Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsstellung eines Lehrbeauftragten
Leitsatz (redaktionell)
Zur Zulässigkeit eines fernmündlich erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung.
Normenkette
BGB § 611; Hessisches Fachhochschulgesetz § 32; HRG §§ 55, 42; ZPO § 128
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 06.02.1992; Aktenzeichen 13 Sa 589/91) |
ArbG Darmstadt (Urteil vom 28.11.1990; Aktenzeichen 4 Ca 558/89) |
Tenor
1. Die Urteile des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Februar 1992 – 13 Sa 589/91 – und des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. November 1990 – 4 Ca 558/89 – werden aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Darmstadt verwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Vergütungsansprüche.
Der Kläger war in der Zeit vom 1. März 1980 bis zum 31. August 1987 als Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Darmstadt des beklagten Landes tätig. Die Lehraufträge für das Wintersemester 1986/87 und das Sommersemester 1987 wurden dem Kläger mit Schreiben des Rektors der Fachhochschule vom 1. Oktober 1986 und vom 5. März 1987 erteilt. Darin heißt es u.a.:
„Hiermit erteile ich Ihnen für das …-Semester … folgenden Lehrauftrag an der Fachhochschule Darmstadt:
Lehrveranstaltung: …
Die Erteilung des Lehrauftrags erfolgt auf der Grundlage des Erlasses des Hessischen Kultusministers vom 15.12.1972 – I B 3 – 056/475 – 24 –.
Im Falle nachgewiesener Erkrankung oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung durch in Ihrer Person liegende Gründe wird für einen ausgefallenen Lehrveranstaltungstermin die Vergütung weitergewährt, wenn der Lehrauftrag im Zeitpunkt der Erkrankung bzw. Verhinderung bereits mindestens einen Monat bestanden hat.
Der Lehrauftrag kann widerruffen werden, wenn eine zu geringe Belegung der Lehrveranstaltung durch die Studenten dies rechtfertigt. Sollte die Erteilung des Lehrauftrags auf einem von Ihnen zu vertretenden Irrtum beruhen, so ist eine rückwirkende Änderung oder Ergänzung des Lehrauftrags zulässig. Die Kündigung des Lehrauftrags aus wichtigem Grund ist jederzeit möglich.”
Der Erlaß vom 15. Dezember 1972 lautet auszugsweise:
„1.1 Um das Lehrangebot an Fachhochschulen zu gewährleisten, können im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel Lehraufträge an nebenamtliche oder nebenberufliche Lehrbeauftragte erteilt werden, soweit das Lehrangebot durch hauptamtlich oder hauptberuflich Lehrende nicht sichergestellt werden kann.
1.2 Den Rektoren übertrage ich die Befugnis, auf Antrag der Fachbereiche Lehraufträge zu erteilen und die Vergütung dafür im Benehmen mit dem Fachbereich festzusetzen. …
4.1 Bei Erkrankung von nebenberuflich tätigen Lehrbeaufragten ohne Einkommen aus einer hauptberuflichen Tätigkeit, deren Lehrauftrag über einen Monat gedauert hat, richtet sich die Weitergewährung der Vergütung nach § 616 BGB.
5.4 Die Lehraufträge können, wenn sie nicht befristet sind, zum Ende des Studienhalbjahres oder Studienjahres gekündigt werden. Die Kündigung ist dem Beauftragten so frühzeitig wie Möglich mitzuteilen. Die Kündigung aus wichtiger Grunde ist jederzeit möglich.”
Der Kläger hielt Vorlesungen vornehmlich auf den Fachgebieten Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre, ließ Aufsichtsarbeiten schreiben und nahm am Prüfungsverfahren als Prüfer teil. Seine Arbeitsverpflichtung belief sich auf sechs bis acht Semester-Wochen stunden Weiter heißt es im Tatbestand des Berufungsurteils, daß das beklagte Land die von ihm im Erlaßwege festgesetzte Lehrauftragsvergütung „zum Gegenstand der vertraglichen Vergütungsabrede gemacht hatte”.
