzten Nettobezüge der aktiven Arbeitnehmer eingeführt. Die Witwen- und Waisenrenten wurden für Versorgungsfälle ab 1. Januar 1984 gestrichen. Zudem diente die Neuregelung erklärtermaßen dazu, die Versorgungslast der Gemeinschuldnerin im Hinblick auf die schwierige wirtschaftliche Lage des Unternehmens für die Zukunft zu senken.
3. Die Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 enthält – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – keinen Vorbehalt der Ablösung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung. Ein solcher Vorbehalt, der nach der Entscheidung des Großen Senats die Umstellung auf eine Betriebsvereinbarung ermöglicht, ist der Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 nicht zu entnehmen.
a) Die sog. steuerunschädlichen Leistungsvorbehalte lassen nicht die Annahme zu, die betriebliche Einheitsregelung sei betriebs-vereinbarungsoffen gewesen. Richtig ist, daß in diesen Vorbehalten der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck kommt, die Ruhegeldordnung an veränderte Verhältnisse anzupassen. Die dafür gesetzten Vor-aussetzungen sind in § 19 RGO 1970 entsprechend den Einkommensteuerrichtlinien beschrieben. Damit wird aber nur deutlich gemacht, daß die Ruhegeldordnung nicht unabänderlich sein soll und daß sich von der Ruhegeldordnung begünstigte Arbeitnehmer als Inhaber von Versorgungsrechten auf Einschränkungen einzustellen haben, wenn und soweit die engen Voraussetzungen der Leistungseinschränkungen eintreten sollten. Den Vorbehalten ist aber nicht zu entnehmen, daß es den Betriebsparteien gestattet sein sollte, mit den weitreichenden Mitteln des Betriebsverfassungsrechts und ohne an die in den Vorbehalten formulierten Voraussetzungen gebunden zu sein, in bestehende vertraglich begründete Rechtspositionen einzugreifen. Das rechtsgestaltende Mittel zur Lösung von den vertraglich begründeten Rechtsverhältnissen und zu deren Neuregelung auf einer betriebsverfassungsrechtlichen Grundlage ist in der RGO 1970 nicht angesprochen. Es geht insoweit – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht um die Frage eines erhöhten Bestandsschutzes vertraglicher Regelungen, sondern um die rechtliche Befugnis, die vertragliche Rechtsgrundlage ohne Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer durch eine andere, die Betriebsvereinbarung, zu ersetzen. Die Vorbehalte in § 19 RGO 1970 können daher nicht als Vorbehalt der Ersetzung der Regelung durch Betriebsvereinbarung verstanden werden.
b) Auch die Einspruchsordnung in den §§ 16, 17 RGO 1970 spricht nicht für einen Vorbehalt der Abänderbarkeit durch nachfolgende Betriebsvereinbarung. Daß nach dieser Regelung der Einspruchsausschuß unter Mitwirkung des Gesamtbetriebsrats berufen wird und dann über Einsprüche einzelner Arbeitnehmer gegen den betrieblichen Rentenbescheid entscheidet, ergibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Arbeitnehmer hätten mit der Ablösung des geltenden Versorgungswerks durch Betriebsvereinbarung rechnen müssen. Dem Umstand, daß betriebliche Versorgungsordnungen bis zum Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes vom 15. Januar 1972 nicht mitbestimmungspflichtig waren, läßt sich das nicht entnehmen. Auch damals waren die Betriebsparteien nicht gehindert, freiwillige Betriebsvereinbarungen über betriebliche Versorgungsleistungen abzuschließen. Die Beteiligung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer an Streitigkeiten über betriebliche Versorgungsleistungen im Einzelfall konnte als vertrauensbildende Maßnahme verstanden werden, nicht aber als Vorbehalt der Ablösung durch Betriebsvereinbarung.
c) Fehl geht schließlich das Argument des Berufungsgerichts, niemand einschließlich der Mitglieder der Betriebsräte habe darauf vertraut, die Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 werde – selbst zur Sicherung der Arbeitsplätze – keine Einschränkungen erfahren. Die Auffassung mag zutreffen. Es geht nicht um das Vertrauen der Arbeitnehmer in die Bestandskraft der Versorgungsregelung unter geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern um die rechtliche Befugnis der Betriebspartner, vertragliche Regelungswerke aufheben zu können. Diese Regelungsbefugnis hängt nicht ab von dem Vertrauen der Arbeitnehmer in die Bestandskraft einer Regelung. Das Vertrauen der Arbeitnehmer richtet sich auf die Frage, ob der Umfang eines Eingriffs in die Versorgungsrechte den Grundsätzen von Recht und Billigkeit entspricht.
