Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatenimmunität; Zwischenurteil
Leitsatz (amtlich)
Kommt das Berufungsgericht in einem Zwischenstreit über das Vorliegen einer Prozeßvoraussetzung (hier: deutsche Gerichtsbarkeit) im Gegensatz zu dem erstinstanzlichen Gericht zu dem Ergebnis, die Prozeßvoraussetzung liege nicht vor, so hat es die Klage als unzulässig abzuweisen.
Entscheidet das Berufungsgericht in einem derartigen Fall nur über die Prozeßvoraussetzung, kann die Klageabweisung noch durch das Revisionsgericht erfolgen.
Leitsatz (redaktionell)
Pressereferent/Informationsspezialist im öffentlichen Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika
Normenkette
GVG § 20 Abs. 2; ZPO § 280 Abs. 2, § 559 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Unter Zurückweisung der Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. Juni 1999 – 5 Sa 76/98 – wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. August 1998 – 6 Ca 75/97 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz über die Frage, ob die Beklagte hinsichtlich einer gegen sie erhobenen Kündigungsschutzklage der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt.
Der Kläger war seit Februar 1985 als Pressereferent/Informationsspezialist für die beklagten Vereinigten Staaten von Amerika tätig. Beschäftigungsdienststelle des Klägers in Hamburg war der United States Information Service Germany (USIS), eine Abteilung der amerikanischen Botschaft. Der USIS ist die Auslandsorganisation der United States Information Agency (USIA), einer selbständigen Behörde, die direkt dem Präsidenten der Vereinigten Staaten unterstellt ist und ihre Weisungen vom Außenminister der Vereinigten Staaten empfängt. Aufgabe der USIA ist es, die Informations- und Kulturpolitik der Regierung der Beklagten im Ausland zu verbreiten und die Interessen der Beklagten durch Information und Beeinflussung der jeweiligen ausländischen Bevölkerung zu fördern. Zu ihren Funktionen gehört insbesondere die Herstellung und Vertiefung persönlicher Bindungen zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Ländern und darauf beruhend die Erhöhung des gegenseitigen Verständnisses und der internationalen Stabilität, die unterstützende Mitwirkung beim Aufbau demokratischer marktwirtschaftlicher Institutionen und Gesellschaften, die Erklärung von Politik und Aktionen der Beklagten, die Präsentation der amerikanischen Gesellschaft, die Beratung des Präsidenten und leitender Beamter über die Auswirkungen der ausländischen Meinung auf die Politik der Beklagten sowie die Durchführung von Austauschprogrammen und Verhandlungen mit anderen Regierungen über Information, Erziehung und kulturelle Austauschprogramme.
Im Ausland bedient sich der USIS als „Foreign Service Nationals (FSN)” bezeichneter, weisungsgebundener Ortskräfte. Der Kläger war einer von drei höhergestellten FSN-Angestellten, die direkt der Aufsicht des Branch Public Affairs Officers des Generalkonsulats des Beklagten in Hamburg unterstellt waren. Seine Aufgaben waren:
- Begründung und Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte mit besonders wichtigen Vertretern der Medien in Hamburg und Umgebung, um die US-Politik zu artikulieren und die Versorgung mit Informationsmaterial der USIA zu fördern.
- Teilnahme an Konferenzen und Diskussionen, die über Satellit zwischen Washington und Bonn stattfanden, einschließlich der Auswahl der Teilnehmer. Dabei war der Kläger auch verantwortlich für die Plazierung und andere Verwendung von Satellitenkonferenzen.
- Arrangieren von Medienkontakten (Interviews, Konferenzen, Hintergründe) für US-Offizielle und andere Spezialisten mit nationalen und regionalen Journalisten, um Themen bezüglich der amerikanisch-deutschen Beziehungen zu diskutieren.
- Mit dem USIS und den Offiziellen der Botschaft besondere Medienprojekte zu koordinieren und nach dem Besuch hochrangiger Vertreter der Beklagten über deren Besuch zu berichten.
- Hilfeleistung gegenüber dem Generalkonsul, den konsularischen Beamten sowie anderen Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit der Vorbereitung und der Übersetzung von Materialien für Reden, Texte, Artikel usw.
- Bereitstehen für öffentliche Redeverpflichtungen als Ersatzmann.
- Koordination und Bearbeitung von Anfragen für Presseinterviews des Generalkonsuls und anderer Offizieller.
- Auswertung der deutschen Presse und Bericht über Meinungstrends.
- Überprüfung der Liste der Empfänger von Materialien der USIA.