Der Kläger beansprucht für die Zeit vom 1. Januar 1987 bis zum 31. August 1987 anteilige Vergütung eines entsprechend der Besoldungsgruppe C 2 bezahlten nichtbeamteten Fachhochschul-Professors in rechnerisch unstreitiger Höhe unter Anrechnung des ihm bereits gezahlten Verdienstes. Er hat die Auffassung vertreten, mit einem angestellten Professor der Besoldungsgruppe C 2 in jeder Hinsicht voll vergleichbar zu sein. Der Umstand, daß er sich an der Arbeit der Selbstverwaltungsorgane der Fachhochschulen nicht beteiligt habe, sei irrelevant. An den sonstigen Aufgaben eines Fachhochschulprofessors habe er mitgewirkt. Auf die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen zur Berufung als Professor komme es nicht an.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 10.203,86 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 9. November 1989 zu zahlen
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei schon deshalb nicht mit angestellten Professoren gleichzubehandeln, weil er einen anderen rechtlichen Status sowie einen eingeschränkten Aufgabenbereich gehabt und nicht in einem Anstellungsverhältnis gestanden habe. Der Kläger weise auch nicht die fachliche Qualifikation auf, die für die Berufung als Professor gesetzlich vorgeschrieben sei. Im übrigen habe der Kläger als Lehrbeauftragter nur einen Ausschnitt aus der Tätigkeit der Professoren wahrgenommen. So habe er als Lehrbeauftragter keinen Forschungsauftrag gehabt, habe keine Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltung der Fachhochschule wahrgenommen, sei weder an der Studienreform noch an der Studienfachberatung beteiligt gewesen und sei auch nicht gehalten gewesen, die Beschlüsse der Selbstverwaltungsorgane zu verwirklichen.
Weiter hat das beklagte Land erstmals in zweiter Instanz die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit mit der Begründung gerügt, es handele sich entweder um eine öffentlich-rechtliche oder aber um eine zivilrechtliche Streitigkeit.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie als unbegründet abgewiesen.
In dem auf den 30. Januar 1992 anberaumten Termin vor dem Landesarbeitsgericht war für den Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen. Der Beklagten-Vertreter hatte zu Protokoll erklärt, daß er mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden sei. Im Anschluß daran war durch Beschluß die Verhandlung „aufgehoben” worden. Weiter heißt es im Sitzungsprotokoll:
„Der Kläger-Vertreter hat auf telefonische Antrage des Vorsitzenden der Kammer 13 diesem mitgeteilt, daß er damit einverstanden sei, wenn die Sache noch heute beraten und am Donnerstag, den 6. Februar 1992 im schriftlichen Verfahren verkündet werde”.
Daraufhin war Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 6. Februar 1992 angeraumt worden. Das klageabweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts ist an diesem Tag verkündet worden. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Er hat in der Revisionsinstanz hilfsweise beantragt, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Darmstadt zu verweisen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG). Denn der Kläger stand zum beklagten Land in einem öffentlich-rechtlichen. Dienstverhältnis und nicht in einem Arbeitsverhältnis.
I. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war nicht schon deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen, weil der Kläger seine Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht schriftlich, sondern fernmündlich gegeben hat. Der Kläger rügt zu Unrecht Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit der Verhandlung (§ 128 Abs. 1 ZPO).
Nach § 128 Abs. 2 ZPO der nach § 64 Abs. 6 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren gilt, kann das Gericht „mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage widerruflich ist, … eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen.” Es besteht Einigkeit darüber, daß die Zustimmung zum schriftlichen verfahren als einseitige prozeßgeestaltende Erklärung klar , eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden muß (vgl. auch BVerwG Urteil vom 22. Juni 1982 – 2 C 83/81 – NJW 1983, 189; BVerwGE 6, 18; 62, 6; BFHE 160, 405; 166, 415).