II. Die Betriebsparteien haben dennoch die vertragliche Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 durch die Betriebsvereinbarung vom 28. Dezember 1982 wirksam geändert. Die Gemeinschuldnerin und die beteiligten Betriebsräte durften z. Z. der Ablösung aufgrund einer langjährigen und gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgehen, daß eine vertragliche Einheitsregelung durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst und die Rechte der Arbeitnehmer in den Grenzen von Recht und Billigkeit eingeschränkt werden könnten. Einen kollektiven Günstigkeitsvergleich brauchten sie nicht vorzunehmen. Der Beschluß des Großen Senats vom 16. September 1986 (aaO) wirkt nicht generell auf vorherige Ablösungen von vertraglichen Einheitsregelungen durch Betriebsvereinbarungen zurück.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt das Rechtsstaatsprinzip der richterlichen Rechtsfindung Grenzen (zuletzt für Fragen der betrieblichen Altersversorgung Beschluß vom 14. Januar 1987 – 1 BvR 1052/79 – BVerfGE 74, 129 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu B II 1 der Gründe, m.w.N.; vgl. ferner BVerfGE 2, 237, 258; 7, 89, 92; 11, 64, 72 sowie Blomeyer, Festschrift für Karl Molitor zum 60. Geburtstag, 1988, 41, 48 ff.; Vogel, JZ 1988, 833; Schumann, DB 1988, 2510). Dieser Verfassungsgrundsatz enthält keine eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote, sondern bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dabei ist der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten.
Im vorliegenden Fall würde die strikte Anwendung der vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts im Wege richterlicher Rechtsfortbildung entwickelten Rechtsregeln für die Ablösung betrieblicher Einheitsregelungen auf vertraglicher Grundlage durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen zu einer unechten Rückwirkung führen, die dem Vertrauensschutz nicht ausreichend Rechnung trüge. Es ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO, zu B II 3 der Gründe) ein Ausgleich zu finden „zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage, der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für die Allgemeinheit und der grundrechtsgemäßen Ausgewogenheit zwischen den Beteiligten”.
2. Als die Gemeinschuldnerin im Dezember 1982 ihre vertragliche Versorgungsordnung durch eine Betriebsvereinbarung änderte, konnte sie sich hinsichtlich der Wahl des Ablösungsmittels auf eine Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen, die es seit über 25 Jahren für rechtlich zulässig hielt, eine vertragliche Regelung durch eine Betriebsvereinbarung zu ersetzen, und zwar, wie der Große Senat im Beschluß vom 16. September 1986 zutreffend hervorgehoben hat, ohne Rücksicht auf die Regelungsmaterie (aaO, zu B II der Gründe).
a) Im einzelnen hat das Bundesarbeitsgericht wie folgt entschieden:
(1) In seinem Urteil vom 1. Februar 1957 (BAGE 3, 274, 277 = AP Nr. 1 zu § 32 SchwBeschG) hat der Erste Senat ausgeführt, an die Stelle einer bisherigen privatrechtlichen Regelung der Arbeitsverhältnisse trete eine neue Gestaltung durch eine Betriebsvereinbarung, und zwar auch dann, wenn sie sich auf das von den einzelnen Arbeitnehmern bisher erzielte Arbeitsentgelt nachteilig auswirke; der Arbeitnehmer könne sich gegenüber einer solchen Betriebsvereinbarung nicht auf das Günstigkeitsprinzip berufen.
