Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebs(teil)übergang. Objektschutz an einer Hochschule. Betriebsteil als bestehende wirtschaftliche Einheit
Orientierungssatz
1. Nur wenn vor einem behaupteten Übergang eine wirtschaftliche Einheit iSv. § 613a BGB besteht, stellt sich die Frage der Wahrung ihrer Identität und damit die Frage eines Betriebs(teil)übergangs.
2. Ob ein Betriebs(teil)übergang vorliegt, ist regelmäßig eine Frage der Gesamtbewertung der Umstände.
3. Ohne Auseinandersetzung mit der eventuellen Identität einer im Einzelfall in Frage kommenden wirtschaftlichen Einheit kann nicht entschieden werden, ob ein Betriebs(teil)übergang vorliegt. Es darf nicht alleine ein Teilaspekt – wie die Frage einer Übernahme von Personal – der eigentlich vorzunehmenden Gesamtbewertung herausgegriffen und isoliert betrachtet werden.
4. Bei der Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist zu prüfen, ob ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft übernommen worden ist. Dafür kommt es nicht allein auf eine quantitative Betrachtung an. Beispielsweise kann die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit bei einer Tätigkeit im Bewachungsgewerbe auch dadurch geprägt sein, dass ein Betriebsteil mit kontinuierlicher Stammbelegschaft, die über Erfahrung und Objektkenntnis verfügt, unter Beibehaltung der bisherigen Leitungsstruktur und Arbeitsorganisation weiterfunktioniert.
5. Eine Befristungsabrede mit dem bisherigen Arbeitgeber, die sich auf die Laufzeit des Bewachungsauftrags des bisherigen Betriebsinhabers bezieht und keinen davon unabhängigen Grund hatte, steht idR dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen, insbesondere wenn das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber, wenn auch mit neuem Vertrag, nahtlos weitergeführt wird.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Dezember 2013 – 2 Sa 153/13 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Voraussetzungen eines Betriebs(teil)übergangs.
Der Kläger ist seit Januar 2002 als Objektschützer in der Hochschule der B in S (im Folgenden: Hochschule) tätig, eingesetzt von wechselnden Wach- und Sicherheitsfirmen. Seit dem 1. Juli 2012 verrichtet der Kläger diese Tätigkeit für den Beklagten, der ein Unternehmen des Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes betreibt. Zuvor war der Kläger für seine Tätigkeit in der Hochschule im Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum 30. Juni 2012 mit einem auf letzteres Datum befristeten Arbeitsvertrag bei S GmbH (im Folgenden: S) beschäftigt. Für S waren in der Hochschule neben dem Kläger eine weitere Vollzeitkraft – Herr Ba – sowie zwei Teilzeitkräfte – mit jeweils halber regelmäßiger Arbeitszeit – eingesetzt.
Als der Beklagte den Objektschutz der Hochschule mit Wirkung ab dem 1. Juli 2012 übernahm, stellte er dafür den Kläger und Herrn Ba mit neuen Arbeitsverträgen ein. Die beiden Teilzeitkräfte übernahm er nicht. Im unbefristet vereinbarten Arbeitsvertrag des Klägers mit dem Beklagten vom 19. Juni 2012 ist eine Probezeit vorgesehen. Die Tätigkeit des Klägers blieb unverändert.
Die Bewachungsaufgaben an der Hochschule werden ohne Waffen und ohne Diensthund ausgeübt. Dienstkleidung wird vom jeweiligen Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, die Objektschlüssel von der Hochschule. Es sind Wachgänge zu absolvieren. Daneben wird die Tätigkeit in dem im Objekt vorhandenen Wachraum mit Poststelle ausgeübt. Dort befinden sich ein Schreibtisch, ein Schrank, ein Festnetztelefon, ein Notruftelefon, die Brandmeldezentrale, einige Stühle sowie ein Tisch. Wie auch zuvor bei S gehört es zu den Bewachungsaufgaben, außerhalb der Dienstzeiten der Mitarbeiter der Hochschule die Telefonanlage und die Poststelle zu betreuen.
Mit Schreiben vom 28. November 2012, zugegangen am 30. November 2012, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung. In diesem Schreiben wurde als Kündigungsgrund „Alkoholgenuss während der Dienstzeit sowie Alkohol-‚Fahne’ bei Dienstantritt im Objekt” genannt.
