Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitgeber. Horterzieher in Mecklenburg-Vorpommern
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu der veröffentlichten Entscheidung des Senats vom 22. Februar 1996 – 8 AZR 1041/94 –
Normenkette
BGB § 613 a; AGB-DDR § 38; Einigungsvertrag Art. 13, 20; Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2; Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 3; Einigungsvertrag Anlage II Kap. II Sachgebiet A Abschn. II; Zusatzvereinbarung zum Einigungsvertrag vom 18. September 1990 (BGBl. II S. 1239) Art. 3; BRRG § 128 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 02.03.1994; Aktenzeichen 2 Sa 76/93) |
ArbG Neustrelitz (Urteil vom 05.01.1993; Aktenzeichen 1 Ca 7430/91) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und ihres Streithelfers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 2. März 1994 – 2 Sa 76/93 – aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neustrelitz vom 5. Januar 1993 – 1 Ca 7430/91 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 1) hat die Kosten der Berufung und der Revision einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten im wesentlichen darüber, ob zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) ein Arbeitsverhältnis besteht und ob dieses durch ordentliche Kündigung aufgelöst worden ist.
Die Klägerin war aufgrund eines mit dem Rat des Kreises N. – Abteilung Volksbildung – geschlossenen Arbeitsvertrages seit dem 1. August 1980 als Horterzieherin im Schulhort der Oberschule R. tätig.
Mit Schreiben vom 27. September 1991, der Klägerin am 30. September 1991 zugegangen, wurde ihr wegen mangelnden Bedarfs zum 31. Oktober 1991 gekündigt. Der Briefkopf dieses Kündigungsschreibens enthält die folgende Bezeichnung:
„Das Land Mecklenburg-Vorpommern vertreten durch den Kultusminister,
dieser vertreten durch das Schulamt N.,
H. K.
und vertreten durch den Landrat des Landkreises N.,
Dr. M. Kö.”
Seit dem 1. Dezember 1991 wird die Klägerin als Horterzieherin aufgrund eines neu ausgefertigten Arbeitsvertrages auf ihrer bisherigen Arbeitsstelle von der Gemeinde R. mit verringerter Stundenzahl beschäftigt.
Der Streithelfer der Klägerin kündigte vorsorglich ein etwaig zwischen ihm und der Klägerin bestehendes Arbeitsverhältnis wegen mangelnden Bedarfs mit Schreiben vom 14. Mai 1992 und 8. Juli 1992.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 8. Oktober 1991 Kündigungsschutzklage gegen den Beklagten zu 1) erhoben und die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27. September 1991 geltend gemacht. Mit Klagerweiterung vom 21. April 1992 hat sie gegenüber der Gemeinde R. als Beklagte zu 2) den Fortbestand des bisherigen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen geltend gemacht. Diese Klage hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 1992 zurückgenommen.
Mit Schriftsatz vom 12. Mai 1992 hat die Klägerin ihre Klage auf den Beklagten zu 3) und jetzigen Streithelfer erweitert und den unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu diesem geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen,
- daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten zu 1) nicht durch die Kündigung vom 27. September 1991 beendet worden ist und unverändert fortbesteht,
- daß die vom Beklagten zu 3) unter dem 14. Mai 1992 und 8. Juli 1992 ausgesprochenen Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten zu 1) nicht aufgelöst haben,
- daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten zu 3) durch die Kündigungen vom 27. September 1991, 14. Mai 1992 und 8. Juli 1992 nicht beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
Der Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 3) haben jeweils beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1) hat die Auffassung vertreten, zwischen ihm und der Klägerin habe zum Zeitpunkt der Kündigung kein Arbeitsverhältnis bestanden. Das Arbeitsrechtsverhältnis der Klägerin zum Rat des Kreises N. sei vielmehr auf den Beklagten zu 3) übergegangen. Dieser sei als Rechtsnachfolger des ehemaligen Rates des Kreises anzusehen. Zwischen beiden bestehe territoriale Identität. Der Landkreis führe die bisher vom Rat des Kreises ausgeübten Funktionen im wesentlichen fort. Die ehemaligen Ämter für Bildung mit den ihnen unterstellten Schulen seien auch nicht am Tage des Beitritts in die Trägerschaft des Beklagten zu 1) übergegangen. Die Ämter für Bildung seien vielmehr in allen Landkreisen bis in das Jahr 1991 hinein organischer Bestandteil der Landkreise bzw. der Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte geblieben. Die Arbeitsverhältnisse hätten weiter zum Landkreis bestanden. Die Mitarbeiter seien auch von dort bezahlt worden. Der Beklagte zu 1) habe den Landkreisen lediglich Gelder für die geplanten Stellen für Hortnerinnen bereitgestellt.
