Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandseinsatz und Urlaubsabgeltungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
Eine vertragliche Regelung, die den während des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs weiterbestehenden Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers mindert, ist unwirksam.
Orientierungssatz
Bei einem Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung können die Parteien vereinbaren, welches materielle Recht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll, sofern das Arbeitsverhältnis in einer sachlichen Beziehung zum Bereich des gewählten Rechts steht.
Normenkette
ZPO §§ 17, 38, 12; BUrlG §§ 1, 11; ZPO § 559 Abs. 2 S. 1; BUrlG § 13 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 22.09.1982; Aktenzeichen 3 Sa 49/82) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 03.11.1981; Aktenzeichen 4 Ca 259/81) |
Tatbestand
Der Kläger war aufgrund eines am 1. August 1980 geschlossenen Auslandsarbeitsvertrags seit 15. September 1980 als Zimmererpolier bei der Beklagten auf deren Baustelle "Sportzentrum NL 91 Riyadh" in Saudi-Arabien beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete am 30. Juni 1981.
Nach § 3 des Arbeitsvertrags waren an sechs Tagen der Woche jeweils acht Stunden zu arbeiten; demgemäß ist in dem Vertrag eine Regelarbeitszeit von 208 Stunden festgelegt. Als Vergütung stand dem Kläger eine Grundvergütung von 3.884,-- DM monatlich zuzüglich einer monatlichen Auslands-Baustellenzulage von 2.100,-- DM zu. Bei Krankheit und Urlaub im Vertragszeitraum sollte nach dem Arbeitsvertrag die Grundvergütung (ohne Auslandsbaustellenzulage) weitergezahlt werden.
§ 13 des Arbeitsvertrags lautet:
"Meinungsverschiedenheiten aus diesem Vertrag sollen
grundsätzlich in gegenseitiger Aussprache geklärt
werden, wobei für die Klärung von Zweifelsfragen
ausschließlich die Hauptverwaltung der Firma Gustav
E in Stuttgart zuständig ist.
Im übrigen gelten die arbeitsrechtlichen Bestimmungen
der BRD. Rechtsort ist hierfür Stuttgart.
Der Auslandseinsatz fällt nicht unter die Tarifver-
tragsbestimmungen des Baugewerbes in der BRD. Jedoch
werden tarifliche Lohn bezw. Gehaltserhöhungen während
des Auslandseinsatzes bei der Grundvergütung des Ar-
beitnehmers zum gegebenen Zeitpunkt berücksichtigt.
Ansprüche des Arbeitnehmers aus diesem Vertrag ver-
fallen gegenüber dem Unternehmen zwei Monate nach
dem letzten zurechenbaren Auslandsvertragstag.
Vertragsänderungen und Vertragsergänzugen bedürfen
der Schriftform.
Gegenüber einem von den sauid-arabischen Behörden
eventuell verlangten besonderen Arbeitsvertrag haben
die Festlegungen dieses Vertrages in jedem Fall Vor-
rang."
Der Kläger hat regelmäßig 12,5 Stunden an jedem Arbeitstag gearbeitet. Die Mehrarbeit hat die Beklagte bei der Berechnung des Urlaubsentgelts und der Urlaubsabgeltung des dem Kläger nach dem Arbeitsvertrag für 31 Arbeitstage zustehenden Urlaubsanspruchs nicht berücksichtigt.
Mit seiner Klage macht der Kläger u.a. den sich danach in rechnerischer Höhe unstreitig ergebenden Restbetrag geltend. Der Kläger hat u.a. beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.632,91 DM brutto zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten der Klage in Höhe von 1.733,21 DM einschließlich eines inzwischen rechtskräftigen Anspruchs in Höhe von 156,95 DM entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Mit der wegen der Urlaubsansprüche zugelassenen Revision verfolgen beide Parteien ihre Verfahrensziele weiter, soweit sie damit keinen Erfolg hatten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte nur einen Urlaubsentgelt- und Abgeltungsanspruch von 1.225,98 DM.
1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht entgegen der Auffassung der Beklagten die Anwendbarkeit deutschen Rechts angenommen.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die internationale Zuständigkeit nicht in Frage gestellt.
Die Zivilprozeßordnung regelt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht als selbständige Prozeßvoraussetzung, sondern nur mittelbar durch stillschweigende Verweisung auf die Vorschriften über den Gerichtsstand (BAG Urteile vom 18. Juni 1971 - 5 AZR 13/71 -, AP Nr. 5 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit; vom 12. Oktober 1977 - 5 AZR 443/76 -, AP Nr. 3 zu §§ 394, 395 RVO). Dabei schließen jedoch § 73 Abs. 2 ArbGG und ebenso § 549 Abs. 2 ZPO lediglich die Überprüfung der örtlichen (und sachlichen) Zuständigkeit aus (BGHZ (GS) 44, 46; BGH Urteil vom 13. Juni 1978 - VI ZR 189/77 -, AP Nr. 9 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit; BAG Urteil vom 10. April 1975 - 2 AZR 128/74 -, AP Nr. 12 zu Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht), während die Internationale Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen ist (BAG 24, 411, 417; 27, 99, 102 sowie Beschluß des erkennenden Senats vom 23. Juli 1981 - BAG 35, 370 -, AP Nr. 5 zu § 56 ZA Nato-Truppenstatut, m.w.N.).
