Entscheidungsstichwort (Thema)
Jubiläumszuwendung. Gesamtzusage. Freiwilligkeit. Widerruf. tarifliche Ausschlußfrist. Gratifikation/Sondervergütung. Ausschlußfristen
Leitsatz (amtlich)
Die Bezeichnung von Zuwendungen als “freiwillige Sozialleistung” läßt in der Regel nicht den Schluß zu, die entsprechende Zusage des Arbeitgebers stehe unter einem Widerrufsvorbehalt.
Orientierungssatz
- Werden in der Gesamtzusage von Jubiläumszuwendungen diese als “freiwillige Sozialleistung” bezeichnet, so läßt dies für sich genommen weder auf einen fehlenden Rechtsbindungswillen noch auf den Willen des Arbeitgebers schließen, sich den Widerruf der Zusage vorzubehalten. Auch Bezeichnungen wie “Ehrengabe” oder “Geldgeschenk” rechtfertigen eine solche Auslegung der Zusage in der Regel nicht.
- Ein Arbeitgeber, der sich den Widerruf derartiger Zusagen vorbehalten will, muß dies in seiner Erklärung gegenüber den Arbeitnehmern unmißverständlich deutlich machen, etwa indem er die Leistungen “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht” in Aussicht stellt.
- Wird nach dem einschlägigen Tarifvertrag die dort geregelte Ausschlußfrist gewahrt, wenn der Anspruch “durch den Betriebsrat dem Grunde nach geltend gemacht ist”, so reicht es jedenfalls hinsichtlich zurückliegender Dienstjubiläen aus, wenn der Betriebsrat innerhalb der Frist der Einstellung der Zahlungen mit dem Hinweis widerspricht, die betroffenen Arbeitnehmer hätten einen individuellen vertraglichen Anspruch auf das Jubiläumsgeld.
Normenkette
BGB §§ 611, 613a, 133, 157, 1922; MTV für die Beschäftigten der Metallindustrie Südbaden vom 8. Mai 1990 § 18
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2001 – 9 Sa 128/00 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 14. Februar 2000 – 3 Ca 557/97 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Erbin des Klägers und jetzige Revisionsklägerin 2.571,29 Euro nebst 4 % Zinsen seit 25. Oktober 1997 zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung einer Jubiläumszuwendung aus Anlaß des 25-jährigen Dienstjubiläums des mittlerweile verstorbenen Klägers.
Der Kläger war seit dem 1. November 1970 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt und feierte am 1. November 1995 sein 25-jähriges Dienstjubiläum. Die Beklagte betreibt in G… eine Landmaschinenfabrik. Eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten gab 1977 eine Personalinformation 4.6 heraus, die in der ab 1. Januar 1984 gültigen Fassung ua. wie folgt lautet:
“
”
Im Laufe des Jahres 1995 zeichnete sich eine immer schwieriger werdende wirtschaftliche Situation des Unternehmens ab, weshalb die damalige Geschäftsführung nach Möglichkeiten suchte, Kosten einzusparen. Unter dem 6. Oktober 1995 gab sie ein Schreiben folgenden Inhalts an die Belegschaft heraus:
“BEKANNTMACHUNG
Einstellung der Jubiläumszahlungen
Aufgrund geänderter Steuervorschriften ist es uns leider unmöglich, die bisher gewährten Jubiläumszahlungen in der praktizierten Form beizubehalten.
Aus diesem Grunde werden die Zahlungen mit Wirkung vom 01. Oktober 1995 eingestellt.
Wir sind sicher, daß wir im Frühjahr 1996 eine Möglichkeit finden werden, Dienstjubiläen in geänderter Form auf absolut freiwilliger Basis entsprechend zu honorieren.”
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie Südbaden vom 8. Mai 1990 Anwendung. § 18 MTV lautet auszugsweise:
“
”
Mit Schreiben vom 22. November 1995 wandte sich der Betriebsrat an die Geschäftsleitung und widersprach der Einstellung der Jubiläumszahlungen:
“… wir gehen davon aus, daß es sich bei der Jubiläumsgeld-Regelung um eine Gesamtzusage handelt, zumindest aber um eine betriebliche Übung entsprechend der Einschätzung ihres Firmenanwaltes.
In diesem Fall ist nach der herrschenden Rechtsauffassung eine vertragliche Bindungswirkung eingetreten, die eine Rücknahme der Leistung, einen Widerruf o.ä. nicht mehr zuläßt.
Die Bindungswirkung hinsichtlich der bestehenden Arbeitsverhältnisse wird nach unserer Meinung nicht dadurch beseitigt, daß die Geschäftsleitung ein Jahr die Zahlungen einstellt und dann später eine andere Regelung einführt.
Deshalb widerspricht der Betriebsrat Ihrem Schreiben vom 22. September 1995. Alle betroffenen Betriebsangehörigen haben einen individuellen vertraglichen Anspruch auf das Jubiläumsgeld, sodaß der Betriebsrat die Einstellung der Zahlungen für nicht rechtmäßig hält.”
Der Kläger hat seine Forderung auf Jubiläumszuwendung mit Schreiben vom 6. Mai 1996 gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten geltend gemacht.
Mit seiner am 14. Oktober 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die Jubilarenehrengabe in Höhe eines Monatsgehalts von 5.029,00 DM zu bezahlen, weil die Personalinformationen aus 1977 und 1984 eine entsprechende Gesamtzusage beinhalteten. Diese Gesamtzusage enthalte keinen Freiwilligkeitsvorbehalt, welcher dem Unternehmen das Recht einräumen würde, die Zahlungen jederzeit wieder einzustellen. Die Formulierung “freiwillige Sozialleistung” reiche für einen Widerrufsvorbehalt nicht aus. Die komplette Streichung der Jubiläumszuwendung halte auch der ggf. erforderlichen Billigkeitskontrolle nicht stand. Da die Jubiläumszuwendung ein ganzes Monatsgehalt betrage, seien die Interessen des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.029,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu bezahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, durch die in der Personalinformation jeweils angegebenen Zusätze “Geldgeschenk” und “freiwillige Sozialleistung” habe die damalige Arbeitgeberin für die Arbeitnehmer erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß sie sich rechtlich nicht binden wolle. Die Streichung der Jubiläumsleistungen sei auch auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation gerechtfertigt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger bzw. nunmehr seine Erbin den Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hatte entgegen der Ansicht der Vorinstanzen einen vertraglichen Anspruch auf die Jubiläumszuwendung erworben, der auf seine Ehefrau als Erbin übergegangen ist (§§ 611, 1922 Abs. 1 BGB).
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Hermann, Ließ
Fundstellen
Haufe-Index 874893 |
BAGE 2004, 151 |
BB 2003, 369 |
DB 2003, 286 |
DStR 2003, 383 |
NJW 2003, 2043 |
NWB 2003, 421 |
BuW 2003, 264 |
EBE/BAG 2003, 18 |
ARST 2003, 158 |
FA 2003, 78 |
FA 2003, 90 |
NZA 2003, 557 |
SAE 2003, 276 |
StuB 2003, 336 |
ZAP 2003, 225 |
AP, 0 |
AuA 2003, 48 |
EzA-SD 2003, 6 |
EzA |
MDR 2003, 272 |
PERSONAL 2003, 56 |
ArbRB 2003, 36 |
RdW 2003, 278 |
BAGReport 2003, 259 |
GdWZ 2004, 40 |
SPA 2003, 6 |