Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von Provisionsvorschüssen bei Scheingeschäft
Leitsatz (amtlich)
Schließt eine Versicherungsvermittlungsgesellschaft einen Handelsvertretervertrag mit einer 20jährigen Schülerin ab, weil der ursprünglich mit deren Vater geplante Vertrag wegen dessen schlechten Leumund nicht zustandekam, und übt anschließend abredegemäß der Vater allein die Vertretertätigkeit aus, so liegt ein nichtiges Scheingeschäft vor. Zu Unrecht geleistete Provisionsvorschüsse können nicht vom Vertragspartner des Scheingeschäftes zurückverlangt werden, wenn sie an den Vater weitergeleitet sind.
Normenkette
BGB § 117 Abs. 1-2, §§ 133, 157, 812
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 07.01.1991; Aktenzeichen 7 Sa 52/90) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 10.04.1990; Aktenzeichen 1 Ca 104/90) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 7. Januar 1991 – 7 Sa 52/90 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die für eine Versicherung den Abschluß von Versicherungsverträgen vermittelt. Sie setzt dazu als Mitarbeiter Handelevertreter ein. Die Beklagte war 20jährige Schülerin, als sie 1988 drei Mitarbeiterverträge unterzeichnete, wonach sie als Handelsvertreterin für die Klägerin insbesondere Unfallversicherungsverträge vermitteln sollte. Nach den Verträgen standen ihr Provisionen zu, die als Vorschuß gezahlt und endgültig erst verdient waren, wenn der Versicherungsnehmer insgesamt 24 Monatsbeiträge gezahlt hatte. In der Folgezeit übte die Beklagte die Vermittlungstätigkeit für die Klägerin nicht aus. Vielmehr warb allein ihr Vater neue Versicherungskunden an, der zunächst als Vertragspartner der Klägerin vorgesehen war. Ein Mitarbeitervertrag war mit ihm nicht geschlossen worden, weil die über ihn bei der Auskunftei für das Versicherungsgewerbe eingeholte Auskunft nicht zufriedenstellend ausgefallen war. Die Klägerin zahlte für die vom Vater der Beklagten vermittelten Versicherungen insgesamt Provisionsvorschüsse i. H. v. 14.750,-- DM. Dazu gab die Klägerin Schecks, die auf die Beklagte ausgestellt waren und über ein Konto der Beklagten vom Vater der Beklagten eingelöst wurden. Die Versicherungsverträge, für die die Klägerin Provisionsvorschüsse zahlte, wurden mit Ausnahme eines Fremdvertrages storniert bzw. von der Klägerin gekündigt, weil die Versicherungsnehmer keine Beiträge erbrachten.
Nachdem die Beklagte das Vertragsverhältnis zur Klägerin zum 30. September 1988 gekündigt hatte, forderte die Klägerin von ihr Provisionsvorschüsse i. H. v. 14.624, -- DM zurück.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.624, -- DM nebst 4 % Zinsen auf 5.391,60 DM seit dem 1. Oktober 1988, auf 7.645,80 DM seit dem 3. Juli 1989, auf 1.094,70 DM seit dem 31. Oktober 1989 und auf 491,90 DM seit dem 15. Dezember 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen vertraglichen noch einen gesetzlichen Anspruch auf Rückzahlung der Provisionsvorschüsse.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Provisionsvorschüsse aus den §§ 10 und 12 des zuletzt abgeschlossenen Vertrages vom 15. Juli 1988. Denn die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge sind als Scheingeschäfte nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig.
1. Ein Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die Beteiligten ein Ziel durch den bloßen Schein eines wirksamen Rechtsgeschäftes erreichen, aber die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen (BGH Urteil vom 24. Januar 1980 – III ZR 169/78 – NJW 1980, 1572; BGH Urteil vom 22. Oktober 1981 – III ZR 149/80 – NJW 1982, 569). Dagegen liegt ein wirksames fiduziarisches Rechtsgeschäft vor, mitunter in der Form des sogenannten Strohmanngeschäftes, wenn die Beteiligten die Wirksamkeit des nicht in allen Folgen gewollten Geschäftes für ihr Ziel benötigen.