Der Kläger war untergebracht im Hamburger Amerikahaus. Amerikahäuser sind Einrichtungen des USIS und haben nicht den Status diplomatischer Missionen. Auf Grund eines Entlassungsplanes vom 17. Januar 1997, demgemäß vier der insgesamt neun Mitarbeiter des Amerikahauses für Entlassungen vorgesehen waren, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 15. Januar 1997 zum 30. September 1997. Der überwiegende Teil der vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben wurde dem Branch Public Affairs Officer des Generalkonsulats in Hamburg übertragen. Die übrigen Aufgaben des verkleinerten Informationsprogrammes wurden an den Kulturreferenten weitergegeben. Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Rechtsstreit unterliege der deutschen Gerichtsbarkeit, da er – der Kläger – keine hoheitlichen Aufgaben wahrgenommen habe. Seine Tätigkeit sei keine staatliche gewesen, sondern habe in gleicher Weise von einer Privatperson, etwa einer PR-Agentur, vorgenommen werden können. Der USIS habe nicht behördliche Funktion. Der mit ihm verfolgte Zweck möge hoheitlich sein, dessen Umsetzung sei es jedoch nicht. Mit der Klage gehe es nicht darum, die Übertragungsentscheidung der Beklagten zu überprüfen, sondern insbesondere um die Frage der korrekten Sozialauswahl. Bei einer weitgehenden Ausdehnung der Immunität bestünden rechtsstaatliche Gefahren.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 15. Januar 1997 – zugegangen am 17. Januar 1997 – nicht aufgelöst worden ist und über den 30. September 1997 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags geltend gemacht, der Rechtsstreit unterliege nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Der Aufgabenbereich des Klägers habe sich auf den Kernbereich ihrer hoheitlichen Tätigkeit bezogen. Es habe sich bei den vom Kläger durchgeführten Aufgaben weitgehend um sog. „Policy”-Aufgaben gehandelt, die ausschließlich von amerikanischen Diplomaten oder von FSN wahrgenommen werden könnten, keinesfalls jedoch von PR-Gesellschaften oder Privatorganisationen. Dazu gehörten die Aktivitäten des Pressesprechers, die Formulierung von Presseerklärungen über die Politik der amerikanischen Regierung und deren Ziele, das Schreiben von Reden für Diplomaten der amerikanischen Regierung usw. Bei all diesen Tätigkeiten handele es sich um diplomatische bzw. konsularische Funktionen. Daß der Rechtsstreit nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sei, folge bereits daraus, daß im Falle einer materiellen Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung die deutschen Gerichte in die seitens der Regierung der Beklagten beschlossene Struktur ihrer Auslandsvertretungen eingreifen würden. Allein die Verpflichtung der Beklagten, diese Struktur und den daraus folgenden Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers im einzelnen darzulegen, verletze ihre völkerrechtlich gebotene Immunität.
Das Arbeitsgericht hat durch Zwischenurteil die deutsche Gerichtsbarkeit für gegeben erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die deutsche Gerichtsbarkeit erstrecke sich im Streitfall nicht auf die Beklagte. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben ist, war die Klage auf Antrag der Beklagten als unzulässig abzuweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe hoheitliche Tätigkeiten ausgeübt und sei deshalb nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen. Der Unterschied zwischen hoheitlicher und nicht hoheitlicher Staatstätigkeit richte sich nach deutschem Recht. Maßgeblich sei die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses, nicht aber der Zweck oder das Motiv der Tätigkeit. Die Darstellung der Kultur und der politischen Ziele eines souveränen Staates gehöre zum Kernbereich staatlichen Handelns. Hoheitliches Handeln eines Staates im Ausland könne nicht nur innerhalb seiner diplomatischen oder konsularischen Vertretungen erfolgen. Die Tätigkeit des Klägers entspreche den konsularischen Aufgaben gem. Art. 5 b des Wiener Übereinkommens vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen. Der Kläger habe auch nicht nur als Hilfskraft fungiert. Er sei in der jeweiligen Ausgestaltung seiner Medienbeiträge völlig frei gewesen und habe Politik, Kultur und Position der Beklagten mit einem erheblichen eigenverantwortlichen Gestaltungsspielraum repräsentiert.
II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.
1. Revision und Berufung sind zulässig.
a) Das Arbeitsgericht hat ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage erlassen. Ein solches Urteil steht gemäß § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinsichtlich der Rechtsmittel einem Endurteil gleich. Zwar hat das Arbeitsgericht entgegen § 280 Abs. 1 ZPO nicht die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet. Dadurch entfiel jedoch nicht die eigenständige Rechtsmittelfähigkeit des Zwischenurteils. Sonst könnte das Instanzgericht nach freiem Ermessen die Anfechtbarkeit seines Zwischenurteils bestimmen(BGH 17. Oktober 1956 – IV ZR 137/56 – NJW 1956, 1920; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 280 Rn. 16; aA Musielak-Foerste ZPO § 280 Rn. 7).