(2) Der Zweite Senat hat in seinem Urteil vom 25. März 1971 (BAGE 23, 257 = AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG) den Rechtssatz aufgestellt, durch Betriebsvereinbarung könne rechtlich bedenkenfrei eine auf das 65. Lebensjahr bestimmte Altersgrenze eingeführt werden; das gelte jedenfalls dann, wenn eine Versorgungsregelung bestehe, die auf das 65. Lebensjahr abstelle.
(3) Der erkennende Senat hat erstmals und grundsätzlich bezogen auf betriebliche Ruhegeldordnungen in seinem Urteil vom 30. Januar 1970 (BAGE 22, 252 = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt) zu dieser Frage Stellung genommen. Er hat entschieden, eine betriebliche Ruhegeldordnung könne durch eine spätere Betriebsvereinbarung abgelöst und geändert werden. Es sei gleichgültig, ob die frühere Ruhegeldordnung auf einer Gesamtzusage beruhe oder auf einer Betriebsvereinbarung. Die spätere Betriebsvereinbarung könne die frühere Ruhegeldordnung auch zu Ungunsten der aktiven Arbeitnehmer ändern. Die Änderung unterliege jedoch einer gerichtlichen Billig-keitskontrolle, bei der die Auswirkungen der Änderung für alle betroffenen Arbeitnehmer nach Treu und Glauben unter besonderer Berücksichtigung des Vertrauensschutzgedankens zu prüfen seien.
(4) Im Urteil vom 5. Februar 1971 (BAGE 23, 213 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung) brachte der Senat zum Ausdruck, er neige zu der Annahme, daß Versorgungsansprüche aus betrieblicher Übung in gleicher Weise wie Ansprüche aus einer auf vertraglicher Grundlage erlassenen Ruhegeldordnung durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst und inhaltlich geändert werden könnten.
(5) In drei Beschlüssen vom 12. Juni 1975 – 3 ABR 13/74, 3 ABR 137/73 und 3 ABR 66/74 – (BAGE 27, 194 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung sowie AP Nr. 2 und 3, aaO) entschied der Senat, eine betriebliche Ruhelohnordnung könne durch Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Der Senat bezieht sich zur Begründung auf das Urteil vom 30. Januar 1970 (aaO).
(6) In dem Urteil vom 24. November 1977 (BAGE 29, 379 = AP Nr. 177 zu § 242 BGB Ruhegehalt) grenzt der Senat kollektive von individuellen Versorgungszusagen ab. Er wiederholt seine Auffassung, daß kollektive Regelungen auf vertraglicher Grundlage nicht der Änderung durch die Betriebspartner entzogen seien (aaO, zu I der Gründe).
(7) In seinem Urteil vom 17. Januar 1980 (BAGE 32, 293 = AP Nr. 185 zu § 242 BGB Ruhegehalt) geht der Senat erneut unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 30. Januar 1970 (aaO) davon aus, daß vertragliche Einheitsregelungen durch Betriebsvereinbarung abgelöst werden könnten; Betriebsvereinbarungen hätten eine Ordnungsfunktion, sie könnten aber unverfallbar gewordene Werte nicht ohne besonderen Grund entziehen.
(8) Im Urteil vom 19. Juni 1980 (3 AZR 958/79 – AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Wartezeit) geht der Senat abermals unter Hinweis auf die Grundentscheidung vom 30. Januar 1970 (aaO) davon aus, eine Betriebsvereinbarung sei das geeignete Mittel, eine vertragliche Ruhegeldordnung in den Grenzen von Recht und Billigkeit abzulösen.
(9) In seinem Urteil vom 30. Oktober 1980 (BAGE 34, 238 = AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG) führt der Senat seine bisherige Rechtsprechung fort (zu II 2 der Gründe).
(10) In seinem Beschluß vom 8. Dezember 1981 (BAGE 36, 327 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung) sieht sich der Senat veranlaßt, seine ständige Rechtsprechung nochmals ausdrücklich zu bestätigen. Er formuliert den Rechtssatz, eine betriebliche Versorgungsordnung in der Form einer vertraglichen Einheitsregelung könne durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt werden, und zwar auch zum Nachteil der Arbeitnehmer; dabei seien die Grundsätze von Recht und Billigkeit, insbesondere der Vertrauensschutzgedanke zu beachten.
b) Allen angeführten Entscheidungen lagen zwar jeweils besondere Fallgestaltungen zugrunde. Soweit über betriebliches Ruhegeld zu entscheiden war, ging es um Fälle, in denen die neue Regelung entweder nicht zu einer Verschlechterung führte oder eine Überversorgung abgebaut werden sollte oder die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers schon den einseitigen Versorgungswiderruf zugelassen hätte.