2. Ob Vertragsparteien für ihr Ziel die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes benötigten und es deshalb ernstlich gemeint oder nur zum Schein abgeschlossen ist, ist durch Auslegung der Willenserklärungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Das Ergebnis der Auslegung ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob das Berufungsgericht die Vorschriften über die Auslegung richtig angewandt hat oder ob dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist, und ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet oder eine gebotene Auslegung unterlassen wurde (BGH, aaO; BGH Urteil vom 7. Juli 1980 – III ZR 28/79 – WM 1980, 1085, 1087).
3. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand. Das Landesarbeitsgericht hat den Vertrag der Parteien unter Berücksichtigung ihres Vorbringens zur tatsächlichen Handhabung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu Recht dahin gewürdigt, daß die Vertragsparteien kein Handelsvertreterverhältnis begründen wollten, das die Beklagte zu irgendwelchen Tätigkeiten verpflichtete, sondern daß die damit verbundenen Rechte und Pflichten beim Vater der Beklagten eintreten sollten. Die Beklagte hat nicht wie beim Strohmanngeschäft die sich aus der Vereinbarung ergebenden Rechte in Anspruch genommen und die Pflichten eines Schuldners erfüllt, um sodann die von ihr erworbenen Rechtspositionen auf ihren Vater weiter zu übertragen. Vielmehr benötigten die Parteien lediglich den guten Leumund der Beklagten, um deren Vater eine Beschäftigung zu verschaffen. Die Beklagte gab nur ihren Namen, um die Versicherung, für die die Klägerin Verträge vermittelt, über die Bonität des tatsächlich arbeitenden Handelsvertreters zu täuschen.
4. Die Angriffe der Revision gegen die Auslegung der Vereinbarung der Parteien sind unbegründet. Die Klägerin übersieht bei ihren Rechtsausführungen den eingeschränkten Prüfungsmaßstab, dem das angefochtene Urteil unterliegt. Bei der Rüge, das Landesarbeitsgericht habe den wesentlichen Umstand nicht gewürdigt, daß die Klägerin wegen der Zahlung von Provisionsvorschüssen eine solvente Vertragspartnerin gesucht habe, verkennt die Revision, daß eine 20jährige Schülerin regelmäßig nur dann vertrauenswürdiger als ihr schlecht beleumundeter Vater sein kann, wenn sie selbst vermögend wäre.
5. Dementsprechend ist gem. § 117 Abs. 2 BGB das Rechtsgeschäft zwischen der Klägerin und dem Vater der Beklagten zustande gekommen.
II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist derjenige zur Herausgabe verpflichtet, der durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Nach Satz 2 der Bestimmung besteht die Verpflichtung auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
Nachdem mit Ausnahme eines Vertrages alle vom Vater der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsverträge storniert bzw. gekündigt worden sind, ist der Rechtsgrund für die Zahlung von Provisionen für diese Verträge weggefallen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Erste Alternative BGB) und der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Klägerin hat zwar der Beklagten die Vorschüsse zugewendet. Sie ist aber nicht Bereicherungsschuldner. Das ist vielmehr ihr Vater. Er war gem. § 117 Abs. 2 BGB Vertragspartner der Klägerin und Gläubiger der Vorschußforderung. Bei Abschluß des Scheingeschäftes haben die Beteiligten abgesprochen, daß Zahlungen nicht an ihn, sondern an seine Tochter erfolgen sollten, die im Verhältnis zu ihm sich verpflichtet hatte, die Zahlungen an ihn weiterzuleiten. Diese Abrede der Klägerin mit dem Vater der Beklagten enthält eine Anweisung des Gläubigers an den Schuldner, zur Aufrechterhaltung des Scheins an einen Dritten zu leisten. In derartigen Anweisungsfällen erfolgt die Kondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Erste Alternative BGB i. V. m. § 812 Abs. 1 Satz 1 Erste Alternative BGB im sogenannten Deckungsverhältnis zwischen Angewiesenen und Anweisenden, nicht im sogenannten Zuwendungsverhältnis zwischen Angewiesenen und Begünstigten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Dörner, Schulze, Dr. Kirchner
zugleich für den ausgeschiedenen Richter Dr. Lipke
Leinemann
Fundstellen
Haufe-Index 846793 |
BB 1992, 2003 |
BB 1993, 2017 |
NJW 1993, 2767 |
JR 1994, 396 |
NZA 1993, 837 |