Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestlohn. Anrechnung einer Treueprämie
Leitsatz (redaktionell)
Auf den Mindestlohn anrechenbar sind Treueprämien, die der Arbeitgeber vorbehaltlos neben der Grundvergütung als Teil der Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeit zahlt.
Normenkette
AEntG §§ 5, 7; MiLoG § 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Februar 2016 – 3 Sa 525/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erfüllung des entsenderechtlichen Mindestlohnanspruchs durch Zahlung einer Treueprämie.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die einen Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb für Geflügel betreibt, in Schichtarbeit beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt der nach § 7 AEntG erlassenen, am 1. August 2014 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft, die bestimmt, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Regelung der Mindestbedingungen für Arbeitnehmer in der Fleischwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestbedingungen) vom 13. Januar 2014 auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer, die unter seinen Geltungsbereich fallen, Anwendung finden. Der
TV Mindestbedingungen lautet auszugsweise:
1. |
Das Mindestentgelt ist Entgelt im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 1 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Höhere Entgeltansprüche aufgrund anderer Tarifverträge, betrieblicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen bleiben unberührt. |
2. |
Die Mindestlöhne je Stunde betragen bundeseinheitlich je Stunde |
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ab 1. Juli 2014 |
7,75 Euro, |
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ab 1. Dezember 2014 |
8,00 Euro, |
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… |
3. |
Der Anspruch auf das Mindestentgelt wird spätestens zum 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den das Mindestentgelt zu zahlen ist.” |
Die Beklagte zahlte der Klägerin für geleistete Arbeitsstunden von August bis November 2014 einen Bruttostundenlohn von 7,15 Euro, eine Treueprämie von 0,50 Euro brutto und eine Schichtzulage von 0,10 Euro brutto. Urlaubstage vergütete sie mit 62,00 Euro brutto. Von Dezember 2014 bis April 2015 erhielt die Klägerin für geleistete Arbeitsstunden einen Bruttostundenlohn von 7,40 Euro, Treueprämien und Schichtzulagen blieben gleich. Urlaubstage vergütete die Beklagte mit 64,00 Euro brutto arbeitstäglich.
Die Klägerin hat für die Monate August 2014 bis April 2015 Differenzvergütung verlangt. Die Beklagte habe den Anspruch auf den Mindestlohn nicht vollständig erfüllt, die Treueprämie sei nicht mindestlohnwirksam. Dementsprechend stehe ihr weiteres Urlaubsentgelt zu.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie
- für August 2014 weitere 149,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. September 2014,
- für September 2014 weitere 124,26 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Oktober 2014,
- für Oktober 2014 weitere 144,18 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. November 2014,
- für November 2014 weitere 123,11 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Dezember 2014,
- für Dezember 2014 weitere 158,40 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Januar 2015,
- für Januar 2015 weitere 136,80 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Februar 2015,
- für Februar 2015 weitere 224,65 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. März 2015,
- für März 2015 weitere 129,87 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. April 2015,
- für April 2015 weitere 132,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Mai 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Ansprüche auf weitere Feiertagsvergütung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in einer Gesamthöhe von 158,40 Euro brutto anerkannt und im Übrigen Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage gemäß dem Anerkenntnis der Beklagten sowie hinsichtlich einer Differenz zum Mindestlohn, die sich bei Nichtberücksichtigung der Treueprämie ergibt, stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage bis auf die anerkannten Beträge abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Klage – soweit in die Revisionsinstanz gelangt – unbegründet ist.
I. Der Anspruch der Klägerin auf den Mindestlohn nach § 2 Nr. 2 TV Mindestbedingungen ist durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat im Streitzeitraum für geleistete Arbeit die geschuldeten 7,75 Euro brutto/Stunde bzw. ab Dezember 2014 8,00 Euro brutto/Stunde gezahlt. Die Treueprämie ist mindestlohnwirksam.
1. Ob und in welchem Umfang der Mindestlohnanspruch neben der Grundvergütung durch weitere Leistungen erfüllt wird, bestimmt sich danach, ob die vom Arbeitgeber erbrachten (Zusatz-)Leistungen die Normzwecke der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft und des TV Mindestbedingungen sichern (zur PflegeArbbV BAG 18. November 2015 – 5 AZR 761/13 – Rn. 21 ff., BAGE 153, 248; zur AbfallArbbV BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 37 ff., BAGE 148, 68). Entsprechend der Zielsetzung in § 1 AEntG sollen angemessene Mindestarbeitsbedingungen in Form von Mindestentgeltsätzen für geleistete Arbeit gemäß § 5 Satz 1 Nr. 1 AEntG (§ 2 Nr. 1 TV Mindestbedingungen) geschaffen und durchgesetzt sowie faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen gewährleistet werden.
2. Gemessen daran ist die von der Beklagten im Streitzeitraum geleistete Treueprämie mindestlohnwirksam. Die Beklagte hat diese vorbehaltlos neben der Grundvergütung als Teil der Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt. Die Treueprämie in der von der Beklagten gewährten Weise erfüllt damit als eine im Synallagma stehende Geldleistung die Zwecke der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft und des TV Mindestbedingungen, die ihrerseits die Anrechnung von Prämien auf den Mindestlohn nicht ausschließen (zur PflegeArbbV BAG 18. November 2015 – 5 AZR 761/13 – Rn. 26, BAGE 153, 248).
3. Des Weiteren hat die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Urlaubsentgelt vollständig erfüllt. Sie hat gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG die der Klägerin gewährten Urlaubstage mit 62,00 Euro brutto bzw. ab Dezember 2014 mit 64,00 Euro brutto urlaubstäglich vergütet. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt eine Addition von Mindestlohn und Treueprämie zur Berechnung des Durchschnittsverdiensts der letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsbeginn nicht in Betracht. Die Treueprämie ist nicht neben dem Mindestlohn zu zahlen, sondern erfüllt den Anspruch auf diesen.
II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Biebl, Weber, Volk Die ehrenamtliche Richterin Reinders ist wegen Ablaufs der Amtszeit an der Unterschriftsleistung verhindert. Biebl, Hepper
Fundstellen
Dokument-Index HI10951360 |