Das Bundesarbeitsgericht und der Bundesgerichtshof haben zu der Frage, ob die Zustimmung auch telefonisch erklärt werden kann, noch nicht Stellung genommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mehrfach ausgesprochen, daß eine telefonische Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO zumindest dann unwirksam ist, wenn der Inhalt der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten streitig ist oder wenn bei Übermittlung der Erklärung durch das Büro des Prozeßbevollmächtigten dieser bestreitet, eine solche Erklärung abgegeben zu haben (Urteil vom 7. November 1980 –1 C 101.76 –, Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 12; BVerwGE 62, 6 = NJW 1981, 1852; Urteil vom 22. Juni 1982 – 2 C 83/81 –, NJW 1983, 189). Demgegenüber bar das Bundessozialgericht eine nach Wortlaut und Tragweite unstreitige fernmündliche Verzichtserklärung für wirksam gehalten (Urteil vom 27. Oktober 1967 – 2 RU 54/64 –, Die Kriegsopferversorgung 1968, 179).
Dem Bundessozialgericht ist zuzustimmen. § 128 Abs. 2 ZPO und die vergleichbaren Bestimmungen der anderen Verfahrensordnungen (§ 101 Abs. 2 VWGO, § 124 Abs. 2 SGG und § 90 Abs. 2 FGO) stellen für die Erklärung der Parteien kein Formerfordernis auf. Ist die Erklärung als solche klar, eindeutig und vorbehaltlos, und steht auch zweifelsfrei fest, daß sie von dem prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt der Partei abgegeben wurde, besteht kein Anlaß, für die Erklärung eine bestimmte Form zu verlangen. Die Rechtssicherheit … dies jedenfalls nicht. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, der durch einen Rechtsanwalt vertretenen Partei eine Überlegungsfrist einzuräumen. Die Partei ist in diesen Fällen nicht schutzbedürftig.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach dem Sitzungsprotokoll vom 30. Januar 1992 hat der Kläger-Vertreter auf telefonische Antrage dem Vorsitzenden der Kammer 13 mitgeteilt, daß er damit einverstanden sei, „wenn die Sache noch heute beraten und am Donnerstag, den 6. Februar 1992 im schriftlichen Verfahren verkündet werde”. Diese Angaben haben zwar nicht an der Beweiskraft des Protokolls nach § 165 ZPO teil, da das Telefongespräch kein Teil der mündlichen Verhandlung war, es sich insoweit also nicht um ein Protokoll im Sinne der §§ 159 ff. ZPO handelt. Dieser Vermerk ist aber auch nach Meinung der Revision inhaltlich richtig. Der Kläger macht nur geltend, daß die Erklärung, formbedürftig sei.
Das ist aber nicht der Fall.
Die Revision rügt weiter, daß das Landesarbeitsgericht entgegen § 128 Abs. 2 ZPO keinen Zeitpunkt bestimmt hat, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Auch diese Rüge ist nicht begründet. Es ist nämlich zulässig, daß die Parteien auf die Einreichung von weiteren Schriftsätzen verzichten (Zöller/Greger, ZPO, 18. Aufl., § 128 Rz. 18) Das ist hier geschehen, Beide Parteien haben auf die Einreichung weiterer Schriftsätze verzichtet, der Kläger durch seine im Protokoll vom 30. Januar 1992 wiedergegebene fernmündliche Erklärung.
II. Das Berufungsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Unrecht bejaht.
1. Nach § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG n.F. prüft das Revisionsgericht nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Diese am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Bestimmungen finden aber auf Übergangsfälle, also Fälle, in denen das erstinstanzliche Verfahren bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen war, keine Anwendung (BAG Urteil vom 15. Januar 1992 – 5 AZR 15/91 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.). Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Bas Urteil des Arbeitsgerichts ist am 28. November 1990 verkündet worden.
Maßgeblich ist also das bisherige Recht. Nach § 73 Abs. 2 ArbGG a.F. konnte die Revision nicht darauf gestützt werden, daß die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründet sei. § 67 a ArbGG a. F. bestimmte, daß in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Anspruche das Berufungsgericht die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht von Amts wegen prüft und eine Rüge des Beklagten ausgeschlossen ist, wenn er im ersten Rechtszuge ohne die Rüge zur Hauptsache verhandelt hat und dies nicht genügend entschuldigt. Beide Vorschriften betrafen aber, was das Landesarbeitsgericht übersehen hat, nur das Verhältnis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Im übrigen war anerkannt, daß die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen war, wenn daneben der Rechtsweg zu den Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichten in Frage kam (BAG Urteil vom 8. Dezember 1981 – 3 AZR 71/79 – AP Nr. 5 zu §§ 394, 395 RVO; BAGE 45, 228, 230 = AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1979).
