Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitzuschläge für Arbeit an Wochenfeiertagen
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu BAG Urteil vom 22. August 1995 – 3 AZR 42/95 – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Tarifverträge: DRK.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: DRK; ZPO § 308 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.08.1994; Aktenzeichen 9 Sa 437/94) |
ArbG Koblenz (Urteil vom 20.01.1994; Aktenzeichen 1 Ca 1302/93) |
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. August 1994 – 9 Sa 437/94 – insoweit aufgehoben, als es dem Kläger auch aus dem sich aus 253,76 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 28. Juni 1993 und nicht erst seit dem 9. September 1993 4 % Zinsen zugesprochen hat.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger Zeitzuschläge für Feiertagsarbeit zustehen.
Der Kläger ist beim Beklagten als Rettungsassistent im Schichtdienst zu einem Stundenlohn von 18,95 DM brutto und seit dem 1. Mai 1993 von 19,52 DM brutto beschäftigt. Der Beklagte erfüllt rund um die Uhr Aufgaben des Rettungsdienstes. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) Anwendung. Er regelt die Arbeit an Feiertagen und Vorfesttagen wie folgt:
„§ 15
Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen
In DRK-Dienststellen, deren Aufgaben Sonntags-, Feiertags-, Wechselschicht-, Schicht- oder Nachtarbeit erfordern, muß dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden.
Bei Sonntags- und Feiertagsarbeit soll jedoch im Monat zwei Sonntage arbeitsfrei sein, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Die an solchen Tagen zu leistenden Arbeitsstunden werden durch entsprechende Freizeit an einem Werktag der nächsten oder der übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen.
§ 16
Arbeitszeit an Samstagen und Vorfesttagen
…
(2) An dem Tage vor Neujahr, vor Ostersonntag, vor Pfingstsonntag oder vor dem 1. Weihnachtsfeiertag wird, soweit die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen, ab 12.00 Uhr Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung bzw. des Lohnes und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erteilt.
(3) Dem Mitarbeiter, dem diese Arbeitsbefreiung aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nicht erteilt werden kann, wird an einem anderen Tage entsprechend Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erteilt.
§ 17
Begriffsbestimmung
…
(4) Wochenfeiertage sind die Werktage, die gesetzlich oder aufgrund gesetzlicher Vorschriften durch behördliche Anordnung zu gesetzlichen Feiertagen erklärt sind und für die Arbeitsruhe angeordnet ist.
…
§ 39
Zeitzuschläge, Überstundenvergütung
(1) Der Mitarbeiter erhält neben seiner Vergütung/seinem Lohn Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde:
a) |
Für Überstunden in den Vergütungsgruppen |
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X bis V c, K 1 bis K 6 |
25 %, |
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V a bis V b, K 7 bis K 8 |
20 %, |
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IV b bis I, K 9 bis K 13 |
15 %. |
b) |
Für Überstunden in den Lohngruppen 1 bis 7 a |
25 %. |
c) |
Für Arbeit an Sonntagen (Angestellte) |
25 %, |
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für Arbeit an Sonntagen (Arbeiter) |
30 %. |
d) |
Für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen, auch wenn sie auf einen Sonntag fallen, sowie am Ostersonntag und Pfingstsonntag |
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aa) ohne Freizeitausgleich |
135 %, |
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bb) bei Freizeitausgleich |
35 %. |
e) |
Soweit kein Freizeitausgleich erteilt wird für Arbeit nach 12.00 Uhr an dem Tag vor dem |
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aa) Ostersonntag, Pfingstsonntag |
25 %, |
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bb) 1. Weihnachtsfeiertag, Neujahrstag |
100 % |
der Stundenvergütung.
…”
Der Kläger arbeitete nach einem im voraus aufgestellten Dienstplan. Die Arbeitsstunden wurden so verteilt, daß jeder Arbeitnehmer unabhängig von Feiertagsarbeit seine regelmäßige Arbeitszeit ableistete. Für Feiertagsarbeit waren in der jeweils nächsten oder übernächsten Kalenderwoche freie Tage vorgesehen, für die keine Vergütung gezahlt wurde. Der Umfang dieser Freizeit entsprach mindestens dem Umfang der Feiertagsarbeit.