Gegen diese Kündigung hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem Grund für eine außerordentliche Kündigung. Im Fall einer – aus seiner Sicht nicht möglichen – Umdeutung in eine ordentliche Kündigung entspreche diese nicht den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes. Dieses sei auf die Kündigung anzuwenden, da das Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB im Wege des Betriebsteilübergangs auf den Beklagten, dessen Betrieb in den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes falle, übergegangen sei und damit weit länger als sechs Monate bestehe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 28. November 2012, dem Kläger zugegangen am 30. November 2012, nicht beendet wurde, sondern fortbesteht.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Auf Kündigungsgründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG komme es nicht an, da das Arbeitsverhältnis im Kündigungszeitpunkt noch nicht länger als sechs Monate bestanden habe. Ein Betriebsteilübergang liege nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten nicht mit sofortiger Wirkung, sondern erst zum 14. Dezember 2012 beendet worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die gegen diese Klageabweisung gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte die Klage nicht abgewiesen werden.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger könne sich nicht auf das Kündigungsschutzgesetz berufen, da die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt sei. Ein Betriebsoder Betriebsteilübergang von S auf den Beklagten, der zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führen könne, liege nicht vor. Mit zwei Vollzeitkräften seien lediglich zwei Drittel der Belegschaft übernommen worden. Bei einer Tätigkeit im Bewachungsgewerbe reiche nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Übernahme von 66 % des Personals nicht aus.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Ausführungen in der Begründung rechtfertigen nicht den Schluss, dass kein Betriebsübergang vorliegt.
I. Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 18. September 2014 – 8 AZR 733/13 – Rn. 18; 15. Dezember 2011 – 8 AZR 197/11 – Rn. 39).
1. Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN).
2. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher EuGH 15. Dezember 2005 – C-232/04 und C-233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237; BAG 18. September 2014 – 8 AZR 733/13 – Rn. 18; 22. August 2013 – 8 AZR 521/12 – Rn. 40 ff. mwN). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. ua. EuGH 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 18. September 2014 – 8 AZR 733/13 – aaO; 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 21).
3. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 49, Slg. 2011, I-7491; BAG 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 22).
4. Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH 20. November 2003 – C-340/01 – [Abler ua.] Rn. 37, Slg. 2003, I-14023; BAG 21. August 2014 – 8 AZR 648/13 – Rn. 19). Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen worden ist (EuGH 20. November 2003 – C-340/01 – [Abler ua.] Rn. 41 mwN, aaO; BAG 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – zu B I der Gründe, BAGE 87, 296).
5. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 36 und 41, Slg. 2011, I-95; BAG 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 23).
6. Der Begriff „durch Rechtsgeschäft” des § 613a BGB ist wie der Begriff „durch vertragliche Übertragung” in Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2001/23/EG (dazu ua. EuGH 7. März 1996 – C-171/94 – [Merckx und Neuhuys] Rn. 28, Slg. 1996, I-1253; 6. September 2011 – C-108/10 – [Scattolon] Rn. 63, Slg. 2011, I-7491) weit auszulegen, um dem Zweck der Richtlinie – dem Schutz der Arbeitnehmer bei einer Übertragung ihres Unternehmens – gerecht zu werden. So ist es nicht erforderlich, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen; die Übertragung kann auch unter Einschaltung eines Dritten, wie zB des Eigentümers oder des Verpächters, erfolgen (ua. EuGH 20. November 2003 – C-340/01 – [Abler ua.] Rn. 39 mwN, Slg. 2003, I-14023; BAG 18. September 2014 – 8 AZR 733/13 – Rn. 18).
7. Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht, soweit die Vorrauset-zungen des § 613a BGB erfüllt sind, der Übergang eines Betriebsteils gleich. Dies ist unabhängig davon, ob die übergegangene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht (vgl. EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 31 ff. mwN; 12. Februar 2009 – C-466/07 – [Klarenberg] Rn. 50, Slg. 2009, I-803); es genügt, wenn die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH 12. Februar 2009 – C-466/07 – [Klarenberg] Rn. 53, aaO; BAG 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 26).
8. Die Bewertung der maßgeblichen Tatsachen ist nach Unionsrecht Sache der nationalen Gerichte (vgl. ua. EuGH 15. Dezember 2005 – C-232/04 und C-233/04 – [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237) und im deutschen Arbeitsrecht Sache der Tatsacheninstanzen, die dabei einen Beurteilungsspielraum haben (vgl. ua. BAG 18. August 2011 – 8 AZR 312/10 – Rn. 21, BAGE 139, 52).