2.a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehen Lehrbeauftragte an Hochschulen, die mit bestimmten Lehrverpflichtungen im Semester betraut werden, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis besonderer Art, wenn der Lehrauftrag durch eine einseitige Maßnahme der Hochschule erteilt wird (BAGE 38, 259; 46, 218, 223 f. = AP Nr. 27, 42 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, sowie die nicht veröffentlichten Urteile vom 5. Februar 1986 – 5 AZR 422/84 – und vom 11. Februar 1987 – 5 AZR 18/86 –). Zu den Hochschulen in diesem Sinne gehören auch die Fachhochschulen (vgl. § 1 HRG). Art. 33 Abs. 4 GG, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst und Treueverhältnis stehen, läßt neben dem Beamtenverhältnis auch noch andere öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse zu (BVerwGE 49, 137).
Sofern die zugrundeliegenden Vorschriften der Hochschulgesetze dies zulassen, können allerdings die Rechtsverhältnisse mit Lehrbeauftragten auch privatrechtlich ausgestaltet werden. Dies hat der Senat mit Urteil vom 5. Februar 1986 (a.a.O.) für einen Lehrbeauftragten an einer schleswig-holsteinischen Musikhochschule aufgrund der in jenem Verfahren gewählten Verfahrensgestaltung entschieden (vgl. auch BAG Urteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Von einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ist nach der Rechtsprechung des Senats auch dann auszugehen, wenn sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Rechtsnatur des Lehrbeauftragtenverhältnisses ergeben. Das bedeutet: Im Zweifel handelt die Behörde, die mit dem Lehrauftrag öffentliche Aufgaben überträgt, in Form des öffentlichen Rechts und durch Verwaltungsakt (BAG Urteile vom 5. Februar 1986 und vom 11. Februar 1987, a.a.O.; ebenso Hang-Jürgen Reich, Die Rechtsverhältnisse der Lehrbeauftragten an der Hochschule, 1986, S. 64).
So verhalt es sich im Streitfall. § 32 des Hessischen Fachhochschulgesetzes, der sich mit der Rechtsstellung der Lehrbeauftragten befaßt, enthält keine Aussage zur Rechtsnatur des Lehrauftragsverhältnisses. Allein aus der Formulierung des Gesetzes, daß Lehrauftrage „erteilt” werden, kann der öffentliche Charakter des Rechtsverhältnisses nicht hergeleitet werden (ebenso Reich, a.a.O., S. 56–58; Hailbronner/Waldeyer, Kommentar zum HRG, Stand Februar 1993, § 55 Rz 32).
b) Der Wortlaut der an den Kläger gerichteten Schreiben vom 1. Oktober 1986 und vom 5. März 1987 deutete darauf hin, daß das beklagte Land die Lehraufträge jeweils durch einseitige Maßnahmen erteilen wollte. Weiter ist zu berücksichtigen, daß weder die Schreiben selbst, noch der in Bezug genommene Erlaß vom 15. Dezember 1972 einen Hinweis auf eine vertragliche Übereinkunft enthalten und die im öffentlichen Dienst übliche Form von Verträgen mit Unterschriften beider Seiten auf einer Urkunde nicht gewählt worden ist.
Auf ein privatrechtliches Rechtsverhältnis könnte allerdings hindeuten, daß die Schreiben und Ziff. 5.4 des Erlasses die „Kündigung” des Lehrauftrages für zulässig erklären und in Ziff. 4.1 des Erlasses von einer Weitergewährung der Vergütung nach § 616 BGB die Rede ist. Dagegen spricht wieder, daß die Schreiben unter bestimmten Umständen den „Widerruf” des Lehrauftrages erlauben. Das entspricht verwaltungsrechtlicher Terminologie.
