Entscheidungsstichwort (Thema)

Baugewerbliche Tätigkeit. Verlegung von PVC-Belägen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Verlegung von PVC-Bahnen in Schwimmbädern, Garagen und auf Balkonen kann je nach dem Zweck der Tätigkeit als Verlegen von Bodenbelägen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV oder als bauliche Leistung i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV anzusehen sein.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 15.03.1993; Aktenzeichen 16 Sa 1521/92)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 09.07.1992; Aktenzeichen 5 Ca 2683/91)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. März 1993 – 16 Sa 1521/92 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte im Klagezeitraum einen Betrieb des Baugewerbes i.S. der Sozialkassentarifverträge für das Baugewerbe unterhalten hat und deshalb zur Auskunftserteilung an die Klägerin verpflichtet ist.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt den Beklagten auf Auskunft nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge für das Baugewerbe für den Zeitraum von September 1987 bis Juni 1991 und September 1991 bis November 1991 hinsichtlich der beschäftigten Arbeiter und für die Zeit von Januar 1988 bis November 1991 hinsichtlich der beschäftigten Angestellten, deren Bruttolohnsumme und die entsprechende Höhe der abzuführenden Beiträge sowie – für den Fall der Nichterfüllung – auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch.

Der Beklagte, der auf Briefköpfen mit dem Zusatz „Bautenschutz” firmiert, ist seit dem 1. Januar 1982 beim zuständigen Gewerbeamt mit dem Tätigkeitsbereich „Handel und Verkauf von Schmierstoffen”, seit dem 15. Juni 1982 zusätzlich mit dem Tätigkeitsgebiet „Holz- und Bautenschutz” im Gewerberegister und seit dem 9. Juni 1982 bei der zuständigen Handwerkskammer mit der Tätigkeit „Holz- und Bautenschutz” in die Rolle für handwerksähnliche Gewerbe eingetragen.

Die ZVK behauptet, im Betrieb des Beklagten seien zu 50 % der gesamten betrieblichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer Tiefgaragen- und Balkonisolierungen (ohne Wärmedämmung) mit PVC-Dachbahnen und Bitumenschweißbahnen sowie Feuchtraumisolierungen, zu 30 % der betrieblichen Arbeitszeit Bitumenschutzanstriche für Kelleraußenwände im Airless-Spritzverfahren und zu 20 % der betrieblichen Arbeitszeit Betonrißverpressungen mit PV-Harzen im Hochdruckverfahren ausgeführt worden. Diese Tätigkeit ergebe sich aus einer Auskunft des Beklagten, die er am 14. Januar 1991 der Lohnausgleichskasse für das Dachdeckerhandwerk erteilt habe.

Die ZVK ist der Ansicht, der Betrieb des Beklagten unterfalle mit diesen Tätigkeiten dem betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).

Zum betrieblichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Verfahrenstarifvertrages heißt es in den im Klagezeitraum geltenden Fassungen:

§ 1 Geltungsbereich

(2) Betrieblicher Geltungsbereich:

Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung. Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt V

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

1. Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit;

4. Beton- und Stahlbetonarbeiten;

8. Dämm (Isolier-)Arbeiten (z.B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen;

37. Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen.

Die ZVK hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, in den Monaten

September 1987 bis Juni 1991, September bis November 1991

in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes in den genannten Monaten angefallen sind,

1.2 wieviele Angestellte insgesamt und wieviele Angestellte, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 20 Stunden beträgt (bis 31.12.1989) bzw. ab 1. Januar 1990 wieviele Angestellte insgesamt mit Ausnahme derjenigen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV ausüben, in den Monaten

Januar 1988 bis November 1991

in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssummen (ab 1. Januar 1987) und in welcher Höhe Vorruhestands- sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind,

2. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

zu Nr. 1.1 = 59.400,– DM

zu Nr. 1.2 = 10.155.39 DM

Gesamtbetrag = 69.555,78 DM

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er bestreitet, daß im Betrieb die von der ZVK behaupteten Arbeiten ausgeführt worden seien. Die gegenüber der Lohnausgleichskasse für das Dachdeckerhandwerk von einer Bürokraft erteilte Auskunft sei nicht zutreffend gewesen.

