Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Urlaubsentgelt. Schadenersatz
Orientierungssatz
Nach § 8 Nr 2.2.2 des Rahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 3.2.1981 ist der Zeitpunkt des Urlaubsantritts vom Arbeitgeber festzulegen.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 286, 285; BUrlG §§ 4, 7; BGB §§ 249, 276, 284; ZPO § 563
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 19.11.1984; Aktenzeichen 11 Sa 740/84) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.02.1984; Aktenzeichen 7 Ca 341/85) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit 8. April 1980 bei der Beklagten als Abdichter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 (BRTV) Anwendung. In § 8 BRTV, der den Urlaub regelt, heißt es u.a.:
".....
2. Urlaubsantritt
2.1 Der Anspruch auf Urlaub kann geltend gemacht
werden, wenn der Anspruch auf Urlaubsentgelt
mindestens den Lohn für die
Hälfte des Jahresurlaubs deckt.
2.2 Der Zeitpunkt des Urlaubsantritts ist unter
Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers
und der Bedürfnisse des Betriebs
vom Arbeitgeber unter Beachtung
des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates
festzulegen.
3. Urlaubsentgelt
3.1 Anspruchsgrundlage
Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber
einen Anspruch auf Zahlung des in der
Lohnnachweiskarte im Sinne des Tarifvertrages
über das Verfahren für den Urlaub,
den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung
im Baugewerbe eingetragenen bzw. einzutragenden
Urlaubsentgelts.
.....
4. Zahlung des Urlaubsentgelts
Der Anspruch auf Urlaubsentgelt wird fällig,
wenn der Arbeitnehmer
4.1 seinen Urlaub antritt,
4.2 länger als 3 Monate außerhalb des fachlichen
Geltungsbereichs des Tarifvertrages
tätig gewesen ist,
4.3 dauernd erwerbsunfähig ist und ein ärztliches
Attest oder einen Rentenbescheid
vorlegt,
4.4 auswandern will und eine amtliche Bescheinigung
darüber vorlegt, daß die Ausreisepapiere
ausgestellt sind,
4.5 in ein Angestelltenverhältnis überwechselt,
4.6 stirbt.
Bei Notstandsarbeitern, Werkstudenten oder
ähnlichen in Ausbildung befindlichen Personen
wird das Urlaubsentgelt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses
fällig. Das gleiche gilt für
ausländische Arbeitnehmer bei Rückkehr in ihr
Heimatland.
5. Urlaubsentgeltzahlung nach Ausscheiden
aus dem Baugewerbe
Ist der Arbeitnehmer aus dem Baugewerbe ausgeschieden,
so ist derjenige von diesem Tarifvertrag
erfaßte Arbeitgeber zur Zahlung des
Urlaubsentgelts verpflichtet, bei dem der Arbeitnehmer
zuletzt in einem Arbeitsverhältnis
gestanden hat.
.....
8. Verfallfristen
In Abweichung von § 16 gelten folgende Bestimmungen:
8.1 Der Anspruch auf das aus dem Vorjahr übertragene
Resturlaubsentgelt kann gegenüber
dem zur Auszahlung verpflichteten Arbeitgeber
nur bis zum Ende des laufenden Kalenderjahres
geltend gemacht werden.
8.2 In den Fällen der Nrn. 4.2 bis 4.6 kann
der Anspruch nur bis zum Ende des Kalenderjahres
geltend gemacht werden, in dem
er fällig geworden ist.
8.3 Binnen eines weiteren Kalenderjahres kann
der Arbeitnehmer von der Urlaubs- und
Lohnausgleichskasse die Zahlung des Urlaubsentgelts
verlangen.
8.4 Werden die Ansprüche gemäß Nr. 8.3 nicht
fristgerecht geltend gemacht, so verfallen
sie zugunsten der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse.
8.5 Mit dem Verfall des Zahlungsanspruchs
verfällt auch der Anspruch auf Eintragung
in die Lohnnachweiskarte und auf Berichtigung
der Lohnnachweiskarte.
8.6 Die vorstehenden Bestimmungen gelten sinngemäß
für das zusätzliche Urlaubsgeld
(Nr. 7)."
Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 22. Februar 1982 zum 2. März 1982 gekündigt hatte, arbeitete der Kläger bis zu seinem rechtskräftigen Obsiegen im Kündigungsschutzprozeß (27. Januar 1984) nicht im Betrieb der Beklagten. Er war im Anschluß an die Kündigung zunächst mindestens drei Monate arbeitslos und zwischen dem 11. Oktober und dem 17. November 1982 bei einer anderen Baufirma beschäftigt. Da der Kläger seinen Erholungsurlaub für das Jahr 1981 in Höhe von 21 Tagen nicht genommen hatte, trug die Beklagte diesen Resturlaubsanspruch mit dem Urlaubsentgeltbetrag von 2.576,23 DM brutto in die Lohnnachweiskarte für 1982 (Teil C, Bl. 5) ein. Mit Schreiben vom 3. September 1982 verlangte die Prozeßbevollmächtigte des Klägers von der Beklagten unter Klageandrohung, das dem Kläger zustehende "Urlaubsgeld für das Jahr 1981" unverzüglich zu überweisen. In ihrem Antwortschreiben vom 16. September 1982 machte die Beklagte die Auszahlung von dem Nachweis abhängig, daß der Kläger nach dem Ausscheiden aus ihrem Betrieb mindestens acht Wochen bei einem nicht baugewerblichen Unternehmen tätig gewesen sei, und davon, daß er die Lohnnachweiskarte 1982, eine zweite Lohnsteuerkarte 1982 und seine Kontonummer einreiche. Nach weiterem Schriftwechsel lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 14. März 1983 die Zahlung endgültig ab.