Der Beklagte zu 3) hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei am 3. Oktober 1990 mit der Bildung des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf dieses überführt worden.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Beklagten zu 1) weder durch die Kündigung vom 27. September 1991 noch durch die Kündigungen vom 14. Mai 1992 bzw. 8. Juli 1992 aufgelöst worden ist. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte zu 1) Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz ist der Beklagte zu 3) als Streithelfer auf selten der Klägerin dem Rechtsstreit beigetreten. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten zu 1) die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihren Revisionen begehren die Klägerin und ihr Streithelfer die Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 1).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Berufung des Beklagten zu 1) ist zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß das zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 27. September 1991 noch durch die Kündigungen vom 14. Mai 1992 bzw. 8. Juli 1992 aufgelöst worden ist.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Unabhängig davon, ob das ursprünglich mit dem Rat des Kreises bestehende Arbeitsrechtsverhältnis der Klägerin beendet worden sei, bestehe seit der Konstituierung des Streithelfers der Klägerin als Gebietskörperschaft ein Arbeitsrechtsverhältnis der Klägerin zu diesem. Dieses Arbeitsverhältnis mit dem Streithelfer sei nicht mit dem Wirksamwerden des Beitritts auf den Beklagten zu 1) übergegangen. Die Ämter für Bildung seien in der Trägerschaft des Streithelfers weitergeführt worden. Andernfalls wäre es dazu gekommen, daß auch das gesamte Schulverwaltungspersonal und nicht nur die Lehrer Mitarbeiter des Landes geworden wären. Eine derartige Regelung entspräche aber nicht den Rechtsverhältnissen in den alten Bundesländern.
Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht wegen Aufgabenverlagerung auf den Beklagten zu 1) übergegangen, denn es sei nicht vorgetragen worden, daß der Beklagte zu 1) die Horterziehung tatsächlich übernommen habe.
Über den in erster Instanz in unzulässiger Weise gestellten unechten Hilfsantrag auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zum Streithelfer komme es in der Berufungsinstanz nicht an, weil der Streithelfer keine Partei des Berufungsverfahrens geworden sei.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 27. September 1991 bestand ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1).
1. Ursprünglich bestand zwischen der Klägerin und dem Rat des Kreises N. ein Arbeitsrechtsverhältnis. Die Klägerin gehörte als Horterzieherin zu den Pädagogen im Sinne der Verordnung über die Pflichten und Rechte der Lehrkräfte und Erzieher der Volksbildung und Berufsbildung – Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte – vom 29. November 1979 (GBl. DDR I S. 444 – im folgenden: PädagogenVO), die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zum jeweiligen Rat des Kreises standen.
2. Durch das Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. DDR I S. 255) ging der Rat des Kreises als Betrieb im Sinne von § 38 AGB-DDR 1977 und damit als Arbeitgeber im Sinne der ab 1. Juli 1990 gültigen Terminologie (§ 38 AGB-DDR 1990) unter. Das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 4. Juli 1985 (GBl. DDR I S. 213 – im folgenden GöV) und die Art. 41, 43 sowie 81 bis 85 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 in der Fassung vom 7. Oktober 1974 (GBl. DDR I S. 432) wurden durch die §§ 101, 102 Kommunalverfassung aufgehoben. Eine Regelung über den Fortbestand oder die Umwandlung der örtlichen Räte unterblieb.
