Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchenautonomie und Meinungsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

  • Nicht jede Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis zur Kirche hat eine solche Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben, daß der sie ausübende Arbeitnehmer sich voll mit den Lehren der Kirche identifizieren muß und deshalb die Glaubwürdigkeit der Kirche berührt wird, wenn er sich in seiner privaten Lebensführung nicht an die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre hält (bestätigung von BAG 34, 195 = AP Nr. 7 zu Art. 140 GG).
  • Ein in einem katholischen Krankenhaus beschäftigter Arzt ist verpflichtet, sich öffentlicher Stellungnahmen für den legalen Schwangerschaftsabbruch zu enthalten.
  • Durch diese ihm auferlegte Loyalitätspflicht wird der Arzt in seinem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht verletzt.
  • Ein Verstoß gegen diese Loyalitätspflicht kann einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung abgeben. Ob diese Pflichtverletzung auch gewichtig genug ist, im konkreten Fall die Kündigung sozial zu rechtfertigen, ist im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen. Diese Prüfungskompetenz der staatlichen Gerichte ist durch das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht ausgeschlossen.
 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1; KSchG 1969 § 1; ZPO § 561

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 08.09.1980; Aktenzeichen 21 Sa 582/80)

ArbG Essen (Urteil vom 15.04.1980; Aktenzeichen 6 Ca 594/80)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. September 1980 – 21 Sa 582/80 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der im Jahre 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Februar 1979 in dem St. Elisabeth-Krankenhaus in Essen, dessen Rechtsträger die Beklagte, eine kirchliche Stiftung, ist, als Assistenzarzt mit dem Ziel beschäftigt, sich zum Facharzt auszubilden. Er war zuletzt in der Unfall-Chirurgie gegen ein Monatsgehalt von 4.500,-- DM brutto eingesetzt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV).

Der von den Parteien unter dem 30. August 1978 abgeschlossene schriftliche Dienstvertrag bestimmte in § 2, daß für das Dienstverhältnis die “Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes” (AVR) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden sollten. § 1 Abs. 1 AVR lautet:

“Die Pflichten der Dienstgemeinschaft sind durch den Auftrag bestimmt, den die Caritas als Lebens- und Wesensäußerung der Christen und der Kirche hat. Die Mitarbeiter haben den ihnen anvertrauten Dienst in Treue zu leisten. Ihr gesamtes Verhalten in und außer dem Dienst muß der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeiter im Dienste der Caritas übernommen haben. Es wird vorausgesetzt, daß sie den christlichen Grundsätzen bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten Rechnung tragen.”

Ferner ist in § 16 Abs. 1 AVR bestimmt:

“Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S. von § 626 BGB kann das Dienstverhältnis von beiden Vertragsparteien ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor bei Vertrauensbrüchen oder groben Achtungsverletzungen gegenüber Angehörigen der Dienstgemeinschaft, leitenden Personen oder wesentlichen Einrichtungen der katholischen Kirche, bei schweren Vergehen gegen die Sittengesetze der Kirche oder die staatliche Rechtsordnung oder bei sonstigen groben Verletzungen der sich aus diesen Richtlinien ergebenden Dienstpflichten.”

Im Oktober 1979 wurde in der Wochenzeitschrift “Stern” Nr. 41/1979 unter dem von der Redaktion der Zeitschrift gewählten Titel “Ärzte gegen Ärztefunktionäre” ein Leserbrief veröffentlicht, der von etwa 50 Personen, darunter dem Kläger und dem ebenfalls im Krankenhaus der Beklagten beschäftigten Assistenzarzt B…, unterzeichnet wurde. Der Brief lautet:

“Wir wehren uns mit diesem Aufruf besonders gegen die Angriffe, die von klerikal-konservativer und standesärztlicher Seite gegen die Praxis des derzeitigen Paragraphen 218 geführt werden. So verglich Dr. Holzgartner, CSU-Funktionär und Vorstandsmitglied der bayrischen Ärztekammer, den legalen Schwangerschaftsabbruch mit den Massenmorden der Nazis in Auschwitz. Dr. Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärztekammer, wollte sogar bestreiten, daß es in einem so reichen Staat wie der BRD eine Notwendigkeit zum Schwangerschaftsabbruch aus sozialer Notlage geben könne. Wir sehen unsere Position zum Abtreibungsparagraphen 218 nicht durch die inhumanen Äußerungen des Präsidenten der Bundesärztekammer vertreten und distanzieren uns von diesen und ähnlichen Versuchen, eine notwendige und sinnvolle Entwicklung zu hemmen. Wir kennen aus eigener beruflicher Praxis die zum Teil unlösbaren Schwierigkeiten von Frauen in unserem Land, die ungewollt schwanger geworden sind.”

Die Unterzeichnung dieses Briefes nahm die Beklagte zum Anlaß, dem Kläger mit Schreiben vom 13. Februar 1980 fristgemäß zum 31. März 1980 zu kündigen.

Am 11. März 1980 wurde im dritten Fernsehprogramm des Westdeutschen Rundfunks ein Interview mit dem Kläger und seinem Kollegen B… ausgestrahlt. Wegen Äußerungen des Klägers in diesem Interview sprach ihm die Beklagte mit Schreiben vom 20. März 1980 eine außerordentliche Kündigung zum 31. März 1980 und vorsorglich eine fristgemäße Kündigung zum 30. Juni 1980 aus. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage ist Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits, den der Senat durch ein ebenfalls am 21. Oktober 1982 verkündetes Urteil – 2 AZR 628/80 – entschieden hat.