Der Beklagte behauptet, daß folgende Arbeiten ausgeführt worden seien:

1. Malerarbeiten (ca. 20 %).

Bei diesen Arbeiten handele es sich um Anstricharbeiten, bei denen z.B. Böden von Garagen mit einer normalen Farbe gestrichen würden. Der Anstrich diene der Verschönerung und nicht der Isolierung. Anstricharbeiten seien auch mit Bitumen ausgeführt worden. Hätten sich in der Oberfläche Risse befunden, seien diese vor dem Anstrich verpreßt worden, um eine glatte Oberfläche herzustellen.

2. PVC-Verlegung und -Verschweißung ohne baulichen Zusammenhang (ca. 30 %).

Bei dieser Tätigkeit handele es sich um die Verlegung von PVC-Stücken und Folien zu verschiedenen Zwecken. Hierzu zählen z.B. das Verschweißen von PVC-Bahnen in einem Schwimmbad, auf Balkonen, in Garagen und auf Dächern. Diese Arbeiten hätten in erster Linie Verschönerungs- und Schutzcharakter. In diesen Arbeitsbereich falle auch das Verlegen von PVC-Dachrinnen.

3. Blech- und Schlosserarbeiten ohne baulichen Zusammenhang (ca. 30 %).

Diese Tätigkeit umfasse das Schneiden und die Bearbeitung von Blechen in der Werkstatt. Die Bleche würden an Dritte verkauft. Ein Eigeneinbau erfolge nicht.

4. Handel und Vertrieb von Farben, Kunststoffen und anderen Materialien (ca. 5 %).

Dazu gehöre auch der Schmierstoff- und Mineralölhandel.

5. Lager- und Werkstattarbeiten, Auslieferungsarbeiten ohne baulichen Zusammenhang (ca. 15 %).

Diese Arbeiten stünden im Zusammenhang mit dem Handel und dem Vertrieb sowie den Blech- und Schlosserarbeiten.

Der Beklagte erhebt im übrigen die Einrede der Verjährung und beruft sich auf den Verfall der Ansprüche.

Die ZVK hat sich hilfsweise den Vortrag des Beklagten zu eigen gemacht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich der Auskunftserteilung für Arbeiter für die Zeit von Dezember 1988 bis Juni 1991 und September 1991 bis November 1991 und für die Zeit von Dezember 1988 bis November 1989 und Januar 1990 bis November 1991 hinsichtlich der Angestellten sowie in bezug auf die entsprechenden Entschädigungsbeträge stattgegeben. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Klage im Hinblick auf die Einrede der Verjährung abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung in vollem Umfange. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung konnte der Klage nicht stattgegeben werden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betrieb werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt. Dies folge aus dem Vortrag des Beklagten, den sich die ZVK hilfsweise zu eigen gemacht habe. Danach seien im Klagezeitraum mehr als 50 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV entfallen.

Die im Tätigkeitsbereich Malerarbeiten (1.) ausgeführten Arbeiten seien als bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV anzusehen, da sie der Instandhaltung und Instandsetzung von Bauwerken dienten.

Zu den baulichen Leistungen zählten auch die unter der Position PVC-Verlegung (2.) beschriebenen Tätigkeiten. Es handele sich nicht um das Verlegen von Bodenbelägen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV, das ohne Zusammenhang mit baulichen Leistungen nicht unter den VTV fiele. Mit dieser Tätigkeit wollten die Tarifvertragsparteien die Tätigkeitsbereiche des Raumausstattergewerbes vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausnehmen. Dazu gehöre die vom Beklagten ausgeführte Tätigkeit aber nicht. Sie habe nicht nur Verschönerungs-, sondern auch Schutzcharakter, da die Verlegung von PVC-Bahnen in Schwimmbädern, auf Balkonen und in Garagen auch dem Schutz gegen Feuchtigkeit diene und dadurch eine den Erfordernissen der Nutzung genügende Bodenfläche überhaupt erst hergestellt werde. Das Verlegen von PVC-Bahnen auf Dächern und die Anbringung von Dachrinnen aus PVC seien ebenfalls als bauliche Leistungen anzusehen. Damit entfielen 50 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf bauliche Leistungen.