3. Die durch die Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 neu gebildeten Landkreise sind weder mit den früheren Räten der Kreise identisch noch deren Rechtsnachfolger.
a) Bei den Räten der Kreise handelte es sich um Organe des Zentralstaates DDR, und zwar um die von den wahlberechtigten Bürgern gewählten Organe der Staatsmacht in den Bezirken, Kreisen, Städten, Stadtbezirken, Gemeinden und Gemeindeverbänden (vgl. Art. 81 Abs. 1 der Verfassung der DDR). Die Aufgabenbefugnisse der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Räte wurden auf der Grundlage von Art. 85 der Verfassung der DDR in dem GöV vom 4. Juli 1985 festgelegt. Aus § 1 Abs. 1 GöV ergibt sich, daß die örtlichen Volksvertretungen Organe der zentralen Staatsmacht waren. Ein Recht zur Selbstverwaltung stand ihnen nicht zu (vgl. BGH Urteil vom 4. November 1994 – LwZR 12/93 – BGHZ 127, 285, 288; Bauer, BayVBl. 1990, 263, 265). Gemäß § 9 Abs. 3 GöV hatten die Räte zwar grundsätzlich das Recht, über alle Angelegenheiten, die ihr Territorium und seine Bürger betrafen, zu entscheiden, soweit nicht die ausschließliche Kompetenz der Volksvertretung gegeben war. Sie waren jedoch nach § 9 Abs. 1 GöV ihrer Volksvertretung und ihrem übergeordneten Rat für die Tätigkeit verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Die Beschlüsse der Räte konnten durch die zuständigen Volksvertretungen und die übergeordneten Räte aufgehoben werden. Die Räte waren als Staatsorgane juristische Personen. Sie konnten als solche am Rechtsverkehr teilnehmen (vgl. § 81 GöV).
b) Durch die Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 wurden die Landkreise als Gebietskörperschaften mit Selbstverwaltungsrecht neu errichtet. Sie erfüllen ihre Aufgaben nach den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung (§ 71 Kommunalverfassung). Nach § 72 Kommunalverfassung haben die Landkreise in ihrem Gebiet unter eigener Verantwortung die ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben wahrzunehmen. Sie können nur durch Gesetz zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden (§ 72 Abs. 4 Kommunalverfassung).
c) Bereits aus dieser den Landkreisen eingeräumten kommunalen Selbstverwaltung und ihrer rechtlichen Ausgestaltung als Gebietskörperschaften ergeben sich gegenüber den früheren Räten der Kreise so grundlegende Wesensunterschiede, daß eine Identität ausscheidet. Eine solche ergibt sich auch nicht aus §§ 76, 78 der Kommunalverfassung. Danach führen die Landkreise ihre bisherigen Namen, behalten den Sitz der Kreisverwaltung und besteht das Kreisgebiet aus den nach bisherigem Recht zum Landkreis gehörenden Gemeinden und gemeindefreien Grundstücken. Diese Regelungen knüpfen allein aus Gründen der Praktikabilität an die bisherigen Gebietseinheiten an, um in der Zeit der Wende einen für den Bürger und die Landkreise möglichst reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Die §§ 76, 78 der Kommunalverfassung besagen nichts zur materiellen Identität (vgl. BGH Urteil vom 4. November 1994 – LwZR 12/93 – BGHZ 127, 285, 289).
d) Eine Gesamtrechtsnachfolge der Landkreise ist in der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 nicht angeordnet worden und liegt deshalb auch nicht vor (BGH, a.a.O., sowie das Senatsurteil vom 14. Dezember 1995 – 8 AZR 380/94 –, zu II 2 b der Gründe). Darüber hinaus spricht gegen eine Gesamtrechtsnachfolge der Erlaß des Gesetzes über das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise vom 6. Juli 1990 (GBl. DDR I S. 660), durch das die Kommunen und Landkreise mit dem benötigten Vermögen ausgestattet werden sollten. Dieses Gesetz wäre weitgehend überflüssig gewesen, wenn sich schon aus der Kommunalverfassung eine Gesamtrechtsnachfolge ergeben hätte (BGH, a.a.O.).
e) Mit der Auflösung der Räte durch die Kommunalverfassung gingen die mit den Räten der Kreise bestehenden Arbeitsrechtsverhältnisse nicht unter. Der Gesetzgeber ging vielmehr von einem ausdrücklich nicht geregelten Fortbestand der Verträge aus. Dabei wurde gemäß § 94 Abs. 5 Kommunalverfassung zwischen dem „kommunalen Personal” und dem vom Staat „zur Verfügung gestellten Personal der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde” unterschieden. Vorgesetzter des kommunalen Personals war der Landrat als Leiter der Behörde „Landkreis”. Zugleich nahm der Landrat gemäß § 94 Abs. 1 Kommunalverfassung die Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde beim Kreis wahr. Als untere staatliche Behörde war der Landrat zugleich Vorgesetzter des von der DDR als noch existierendem Staat zur Verfügung gestellten staatlichen Personals. Ein Übergang auf die Länder, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht geschaffen waren, schied von vornherein aus.