II. Ob nach diesen Grundsätzen ein Betriebs(teil)übergang von S auf den Beklagten zu bejahen ist, kann nach den bisherigen Feststellungen nicht entschieden werden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob bei der Bewachung der Hochschule durch die Firma S eine wirtschaftliche Einheit im Sinne eines Betriebs(teils) gegeben war, der am 1. Juli 2012 auf den Beklagten hätte übergehen können. Es hat sich mit der grundlegenden Frage, ob und inwieweit bei S im Hinblick auf die Bewachungsaufgaben an der Hochschule eine abtrennbare wirtschaftliche Einheit mit eigener Identität bestand und wodurch diese ggf. geprägt war, nicht befasst. Es fehlt dementsprechend an darauf bezogenen Feststellungen. Nur wenn vor einem behaupteten Übergang eine wirtschaftliche Einheit iSv. § 613a BGB besteht, stellt sich die Frage der Wahrung ihrer Identität und damit die Frage eines Betriebs-(teil)übergangs (vgl. in diesem Sinn EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 34).
2. Ohne Auseinandersetzung mit der eventuellen Identität einer im Einzelfall in Frage kommenden wirtschaftlichen Einheit kann nicht entschieden werden, ob ein Betriebs(teil)übergang vorliegt. Es darf nicht alleine ein Teilaspekt – hier die Frage einer Übernahme von Personal – der eigentlich vorzunehmenden Gesamtbewertung herausgegriffen und isoliert betrachtet werden.
3. Auch für eine zutreffende Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist es von ausschlaggebender Bedeutung, die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit zu bestimmen. Erst in deren Kenntnis kann beurteilt werden, ob eine rein quantitative Betrachtung – wie hier allein abstellend auf Bruchzahlen und Prozentsätze – der ggf. vorhandenen Identität einer wirtschaftlichen Einheit iSv. § 613a BGB überhaupt gerecht werden kann. Anderes kann auch der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Entscheidung des Senats vom 15. Dezember 2011 (– 8 AZR 197/11 –) nicht entnommen werden. So hat der Senat darin ua. ausgeführt, dass „die Kriterien Zahl und Sachkunde des weiterbeschäftigten Personals nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern sich wechselseitig beeinflussen” (BAG 15. Dezember 2011 – 8 AZR 197/11 – Rn. 55).
C. Nach den bisherigen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a BGB auf den Beklagten übergegangen ist und ob der Kläger sich in der Folge auf das Kündigungsschutzgesetz berufen kann. Der insoweit entscheidungserhebliche Vortrag des Klägers bedarf der Würdigung durch die Tatsacheninstanz. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei der weiteren Behandlung der Sache ist zu berücksichtigen:
I. Im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit der Klageanträge bedarf der Antragshalbsatz „… sondern fortbesteht” der Auslegung. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob der genannte Antragshalbsatz als selbständiger Antrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu verstehen ist, mit dem der Kläger sich gegen jegliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewehrt hat (dazu ua. BAG 26. September 2013 – 2 AZR 682/12 – Rn. 30 ff., BAGE 146, 161). Der Kläger ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Feststellungsklage ein besonderes Feststellungsinteresse voraussetzt. Es obliegt dem klagenden Arbeitnehmer, ein ggf. bestehendes rechtliches Interesse darzutun (BAG 13. März 1997 – 2 AZR 512/96 – zu II 1 b der Gründe, BAGE 85, 262).
II. Bei der Beurteilung, ob nach den og. Grundsätzen (oben unter B I) ein Betriebs(teil)übergang von S auf den Beklagten vorliegt, ist im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbewertung ua. zu berücksichtigen:
- Zuerst ist zu prüfen, ob bei der Firma S eine wirtschaftliche Einheit im Sinne eines Betriebs(teils) gegeben war, der am 1. Juli 2012 auf den Beklagten übergehen konnte (vgl. auch unter B I 1).
- Für die zutreffende Bewertung der bisherigen und nach dem festgestellten Sachverhalt unveränderten Tätigkeit ist es ua. von Bedeutung, welche Aufgaben konkret bei der Bewachung des Geländes und beim Telefon-, Post- und Besucherdienst zu verrichten waren und in welchem zeitlichen Verhältnis sie zueinander stehen.
- Bei der weiteren Prüfung müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden (oben unter B I 2), neben der etwaigen Belegschafts(teil)übernahme also ua. auch der etwaige Übergang materieller Betriebsmittel und immaterieller Aktiva von Wert.