Mit der am 2. August 1983 erhobenen Klage begehrt der Kläger, soweit dies für die Revisionsinstanz erheblich ist, die Zahlung von "Urlaubsgeld" für 1981 in Höhe von 2.576,23 DM brutto. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe dieser Anspruch zu, weil er nach seiner Entlassung durch die Beklagte länger als drei Monate nicht im Baugewerbe beschäftigt gewesen sei. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständiges
Urlaubsgeld für 1981 in Höhe von
2.576,23 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 8.
März 1983 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die geforderte Leistung sei nach den tarifrechtlichen Bestimmungen nicht fällig. Jedenfalls sei der Anspruch verfallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten teilweise stattgegeben, indem es die Zahlungspflicht der Beklagten davon abhängig gemacht hat, daß der Kläger Zug um Zug gegen die Zahlung der 2.576,23 DM den Teil C Bl. 5 seiner Lohnnachweiskarten für das Baugewerbe des Jahres 1981 und 1982 herausgebe. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung in vollem Umfang.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Beklagte dem Kläger zur Zahlung des aus dem Vorjahr in das Urlaubsjahr 1982 übertragenen Resturlaubsentgelts in Höhe von 2.576,23 DM verpflichtet ist.
I. Nach § 8 Nr. 3.3.1 BRTV hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung des in der Lohnnachweiskarte eingetragenen Urlaubsentgelts. Die Beklagte hatte in die Lohnnachweiskarte des Klägers für 1982 den Resturlaub aus dem Urlaubsjahr 1981 in Höhe von 21 Tagen mit einem Urlaubsentgelt von 2.576,23 DM eingetragen. Zu Unrecht beruft sie sich darauf, daß der Anspruch des Klägers nicht fällig sei.
1. Das Landesarbeitsgericht meint, der Anspruch sei am 3. Juni 1982 fällig geworden, weil der Kläger nach dem 2. März 1982 mehr als drei Monate arbeitslos gewesen sei. Der Kläger müsse ebenso behandelt werden wie ein Arbeitnehmer, der länger als drei Monate außerhalb des fachlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrags tätig gewesen sei. Dessen Anspruch auf Urlaubsentgelt werde gemäß § 8 Nr. 4.2 BRTV nach Ablauf dieser Frist fällig. Falls mit dieser Regelung beabsichtigt sei, nur den Arbeitnehmer zu begünstigen, der drei Monate in einem anderen Arbeitsverhältnis gestanden habe, nicht aber den, der während dieser Zeit arbeitslos gewesen sei, sei dies wegen Verstoßes gegen die tariflich nicht abdingbare Bestimmung des § 7 Abs. 4 BUrlG unbeachtlich.
2. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind nicht frei von Rechtsirrtum.
Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht beendet ist. Im Vorprozeß wurde rechtskräftig festgestellt, daß die Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 1982 unwirksam gewesen ist. Es geht somit vorliegend nicht um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach beendetem Arbeitsverhältnis, wie ihn die Tarifvertragsparteien auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 BUrlG in § 8 Nr. 4.2 bis 4.6 BRTV geregelt haben, sondern um den Anspruch auf Zahlung von Urlaubsentgelt im fortbestehenden Arbeitsverhältnis. Die Frage der entsprechenden Anwendung des § 8 Abs. 4.2 BRTV stellt sich somit nicht.
3. Die Revision ist jedoch trotz dieses Rechtsfehler zurückzuweisen, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 563 ZPO).
Da das Arbeitsverhältnis zwischen dem 3. März 1982 (Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb der Beklagten) und Anfang Februar 1984 (Wiederaufnahme der Arbeit nach Obsiegen im Kündigungsschutzprozeß) fortbestand, hatte der Kläger Anspruch auf das Urlaubsentgelt. Allerdings hat der Kläger den restlichen Urlaub von 21 Tagen nicht angetreten und somit die Voraussetzung des § 8 Nr. 4.1 BRTV nicht erfüllt, nach dem der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsentgelt erst fällig wird, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub antritt. Die Beklagte muß dem Kläger jedoch dafür, daß es nicht zum Antritt des Urlaubs gekommen ist, Schadenersatz in Höhe der Klageforderung leisten.
Nach § 8 Nr. 2.2.2 BRTV ist der Zeitpunkt des Urlaubsantritts vom Arbeitgeber festzulegen. Dieser Pflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen, obwohl sie, nachdem der Kläger mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 3. September 1982 das Urlaubsentgelt gefordert hatte, dazu verpflichtet war. Die Beklagte geriet durch diese Aufforderung mit der Festlegung des Zeitpunkts des Urlaubsantritts in Verzug (§ 284 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Festlegung ist infolge eines Umstandes unterblieben, den die Beklagte zu vertreten hat (§§ 285, 276 BGB), denn sie hat zu Unrecht auf der Wirksamkeit der Kündigung beharrt. Den entstandenen Schaden, der in dem Nichtfälligwerden des Urlaubsentgelts besteht, hat sie dem Kläger nach § 286 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Nach § 249 BGB schuldet sie somit einen Betrag, der in seiner Höhe dem mit der Klage geforderten Urlaubsentgelt (2.576,23 DM) entspricht.
II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger den Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts innerhalb der am 31. Dezember 1982 abgelaufenen Frist nach § 8 Nr. 8.8.1 BRTV, nämlich mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 3. September 1982, geltend gemacht hat.
III. Ob die Verurteilung Zug um Zug zu Recht erfolgt ist, ist nicht zu prüfen. Insoweit belastet die Entscheidung allein den Kläger. Er hat keine Revision eingelegt.
Michels-Holl Dr. Peifer Schneider
Dr. Weiss R. Schmidt
Fundstellen