Das Personal, das vom Staat „DDR” zur Verfügung gestellt wurde, blieb staatliches Personal, weil ein Übergang der Arbeitsverhältnisse von der Republik auf die Landkreise in der Kommunalverfassung nicht angeordnet wurde. Allerdings trat an die Stelle des Rates des Kreises die untere staatliche Verwaltungsbehörde als „Betrieb” in das Arbeitsrechtsverhältnis ein. Für den Bereich des pädagogischen Personals waren dies die „Schulämter der Kreise”, die durch die Verordnung über die Bildung von vorläufigen Schulaufsichtsbehörden vom 30. Mai 1990 (GBl. DDR I S. 296 – im folgenden: SchulamtsVO) unter Verantwortung des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft der DDR als oberster Schulaufsichtsbehörde (vgl. § 2 Abs. 1 SchulamtsVO) errichtet wurden.
f) Hieraus ergibt sich, daß der Bereich Schule staatliche Angelegenheit bleiben sollte. Die nähere Ausgestaltung wurde den noch zu bildenden Ländern übertragen.
Zu den Aufgaben der Schulaufsichtsbehörden gehörte gemäß § 3 Abs. 2 SchulamtsVO die Begründung, Änderung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen der ihnen unterstellten Pädagogen. Auch die Aufsicht über die Pädagogen gehörte zu den Aufgaben der Schulaufsichtsbehörden. Durch die SchulamtsVO wurde die PädagogenVO nicht aufgehoben. Von daher waren auch die Erzieher weiterhin als Pädagogen anzusehen.
Nach § 3 Abs. 1 SchulamtsVO hatten die Schulämter der Kreise im Auftrag des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft im jeweiligen Territorium Aufgaben für das Bildungswesen im Prozeß der Herausbildung der Länder und Kommunen wahrzunehmen. Die Tätigkeit der Kreisschulämter war Verwaltung der Republik. Es handelte sich nicht um eine Tätigkeit im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, sondern um eine Tätigkeit als staatliche Verwaltungsbehörde. Der Kreisschulrat gehörte zum staatlichen Personal. Gemäß § 5 Abs. 2 SchulamtsVO wurde er vom Minister für Bildung und Wissenschaft berufen. Wie der Kreisschulrat gehörten auch die ihm unterstellten Lehrer und Erzieher zum staatlichen Personal. Der Kreisschulrat war Dienstvorgesetzter der Lehrer und Erzieher in seinem Kreis. Oberste Schulaufsichtsbehörde war das Ministerium für Bildung und Wissenschaft. Der Minister für Bildung und Wissenschaft war der oberste Dienstvorgesetzte der Lehrer und Erzieher. Da eine Dienstaufsicht nur der Arbeitgeber ausüben kann, ergibt sich auch hieraus, daß das Arbeitsverhältnis der Pädagogen zur DDR fortbestand.
g) Dieses Ergebnis wird durch die Verordnung über Grundsätze und Regelungen für allgemeinbildende Schulen und berufsbildende Schulen – Vorläufige Schulordnung – vom 18. September 1990 (GBl. DDR I S. 1579) bestätigt. Nach § 16 Abs. 2 der Vorläufigen Schulordnung wurden die Arbeitsverhältnisse der Pädagogen mit der zuständigen Schulaufsichtsbehörde begründet, geändert und beendet. Nach § 8 Abs. 3 der Vorläufigen Schulordnung war der Schulhort Bestandteil der Schule. Die Vorläufige Schulordnung ging weiterhin von einem weiten Pädagogenbegriff aus. Gemäß § 16 Abs. 1 der Vorläufigen Schulordnung gehörten zu den Pädagogen im Sinne der Verordnung auch die im außerunterrichtlichen Bereich als Lehrer bzw. Erzieher oder Freizeitpädagoge tätigen Kräfte.