Mit der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Klage wendet sich der Kläger gegen die ordentliche Kündigung vom 13. Februar 1980. Er hat beantragt festzustellen, daß diese Kündigung rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbesteht. Zur Begründung hat er vorgetragen:

Er habe sich keiner Vertragspflichtverletzung schuldig gemacht. Er sei zwar Mitglied der katholischen Kirche. Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz dürfe ihm das aber nicht zum Nachteil gereichen, da die Beklagte auch nicht der katholischen Kirche angehörende Ärzte beschäftige. Überdies erfülle die Beklagte gesetzliche Verpflichtungen der Krankenversorgung und erhalte öffentliche Zuschüsse. Sie könne daher keinen Tendenzschutz in Anspruch nehmen. Auch sei ein Arzt kein Tendenzträger, da er nicht an der Glaubensverkündigung teilnehme. Er habe sich nie für den Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen, sondern dessen Straffreiheit unter den in § 218a StGB bestimmten Voraussetzungen begrüßt und sich gegen die Diffamierung dieser gesetzlichen Regelung sowie die Gleichsetzung ihrer Befürworter mit NS-Massenmördern gewandt.

Die Kündigung sei aber auch deshalb rechtsunwirksam, weil sie in Wahrheit wegen seiner Mitgliedschaft in der ÖTV und somit unter Verstoß gegen das Grundrecht der Koalitionsfreiheit und der Meinungsfreiheit ausgesprochen worden sei und die Beklagte nicht für die Errichtung einer Mitarbeitervertretung Sorge getragen habe, die dann vor der Kündigung hätte angehört werden müssen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe mit der Unterzeichnung des Leserbriefs einen verhaltens- und möglicherweise auch einen personenbedingten Kündigungsgrund gesetzt. Der Verkündigungsauftrag der Kirche umfasse auch die Krankenfürsorge. In einem Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft übe der Kläger als Arzt seinen Dienst in Bindung an diesen Verkündigungsauftrag aus. Als Mitglied einer kirchlichen Dienstgemeinschaft habe er deshalb die in seinen Dienstvertrag eingegangenen Loyalitätspflichten zu erfüllen. Hiergegen habe er mit der Unterzeichnung des Leserbriefs verstoßen, weil er öffentlich und gezielt gegen die ihm bekannte Haltung der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch Stellung genommen habe, die zum Kern ihrer sittlich-ethischen und religiösen Grundsätze gehöre. Der Leserbrief befasse sich keineswegs nur mit den Äußerungen der Ärztefunktionäre, sondern enthalte eine eindeutige Befürwortung des Schwangerschaftsabbruchs. Diese Einstellung habe der Kläger dann später in dem Fernsehinterview noch verdeutlicht. Dies sei mit dem vom Staat zu respektierenden Selbstverständnis der Kirche nicht zu vereinbaren. Dem stehe nicht entgegen, daß in dem Krankenhaus auch Ärzte anderer Konfessionen beschäftigt und vom Staat Zuschüsse gewährt würden. Der Kläger könne sich auch nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen, da dieses durch die im kirchlichen Dienst bestehenden Loyalitätspflichten eingeschränkt sei.

Die Mitgliedschaft des Klägers in der ÖTV sei für die Kündigung ohne Einfluß geblieben. Aus dem Fehlen einer Mitarbeitervertretung könnten ihr keine Rechtsnachteile erwachsen.

Die Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung der Beklagten für sozialwidrig erachtet und dies im wesentlichen wie folgt begründet:

I. Der Kläger unterliege als weltlicher Arbeitnehmer im sozialkaritativen Bereich der katholischen Kirche auch dem Kündigungsschutzgesetz.

Die verfassungsrechtlich geschützte Kirchenautonomie führe jedoch dazu, bei der Beurteilung einer Kündigung wegen tendenzwidrigen Verhaltens auch im außerdienstlichen Bereich die im Rahmen dieser Autonomie geschaffenen Regeln für die Beschäftigung im Dienst der Kirchen zu berücksichtigen. Deshalb könne auch ein nach der staatlichen Rechtsordnung erlaubtes Verhalten einen zur Kündigung berechtigenden Loyalitätsverstoß darstellen. Die Beklagte müsse auf die Erhaltung eines der besonderen Zielsetzung ihres Betriebes entsprechenden Ansehens bedacht sein. Hieraus ergäben sich gesteigerte Anforderungen hinsichtlich des außerdienstlichen Verhaltens selbst an Mitarbeiter, die nicht zu den sogenannten Tendenzträgern zählten. Die kirchlich betriebene Krankenpflege sei als karitative Einrichtung der Religionsgemeinschaft einzuordnen, die in Ausübung der religiösen Betätigung betrieben werde. Die karitative Zielsetzung entfalle nicht dadurch, daß für den Betrieb staatliche Finanzmittel in Anspruch genommen würden. Auch wenn man wohl richtigerweise annehme, daß der Kläger als Arzt kein Tendenzträger sei, treffe ihn eine Tendenzbeachtungspflicht, da seine Tätigkeit eine gewisse Repräsentanz für die Beklagte nach außen habe. Die Kirche könne deshalb für ihre in verantwortlicher Position tätigen Bediensteten auch die Loyalität gegenüber den Grundwerten der kirchlichen Glaubensüberzeugung verlangen. Dies gelte unabhängig von der Konfession der betroffenen Mitarbeiter. Es sei lediglich die Bedeutung der Tätigkeit des Arbeitnehmers für den Betrieb und damit der Grad seiner Tendenznähe zu berücksichtigten.

