Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstundenvergütung für Orchestermusiker
Leitsatz (amtlich)
Die Vergütung eines Orchestermusikers, auf dessen Arbeitsverhältnis der TVK anzuwenden ist, beträgt, soweit es sich um die Berechnung der Vergütung für tariflich nicht zulässige Überarbeit handelt, für eine Arbeitswoche 7/30 der monatlichen Vergütung (Klarstellung der Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteil vom 27. Mai 1993 – 6 AZR 359/92 – AP Nr. 22 zu § 611 BGB Musiker).
Normenkette
Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 i.d.F.v. 5. Oktober 1988 §§ 15-16, 18, 21, 36, 39; BGB § 612; AZO §§ 3, 15
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Kläger verlangen von dem beklagten Land Vergütung in Höhe von jeweils 480,00 DM für Dienste, die sie als Orchestermusiker geleistet haben.
Die Kläger gehören der Instrumentengruppe der ersten Geigen am Hessischen Staatstheater D… an und sind Mitglieder der Deutschen Orchestervereinigung e.V. in der DAG. Kraft beiderseitiger Tarifbindung findet auf die Arbeitsverhältnisse der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 i.d.F. vom 5. Oktober 1988 Anwendung.
Im Ausgleichszeitraum (§ 15 Abs. 2 TVK) vom 23. Oktober bis zum 17. Dezember 1989 waren der Kläger P… vom 20. November bis zum 3. Dezember 1989 und der Kläger Q… vom 23. Oktober bis zum 19. November 1989 arbeitsunfähig erkrankt.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sie in dem genannten Ausgleichszeitraum unter Berücksichtigung der durch die Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Dienste zu je vier die tariflich zulässige Höchstzahl von 64 übersteigenden Diensten herangezogen. Es habe sich dadurch die Einstellung von Aushilfskräften erspart. Das beklagte Land müsse daher die vier zusätzlichen Dienste vergüten, und zwar jeweils mit dem Betrag, den es an Aushilfskräfte zahle. Dies seien für eine Probe 120,00 DM.
Die Kläger haben beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger zu 1) und den Kläger zu 2) jeweils 480,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 8. Mai 1990 zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Arbeitseinsatz der Kläger nach Beendigung ihrer Arbeitsunfähigkeit habe sich in dem tarifvertraglich zulässigen Rahmen gehalten.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und den Klagen stattgegeben. Auf die Revision des beklagten Landes hat des Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 27. Mai 1993 (– 6 AZR 359/92 – AP Nr. 22 zu § 611 BGB Musiker) das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 2. April 1992 – 13 Sa 847/91 – aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Kläger das beklagte Land erneut antragsgemäß verurteilt. Mit der vorliegenden Revision bittet das beklagte Land erneut um Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben.
Die Kläger haben gegen das beklagte Land für tarifrechtlich nicht zulässige Überarbeit einen Anspruch auf Vergütung in dem eingeklagten Umfang (§ 612 Abs. 1 BGB).
1. Die Kläger haben im Ausgleichszeitraum vom 23. Oktober bis 17. Dezember 1989 jeweils mindestens vier Dienste als tarifrechtlich nicht zulässige Überarbeit geleistet.
Nach den Feststellungen, die das Landesarbeitsgericht unter Beachtung der Vorgaben des Senats im zurückverweisenden Urteil getroffen hat, ergibt sich, daß der Kläger P… während seiner Krankheit vom 20. November bis zum 3. Dezember 1989 für 17 Dienste vorgesehen war. Diese Feststellungen wurden von der Revision nicht angegriffen. Da der Kläger P… während des restlichen Ausgleichszeitraums unstreitig weitere 52 Dienste leistete, ergeben sich für den Ausgleichszeitraum 69 Dienste, damit fünf Dienste mehr als die 64 Dienste, die nach § 15 Abs. 2 TVK im Ausgleichszeitraum vom acht Kalenderwochen zu leisten sind. Der Kläger Q… war nach den von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in den ersten vier Wochen des Ausgleichszeitraums, in denen er arbeitsunfähig erkrankt war, für 32 Dienste eingeplant. Für den Rest des Ausgleichszeitraums hätte er mithin nur noch für weitere 32 Dienste eingesetzt werden dürfen. Tatsächlich hat er weitere 36 Dienste und damit vier Dienste über die Höchstgrenze des § 15 Abs. 2 TVK hinaus geleistet.
