Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerweiterbildung. Vereinbarung über nachträgliche Gehaltsfortzahlung
Normenkette
AWbG NW § 1 Abs. 1, § 7 S. 1, § 9 S. 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 09.07.1991; Aktenzeichen 8 Sa 461/91) |
ArbG Krefeld (Urteil vom 05.03.1991; Aktenzeichen 4 Ca 2447/90) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Juli 1991 – 8 Sa 461/91 – aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 5. März 1991 – 4 Ca 2447/90 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Fortzahlung des Gehalts nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NW (AWbG).
Die Klägerin ist Angestellte der Beklagten. Sie ist als Personalratsmitglied von ihrer dienstlichen Tätigkeit im Arbeitsamt K. freigestellt. Mit Schreiben vom 2. August 1990 beantragte die Klägerin die Freistellung nach dem AWbG vom 29. Oktober bis 9. November 1990 für einen Intensiv-Sprachkurs „Französisch” aus der Reihe „Sprache und Politik für Arbeitnehmer/innen in Europa”, Veranstalter „Arbeit und Leben”.
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 28. August 1990, eine Freistellung mit Entgeltfortzahlung sei nicht möglich, weil der beabsichtigte Besuch des Sprachkurses weder der beruflichen noch der politischen Weiterbildung diene. Es sei jedoch eine unbezahlte Freistellung möglich.
Die Klägerin teilte darauf am 19. September 1990 mit, sie nehme von der unbezahlten Freistellung Kenntnis, behalte sich aber vor, die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes einzuklagen.
Die von der Klägerin anschließend besuchte Bildungsveranstaltung war von der Behörde für Schule, Jugend- und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg auf Antrag des Veranstalters gem. § 15 des Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetzes anerkannt worden.
Nach Besuch der Veranstaltung vom 29. Oktober bis 9. November 1990 in Südfrankreich kürzte die Beklagte das Oktobergehalt der Klägerin um 489,64 DM und das Novembergehalt um 1.517,87 DM brutto.
Mit der am 8. Januar 1991 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Gehaltsfortzahlung für einen zusammengefaßten Bildungsurlaub der Jahre 1989 und 1990 geltend gemacht und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.007,51 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat zweitinstanzlich nur noch den Anspruch aus dem Jahre 1990 auf Weiterbildung und Bezahlung verfolgt.
Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte für den Besuch der ersten Woche der Bildungsveranstaltung (29. Oktober bis 2. November 1990) zur Zahlung von 826,95 DM brutto nebst Prozeßzinsen verurteilt.
Hiergegen wendet sich die Revision der Beklagten, die ausschließlich die Verletzung materiellen Rechts rügt. Während die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, bittet die Klägerin um die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Da der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt das Gehalt für die erste Woche des von ihr besuchten Sprachkurses in der Zeit vom 29. Oktober bis 2. November 1990 fortzuzahlen ist, muß das klageabweisende arbeitsgerichtliche Urteil wiederhergestellt werden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Nennung einer Anspruchsgrundlage für entscheidungserheblich gehalten, ob die besuchte Bildungsveranstaltung der beruflichen und/oder politischen Weiterbildung der Klägerin dient.
Dem folgt der erkennende Senat nicht. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, daß nach § 1 Abs. 1 AWbG die Arbeitnehmerweiterbildung in Nordrhein-Westfalen über die Freistellung von der Arbeit zum Zwecke der Weiterbildung erfolgt. Deshalb bedarf es vor dem Besuch einer Weiterbildungsveranstaltung einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers (Senatsurteil vom 11. Mai 1993 – 9 AZR 231/89 – zur Veröffentlichung vorgesehen; Senatsurteil vom 24. August 1993 – 9 AZR 252/89 –). Daran fehlt es hier.
2. Das Berufungsurteil beruht auf dieser fehlerhaften Rechtsanwendung. Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 7 AWbG i.Verb.m. § 1 Abs. 1 AWbG kann nämlich nur entstehen, wenn der Arbeitgeber in Erfüllung des Weiterbildungsanspruches die Freistellung erklärt hat. Weigert er sich, diese Erklärung abzugeben, ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, an der Bildungsveranstaltung teilzunehmen, sondern muß zuvor versuchen, den Freistellungsanspruch gerichtlich durchzusetzen.
Im Streitfall hat die Beklagte am 28. August 1990 abgelehnt, der Klägerin die beantragte Freistellung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz zu erteilen. Sie hat lediglich ein Angebot unterbreitet, wegen der ihrer Ansicht nach fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Satz 1, § 1 Abs. 2 AWbG der Klägerin eine andere Leistung, nämlich unbezahlte Freizeit, zu gewähren. Dieses Angebot hat die Klägerin nicht angenommen.
3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
a) Die Klägerin hat keinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt aus einer besonderen Vereinbarung der Parteien (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 1993 – 9 AZR 648/90 – und vom 24. August 1993 – 9 AZR 252/89 –).
Es kann dahinstehen, ob der Hinweis der Klägerin in ihrem Schreiben vom 19. September 1990 („ich behalte mir vor, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts einzuklagen”) überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Inhalts enthält, mit der Beklagten eine besondere Vereinbarung über die spätere Zahlung des Gehaltes nach gerichtlicher Klärung der Anerkennungsvoraussetzungen des § 9 Satz 1 AWbG abschließen zu wollen, oder ob es sich lediglich um eine bloße tatsächliche Ankündigung einer zukünftigen gerichtlichen Auseinandersetzung handelt. Denn es liegt keine Erklärung der Beklagten vor, dieses Vertragsangebot der Klägerin annehmen zu wollen. Deshalb gab es für die Klägerin keinerlei Veranlassung davon auszugehen, die Beklagte wolle ihr zunächst unbezahlten Sonderurlaub gewähren und nach gerichtlicher Klärung der Anerkennungsvoraussetzungen des § 9 Satz 1 AWbG ihr unter Verrechnung mit dem Weiterbildungsanspruch das Gehalt nachzahlen.
b) Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Zahlung ihres Gehalts nach § 611 BGB. Zwar war die Klägerin als Personalratsmitglied gem. § 46 Abs. 4 BPersVG von ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellt, die Teilnahme an dem besuchten Sprachkurs in Südfrankreich hat jedoch eine Minderung ihres Arbeitsentgelts zur Folge. Ein freigestelltes Personalratsmitglied behält nämlich für Tätigkeiten außerhalb der Dienststelle nur dann seinen Gehaltsanspruch, wenn seine Abwesenheit zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich war (BAG Urteil vom 31. Mai 1989 – 7 AZR 277/88 – EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 100). Diese Voraussetzungen treffen hier nicht zu.
II. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dörner, Düwell, Dr. Schwarze, Hennecke
Fundstellen