b) Die Berufung der Beklagten war auch nicht deshalb unzulässig, weil der Berufungsantrag auf die Feststellung gerichtet war, daß die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben ist. Zwar besteht bei einem Zwischenstreit nach § 280 ZPO nur die Alternative, entweder durch Zwischenurteil das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzung auszusprechen oder durch Prozeßurteil die Klage abzuweisen(BGH 3. März 1958 – III ZR 157/56 – BGHZ 27, 15, zu II 1 der Gründe; Stein/Jonas/Leipold aaO § 280 Rn. 11, 18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 280 Rn. 6; Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. § 280 Rn. 6, 7). Bei der Auslegung von Prozeßanträgen ist aber nicht der buchstäbliche Sinn, sondern der sich aus der Klage ergebende wirkliche Wille der Partei maßgeblich(BAG 13. März 1997 – 2 AZR 512/96 – BAGE 85, 262). Der Berufungsantrag ist ebenso wie der Revisionsantrag der Beklagten im Sinne einer Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Klageabweisungsantrags zu verstehen.
2. Die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit nach den §§ 18 – 20 GVG ist ein Verfahrenshindernis, über dessen Vorliegen im Wege eines Zwischenstreits nach § 280 ZPO entschieden werden kann, da es sich um eine Frage der Zulässigkeit im Sinne von § 280 Abs. 1 ZPO handelt(RG 16. Mai 1938 – I 232/37 – RGZ 157,389, 394; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO Einf. §§ 18 – 20 GVG Rn. 2).
3. Die Revision rügt zu Unrecht, daß das Landesarbeitsgericht die deutsche Gerichtsbarkeit für nicht zuständig erachtet hat.
a) Immunität bestand zwar nicht nach § 18 GVG, § 19 GVG oder § 20 Abs. 1 GVG. Der Kläger war nicht Mitglied einer diplomatischen Mission im Sinne von § 18 Satz 1 GVG oder einer konsularischen Vertretung im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 GVG, sondern Angestellter einer von der diplomatischen Mission und den Konsulaten organisatorisch getrennten Behörde der Beklagten. Auch hielt er sich nicht im Sinne von § 20 Abs. 1 GVG auf Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich des GVG auf.
b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber Exterritorialität nach § 20 Abs. 2 GVG angenommen. Danach erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht, bei dem es sich nach Art. 25 GG um bindendes Bundesrecht handelt, sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit (acta iure imperii) von einem Rechtsstreit betroffen ist. Dagegen besteht keine Regel des Völkerrechts, die die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen in Bezug auf ihre nichthoheitliche Tätigkeit (acta iure gestionis) ausschließt(BVerfG 30. April 1963 – 2 BvM 1/62 – BVerfGE 16, 27, 33 f.; 13. Dezember 1977 – 2 BvM 1/76 – BVerfGE 46, 342, 364 ff.; Senat 3. Juli 1996 – 2 AZR 513/95 – BAGE 83, 262, 264 f.; 20. November 1997 – 2 AZR 631/96 – BAGE 87, 144, 149). Für die Abgrenzung maßgeblich ist nicht Motiv oder Zweck der Staatstätigkeit, sondern die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses(BVerfG 30. April 1963 aaO, 61 f.; Senat 3. Juli 1996 aaO; 20. November 1997 aaO).
Für arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten hat der Senat angenommen, daß die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer für den anderen Staat hoheitlich tätig war. Andernfalls würde die Überprüfung seiner Entlassung angesichts des Prinzips der Nichteinmischung in die Ausübung hoheitlicher Befugnisse des anderen Staates mit dem Grundsatz in Konflikt kommen, daß die diplomatischen und konsularischen Beziehungen nicht behindert werden dürfen („ne impediatur legatio”). Die dann erforderliche Beurteilung hoheitlichen Handelns könnte die ungehinderte Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beeinträchtigen. Ob dies auch bei konsularischen Aufgaben ohne jeglichen Handlungsspielraum gilt, hat der Senat offengelassen(Senat 3. Juli 1996 aaO).
Diese Rechtsprechung ist auf breite Zustimmung gestoßen(so etwa Hessisches LAG 11. Mai 1998 – 10 Sa 1506/97 – NZA-RR 1999, 383; LAG Berlin 20. Juli 1998 – 9 Sa 74/97 – LAGE EGBGB Art. 30 Nr. 2; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 1 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 20 GVG Rn. 3).