4. Mit dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß § 22 des Verfassungsgesetzes zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik – Ländereinführungsgesetz – vom 22. Juli 1990 (GBl. DDR I S. 955) in der Fassung des Einigungsvertrages (Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt II) sowie Art. 13 Abs. 1 EV von der DDR auf das beklagte Land übergegangen.
a) Nach § 22 des Ländereinführungsgesetzes (auch in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 13. September 1990 – GBl. DDR I S. 1567) gingen mit der Bildung von Ländern in der DDR die Verwaltungsorgane und sonstigen der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienenden Einrichtungen der Republik, soweit sie nach dem Ländereinführungsgesetz Aufgaben der Länder wahrnehmen, auf die Länder über. Die Schulämter der Kreise mit ihren Pädagogen nahmen beim Wirksamwerden des Beitritts und des Ländereinführungsgesetzes am 3. Oktober 1990 im Sinne des Ländereinführungsgesetzes Aufgaben der Länder wahr. Das Ländereinführungsgesetz unterscheidet als Verfassungsgesetz nicht zwischen den Aufgaben der Länder und der Kommunen, sondern trennt bundesstaatlich zwischen den Aufgaben des Bundes und den Aufgaben der Länder. Dabei gehören die von den Kommunen wahrzunehmenden Angelegenheiten zu den Aufgaben der Länder. Nach dem Katalog des Ländereinführungsgesetzes (vgl. §§ 12 bis 18) gehörte die nicht ausdrücklich dem Bund vorbehaltene Aufgabe des Schulwesens zu den von den Ländern wahrzunehmenden Aufgaben. Damit trat kraft Gesetzes am 3. Oktober 1990 das jeweils neu entstehende Bundesland an die Stelle der DDR als Träger der unteren staatlichen Verwaltungsbehörden ein. Die Beschäftigten der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wurden Arbeitnehmer des neu entstehenden Bundeslandes.
b) Im übrigen ergab sich die gleiche Rechtsfolge aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 EV sowie Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 EV.
Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – BAGE 72, 176 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag). Die Überführung erforderte eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit.
Danach ist von einer Überführung der Kreisschulämter durch das beklagte Land auszugehen. Die Kreisschulämter waren funktionsfähige Organisationseinheiten, die vor dem 3. Oktober 1990 unter Leitung des Schulrates die Fähigkeit zu aufgabenbezogener Eigensteuerung und selbständiger Aufgabenerfüllung besaßen. Die Kreisschulämter haben nach dem Beitritt ihre bisherigen Aufgaben unter nunmehriger Aufsicht des Kultusministeriums des Beklagten zu 1) fortgeführt. Eine Überführungsentscheidung ist zumindest konkludent erfolgt.
c) Mit der Überführung der Kreisschulämter sind die Arbeitsverhältnisse aller Pädagogen auf das Land übergegangen. Hierzu gehörten auch die Arbeitsverhältnisse der Horterzieher. Der weite Pädagogenbegriff galt auch noch nach dem 3. Oktober 1990. Die Vorläufige Schulordnung gehört zum fortgeltenden Recht der DDR (vgl. Art. 3 der Zusatzvereinbarung zum EV vom 18. September 1990, BGBl. II S. 1239).
5. In der Folgezeit ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf keinen anderen Arbeitgeber übergegangen. Insbesondere ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht auf die Gemeinde R. übergegangen.
a) Nach § 2 Abs. 1 der Kommunalverfassung haben die Gemeinden das Recht und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die Pflicht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, soweit die Gesetze nicht etwas anderes bestimmen. Zu den Selbstverwaltungsaufgaben gehört nach § 2 Abs. 2 der Kommunalverfassung die Sicherung und Förderung eines breiten öffentlichen Angebotes an Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen. Dazu kann auch die Errichtung von Schulhorten gerechnet werden. § 2 Abs. 2 der Kommunalverfassung regelt jedoch nicht den Übergang bestehender Kinderbetreuungseinrichtungen auf die Gemeinden. Es handelt sich lediglich um eine Kompetenznorm für die Gemeinden, die sie berechtigt, derartige Einrichtungen für ihre Einwohner zur Verfügung zu stellen. Ob die Gemeinden Schulhorte errichten oder übernehmen, hängt von ihrem Entschluß ab. Allein der Übergang von Aufgaben einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft berührt nicht den Bestand eines Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 zu Saarland UniversitätsG). Hieraus ergibt sich, daß allein die Möglichkeit, bestimmte Aufgaben als eigene wahrzunehmen, für einen Übergang von Arbeitsverhältnissen nicht ausreicht.
b) Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Gemeinde R. folgt nicht aus § 613 a BGB. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs sind nicht festgestellt. Nach den öffentlich-rechtlichen Vorgaben blieb die schuld- und sachenrechtliche Zuordnung der den Schulhort ausmachenden Betriebsmittel unverändert. Daß die Gemeinde R. mit einem Teil der früheren Beschäftigten des Schulhortes Arbeitsverträge geschlossen hat, begründet keinen Betriebsübergang. Die personelle Verantwortung allein macht nicht das Substrat eines Schulhortes aus, sie steht der konkret zu erbringenden Dienstleistung nicht gleich. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG im Falle der vertraglichen „Übernahme der Verantwortung für Reinigungsaufgaben” (vgl. Entscheidung vom 14. April 1994 – Rs-C-392/92 – ZIP 1994, 1036) überhaupt auf die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung der neuen Bundesländer übertragen werden können (BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 576/92 – EzA § 613 a BGB Nr. 117; Urteil vom 6. Juli 1995 – 8 AZR 287/93 – nicht veröffentlicht).
c) Eine analoge Anwendung von § 613 a BGB kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, die durch Analogie gefüllt werden müßte. Der vorliegende Fall ist vom Normzweck des § 613 a BGB nicht umfaßt. Diese Bestimmung schützt den Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes im Falle eines Betriebsinhaberwechsels, indem er die Arbeitsverhältnisse bei neuer rechtlicher Zuordnung der wesentlichen Betriebsmittel entsprechend zuordnet. Er gewährleistet, daß der Inhaber der wesentlichen Betriebsmittel zugleich Arbeitgeber wird. Normzweck des § 613 a BGB ist aber nicht, dort wo Arbeitgeberstellung und Inhaberschaft der Betriebsmittel noch nie in einer Person zusammengefallen sind, diese „Personalunion” kraft Gesetzes herbeizuführen. Der Normzweck des § 613 a BGB ändert sich auch nicht dadurch, daß Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsinhaber die „Personalunion” für einzelne Arbeitnehmer durch Rechtsgeschäft herbeiführen (vgl. BAG Urteil vom 6. Juli 1995 – 8 AZR 287/93 –, zu II 2 c der Entscheidungsgründe).
d) Ein gesetzlicher Übergang von Arbeitsverhältnissen folgt auch nicht aus der analogen Anwendung von § 128 Abs. 3 BRRG. Nach § 128 Abs. 3 BRRG haben die aufnehmenden Körperschaften im Falle einer teilweisen Eingliederung einer anderen Körperschaft deren Beamte zu einem Teil „zu übernehmen”. § 128 Abs. 3 BRRG erfordert Übernahmeentscheidungen und wirkt nicht unmittelbar auf die betroffenen Dienstverhältnisse ein (vgl. BVerwG Beschluß vom 3. März 1981 – ZB 36.81 – Buchholz 415.1 – Nr. 33; BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 576/92 – EzA § 613 a BGB Nr. 117). Ob § 128 Abs. 3 BRRG überhaupt analog anwendbar ist, kann dahinstehen, denn wäre eine analoge Anwendung dieser Norm möglich, würde allenfalls eine Pflicht zur Übernahme von Personal begründet, jedoch kein gesetzlicher Arbeitgeberwechsel geregelt.
e) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht nach den Bestimmungen des Ersten Schulreformgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 26. April 1991 (GVBl. 1991 S. 123) vom Land auf die Gemeinde R. übergegangen. Dieses Gesetz enthält keine Regelung des Übergangs von Arbeitsverhältnissen.
aa) § 22 des Schulreformgesetzes bestimmt, wer Bediensteter des Landes ist. Danach sind die Schulleiter, Stellvertreter und Lehrer an öffentlichen Schulen Bedienstete des Landes. Auch die Fachlehrer für den praktischen Unterricht an den öffentlichen beruflichen Schulen und unter sonderpädagogischer Aufgabenstellung tätiges Personal an den öffentlichen Sonderschulen gehören hierzu. Nach § 22 Abs. 2 des Schulreformgesetzes trägt das Land auch die persönlichen Kosten der im Schulpsychologischen Dienst der Landkreise und kreisfreien Städte beschäftigten Schulpsychologen. Die Erzieher werden im Schulreformgesetz weder in § 22 noch an anderer Stelle erwähnt. Dementsprechend fehlt es an einer gesetzlichen Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse, insbesondere eines Übergangs kraft oder aufgrund eines Gesetzes. Aus der unterbliebenen Erwähnung der Horterzieher in § 22 des Schulreformgesetzes könnte allenfalls der Schluß gezogen werden, daß die Horterzieher auf Dauer keine Beschäftigten des Landes bleiben sollten, eine besondere Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse unterblieb jedoch.