Diesem Anteil an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit sei zumindest ein Teil der vom Beklagten vorgetragenen Lager-, Werkstatt- und Auslieferungsarbeiten sowie des Handels und Vertriebs von Farben, Kunststoffen etc. als Zusammenhangstätigkeit zuzurechnen. Eine Zusammenhangstätigkeit liege insbesondere vor, soweit angeschafftes Baumaterial zur Erbringung baulicher Leistungen verwendet werde. Insoweit könne der Vortrag des Beklagten nur dahingehend verstanden werden, daß sich die Lager-, Werkstatt- und Auslieferungsarbeiten sowie der Handel und Vertrieb von Kunststoffen auch auf Materialen bezogen habe, die auf eigenen Baustellen bei den Malerarbeiten und bei der PVC-Verlegung verwendet worden seien. Damit erhöhe sich der Anteil der baulichen Leistungen an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf mehr als 50 v.H.

II. Mit dieser Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesabeitsgerichts aus, wonach ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird, wenn von den Arbeitnehmern arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführt sind. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an (vgl. BAGE 56, 227, 230 = AP Nr. 88 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N.). Dabei hat die ZVK nach den allgemeinen Grundsätzen für die Darlegungs- und Beweislast darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß im Betrieb des beklagten Arbeitgebers arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden (BAG Urteil vom 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 – AP Nr. 130 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Dies ist dann der Fall, wenn im Betrieb arbeitszeitlich überwiegend eine Tätigkeit ausgeführt wird, die unter ein in § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genanntes Tätigkeitsbeispiel fällt oder von den übrigen Abschnitten des § 1 Abs. 2 VTV erfaßt wird. Ergibt sich aus dem Sachvortrag der ZVK, daß in einem Betrieb Arbeiten ausgeführt werden, die die Zuordnung zu unterschiedlichen in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführten baugewerblichen Tätigkeiten zulassen, so bedarf es zur Schlüssigkeit der Klage der Darlegung, daß diese baugewerblichen Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen.

2. Diese Voraussetzungen hat das Landesarbeitsgericht nicht aufgrund des eigenen Vortrags der ZVK geprüft, sondern aufgrund des Vortrags des Beklagten, den sich die ZVK zu eigen gemacht hat. Dies ist zwar zulässig. Aus dem danach zugrunde zu legenden Sachvortrag des Beklagten ergibt sich jedoch nicht die Begründetheit der Klage.

a) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß der Tätigkeitsbereich Malerarbeiten (1.), der 20 v. H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit umfaßt, entgegen der Auffassung des Beklagten zu den baulichen Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV gehört.

Die vom Beklagten ausgeführten Malerarbeiten einschließlich der Herstellung einer glatten Oberfläche durch die Verpressung von Rissen dienen der Instandhaltung bzw. Instandsetzung von Bauwerken und fallen damit unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Dies wird auch dadurch deutlich, daß Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 4 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen sind. Diese Ausnahmeregelung wäre überflüssig, wenn die Ausführung von Malerarbeiten ohnehin nicht als bauliche Leistung anzusehen wäre (vgl. BAG Urteil vom 5. September 1990 – 4 AZR 82/90 – AP Nr. 135 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

b) Bei der Zuordnung aller im Tätigkeitsbereich der PVC-Verlegung (2.) ausgeführten Arbeiten, die 30 v. H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit umfassen, zum betrieblichen Geltungsbereich des VTV hat das Landesarbeitsgericht den Sachvortrag des Beklagten nicht hinreichend berücksichtigt.

Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß die Verlegung von PVC-Dachrinnen und die Verlegung von PVC-Bahnen auf Dächern zu den baulichen Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV gehören.

Der Sachvortrag des Beklagten zur Verlegung von PVC-Bahnen bzw. Folien in Schwimmbädern, auf Balkonen und in Garagen läßt aber den Schluß zu, daß dieser wesentliche Teil des Tätigkeitsbereichs als Verlegung von Bodenbelägen ohne Verbindung mit anderen baulichen Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV anzusehen ist.

Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Tätigkeitsbeispiel „Verlegen von Bodenbelägen” einen Tätigkeitsbereich des Raumausstatter-Gewerbes vom Geltungsbereich des VTV ausnehmen wollten (BAG Urteil vom 28. September 1988 – 4 AZR 343/88 – AP Nr. 98 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Urteil vom 19. April 1989 – 4 AZR 657/88 – nicht veröffentlicht). Davon ist auch der Senat bei der Beurteilung der Beschichtung von Fußböden mit Kunststoff in den Urteilen vom 7. April 1993 – 10 AZR 618/90 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler; vom 7. April 1993 – 10 AZR 696/92 – nicht veröffentlicht und im Urteil vom 18. August 1993 – 10 AZR 177/91 – AP Nr. 166 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau ausgegangen.

Aufgabe des Raumausstatter-Gewerbes ist das Verlegen von Textil- und Kunststoffbelägen (Teppichböden, PVC-Belägen etc.). Diese Tätigkeit setzt voraus, daß ein Bodenbelag in Form von Bahnen oder Platten bereits existiert und dieser zum Zwecke der Raumausstattung auf einem bereits vorhandenen Fußboden verlegt wird. Dem entspricht der Sachvortrag des Beklagten insoweit als er auf bereits vorhandenen Oberflächen in Schwimmbädern, Garagen und Balkonen PVC-Bahnen bzw. Folien verlegt.

Ob diese Tätigkeit dem Tätigkeitsbeispiel des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV zuzuordnen ist oder, wie das Landesarbeitsgericht meint, zu den baulichen Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV gehört, richtet sich nach dem Zweck der Tätigkeit. Insoweit hat der Beklagte vorgetragen, daß die PVC-Beläge „Verschönerungs- und Schutzcharakter” hätten. Mit dem Begriff „Verschönerung” ist eine typische Aufgabe des Raumausstattergewerbes angesprochen. Welche Bedeutung der vom Beklagten angeführte „Schutzcharakter” hat, läßt sich jedoch nicht abschließend beurteilen.

Das Landesarbeitsgericht meint, daß der PVC-Belag dem Schutz vor Feuchtigkeit diene und die Verlegung deshalb eine bauliche Leistung i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV sei. Damit geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß der PVC-Belag eine isolierende Funktion habe. Dies läßt sich jedoch dem Beklagtenvortrag nicht entnehmen. Der Beklagte hat vielmehr bestritten, daß die PVC-Bahnen bzw. Folien der Isolierung dienen und insbesondere darauf verwiesen, daß ein Schwimmbad notwendigerweise bereits isoliert sei, bevor der PVC-Belag im Schwimmbecken aufgebracht werde. Eine Bodenisolierung in Garagen sei nicht notwendig. Der PVC-Belag diene insoweit nur der Verschönerung und habe „schützende Funktion” nur in dem Sinne, wie jeder Belag auf einer Oberfläche diese vor äußeren Einflüssen schütze.

Damit rechtfertigt der Sachvortrag des Beklagten jedenfalls nicht die Annahme, daß die Tätigkeit nicht als Verlegen von Bodenbelägen ohne Verbindung mit anderen baulichen Leistungen vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen sei. Hinsichtlich des für die Zuordnung der Tätigkeit zum Tätigkeitsbeispiel des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV oder zu den baulichen Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV maßgeblichen Zwecks bedarf es deshalb weiterer Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.

c) Das Landesarbeitsgericht hat ferner den Sachvortrag des Beklagten zu dem Tätigkeitsbereich Handel und Vertrieb (4.) sowie Lager-, Werkstatt- und Auslieferungsarbeiten (5.) nicht hinreichend berücksichtigt.

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß sich aus dem Vortrag des Beklagten zu den Tätigkeitsbereichen Handel und Vertrieb von Farben, Kunststoffen etc. (einschließlich Schmierstoff- und Mineralölhandel) sowie Lager-, Werkstatt- und Auslieferungsarbeiten ergebe, darunter fiele auch die Anschaffung von Baumaterialien, die der Beklagte in den Arbeitsbereichen Malerarbeiten und PVC-Verlegung verwende.