Allerdings heißt es im Tatbestand des Berufungsurteils, daß der Kläger eine Lehrauftragsvergütung erhielt, „die das beklagte Land im Erlaßwege festgesetzt und zum Gegenstand der vertraglichen Vergütungsabrede der Parteien gemacht hatte”. Aus dem Umstand, daß diese Angaben an keiner Stelle mehr konkretisiert werden, ergibt sich, daß es sich nicht um eine – das Revisionsgericht nach § 561 ZPO bindende – Tatsachenfeststellung handelt, sondern um eine bloße rechtliche Bewertung ohne tatsächlichen Kern.
Demnach spricht mehr für das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses. Zumindest gibt es für das Bestehen privatrechtlicher Rechtsbeziehungen keine ausreichenden Anhaltspunkte. Damit handelt es sich bei der Erteilung der Lehraufträge an den. Kläger um – zustimmungsbedürftige – Verwaltungsakte, mit denen jeweils öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse begründet wurden
3. Die Revision macht weiter geltend, der Kläger könne kein Lehrbeauftragter sein, da er Kernvorlesungen für Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft gehalten habe und daher von einer „Ergänzung des Lehrangebotes” im Sinne von § 55 Satz 1 HRG und § 32 Abs. 1 Satz 1 HeFHG keine Rede sein könne Deshalb komme nur die Tätigkeit eines Professors in Betracht. Auch damit kann die Revision nicht durchdringen. Wie ausgeführt, hat das beklagte Land zu dem Kläger ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis begründet. Sie hat sich dazu des Erlasses von – zustimmungsbedürftigen – Verwaltungsakten bedient. Diese sind dem Kläger bekanntgegeben und damit wirksam geworden; sie sind auch weder zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder auf andere Weise erledigt (§ 43 Abs. 1, 2 HeVwVfG, gleichlautend mit § 43 Abs. 1, 2 VwVfG des Bundes). Das bedeutet, daß die mit dem Verwaltungsakt bezweckten Rechtswirkungen und -folgen eingetreten sind: Es sind also jeweils öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse zustandegekommen.
Die Feststellung, das beklagte Land habe das Institut des Lehrauftrages mißbraucht, tatsächlich sei unter dem „Mantel” des Lehrauftragsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis über die Tätigkeit eines Professors begründet worden, könnten die Gerichte für Arbeitssachen nur dann treffen, wenn die Verwaltungsakte, mit denen die Beklagte die Lehraufträge erteilt hat, unbeachtlich wären. Die Revision rügt im Ergebnis, daß die Erteilung von Lehraufträgen an den Kläger gegen § 55 HRG und § 32 Abs. 1 HeFHG verstoße, mithin rechtswidrig sei. Es ist jedoch anerkannt, daß die Gerichte aller Gerichtszweige an das Bestehen und den Inhalt von wirksamen Verwaltungsakten gebunden sind, soweit ihnen nicht die Kontrollkompetenz eingeräumt ist (sogenannte Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten). Das gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist (vgl. BAGE 34, 275, 279 f. = AP Nr. 7 zu § 12 SchwbG). Eine solche Bindung entfällt nur, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist. Danach ist es den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt, nachzuprüfen, ob die Lehraufträge jeweils rechtmäßig an den Kläger erteilt worden sind. An das Bestehen öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse wären die Arbeitsgerichte nur dann nicht gebunden, wenn die Verwaltungsakte, mit denen die Lehraufträge erteilt wurden, nichtig gewesen wären.
Nach § 44 HeVwVfG, § 44 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder der jahrelange Einsatz des Klägers im Bereich des Pflichtlehrangebots, noch der zeitliche Umfang der Tätigkeit (sechs bis acht Semesterwochenstunden) führen zur Nichtigkeit der Verwaltungsakte, mit denen die Lehraufträge erteilt wurden.