Eine solche auf den Einzelfall abstellende Betrachtung würde jedoch den rechtlichen Aussagen in den genannten Entscheidungen nicht gerecht. Der Senat hat bis zu seinem Beschluß vom 8. Dezember 1981 (aaO) ohne Rücksicht auf den Grund der Ablösung daran festgehalten, daß die Betriebsvereinbarung ein geeignetes Mittel sei, vertragliche Einheitsregelungen – in den Grenzen von Recht und Billigkeit – zu ändern und die Ansprüche von Arbeitnehmern zu schmälern. Erst die Vorlagebeschlüsse des Fünften Senats vom 8. Dezember 1982 (BAGE 41, 118 = AP Nr. 6 zu § 77 BetrVG 1972) und des erkennenden Senats vom 30. April 1985 (BAGE 48, 337 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Ablösung) stellten im Hinblick auf das Urteil des Sechsten Senats vom 12. August 1982 (BAGE 39, 295 = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972) die Frage nach dem Rang und der Reichweite der unterschiedlichen Rechtsquellen des Vertrags- und des Betriebsverfassungsrechts.
c) Ob das Vertrauen in die Maßgeblichkeit dieser Rechtsprechung schon durch das Urteil des Sechsten Senats vom 12. August 1982 erschüttert wurde, erscheint zweifelhaft (bejahend Blomeyer, aaO; dagegen Schumann, aaO). Diese Frage bedarf im Streitfall keiner Vertiefung. Den Betriebsparteien mußte das Urteil des Sechsten Senats vom 12. August 1982 am 28. Dezember 1982 noch nicht bekannt sein. Vor allem aber konnte von den Betriebsparteien nicht verlangt werden, die Auswirkungen dieses Urteils zu erkennen. Die Presseerklärung vom 12. August 1982 machte nicht deutlich, daß der Sechste Senat von der ständigen Rechtsprechung der übrigen Senate des Gerichts abweichen wollte. In ihr ist zwar die Rede von Regelungen durch Betriebsvereinbarungen, die „einzelvertragliche Abreden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Art und Weise der Gewährung von Leistungen” verändern könnten. Die Änderungsbefugnis wird aber mit § 88 BetrVG begründet, falls die Arbeitsverträge „betriebsvereinbarungsoffen” ausgestaltet waren. Das allein bedeutet keinen Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung. Den Wortlaut der Entscheidung des Sechsten Senats veröffentlichte als erste Fachzeitschrift „Der Betrieb” in Heft 44 mit dem Erscheinungsdatum vom 5. November 1982. Die Fachzeitschrift „Der Betriebsberater” folgte im Heft 35/36 mit dem Erscheinungsdatum vom 20./30.Dezember 1982. Hiernach kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Betriebsparteien bei Abschluß der Betriebsvereinbarung am 28. Dezember 1982 darüber informiert waren, daß nunmehr die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Ablösung von vertraglichen Einheitsregelungen innerhalb des Gerichts nicht mehr unangefochten galt.
Zudem ging es in dem vom Sechsten Senat entschiedenen Fall um die Barabgeltung eines Kohledeputats. Der Sechste Senat erwähnt zwar die Rechtsprechung des erkennenden Senats, geht aber darauf nicht näher ein. Der Sechste Senat ist daher offenbar der Auffassung gewesen, daß im Recht der betrieblichen Altersversorgung rechtliche Besonderheiten eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Anderenfalls hätte er die Sache nach Anfrage beim Ruhegeldsenat sogleich dem Großen Senat vorlegen müssen.