- Bei der Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist zu prüfen, ob ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft übernommen worden ist. Dafür kommt es nicht allein auf eine quantitative Betrachtung an. Beispielsweise kann die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit bei einer Tätigkeit im Bewachungsgewerbe auch dadurch geprägt sein, dass ein Betriebsteil mit kontinuierlicher Stammbelegschaft, die über Erfahrung und Objektkenntnis verfügt, unter Beibehaltung der bisherigen Leitungsstruktur und Arbeitsorganisation weiterfunktioniert. Insofern hat der Kläger beispielsweise bezogen auf die Vollzeitkräfte den Begriff „Objektverantwortliche” benutzt und seinen Kollegen als „Objektleiter” bezeichnet. Von Bedeutung kann es für eine Bewertung der Übernahme von Personal auch sein, wenn ein Betriebsteil „Bewachungsobjekt” – wie hier erkennbar – räumlich fernab vom restlichen Betrieb womöglich relativ eigenständig arbeitet.
Zu bedenken sind das Personal als solches, die Führungskräfte und ggf. auch die sie verbindende Arbeitsorganisation (in diesem Sinne EuGH 20. Januar 2011 – C-463/09 – [CLECE] Rn. 41, Slg. 2011, I-95; 11. März 1997 – C-13/95 – [Süzen] Rn. 15, Slg. 1997, I-1259). Im Hinblick auf das Personal als solches ist es nicht ausgeschlossen, dass die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit in manchen Fällen eher von einer Stammbelegschaft abhängt als von eventuell auch beschäftigten Aushilfskräften. Auch einem Leitungswechsel oder der Beibehaltung der bisherigen Leitung kann wesentliches Gewicht in der Gesamtbeurteilung zukommen (vgl. EuGH 26. September 2000 – C-175/99 – [Mayeur] Rn. 53, Slg. 2000, I-7755; BAG 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12 – Rn. 52).
III. Falls das Landesarbeitsgericht nach Gesamtabwägung aller maßgebenden Umstände von einem Betriebs(teil)übergang ausgeht, muss im Hinblick auf die Befristung des Arbeitsvertrags auf den 30. Juni 2012 Folgendes beachtet werden:
- Zwar besteht bezogen auf einen Betriebs(teil)übergang grundsätzlich kein Anspruch auf eine Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags (EuGH 15. September 2010 – C-386/09 – [Briot] Rn. 33, Slg. 2010, I-8471). Der Fall des Klägers liegt aber anders. Er gehört zu den Arbeitnehmern, die im Rahmen des Bewachungsauftrags „zum Zeitpunkt des Übergangs” beschäftigt waren (EuGH 15. September 2010 – C-386/09 – [Briot] Rn. 28, aaO; 26. Mai 2005 – C-478/03 – [Celtec] Rn. 29, Slg. 2005, I-4389; 7. Februar 1985 – 19/83 – [Wendelboe] Rn. 13, 15, Slg. 1985, 457) und von dem Beklagten auch nahtlos weiterbeschäftigt wurden. Der Umstand, dass eine Tätigkeit ohne Unterbrechung oder Änderung in der Art und Weise ihrer Durchführung ständig fortgesetzt worden ist, stellt eines der gängigsten Merkmale eines Betriebsübergangs dar (EuGH 2. Dezember 1999 – C-234/98 – [Allen ua.] Rn. 33, Slg. 1999, I-8643).
- Eine Befristungsabrede mit dem bisherigen Arbeitgeber, die sich auf die Laufzeit des Bewachungsauftrags des bisherigen Betriebsinhabers bezieht und keinen davon unabhängigen Grund hatte, steht dem nicht entgegen. Dies entspricht im Wertungsergebnis dem Umstand, dass ein Betriebs(teil)übergang als solcher keinen Grund zur Kündigung darstellt (ua. EuGH 15. September 2010 – C-386/09 – [Briot] Rn. 29, Slg. 2010, I-8471; 16. Oktober 2008 – C-313/07 – [Kirtruna] Rn. 45, Slg. 2008, I-7907).
- Eine Beseitigung der ansonsten bestehenden Kontinuität des Arbeitsverhältnisses kann zudem als Umgehung von § 613a BGB zu werten sein (vgl. BAG 25. Oktober 2012 – 8 AZR 572/11 – Rn. 33; 18. August 2005 – 8 AZR 523/04 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 115, 340 zu Aufhebungsverträgen).
Unterschriften
Hauck, Breinlinger, Winter, v. Schuckmann, Dr. Ronny, Schimmer
Fundstellen
DB 2015, 1608 |
FA 2015, 254 |
NZA 2015, 1325 |
ZTR 2015, 467 |
AP 2015 |
AuA 2016, 120 |
EzA-SD 2015, 11 |
EzA 2015 |
AUR 2015, 333 |
ArbR 2015, 314 |
GWR 2015, 328 |
NJW-Spezial 2015, 402 |
AP-Newsletter 2015, 184 |