II. Bei Anwendung dieser Grundsätze sei der Inhalt der öffentlichen Äußerung des Klägers im “Stern” teilweise als Verstoß gegen seine arbeitsvertragliche Loyalitätspflicht gegenüber der Beklagten zu qualifizieren, weil eine Unvereinbarkeit mit den Kernsätzen der katholischen Glaubenslehre bestehe. Unbeschadet seiner persönlichen Überzeugung habe es ihm die vertragliche Treuepflicht geboten, in seiner Stellung als Arzt sich nicht mit öffentlichen Äußerungen uneingeschränkt und öffentlich zu identifizieren, die einen Angriff auf wesentliche Wertvorstellungen der katholischen Kirche enthielten. Der Leserbrief enthalte auch die sinngemäße Erklärung, es könne eine Notwendigkeit zum Schwangerschaftsabbruch aus sozialer Notlage geben und es sei inhuman, dies zu leugnen. Damit habe der Kläger eindeutig öffentlich gegen die Auffassung der katholischen Kirche von der Unantastbarkeit des werdenden menschlichen Lebens Stellung genommen. Dies sei ihm auch bewußt gewesen, wie er in der Berufungsverhandlung unmißverständlich bekundet habe. Der Kläger habe somit einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 KSchG gesetzt.

Jedoch ergebe die auch hier gebotene Interessenabwägung, daß das Verhalten des Klägers nicht ausreiche, die Kündigung sozial zu rechtfertigen. Dem Interesse der Beklagten an der Erhaltung der Glaubwürdigkeit ihrer Einrichtung stünden als schutzwürdige Belange des Klägers sein Interesse an der Erhaltund des Arbeitsplatzes und die Beendigung seiner Ausbildung gegenüber. Ihm sei zugute zu halten, daß er die Unterzeichnung des Leserbriefes in entschuldbarer Weise als außerdienstliche private Meinungsäußerung eingestuft habe, die nach seiner Ansicht als Laie und auch nach Meinung von Juristen von der Beklagten nicht habe beanstandet werden können. Zudem habe die Verlautbarung in erster Linie darauf abgezielt, sich von Äußerungen zweier Standesvertreter zu distanzieren. Es sei dem Kläger lediglich vorzuwerfen, in seinem Bemühen nach Verdeutlichung der eigenen Position das rechte Maß überschritten zu haben. Auch habe er sich einer vorformulierten Erklärung angeschlossen. Schließlich dürfte sich die Auswirkung der Veröffentlichung auf den Kreis derer beschränkt haben, denen der Kläger und sein Arbeitgeber bekannt gewesen seien. In Anbetracht dieser Umstände habe die Beklagte auch angesichts ihrer besonderen Situation Toleranz gegenüber der einmaligen Verfehlung des Klägers üben können; der Kündigungsgrund sei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht absolut zwingend gewesen.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

B.I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, obwohl die Beklagte an der durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) verfassungsrechtlich gesicherten Kirchenautonomie teilnimmt.

1. Nach Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und deren rechtlich selbständige Teile, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Sinn oder ihrer Aufgabe entsprechend dazu berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen. Maßgebendes Kriterium für die Zuordnung einer Einrichtung zur Kirche ist nicht die Zugehörigkeit zur Kirchenverwaltung; es genügt vielmehr, daß die in Frage stehende Einrichtung der Kirche so nahe steht, daß sie teilhat an der Verwirklichung eines Stücks Auftrag der Kirche im Geist christlicher Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis der christlichen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Kirche (BVerfGE 46, 73, 85 ff.; 53, 366, 391 ff. = AP Nr. 1 und 6 zu Art. 140 GG). Nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche umfaßt die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit, sich in der Welt zu entfalten und zu wirken, wie es ihrer religiösen und diakonischen Aufgabe entspricht. Hierzu gehört insbesondere das karitative Wirken und damit auch die kirchlich getragene Krankenpflege. Ihr entspricht die Organisation des kirchlichen Krankenhauses und die auf sie gestützte, an christlichen Grundsätzen ausgerichtete umfassende Hilfeleistung für den Patienten (BVerfGE 53, 366, 393).

2. Die Beklagte nimmt als kirchliche Stiftung an der verfassungsrechtlich gewährleisteten Kirchenautonomie teil.

a) Die Teilnahme an der Kirchenautonomie des Art. 140 GG setzt voraus, daß eine Stiftung teilhat an der Verwirklichung eines Stücks Auftrag der Kirche im Geiste christlicher Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis der christlichen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Kirche (BVerfGE 46, 73, 87; 53, 366, 392). Deshalb entscheiden darüber, ob die Einrichtung eine Grundfunktion der Kirche wahrnimmt, die zuständigen Repräsentanten oder Gremien der Kirche, für die katholische Kirche also vorliegend der Bischof; denn kein Werk darf sich ohne Zustimmung der rechtmäßigen kirchlichen Autorität “katholisch” nennen. Eine karitative Einrichtung kann die verfassungsrechtlich garantierte Kirchenautonomie nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie Wesens- und Lebensäußerung einer Kirche darstellt (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 180).

b) Die Beklagte betreibt nach dem Stiftungszweck, der Organisation der Verwaltung des Krankenhauses und der Verbindung zu den Amtsträgern der katholischen Kirche kirchlich getragene Krankenpflege. Sie ist eine durch Kabinettsorder vom 27. September 1841 errichtete rechtsfähige kirchliche Stiftung. Sie gilt als “Alte kirchliche Stiftung” im Sinne des § 29 des Stiftungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (StiftG NW) vom 21. Juni 1977 (GV. NW. S. 274). Nach ihrer Satzung vom 8. März 1962 in der Fassung des Beschlusses des Verwaltungsrates vom 11. Oktober 1968 ist Gegenstand des Unternehmens u.a. die Einrichtung und Unterhaltung von Krankenanstalten, die – entsprechend dem katholischen Verständnis von Karitas (vgl. dazu BVerfGE 46, 73, 90 f.) – Kranken ohne Unterschied des Bekenntnisses offenstehen.