3. Können Personen im Privatrechtsverkehr hinsichtlich solcher Rechtsfragen, die der Gesetzgeber nicht eindeutig geregelt hat, sich auf eine jahrzehntelange und gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, auf sog. Richterrecht, berufen und erweist sich diese Rechtsprechung im Nachhinein als unzutreffend, so stellt sich die weitere Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diejenigen zu schützen sind, die im Vertrauen auf die Geltung der Rechtsprechung in der Vergangenheit Rechtshandlungen und wirtschaftliche Dispositionen getroffen haben, die gemessen an dem neuen Erkenntnis, rechtsfehlerhaft und damit unwirksam sind (BVerfGE 74, 129 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu B II 3 der Gründe).
Das Vertrauen von Arbeitgeber und Betriebsrat auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Ablösung von Ruhegeldordnungen verdient den Vorzug vor den Interessen der Arbeitnehmer an der unbeschränkten Anwendung der später vom Großen Senat entwickelten Grundsätze.
a) Die Frage, inwieweit Betriebsvereinbarungen vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer einschränken oder aufheben können, gehört zu den Grundfragen des Arbeitsrechts. Sie ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Sie wurde im Wege richterlicher Rechtsfortbildung gelöst. Dieses Richterrecht zieht der Anwendung neuer Erkenntnisse auf bereits abgewickelte Sachverhalte engere Grenzen.
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich die spätere Gemeinschuldnerin zu Beginn der 80er Jahre in einer krisenhaften Situation. Die Ertragslage der Unternehmensgruppe war insgesamt schon seit Jahren völlig unzureichend, und es bestand auch keine Aussicht, in den kommenden Jahren eine Besserung zu erreichen. Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts war die Substanz des Unternehmens gefährdet und seine künftige Entwicklung erheblich beeinträchtigt.
Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen den Schluß zu, daß schon im Jahre 1982 die Arbeitsplätze in der Unternehmensgruppe gefährdet waren; die Absenkung der Versorgungslast mußte als ein geeignetes Mittel erscheinen, zum Fortbestand des Unternehmens beizutragen.
Unter diesen Umständen verdient das Vorgehen des Unternehmens Schutz. Eine weniger einschneidende Alternative stand nicht zur Verfügung; der Arbeitgeber hätte nur das Versorgungswerk für neueingestellte Arbeitnehmer schließen und bei einem fortschreitenden wirtschaftlichen Niedergang den Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage erklären können. Die Betriebsparteien haben mit der Betriebsvereinbarung vom 28. Dezember 1982 das Versorgungswerk jedoch aufrecht erhalten, die Eingriffe vornehmlich auf Zuwächse beim ruhegeldfähigen Einkommen beschränkt und zugleich festgelegt (Nr. 5 BV 1982), daß nach fünf Jahren zu überprüfen sei, ob der geänderte Leistungsrahmen wieder an eine dann gegebene wirtschaftliche Lage des Unternehmens angepaßt werden könne. Hieran gemessen haben die Betriebsparteien bei Ablösung der alten Versorgungsordnung durchaus maßvoll gehandelt.
c) Demgegenüber muß der Schutz der Arbeitnehmer und der nach der alten Ruhegeldordnung bestehenden vertraglichen Rechte zurücktreten:
Zutreffend hat das Berufungsgericht hervorgehoben, daß auch die Ansprüche der Arbeitnehmer nach der alten Ruhegeldordnung nicht gänzlich unabänderlich waren. In einer schweren wirtschaftlichen Notlage hätte der Arbeitgeber einseitig den Widerruf der Versorgungszusagen erklären können. Hierauf war in § 19 der alten Versorgungsordnung ausdrücklich hingewiesen. Eine Kürzung der Versorgungsleistungen unter Aufrechterhaltung des Versorgungswerks im ganzen stellte im Vergleich dazu einen geringeren Eingriff dar und bot die größeren Chancen zur Erhaltung der Arbeitsplätze in der Zukunft.