Nach § 55 Satz 1 HRG, § 32 Abs. 1 Satz 1 HeFHG können Lehraufträge „zur Ergänzung des Lehrangebots” erteilt werden; nach dem durch das Dritte Gesetz zur Änderung des HRG vom 14. November 1985 (BGBl I 1985, 2096) eingefügten Satz 2 dieser Vorschrift können an Kunsthochschulen Lehraufträge „auch zur Sicherstellung des Lehrangebots in einem Fach” erteilt werden. Daraus ergibt sich zwar, daß die Erteilung von Lehraufträgen im Bereich des Pflichtlehrangebots nicht unbeschränkt zulässig ist. Wo die Grenzen verlaufen, ist jedoch weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur abschließend geklärt (vgl. die unterschiedlichen Stellungnahmen von Hailbronner/Waldeyer, Kommentar zum HRG, Stand Februar 1993, § 55 Rz 7, 8; Andreas Reich, HRG, 4. Aufl., § 55 Rz 2; Hans-Jürgen Reich, a.a.O., S. 28 f., und zur Rechtslage vor Inkraftreten des neuen § 55 Setz 2 HRG Denninger/Becker, HRG, § 55 Rz 3; Dallinger/Bode/Dellian, HRG, § 55 Rz 2). Das schließt es aus, von einem besonders schweren und offenkundigen Fehler der Verwaltungsakte, mit denen die Lehraufträge erteilt wurden, zu sprechen.
Nach § 42 HRG gehören die Lehrbeauftragten – anders als die Lehrkräfte für besondere Aufgaben – nicht zum hauptberuflichen wissenschaftlichen Personal. Daraus leitet die herrschende Meinung ab, daß Lehrbeauftragte nur nebenberuflich tätig sein können (Hailbronner/Waldeyer, a.a.O., § 55 Rz 2; Dallinger/Bode/Dellian, a.a.O., § 42 Rz 6; Denninger/Becker, a.a.O., § 55 Rz 8; Hans-Jürgen Reich, a.a.O., S. 34–39, m.w.N.; a.A. Andreas Reich, HRG, 4. Aufl., § 55 Rz 1). Auch § 32 Abs. 1 Satz 2 HeFHG enthält die Bestimmung, daß die Lehrbeauftragen nebenberuflich tätig sind. Unter welchen Voraussetzungen eine hauptberufliche Tätigkeit anzunehmen ist, ist umstritten. Einige verlangen eine Beschäftigung zu mehr als der Hälfte oder mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit (Hailbronner/Waldeyer, a.a.O., § 55 Rz 2, a.E.; Dallinger/Bode/Dellian, a.a.O., § 42 Rz 4 m.w.N.); andere stellen im Grundsatz darauf ab, ob die Tätigkeit das Verhalten in zeitlicher und einkommensmäßiger Hinsicht prägt (Denninger/Hauck, a.a.O., § 42 Rz 10). Da nebenberuflich alle Tätigkeiten sind, die nicht hauptberuflich ausgeübt werden, besteht auch über die Definition der Nebenberuflichkeit keine Einigkeit. Der Senat braucht hierzu jedoch nicht abschließend Stellung zu nehmen. Es genügt die Feststellung, daß sich der Kläger mit sechs bis acht Semesterwochenstunden Unterricht jedenfalls noch nicht so weit vom Leitbild des nebenberuflich tätigen Lehrbeauftragten entfernt, daß die Verwaltungsakte, mit denen die Lehraufträge erteilt wurden, als nichtig anzusehen sind. Auch die zusätzlich vom Kläger übernommenen Aufgaben ändern daran nichts.
Nach alledem bleibt es dabei, daß der Kläger als Lehrbeauftragter ausschließlich in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stand. Die Voraussetzungen dafür, das Rechtsverhältnis der Parteien als ein privatrechtliches, sei es als Arbeitsverhältnis, sei es als Dienstverhältnis, zu werten, sind nicht gegeben (BAG Urteil vom 11. Februar 1987 – 5 AZR 18/86 –, n.v.).
III. Auf den in der Revisionsinstanz zulässigerweise gestellten Hilfsantrag (BGHZ 16, 339, 345) des Klägers war der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Darmstadt zu verweisen (§ 48 a Abs. 3 Satz 1 ArbGG a.F.). Die im Verfahren vor den Arbeitsgerichten erwachsenen Kosten sind als Teil der Kosten zu behandeln, die beim Verwaltungsgericht erwachsen (§ 48 a Abs. 5 ArbGG a.F., § 281 Abs. 3 ZPO).
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Kraft, Hansen
Fundstellen
Haufe-Index 1099387 |
NZA 1994, 381 |