bb) Nach § 14 Abs. 1 des Schulreformgesetzes bieten die Schulträger im Rahmen ihrer Möglichkeiten vorzugsweise für Grundschüler und Sonderschüler Einrichtungen an, in denen die Schüler vor und nach dem Unterricht betreut werden können. Aus der Aufgabenzuweisung allein folgt gleichfalls kein Übergang von Arbeitsverhältnissen der Horterzieher auf die Gemeinden als Schulträger (vgl. BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 616/74 – AP Nr. 1 Saarland UniversitätsG). Hierzu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, die hier nicht vorliegt.
cc) Damit weicht die landesgesetzliche Regelung in Mecklenburg-Vorpommern von der im Freistaat Sachsen ab, zu der das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16. März 1994 entschieden hat (– 8 AZR 639/92 – NZA 1995, 125), daß die Arbeitsverhältnisse der Horterzieher an Schulen im Freistaat Sachsen mit Inkrafttreten des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen (Sächs. GVBl. 1991 S. 213) am 1. August 1991 auf die Gemeinden als Schulträger gemäß § 16 Abs. 3 SächsSchulG übergegangen sind. Eine entsprechende Regelung des Übergangs findet sich im Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern nicht.
II. Durch die Kündigung vom 27. September 1991 ist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst worden.
1. Die Kündigung ist gemäß § 1 des anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes unwirksam, denn weder die Voraussetzungen der Tatbestände in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 Einigungsvertrag (Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 und 3 EV) noch die soziale Rechtfertigung der Kündigung sind vom Beklagten zu 1) schlüssig dargelegt worden.
a) Die Kündigung ist nicht gemäß Abs. 4 Ziff. 2 EV wirksam. Danach ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist. Dieser Kündigungsgrund setzt einen Überhang an Arbeitskräften voraus mit der Folge, daß infolgedessen gerade auch der Arbeitsbereich des zu kündigenden Arbeitnehmers entfallen ist (vgl. BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 331/92 – BAGE 72, 350, 358). Der Arbeitgeber muß substantiiert dartun, daß die Anzahl der vorhandenen Arbeitnehmer größer ist als die unter Zugrundelegung einer unternehmerischen Entscheidung zur Verfügung stehende Arbeitsmenge. Eine bloße Behauptung, der Personalbestand solle verringert werden, reicht nicht aus. Der Beklagte zu 1) hat den mangelnden Bedarf an Horterziehern, die zwar bei ihm angestellt, aber im kommunalen Schulhort beschäftigt werden, nicht dargelegt. Die pauschale Behauptung, die Gemeinde R. könne nur einen Teil der Horterzieherinnen weiterbeschäftigen, ist unsubstantiiert und damit unzureichend.
b) Die Kündigung kann auch nicht auf Abs. 4 Ziff. 3 EV gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zulässig, wenn die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaus der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist. Eine ersatzlose Auflösung der Beschäftigungsstelle liegt nicht vor. Der Schulhort wird von der Gemeinde R. weiterbetrieben. Die Kündigung hat auch nicht wegen einer wesentlichen Änderung der Beschäftigungsstelle Erfolg. Der Beklagte zu 1) hat es unterlassen, zur weiteren Verwendungsmöglichkeit der Klägerin im Schulhort der Gemeinde R. vorzutragen.
III. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die vom Streithelfer ausgesprochenen Kündigungen aufgelöst worden. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung erkannt, daß der Streithelfer ausdrücklich nur ein etwaiges zwischen ihm und der Klägerin bestehendes Arbeitsverhältnis, nicht aber namens und in Vollmacht für den Beklagten zu 1) ein zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) bestehendes Arbeitsverhältnis gekündigt hat.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Brückmann, Morsch
Fundstellen