Hier ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte bereits daraus, daß das vom Kläger angegangene Arbeitsgericht Stuttgart nach §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig ist, weil die Beklagte ihren Sitz in Stuttgart und damit dort ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. Der Vereinbarung in § 13 des Arbeitsvertrags, wonach "Rechtsort Stuttgart" ist, kommt somit selbständige Bedeutung nur insoweit zu, wie eine etwa konkurrierende Zuständigkeit saudi-arabischer Gerichte ausgeschlossen werden könnte.
b) Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht die unter § 13 des Arbeitsvertrags getroffenen Regelungen als Vereinbarung der Anwendung deutschen Rechts verstanden. Bei diesen Regelungen handelt es sich um eine sog. typische Vertragsklausel, weil sie in einem Formularvertrag enthalten ist, der für eine größere Zahl von gleichartigen Rechtsverhältnissen gleichmäßig verwendet wird (vgl. BAG Urteile vom 15. Dezember 1956 - 2 AZR 364/56 -, AP Nr. 4 zu § 549 ZPO; vom 30. September 1958 - 2 AZR 356/56 -, AP Nr. 7 zu § 550 ZPO). Das Revisionsgericht ist berechtigt, die Nachprüfung der Auslegung solcher typischen Vertragsklauseln frei vorzunehmen und kann die Klausel ggf. selbst auslegen (BAG Urteil vom 1. März 1972 - 4 AZR 200/71 -, AP Nr. 11 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
Auch nach diesen uneingeschränkten Überprüfungsgrundsätzen ist dem Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts beizutreten. Nach den Regelungen in § 13 des Arbeitsvertrags sollen - abgesehen von den vertraglichen Vereinbarungen - "im übrigen die arbeitsrechtlichen Bestimmungen der BRD" gelten. "Rechtsort ist hierfür Stuttgart". Damit haben die Parteien, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, die Geltung deutschen Rechts vereinbart. Sie haben nicht nur ausdrücklich die Geltung der deutschen arbeitsrechtlichen Bestimmungen geregelt, sondern sich darüber geeinigt, daß etwaige Streitigkeiten vor den für Stuttgart zuständigen Gerichten ausgetragen werden sollten. Damit haben die Parteien von der nach deutschem internationalen Privatrecht grundsätzlich eröffneten Möglichkeit der Rechtswahl Gebrauch gemacht (vgl. BAG 16, 215, 222 und 27, 99, 103).
Rechtliche Bedenken gegen diese Wahl bestehen nicht. Bei einem Arbeitsverhältnis mit Auslandsberührung können die Parteien vereinbaren, welches materielle Recht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll, sofern das Arbeitsverhältnis in einer sachlichen Beziehung zum Bereich des gewählten Rechts steht (BAG 24, 411; BAG Urteil vom 29. Juni 1978 - 2 AZR 973/77 -, AP Nr. 8 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit; vgl. Raape/Sturm, Internationales Privatrecht, Band I, 6. Aufl. 1977, § 7 I 3, § 18 IV 3). Die sachliche Beziehung zum deutschen Recht ergibt sich vorliegend für das in Saudi-Arabien durchgeführte Arbeitsverhältnis der Parteien daraus, daß der Kläger seinen Wohnsitz in Braunschweig und die Beklagte ihren Sitz in Stuttgart hat.
c) Zu Unrecht meint die Beklagte, aus der von ihr vorgetragenen Tatsache, daß "die gesamte vertragliche Abwicklung der Baustelle ausschließlich saudischem Privatrecht" ebenso unterlegen habe wie "zahlreiche weitere Bauten, welche die Beklagte in Saudi-Arabien" ausführt, folge zugleich, daß auch die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten sich nach saudischem Recht richten. Die Beklagte verwechselt damit ihre Rechtsbeziehungen zu ihren jeweiligen Auftraggebern mit dem Rechtsverhältnis mit dem Kläger. Daß für andere Arbeitnehmer der Beklagten (die Beklagte verweist auf Thailänder, Türken und Araber aus nicht saudischen Staaten), grundsätzlich saudisches Recht gelten soll, ist aus dem gleichen Grunde unerheblich. Die Beklagte übersieht, daß sie sich insgesamt vertraglicher Regelungen bedient hat, wie sie typischerweise dem deutschen Recht entsprechen. Was nach ihrer Auffassung in dem von ihr abgeschlossenen Vertrag saudi-arabischem Recht entspricht und wie im übrigen das Rechtsverhältnis der Parteien zu beurteilen ist, unter der Voraussetzung, daß darauf saudi-arabisches Recht anwendbar wäre, sagt die Beklagte nicht.