Die Verwaltung der Stiftung ist einem Verwaltungsrat übertragen. Er besteht aus sieben Mitgliedern, nämlich der jeweiligen Generaloberin der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern von der hl. Elisabeth, aus einem in Essen ansässigen katholischen Pfarrer oder einem anderen geistlichen Herrn, sowie aus fünf katholischen Bürgern der Stadt Essen. Die Generaloberin ist geborenes und ständiges Mitglied, die übrigen Mitglieder werden vom Verwaltungsrat auf vier Jahre mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Ihre Wahl bedarf der Bestätigung durch den Bischof von Essen. Von den fünf Bürgern scheidet je ein Mitglied am Ende eines Jahres aus.

“Entsprechend dem kirchlichen Charakter der Anstalt” steht dem Bischof von Essen das Aufsichtsrecht zu. Das Bischöfliche Generalvikariat des Bistums Essen hat gemäß Schreiben vom 20. September 1978 auch die kirchliche Stiftungsaufsicht im Sinne des § 17 Abs. 2 StifG NW übernommen. Schließlich bestimmt die Satzung, daß bei Auflösung der Anstalt das vorhandene Vermögen durch den Bischöflichen Stuhl in Essen im Sinne der Gründer für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zu verwenden ist.

Nach diesen Satzungsbestimmungen ist die Beklagte als der katholischen Kirche zugeordnet und zugehörig anzuerkennen. Zwar haben die weltlichen Mitglieder des Verwaltungsrats bei der Wahl von sechs Mitgliedern dieses Gremiums die Mehrheit. Der Einfluß der Amtskirche auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrats wird jedoch deswegen gewährleistet, weil jede Wahl vom Bischof bestätigt werden muß. Im übrigen ist der katholische Laie nach den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils lebendiges Glied der Kirche mit dem Recht und der Pflicht, an den Gnadenschätzen der Kirche und an der Verwirklichung des Auftrags der Kirche auch bei ihren Diensten in der Welt teilzuhaben; auch in dem Laien ist die Kirche gegenwärtig (vgl. BVerfGE 46, 73, 92, 93).

3. Das für die Kirchen anerkannte Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten, steht der Kirche gemäß Art. 140 GG i.Verb.m. Art. 137 Abs. 3 WRV jedoch nur “innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes” zu. Das Kündigungsschutzgesetz ist ein solches für alle geltendes Gesetz. Es gilt deshalb auch für die im Dienst der erzieherischen und karitativen Einrichtungen der Kirche stehenden Arbeitnehmer, selbst wenn diese ihre Tätigkeit in Bindung an den übergeordneten Auftrag der Kirche ausüben. Die besonderen in der kirchlichen Autonomie begründeten Belange des kirchlichen Arbeitgebers sind im Rahmen der für die ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. BAG 30, 247, 252 ff. = AP Nr. 2 zu Art. 140 GG, zu A 3 und 4 der Gründe; BAG 33, 14, 18 = AP Nr. 3 zu Art. 140 GG, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 4. März 1980 – 1 AZR 1151/78 – AP Nr. 4 zu Art. 140 GG, zu B I der Gründe; BAG 34, 195, 203 = AP Nr. 7 zu Art. 140 GG, zu B II 1 der Gründe). Hieran ist festzuhalten.

II.1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf nachgeprüft werden können, ob die Rechtsbegriffe selbst verkannt sind, ob bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob bei der Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; BAG 1, 117 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG; seitdem ständige Rechtsprechung).

Unter Anwendung dieser Prüfungsmaßstäbe ist das angefochtene Urteil rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Kläger mit der Unterzeichnung des im “Stern” veröffentlichten Leserbriefs seine gegenüber der Beklagten bestehende Loyalitätspflicht verletzt hat und dieses vertragswidrige Verhalten somit geeignet ist, einen verhaltensbedingten Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abzugeben.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. die vorstehend unter B I 3 genannten Entscheidungen sowie das nicht veröffentlichte Urteil des Ersten Senats vom 3. November 1981 – 1 AZR 38/81 –, zu II der Gründe) können die Kirchen kraft ihres Selbstbestimmungsrechts in ihren karitativen und erzieherischen Einrichtungen die von ihrer Sendung her gebotenen Voraussetzungen für die Loyalitätspflicht der im kirchlichen Dienst tätigen, an der Verkündigung – wenn auch abgestuft – teilhabenden Arbeitnehmer festlegen. Das folgt aus der zur Vermeidung der Unglaubwürdigkeit der Kirche gebotenen Untrennbarkeit von Dienst und Verkündigung im karitativen und erzieherischen Bereich. Bei der Arbeit im Dienst kirchlicher Einrichtungen, jedenfalls soweit sie das kirchliche Selbstverständnis verwirklichen, stehen zwei Aspekte nebeneinander: das Vertrauensmoment zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses und das Ansehen sowie die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Einrichtung allgemein und gegenüber denen, die sie in Anspruch nehmen. Der Träger einer kirchlichen Einrichtung muß darauf bestehen, daß die für ihn handelnden Personen jene Grundsätze, die sie darstellen sollen, selbst beachten. Der Arbeitnehmer, der durch seine vertragliche Arbeitsleistung Funktionen der Kirche wahrnimmt und an der Erfüllung ihres Auftrags mitwirkt, ist daher verpflichtet, auch im außerdienstlichen Bereich seine Lebensführung so einzurichten, daß sie grundlegenden Gesetzen der Kirche entspricht.

b) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 34, 195), der auch der erkennende Senat folgt, müssen die dem Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst auferlegten Loyalitätspflichten der übertragenen Aufgabe entsprechen. Nicht jede Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis zur Kirche hat eine solche Nähe zu spezifisch kirchlichen Aufgaben, daß der die Tätigkeit ausübende Arbeitnehmer mit der Kirche identifiziert und deshalb die Glaubwürdigkeit der Kirche berührt wird, wenn er sich in seiner Lebensführung nicht an die prägenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre hält. Auch für den Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen ist das Arbeitsverhältnis in aller Regel die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz, mögen daneben auch in vielen Fällen religiöse Motive eine Rolle spielen. Deshalb dürfen ihm nicht in seiner privaten Lebensführung besondere Pflichten auferlegt werden, die nach der Art der von ihm zu verrichtenden Tätigkeit sachlich nicht geboten sind; solche gesteigerten Anforderungen können vom Arbeitgeber nur gestellt werden, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückwirkungen auf das Arbeitsverhältnis mit sich bringt. An diesen allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsatz muß sich auch die Kirche halten, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Personen als Arbeitnehmer beschäftigt. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Kirchenautonomie, die nur in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes besteht, wird dadurch nicht berührt. Namentlich wird die Kirche nicht in der Erfüllung ihres Heilsauftrags in der Welt beschränkt. Soweit die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung es erfordert, kann sie auch ihren Arbeitnehmern die Beachtung der wesentlichen Grundsätze ihrer Glaubens- und Sittenlehre zur Pflicht machen. Diese Ansicht entspricht im Ergebnis auch der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. Ruland, NJW 1980, 89 m.w.N.; ferner Herschel, Anm. zu EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 10; Richardi, AR-Blattei Kirchenbedienstete, Anm. zu Entscheidungen 17/22; Schlaich, Anm. zu AP Nr. 7 Art. 140 GG).

c) Für die Frage, inwieweit die Kirche ihren Arbeitnehmern die Beachtung der wesentlichen Grundsätze ihrer Glaubens- und Sittenlehre zur Pflicht machen kann, kommt es somit auf die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit und ihre Nähe zu den spezifisch kirchlichen Aufgaben an. Im Schrifttum wird dies vielfach unter Übernahme betriebsverfassungsrechtlicher Begriffe danach bestimmt, ob der Arbeitnehmer Tendenzträger sei (vgl. Ruland, aaO; ferner Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 96c mit weiteren Nachweisen). Unter Tendenzträgern in Tendenzunternehmen und Betrieben im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn (§ 118 Abs. 1 BetrVG) werden diejenigen Arbeitnehmer verstanden, deren Aufgabe es ist, die geistig-idelle Zielsetzung des Unternehmens unmittelbar zu verwirklichen (vgl. BAG Beschluß vom 22. Mai 1979 – 1 ABR 100/77 – AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe). Karitative und erzieherische Einrichtungen der Kirchen sind jedoch keine Tendenzbetriebe – sie sind gemäß § 118 Abs. 2 BetrVG auch gänzlich von der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen –, sondern Lebens- und Wesensäußerung der Kirchen (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 118 Rz 91). Es ist deshalb sachgerechter, den Umfang der Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst nach der Nähe ihrer Aufgabe zum Auftrag der Kirche, der in der kirchlichen Einrichtung erfüllt wird, zu bestimmen und entscheidend darauf abzustellen, ob der diese Tätigkeit ausübende Arbeitnehmer mit der Kirche identifiziert und deshalb durch das jeweils in Frage stehende beanstandete Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche berührt wird.

d) Ob die Tätigkeit des in einem kirchlichen Krankenhaus beschäftigten Arztes eine solche Nähe zum kirchlichen Auftrag aufweist, daß von ihm generell die Erfüllung der tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre verlangt werden kann, ist im Schrifttum streitig (für die “Tendenzträgerschaft”: Krüger, RdA 1954, 365, 374; Klein, BB 1956, 755, 757 und Mayer-Maly, BB Beilage 3/77; a.M.: Ruland, aaO; Hessel, BB 1956, 406).

Diese Frage braucht jedoch, wie auch das angefochtene Urteil zutreffend erkannt hat, für die Entscheidung dieses Falles nicht abschließend beantwortet zu werden. Denn der Kläger hat eine Loyalitätspflicht im Sinne des Gebotes zur Zurückhaltung verletzt, die ihm unabhängig davon oblag, ob er sich im Hinblick auf seine Stellung generell an die tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre zu halten hatte.

aa) Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der im “Stern” abgedruckte Leserbrief nicht nur eine Stellungnahme gegen die Äußerungen zweier Ärztefunktionäre, sondern auch ein Eintreten für den straffreien und damit erlaubten Schwangerschaftsabbruch enthielt, der Kläger mit der Unterzeichnung des Leserbriefs eindeutig gegen die abweichende Auffassung der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch Stellung genommen habe und ihm dies auch bewußt gewesen sei. Diese tatsächlichen Feststellungen sind für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindend, da der Kläger hier keine – ihm als Revisionsbeklagten mögliche – Gegenrüge erhoben hat und dem Berufungsgericht bei der Ermittlung des Inhalts des Leserbriefs auch kein Verstoß gegen die Denkgesetze unterlaufen ist.

bb) Der Kläger war als ein in einem katholischen Krankenhaus beschäftigter Arzt jedenfalls verpflichtet, nicht öffentlich gegen die von der katholischen Kirche vertretene Auffassung von der Unantastbarkeit des werdenden menschlischen Lebens Stellung zu beziehen. Zu dieser sowohl die kirchliche Lehre als auch den medizinischen Bereich und damit seine Stellung bei der Beklagten berührenden Frage hatte er in der Öffentlichkeit Zurückhaltung zu üben.