Der Senat verkennt nicht, daß mit einer solchen Bewertung den Arbeitnehmern ein Sanierungsopfer zugemutet wird, das sich in der Folgezeit angesichts des weiteren wirtschaftlichen Niedergangs des Unternehmens als vergeblich erwies. Es trifft auch zu, daß nach heutiger Rechtsauffassung ein solches Opfer mit den Mitteln einer ablösenden Betriebsvereinbarung nicht zu erreichen wäre. Den Ausschlag muß nach Auffassung des Senats geben, daß die 1982 gefundene Regelung ausgewogen und vernünftig war und dem Arbeitgeber nur die Alternative geblieben wäre, das Versorgungswerk einseitig zu schließen. Zudem muß zugunsten des Arbeitgebers berücksichtigt werden, daß die Betriebsvereinbarung als wirksam vollzogen wurde. Eine Rückabwicklung wäre – hier schon wegen des Konkurses – nicht möglich (vgl. hierzu Blomeyer, aaO, S. 53 ff.).
d) Arbeitgeber und Betriebsrat ist somit der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Vertrauensschutz zuzubilligen. Die Betriebsvereinbarung vom 28. Dezember 1982 ist als wirksam zu behandeln, obwohl die Betriebsparteien nach heutigen Erkenntnissen nicht das Recht hatten, das bisher geltende vertragliche Regelungswerk zum Nachteil der Arbeitnehmer zu ändern.
III. Die ablösende Regelung vom 28. Dezember 1982 hält auch inhaltlich einer Überprüfung stand (vgl. hierzu im einzelnen Urteil des Senats vom 17. März 1987 – BAGE 54, 261 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung).
1. Die bis zum 31. Dezember 1982 von den Arbeitnehmern erdienten, nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechneten Teilbeträge wurden durch die Neuregelung nicht angetastet (Nr. 1 und 2 BV 1982).
2. Durch die Festschreibung des ruhegeldfähigen Einkommens auf den 31. Dezember 1982 wurden allerdings die weiteren dienstzeitunabhängigen Zuwächse der Rentenanwartschaften, wie sie die RGO 1970 vorsah, abgeschnitten. Zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs in vereinbarte Bemessungsgrundlagen (die „erdiente Dynamik”) bedarf es triftiger Gründe (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. das Urteil vom 17. März 1987, aaO, zuletzt Urteil vom 11. September 1990 – 3 AZR 380/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schon Ende des Jahres 1982 so schlecht war, daß bereits damals Gefahr für den Fortbestand des Unternehmens bestand. Diese Situation stellt einen triftigen Grund dar, der es erlaubt, auch in die schon anteilig erdienten Zuwächse der Rentenanwartschaft einzugreifen. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen triftiger Gründe ausgegangen, ist unbegründet.
3. Daß mit der Neuregelung zugleich eine Gesamtversorgungsobergrenze von 100 % des letzten monatlichen Nettoeinkommens eingeführt wurde (Nr. 3 BV 1982), begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Urteil des Senats vom 23. Oktober 1990 – 3 AZR 260/89 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
IV. Der Betriebsrat hat die Betriebsvereinbarung vom 28. Dezember 1982 weder wirksam angefochten noch gekündigt.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Erklärung des Betriebsrates vom 4. November 1986 enthalte weder eine Anfechtung noch eine Kündigung. Der Betriebsrat habe nur seine Meinung dahin geäußert, die Betriebsvereinbarung sei aus Rechtsgründen und wegen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Unternehmens nichtig. Auch hätten hinreichende Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung der Betriebsratsmitglieder über die wirtschftliche Lage des Unternehmens im Jahre 1982 nicht vorgelegen.
2. Der Auffassung des Berufungsgerichts ist zu folgen. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht angegriffen. Die Auslegung läßt keine Rechtsfehler erkennen. Möglicherweise ist der Betriebsrat davon ausgegangen, die Betriebsvereinbarung sei deshalb als nichtig zu behandeln, weil das angestrebte Ziel der Unternehmenssanierung gescheitert und das Opfer der Arbeitnehmer vergeblich geblieben sei. Im übrigen ging es dem Betriebsrat ersichtlich darum, den Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für die höheren Versorgungsrechte nach der Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1970 in Anspruch nehmen zu können.
Unterschriften
Dr. Heither, Griebeling, Kremhelmer, Gnade, Dr. Kiefer
Fundstellen