Ob dies plausibel ist, wie das Landesarbeitsgericht meint, kann dahinstehen. In dieser Weise kann der Vortrag des Beklagten jedenfalls nicht ausgelegt werden. Der Beklagte hat vorgetragen, daß er Handel und Vertrieb von Farben und Kunststoffen sowie damit zusammenhängend Lager-, Werkstatt- und Auslieferungsarbeiten ausführe. Daraus kann nicht geschlossen werden, daß zu diesen Tätigkeitsbereichen auch der Einkauf von Materialien für Maler- und PVC-Arbeiten zähle. Unter Handel und Vertrieb ist der Einkauf und die Weiterveräußerung von Material an Dritte, nicht aber der Einkauf von Material zum Zwecke der Verwendung bei der betrieblichen Tätigkeit zu verstehen.

Zu Unrecht nimmt das Landesarbeitsgericht insoweit auch an, daß der fehlende Vortrag des Beklagten hinsichtlich des Einkaufs von Material zum Zwecke der Verarbeitung, sich zu seinen Lasten auswirke. Da sich die ZVK den Vortrag des Beklagten zu eigen gemacht hat und darauf ihre Klage stützt, kann es sich nicht zum Nachteil des Beklagten auswirken, daß sein Vortrag nicht alle klagebegründenden Tatsachen enthält.

Das Landesarbeitsgericht wird deshalb, gegebenenfalls nach weiterem Sachvortrag, weitere Feststellungen über die Tätigkeitsbereiche (4.) und (5.) zu treffen haben.

d) Die im Tätigkeitsbereich (3.) vorgetragenen Blech- und Schlosserarbeiten fallen nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, wie auch zwischen den Parteien nicht umstritten

ist.

3. Sollte das Landesarbeitsgericht nach weiterer Sachaufklärung zum Ergebnis kommen, daß der Klage aufgrund des Vorbringens des Beklagten nicht stattgegeben werden kann, so ist Beweis über den vom Beklagten bestrittenen Vortrag der ZVK zu erheben.

Dieser ist schlüssig. Tiefgaragen-, Balkon- und Feuchtraumisolierungen (50 %) sind Isolierarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 8 VTV. Bitumenschutzanstriche für Kelleraußenwände (30 %) sind Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 1 VTV. Betonrißverpressungen (20 %) sind Betonarbeiten i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 4, jedenfalls aber bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV.

4. Die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung rechtfertigt auch nicht die teilweise Abweisung der Auskunftsklage für einen weiteren Zeitraum.

Der von der ZVK geltend gemachte Auskunftsanspruch ist nicht verjährt. Allerdings kann eine Klage auf Auskunftserteilung dann abzuweisen sein, wenn der sich aus der Auskunft möglicherweise ergebende Zahlungsanspruch verjährt ist (BGH NJW 1985, 385; BAG Urteil vom 30. April 1971 – 3 AZR 193/70 – DB 1971, 1776). Dabei wäre eine nach Verkündung des Berufungsurteils eingetretene Verjährung auch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen (BGH Urteil vom 10. Mai 1990 – X ZR 246/89 – NJW 1990, 2754).

Eine solche Entscheidung ist dem Senat jedoch nicht möglich.

Zum einen läßt sich nicht beurteilen, ob die Verjährung der Beitragsansprüche nicht nach Verkündung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils unterbrochen worden ist. Zum anderen besteht die rechtliche Möglichkeit, daß der Auskunftsanspruch im Rahmen des Sozialkassenverfahrens nicht nur den Beitragseinzug vorbereiten soll, sondern eine darüber hinausgehende Bedeutung hat. Da für die Arbeitnehmer eines baugewerblichen Betriebes gegenüber der ZVK auch dann Ansprüche erwachsen können, wenn der Arbeitgeber seiner Beitragspflicht nicht nachkommt, kann für die ZVK u.U. ein rechtliches Interesse an der Auskunftserteilung auch dann bestehen, wenn gegenüber möglichen Beitragsansprüchen die Einrede der Verjährung erhoben wird. Bei einem entsprechenden Sachvortrag der ZVK kann die Auskunftsklage nicht allein mit der Begründung abgewiesen werden, daß sich möglicherweise ergebende Beitragsansprüche verjährt sind.

III. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mitzuentscheiden.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Dr. Klosterkemper, Großmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073536

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