2. Den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zum Umfang des dem Kläger zustehenden Anspruchs kann nur zum Teil gefolgt werden. Die Beklagte hat zwar hiergegen keine Angriffe gerichtet. Dennoch ist vom erkennenden Senat unabhängig hiervon nach § 559 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht von einer zutreffenden Zahl von Urlaubstagen bei der Berechnung der vom Kläger geforderten Klagsumme ausgegangen ist.
a) Dem Landesarbeitsgericht ist jedenfalls im Ansatz darin zuzustimmen, daß die Vereinbarung der Parteien über den Umfang des dem Kläger zustehenden Betrags für Urlaub und Urlaubsabgeltung insoweit nicht mit § 11 und § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG zu vereinbaren ist, als der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch in die vertragliche Regelung einbezogen ist.
Nach dem Arbeitsvertrag (§ 3 c) war zwar die Beklagte nur verpflichtet, die monatliche Grundvergütung für eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Gesamtarbeitszeit von 208 Stunden in Höhe von 3.884,-- DM weiterzuzahlen. Damit bestand eine vertragliche Vergütungspflicht für die vom Kläger unstreitig arbeitstäglich geleistete Mehrarbeit von 4,5 Stunden nicht für die Urlaubszeit.
Zu Recht ist jedoch das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß diese vertragliche Regelung nicht mit §§ 1, 11 und § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG in Einklang steht, weil hierdurch der während des gesetzlichen Mindesturlaubs unverändert weiterbestehende Vergütungsanspruch zuungunsten des Klägers abgeändert wird.
Der Arbeitnehmer hat für den gesetzlichen Mindesturlaub Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts, § 1 BUrlG; nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BUrlG ist bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger durchgängig 12,5 Stunden arbeitstäglich gearbeitet, so daß nach dem Gesetz von diesem Verdienst für den gesetzlichen Urlaubsanspruch auszugehen ist. Ob auch die dem Kläger zu zahlende Baustellenzulage in die Berechnung einzubeziehen wäre, kann hier dahinstehen, da der Kläger dies nicht begehrt hat.
§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG berechtigt die Parteien nicht, insoweit zuungunsten des Arbeitnehmers von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes abzuweichen, so daß im Umfang des dem Kläger zustehenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs die Vereinbarung der Parteien durch die gesetzliche Regelung nach § 1, § 11 Abs. 1 Satz 2 BUrlG verdrängt wird.
b) Nicht gefolgt werden kann allerdings dem Landesarbeitsgericht darin, daß hier für den Kläger von einem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 18 Werktagen auszugehen sei.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist am 15. September 1980 begründet worden. Damit lief die Wartefrist nach § 4 BUrlG mit Ablauf des Monats März 1981 ab. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger einen Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG von sechs Zwölftel des Jahresurlaubs = 9 Werktage erhoben. Da er in der ersten Hälfte des Kalenderjahres nach erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis wieder ausgeschieden ist (vgl. BAG 18, 345, 348), stehen ihm nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG weitere drei Zwölftel des Jahresurlaubs = 4,5 Werktage zu. Damit ist nach § 5 Abs. 2 BUrlG von einer erhöhten Vergütungspflicht für 14 Werktage auszugehen. Nach dem insoweit unstreitigen Parteivortrag entspricht dies einem Betrag von 1.225,98 DM. Soweit das Landesarbeitsgericht demgegenüber von einer Vergütung von 1.576,26 DM für 18 Werktage ausgegangen ist, müssen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Umfang der Differenz (350,28 DM) geändert werden.
3. Damit ergibt sich zugleich, daß die Revision des Klägers zurückzuweisen ist. Eine höhere Vergütung auch für den über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden vertraglich vereinbarten Urlaub steht ihm nicht zu.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Linde Möller-Lücking
Fundstellen
Haufe-Index 440857 |
BB 1985, 2175-2176 (LT1) |
DB 1985, 2153-2154 (LT1) |
BlStSozArbR 1985, 307-307 (T) |
NZA 1986, 25-25 (LT1) |
AP § 13 BUrlG Unabdingbarkeit (LT1), Nr 11 |
AR-Blattei, Auslandsarbeit Entsch 10 (LT1) |
AR-Blattei, ES 340 Nr 10 (LT1) |
EzA § 13 BUrlG, Nr 23 |
IPRspr. 1985, 49 |