2. Diese tariflich nicht zulässige Überarbeit ist den Klägern nach den Grundsätzen gesetzlich unzulässiger Mehrarbeit zu vergüten (vgl. Urteil des Senats vom 27. Mai 1993 – 6 AZR 359/92 – AP Nr. 22 zu § 611 BGB Musiker).
a) Bereits im zurückverweisenden Urteil hat der Senat dargelegt, daß gemäß seiner ständigen Rechtsprechung die Grundsätze des in der AZO geregelten staatlichen Arbeitszeitrechts heranzuziehen sind. Da die AZO auch auf die Arbeitsverhältnisse der Musiker in Kulturorchestern Anwendung findet (vgl. § 18 TVK), ist dies möglich und führt zur Gewinnung brauchbarer Kriterien (vgl. BAGE 45, 238 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag). Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sind die Höchstarbeitszeiten der AZO zugrundezulegen. Dazu zählen die Sechstagewoche und der Achtstundentag (§ 3 AZO), wobei die Sechstagewoche auch aufgrund tariflicher Regelung (§ 16 Abs. 1 TVK) für die wöchentliche Arbeitszeit der Musiker in Kulturorchestern gilt. Im Hinblickauf seine Ausführungen im zurückverweisenden Urteil stellt der Senat klar, daß es bei der Vergütungsberechnung für Musiker nach dem TVK nicht auf die Höhe eines Stundenverdienstes ankommt, sondern auf die Vergütung nach Diensten (vgl. § 15 Abs. 1 TVK). Ausgehend von der Inanspruchnahme für höchstens acht Dienste pro Woche (§ 15 Abs. 2 TVK) ist vorliegend für die vier von den Klägern zusätzlich geleisteten Dienste eine Vergütung für eine halbe Arbeitswoche zugrundezulegen.
b) Die Höhe der Vergütung für eine Arbeitswoche ist anhand tariflicher Vorgaben zu ermitteln, sofern sich solche feststellen lassen. Dies ist vorliegend der Fall. Nach § 39 Abs. 2 TVK wird für jeden abzugeltenden Urlaubstag 1/30 der monatlichen Vergütung (§ 21 TVK) gezahlt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die mit 1/30 des Grundgehalts ermittelten Tagesgagen für jeden Kalendertag einer Arbeitswoche zu zahlen sind. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß der Urlaub nach Kalendertagen, nicht nach Arbeitstagen zu berechnen ist (§ 36 Abs. 3 TVK). Somit ist als Vergütung für eine Arbeitswoche mit sieben Kalendertagen 7 × 1/30 des Grundverdienstes anzusetzen. Ausgehend von einem Bruttoverdienst der Kläger in Höhe von monatlich 4.408,00 DM ergibt sich für eine Arbeitswoche ein Betrag von 1.028,53 DM (= 4.408,00 DM : 30 × 7). Als die den Klägern zustehende Vergütung für eine halbe Arbeitswoche ergibt sich somit ein Betrag von 514,27 DM. Bereits ohne Hinzurechnung eines Zuschlags von 25 % entsprechend § 15 Abs. 2 AZO (vgl. Urteil vom 27. Mai 1993, aaO), übersteigt dieser Betrag die Klageforderungen, denen das Berufungsgericht somit zu Recht entsprochen hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Hauck, Gebert, S. de Hair
Fundstellen
Haufe-Index 872284 |
NZA 1997, 54 |