Der Kläger leistete am 26. Dezember 1992 und am 1. Mai 1993 jeweils 13 Stunden Feiertagsarbeit. Dafür erhielt er einen Zeitzuschlag von 35 % je Arbeitsstunde, verlangt jedoch 135 %. Mit der am 28. Juni 1993 zugestellten Klage hat er den Differenzbetrag für den 26. Dezember 1992 und mit der am 9. September 1993 zugestellten Klageerweiterung den Differenzbetrag für den 1. Mai 1993 geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die dienstplanmäßige, unbezahlte Freizeit sei kein Freizeitausgleich im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d aa DRK-TV. Vielmehr müsse es sich um zusätzliche bezahlte Freizeit handeln.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 500,11 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den hierauf entfallenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, dem Kläger stehe lediglich ein Zeitzuschlag von 35 % zu. Freizeitausgleich im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d aa DRK-TV sei die nach § 15 Abs. 2 DRK-TV zu gewährende unbezahlte Freizeit.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist überwiegend unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den geforderten Zeitzuschlag zuerkannt. Das Berufungsurteil ist jedoch insoweit aufzuheben, als dem Kläger nicht beantragte Zinsen zugesprochen worden sind.
I. Dem Kläger steht nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d aa DRK-TV der verlangte Zeitzuschlag von 135 % je Stunde Feiertagsarbeit zu.
1. Die Tage, für die der Kläger zusätzliche Zeitzuschläge fordert, sind in Rheinland-Pfalz zu gesetzlichen Feiertagen erklärt gewesen. Nach § 17 Abs. 4 DRK-TV handelt es sich um sog. Wochenfeiertage.
2. Der Zeitzuschlag für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen beträgt nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d DRK-TV ohne Freizeitausgleich 135 %, bei Freizeitausgleich 35 %. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die dienstplanmäßige, unbezahlte Freizeit kein Freizeitausgleich im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d DRK- TV. Der Zuschlag für Feiertagsarbeit vermindert sich nur dann auf 35 %, wenn der Arbeitnehmer zusätzliche bezahlte Freizeit erhält.
a) Der Tarifwortlaut ist mehrdeutig. Nach allgemeinem Sprachgebrauch läßt sich unter Freizeitausgleich sowohl eine bezahlte als auch eine unbezahlte Freizeit verstehen. Der DRK-TV stellt unterschiedliche Anforderungen an den Freizeitausgleich. Zum Teil will er den Arbeitnehmern nur einen bestimmten Freizeitumfang sichern und läßt deshalb die dienstplanmäßige, unbezahlte Freizeit genügen (vgl. § 15 Abs. 2 DRK-TV). Zum Teil verlangt er eine Arbeitsfreistellung unter Fortzahlung der Vergütung (vgl. § 14 Abs. 5 Unterabs. 3 und § 16 Abs. 3 DRK-TV).
b) Entscheidend ist, in welchem Regelungszusammenhang der Begriff Freizeitausgleich gebraucht wird. Der Beklagte hat gemeint, für die Zuschlagsregelung des § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d DRK-TV genüge die in § 15 Abs. 2 DRK-TV vorgeschriebene Freizeitgewährung. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der Beklagte berücksichtigt weder den unterschiedlichen Regelungsgegenstand der §§ 15 und 39 DRK-TV noch die übrigen Zuschlagsbestimmungen des § 39 DRK-TV, um dessen Auslegung es geht. In erster Linie kommt es auf den Aufbau und die Ausgestaltung des Paragraphen an, in dem die umstrittene Regelung enthalten ist. Ergänzend ist die Systematik des gesamten Tarifvertrages mitzuberücksichtigen.
aa) § 15 DRK-TV regelt die Arbeitszeit. Absatz 1 befaßt sich mit der Verpflichtung des Arbeitnehmers zu Sonn- und Feiertagsarbeit. Absatz 2 betrifft die Verteilung der Arbeitszeit und sichert den Arbeitnehmern bei Sonn- und Feiertagsarbeit ähnliche Freizeit wie den übrigen Arbeitnehmern. Der DRK-TV lehnt sich zwar an den BAT an, räumt aber den Arbeitnehmern im Gegensatz zu § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT nicht das Recht ein zu beantragen, daß die dienstplanmäßige Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung der Vergütung ausgeglichen wird. Ein derartiges Wahlrecht hat der DRK-TV bewußt nicht geschaffen. Damit hat er den besonderen Verhältnissen des Deutschen Roten Kreuzes und seiner Verbände Rechnung getragen. Die Feiertagsarbeit spielt hier eine wesentlich größere Rolle als im öffentlichen Dienst. Ein Wahlrecht der Arbeitnehmer und die mit seiner Ausübung verbundene Verkürzung der Arbeitszeit würde den Betriebsablauf stärker beeinträchtigen als im öffentlichen Dienst. Der DRK-TV hat die Sonn- und Feiertagsarbeit aber nur bei der Verteilung der Arbeitszeit gleichgestellt, dagegen nicht bei der Zuschlagsregelung des § 39.