Die Abtreibung ist nach kanonischem Recht ein schweres Verbrechen gegen das keimende Leben (CIC c. 2350 § 1). Als Strafe ist der von selbst eintretende Kirchenbann (excommunicatio) angedroht, d.h. die einstweilige Ausstoßung eines Kirchengliedes aus der Gemeinschaft der Gläubigen (c. 2257 § 1). Der Gebannte wird von der Kirchengemeinschaft abgesondert, wenn auch nicht aus der Kirche ausgeschlossen (vgl. Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, 10. Aufl., Bd. III, S. 382, 444).

Ein katholischer Krankenhausträger kann deshalb von den bei ihm beschäftigten Ärzten, gleichgültig welcher Konfession sie angehören, verlangen, daß sie diese Grundeinstellung der Kirche zum Schutz des werdenden Lebens auch außerhalb ihres Dienstes nicht öffentlich diskreditieren. Dazu gehört insbesondere die Pflicht, nicht öffentlich für den nach staatlichem Recht erlaubten Schwangerschaftsabbruch einzutreten und damit aktiv gegen die kirchliche Lehre in dieser gerade die Ausübung der Caritas und die dienstliche Stellung des Arztes als Arbeitnehmer berührende Frage Stellung zu nehmen. Auch wenn man mit Ruland (aaO) dem Arzt keinen Anteil an der Verkündigung zuerkennt, sondern in ihm nur einen Mittler der kirchlichen Caritas sieht, so wird, anders als möglicherweise bei Verfehlungen gegen eherechtliche Bestimmungen des kanonischen Rechts, hier die Glaubwürdigkeit der Kirche in ihrer Lebensäußerung Krankenhaus berührt. Die Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Kirche ist aber das entscheidende Kriterium für die Bestimmung des Umfangs der Loyalitätspflichten ihrer Arbeitnehmer im außerdienstlichen Bereich, die von der Pflicht zur aktiven Förderung bis zum Gebot der Zurückhaltung und Neutralität reichen. Wenn die katholische Kirche die Caritas auch als bedingungslose Hilfe für das werdende Leben versteht, kann sie zur Erhaltung ihrer Glaubwürdigkeit die von ihr in der Krankenpflege beschäftigten Ärzte verpflichten, dieses kirchliche Liebesgebot unabhängig von ihrer Konfession zu achten. Es ist deshalb unerheblich, daß das angefochtene Urteil zu der Konfession des Klägers Widersprüche enthält. Während der Kläger nach seinem in Bezug genommenen schriftsätzlichen Vorbringen der katholischen Kirche angehört (vgl. Schriftsatz vom 9. April 1980, Bl. 24 VorA), ist in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (S. 23) von dem Kläger als Nichtkonfessionsangehörigem die Rede. Ebenso ist es ohne Belang, daß im Krankenhaus der Beklagten Ärzte anderer Konfessionen beschäftigt werden. Diese Loyalitätspflicht hat der Kläger gemäß § 1 Abs. 1 AVR übernommen, der durch Bezugnahme Inhalt seines Arbeitsvertrages geworden ist.

e) Durch die Auferlegung dieser Loyalitätspflicht wird der Kläger auch nicht in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.

aa) Wie vorstehend ausgeführt, folgt die Loyalitätspflicht des Klägers aus der durch Art. 140 GG i.Verb.m. Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich gewährleisteten Kirchenautonomie, an der die Beklagte als kirchliche Stiftung teilnimmt. Die inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind vollgültiges Verfassungsrecht geworden und stehen gegenüber den anderen Artikeln des Grundgesetzes nicht etwa auf einer Stufe minderen Ranges. Sie bilden mit dem Grundgesetz ein organisches Ganzes und sind daher nach dem Sinn und dem Geist der grundgesetzlichen Werteordnung auszulegen. Ihr Verhältnis zu anderen im Grundgesetz getroffenen Regelungen ist aus dem Zusammenhang der grundgesetzlichen Regelung selbst zu bestimmen. Dies entspricht auch der allgemeinen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der die einzelnen Artikel des Grundgesetzes so ausgelegt werden müssen, daß sie mit den elementaren Grundsätzen des Grundgesetzes, insbesondere den Grundrechten und seiner Werteordnung, vereinbar sind (vgl. BVerfGE 19, 206, 219, 220, 236 m.w.N.).

bb) Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Unter dem Begriff des “allgemeinen” Gesetzes sind alle Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern die dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat. Allerdings müssen derartige grundrechtsbeschränkende allgemeine Gesetze ihrerseits in der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit in der freiheitlichen Demokratie ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung wieder eingeschränkt werden. Die Grundrechtseinschränkung muß im Hinblick auf das zu schützende Rechtsgut geeignet und erforderlich sein, und der angestrebte Erfolg muß in einem angemessenen Verhältnis zu der Einbuße stehen, die die Grundrechtsbeschränkung für den Grundrechtsträger bedeutet (BVerfGE 7, 198, 207 ff.; 42, 133, 141 = AP Nr. 2 zu § 74 BetrVG 1972).

cc) Auch die Kirchen können das grundgesetzlich gewährleistete Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten, nicht uneingeschränkt, sondern nach Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV nur “innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes” ausüben.