bb) Bei den Zeitzuschlägen unterscheidet § 39 DRK-TV zwischen Sonn- und Feiertagsarbeit. Während § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c DRK-TV für die Sonntagsarbeit nur einen einheitlichen Zuschlag vorsieht, stellt § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d DRK-TV bei Arbeiten an gesetzlichen Wochenfeiertagen darauf ab, ob Freizeitausgleich gewährt wurde oder nicht. Ebenso kommt es nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. e DRK-TV bei der Arbeit an Vorfesttagen darauf an, ob Freizeitausgleich gewährt oder nicht gewährt wurde. Diese Bestimmung setzt wegen der Regelung des § 16 DRK-TV einen bezahlten Freizeitausgleich voraus. Es liegt nahe, daß der Begriff Freizeitausgleich in § 39 DRK-TV einheitlich gebraucht wird. § 39 DRK-TV spricht sowohl in Buchstabe d als auch in Buchstabe e ohne weiteren Zusatz von Freizeitausgleich. Eine unterschiedliche Bedeutung desselben Wortes in zwei aufeinanderfolgenden Buchstaben desselben Paragraphen wäre sehr ungewöhnlich.
cc) Während § 16 Abs. 2 DRK-TV an bestimmten Vorfesttagen (Silvester, Heiligabend, Ostersamstag und Pfingstsamstag) eine Arbeitsbefreiung ab 12.00 Uhr unter Fortzahlung der Bezüge vorschreibt, soweit die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen, fehlt zwar in § 15 Abs. 2 DRK-TV eine entsprechende Verpflichtung für Feiertagsarbeit. Dies ist aber unerheblich, weil zwischen Arbeitszeitverteilung und Zuschlagsregelung zu unterscheiden ist. Der DRK-TV behandelt die Feiertagsarbeit bei der Arbeitszeitverteilung wie Sonntagsarbeit, bei der Zuschlagsregelung dagegen wie die Arbeit an Vorfesttagen.
c) Die Regelung, daß sich der Zeitzuschlag für Feiertagsarbeit nur dann auf 35 % verringert, wenn der Arbeitgeber freiwillig einen bezahlten Freizeitausgleich gewährt, ist folgerichtig und kann auch praktische Bedeutung erlangen. Dagegen würde, wie auch die Beklagte einräumt, die von ihr vertretene Auslegung dazu führen, daß die Zuschlagsregelung für Feiertagsarbeit ohne Freizeitausgleich leerliefe. Den Tarifvertragsparteien kann aber nicht unterstellt werden, daß sie überflüssige Vorschriften schaffen wollten.
d) Wenn in § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d DRK-TV im Gegensatz zu § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. e DRK-TV bereits die unbezahlte Arbeitsfreistellung als Freizeitausgleich anzusehen wäre, entstünden zudem nicht zu erklärende Wertungswidersprüche. Die Zeitzuschläge für Arbeit an Heiligabend und Silvester wären nach Auffassung der Beklagten fast dreimal so hoch wie die Zeitzuschläge für die Arbeit an den Weihnachtsfeiertagen und am Neujahrstag. Tarifverträge sind jedoch möglichst so auszulegen, daß Ungereimtheiten vermieden und sinnvolle Ergebnisse erzielt werden.
3. Da dem Kläger die geltend gemachten Zeitzuschläge nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d aa DRK-TV zustehen, kommt es nicht darauf an, ob er die Klageforderung noch auf weitere Anspruchsgrundlagen stützen könnte.
II. Dem Kläger konnten nicht für alle Klageansprüche Zinsen seit dem 28. Juni 1993 zuerkannt werden. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Der Kläger hat Prozeßzinsen ab Klagezustellung (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB) beantragt. Während er den Anspruch auf Zahlung eines höheren Zeitzuschlags für den 26. Dezember 1992 mit seiner am 28. Juni 1993 zugestellten Klage geltend gemacht hat, ist die Klage auf Zahlung eines höheren Zeitzuschlages für den 1. Mai 1993 am 9. September 1993 zugestellt worden. Erst ab diesem Zeitpunkt stehen ihm für diese zusätzliche Klageforderung Prozeßzinsen zu. Da Verzugszinsen vor Klagezustellung nicht eingeklagt waren, kam es nicht darauf an, ab wann Verzugszinsen anfielen.
III. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 ZPO auch die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Dr. Reinfeld, Arntzen
Fundstellen