Das Bundesverfassungsgericht hat offengelassen, ob in diese Formel des Art. 137 Abs. 3 WRV auch Bestimmungen der Verfassung selbst einzubeziehen sind (BVerfGE 42, 312, 326). Diese Frage braucht auch für die Entscheidung des vorliegenden Falls nicht abschließend beantwortet zu werden.

Fallen verfassungsrechtliche Bestimmungen und damit auch die Grundrechte nicht unter den Schrankenvorbehalt, so geht es um das Verhältnis zwischen verfassungsrechtlichen Regelungen, die gegeneinander abzuwägen sind. Es ist dann zu ermitteln, welche Verfassungsbestimmung für die konkret zu entscheidende Frage das größere Gewicht hat. Die schwächere Norm darf nur insoweit zurückgedrängt werden, wie das logisch und zwingend erscheint; ihr sachlicher Grundwertgehalt muß in jedem Fall respektiert werden (BVerfGE 28, 243, 261; Birk, AuR 1979, Sonderheft Kirche und Arbeitsrecht, 9, 11; vgl. ferner Dütz, AuR 1979, aaO, 2, 6; Neumann, Festschrift für Gerhard Müller, S. 353, 364). Für den vorliegenden Fall müßte diese Abwägung zu dem Ergebnis führen, daß das Grundrecht des Klägers, seine Meinung auch zum legalen Schwangerschaftsabbruch öffentlich zu äußern, gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Beklagten zurücktreten muß. Kraft dieses Rechts können die Kirchen die zur Erhaltung ihrer Glaubwürdigkeit gebotenen Voraussetzungen für die Loyalitätspflicht ihrer an der Verkündigung, wenn auch abgestuft, teilhabenden Arbeitnehmer, und zwar im außerdienstlichen Bereich, festlegen. Wie näher ausgeführt, ist die Glaubwürdigkeit der Kirche in ihrer Lebensäußerung Krankenpflege betroffen, wenn sie duldet, daß ein in ihrem Dienst stehender Arzt öffentlich für den staatlich erlaubten Schwangerschaftsabbruch eintritt, der nach ihrer Rechtsordnung ein schweres Verbrechen darstellt. Angesichts der Bedeutung, die die Kirche dem absoluten Schutz des werdenden Lebens beimißt, wird dem Arzt nichts Unangemessenes zugemutet, wenn er sich einer öffentlichen Stellungnahme enthalten soll, die im Gegensatz zu dieser Grundhaltung der Kirche steht.

Auch wenn man das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit als ein für alle geltendes Gesetz im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV ansieht, ergibt sich keine andere Rechtsfolge. Dieser Schrankenvorbehalt kann nicht im Sinne des “allgemeinen Gesetzes”, das nach Art. 5 Abs. 2 GG die Meinungsäußerungsfreiheit begrenzt, verstanden werden. Nicht jede staatliche Rechtsetzung kann ohne weiteres in den kirchlichen Autonomiebereich eingreifen, sofern sie nur abstrakt und generell ist und aus weltlicher Sicht von der zu regelnden Materie her als vernünftig erscheint. Unabhängig von seiner formalen Ausgestaltung trifft vielmehr jedes dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Schranken setzende Gesetz einerseits auf eine eben solche Schranke, nämlich die materielle Wertentscheidung der Verfassung, die die besondere Eigenständigkeit der Kirchen gegenüber dem Staat anerkennt. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck ist durch eine entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 42, 312, 332, 334; 53, 366, 404). Wie für das Verhältnis zur Meinungsäußerungsfreiheit zu berücksichtigen ist, steht dieses Grundrecht seinerseits unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze. Für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen diesem Grundrecht und dem jeweiligen allgemeinen Gesetz bedarf es, wie ausgeführt, ebenfalls einer Abwägung, ob die Grundrechtseinschränkung erforderlich ist und der angestrebte Erfolg in einem angemessenen Verhältnis zu der Einbuße steht, die der Grundrechtsträger erleidet. Die erforderliche Güterabwägung zwischen dem Grundrecht des Klägers auf öffentliche Äußerung seiner Meinung zum legalen Schwangerschaftsabbruch und dem durch die Verfassung gewährleisteten Recht der Beklagten, ihm zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit in diesem Punkt Zurückhaltung aufzuerlegen, führt aus den vorstehend angestellten Überlegungen ebenfalls zu dem Ergebnis, daß die dem Kläger angesonnene Grundrechtsbeschränkung erforderlich und angemessen ist.

3. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend eine indiviudelle Interessenabwägung vorgenommen, d.h. geprüft, ob die festgestellte Pflichtverletzung des Klägers auch gewichtig genug ist, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen.

a) Hiergegen richtet sich der erste Angriff der Revision. Sie meint, bei Vorliegen einer die Glaubwürdigkeit der Kirche berührenden Loyalitätspflichtverletzung sei kein Raum mehr für eine individuelle Interessenabwägung. Die Kirche sei kein Tendenzbetrieb. Sie könne letztlich nicht wegen einer “Tendenzverletzung”, sondern wegen Verfehlung ihres Auftrags durch ihre Mitarbeiter kündigen. Der Mitarbeiter werde letztlich an seiner im Verhalten nur zutage tretenden Grundeinstellung, an dem Vertrauen gemessen, das die Kirche in ihn gesetzt habe; nicht das jeweilige Verhalten, sondern das verlorene Vertrauen in den Mitarbeiter und das damit verbundene objektive Ärgernis bedinge die Lösung des Arbeitsverhältnisses. Dieser Lösungstatbestand werde von keinem der drei Grundtatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfaßt. Lasse das Kündigungsschutzgesetz somit keinen Raum für die Beachtung der Kirchenautonomie, so sei es entweder insoweit verfassungswidrig oder verfassungskonform im Sinne der vorstehend vertretenen Ansicht auszulegen.

b) Diese Auffassung der Revision widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das stets von der insoweit uneingeschränkten Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ausgegangen ist und deswegen jeweils eine individuelle Abwägung des Interesses des kirchlichen Arbeitgebers an der Lösung des Arbeitsverhältnisses und des Interesses des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes vorgenommen hat (vgl. BAG 30, 247 = AP Nr. 2 zu Art. 140 GG, zu B IV der Gründe; BAG 33, 14 = AP Nr. 3 zu Art. 140 GG, zu III 6 der Gründe; BAG 34, 195 = AP Nr. 7 zu Art. 140 GG, zu B II 3 der Gründe). Wenn in sämtlichen Fällen zuungunsten der Klägerinnen entschieden wurde, so wegen der Schwere des Verstoßes gegen ein grundlegendes Sittengesetz der katholischen Kirche, der einen Dauerzustand schuf (nach katholischem Eherecht verbotene Eheschließung von “Tendenzträgern” im erzieherischen Bereich). Hingegen hat der Erste Senat in dem nicht veröffentlichten Urteil vom 3. November 1981 – 1 AZR 38/81 – (zu III der Gründe) im Falle des Ehebruchs eines in einer evangelischen Schule beschäftigten Lehrers mit der Ehefrau eines ebenfalls dort beschäftigten Kollegen eine fehlerhafte Interessenabwägung der Vorinstanz angenommen, weil trotz “Tendenzeigenschaft” des Klägers und eines schweren Verstoßes gegen Grundsätze der evangelischen Kirche verschiedene zugunsten des Klägers sprechende Umstände nicht berücksichtigt worden seien.

Es besteht auch kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Die Belange der kirchlichen Arbeitgeber auch unter dem Aspekt der Verfassungsgarantie des Art. 137 Abs. 3 WRV können bei der Interessenabwägung in ausreichendem Maße berücksichtigt werden (vgl. dazu eingehend BAG 30, 247 = AP Nr. 2 zu Art. 140 GG, zu B I 1 der Gründe): Das Spannungsverhältnis zwischen Kirchenautonomie und staatlichem Arbeitsrecht wirkt auf die Beurteilung, ob ein Grund zur fristgemäßen Kündigung vorliegt, durch eine Konkretisierung und Spezifizierung der Kündigungsvoraussetzungen ein. Im übrigen ist die Norm des § 1 KSchG, auch soweit sie als für alle geltendes Gesetz dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Schranken setzt, im Lichte der Wertentscheidung der verfassungsrechtlichen Garantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auszulegen. Das Selbstverständnis der Kirche erfordert es nicht, in jedem Loyalitätsverstoß von einigem Gewicht bereits einen Grund zur Trennung von dem Arbeitnehmer zu sehen und den besonderen Umständen des Einzelfalls keinerlei Bedeutung mehr beizumessen. Im Ergebnis liefe die abgelehnte Auffassung auf die Schaffung absoluter Kündigungsgründe und damit auf eine entscheidende Einschränkung des gesetzlichen Kündigungsschutzes hinaus, die mit dem Schrankenvorbehalt des Art. 137 Abs. 3 WRV nicht zu vereinbaren ist.

4. Die vom Berufungsgericht somit zu Recht vorgenommene individuelle Interessenabwägung läßt bei Anwendung des dem Senat zustehenden eingeschränkten Prüfungsmaßstabs keine Rechtsfehler erkennen. Das Berufungsgericht hat alle wesentlichen für und gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprechenden Umstände berücksichtigt. Ihre Würdigung liegt in dem ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraum, den es nicht überschritten hat. Die Revision versucht lediglich, ihre eigene Wertung an die Stelle der Wertung des Berufungsgerichts zu setzen.

Das Berufungsgericht hat ausdrücklich nochmals das Interesse der Beklagten an der Glaubwürdigkeit ihrer Institution und damit den wesentlichen für die Beklagte sprechenden Gesichtspunkt hervorgehoben. Es durfte jedoch insbesondere zugunsten des Klägers berücksichtigen, daß der Leserbrief sich in erster Linie gegen eine als Diffamierung der Wertentscheidung des staatlichen Gesetzgebers und seiner Befürworter zum Schwangerschaftsabbruch empfundene Stellungnahme von zwei Ärztefunktionären und mittelbar gegen die von der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch vertretene Ansicht richtete. Der Einwand der Revision, der Kläger habe hier in erster Linie durch Teilnahme an einem kollektiven Akt nachdrücklich zur Auslegung und Anwendung des § 218a StGB aufrufen wollen, findet in den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgericht keine Stütze.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Mayr, Strümper

– Zugleich für den durch Urlaub an der Unterschrift verhinderten Richter Dr. Weller

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1766829

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