Die Gegenansicht, nach der Arbeitsverhältnisse generell zum nicht hoheitlichen Handeln gehören sollen(so Gamillscheg Internationales Arbeitsrecht S 401 f.; von Schönfeld NJW 1986, 2980, 2984; MünchKomm-ZPO/Wolf § 20 GVG Rn. 13), überzeugt nicht. Zwar hat sich das Völkerrecht im Hinblick auf die Staatenimmunität durch zahlreiche Kodifikationen in den letzten Jahrzehnten ständig weiterentwickelt(Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972, in der BRD in Kraft seit 16. August 1990; Draft Articles der International Law Commission der UNO 1991). Diese Kodifikationen, die bei der Prüfung, ob insoweit Völkergewohnheitsrecht Bestandteil des Bundesrechts ist (Art. 25 GG), zu berücksichtigen sind, lassen eine zunehmende Tendenz erkennen, Arbeitsverträge von der Staatenimmunität auszunehmen(vgl. etwa Art. 5 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens vom 16. Mai 1972). Ein gewohnheitsrechtlicher Völkerrechtsgrundsatz des Inhalts, daß ein Staat schon dann keine Immunität genießt, wenn er einen Angehörigen des Gerichtsstaats in Form eines Arbeitsverhältnisses mit hoheitlichen Aufgaben betraut und es zu einem Arbeitsrechtsstreit über eine Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses kommt, besteht jedoch nicht(vgl. die Ausnahmeregelung des Art. 24 des Europäischen Übereinkommens vom 16. Mai 1972 und Article 11 Abs. 2 (a) der Draft Articles der UNO).
Für die Rechtsprechung des Senats spricht schon, daß § 20 Abs. 2 GVG die Immunität auf Personen bezieht. Nach dem Wortlaut dieser Regelung sind daher die Funktionsträger in ihren gesamten Rechtsbeziehungen von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit, soweit dies den Regeln des Völkerrechts entspricht. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht angenommen, daß das nationale Recht für die Unterscheidung nur mit der Maßgabe herangezogen werden dürfe, daß vom hoheitlichen Bereich und damit von der Immunität nicht solche Handlungen des Staates ausgenommen werden dürfen, die nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung zum Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinn gehören. Es könne daher ausnahmsweise völkerrechtlich geboten sein, die Betätigung eines ausländischen Staates als Akt iure imperii zu qualifizieren, obwohl sie nach nationalem Recht als privatrechtliche Betätigung anzusehen wäre(BVerfG 30. April 1963 aaO, 63 f.).
Danach hat der Senat zu Recht auf die völkerrechtlichen Grundsätze der Nichteinmischung in die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ausländischer Staaten(vgl. Schack Internationales Zivilverfahrensrecht Rn. 148; Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozeßrecht 4. Aufl. § 2 Rn. 6) und den Grundsatz des ne impediatur legatio abgestellt. Dies verdeutlicht auch ein Vergleich mit der Rechtslage bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die wegen des Grundsatzes des ne impediatur legatio soweit ausgeschlossen sind, wie die Zwangsvollstreckung in der diplomatischen Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienende Gegenstände die Erfüllung der diplomatischen Aufgaben beeinträchtigen könnte. Wegen der Schwierigkeit der Beurteilung dieser Gefährdung und latent bestehender Mißbrauchsmöglichkeiten ist der Schutzbereich völkerrechtlich sehr weit gezogen. Es kommt nicht auf eine konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretung an, sondern auf eine typische, abstrakte Gefahr(BVerfG 13. Dezember 1977 – 2 BvM 1/76 – BverfGE 46, 344, 394 f.). Die Funktionsfähigkeit darf nicht einmal tangiert werden(Geimer Internationales Zivilprozeßrecht Rn. 593). So hat das Bundesverfassungsgericht es bereits als völkerrechtswidrige Einmischung in die Angelegenheiten des Entsendestaates angesehen, von diesem die Darlegung des Verwendungszweckes von Bankguthaben zu verlangen(Beschluß 13. Dezember 1977 aaO, 397 f.).
Ein entsprechender Maßstab gilt bei der Beurteilung der wirksamen Beendigung der Arbeitsverhältnisse ausländischer Staaten mit von ihnen zur Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten beschäftigten Funktionsträgern. Auch hier würde allein die Überprüfung eines solchen internen Vorganges durch die Gerichte des Aufnahmestaates in die Souveränität des Entsendestaates eingreifen und eine zumindest abstrakte Gefährdung der Funktionsfähigkeit der ausländischen Behörde verursachen(ähnlich bereits Steinmann MDR 1965, 795, 796; Seidl-Hohenveldern RiW 1993, 238 f.; Kissel GVG 2. Aufl. § 20 Rn. 5). Daran ändert der Hinweis der Revision auf die beschränkte kündigungsrechtliche Überprüfbarkeit der einer betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegenden Organisationsentscheidung nichts. Der ausländische Staat müßte als Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß die von ihm getroffenen organisatorischen Maßnahmen, deren Durchführbarkeit und deren Auswirkungen auf die Beschäftigungsmöglichkeiten im einzelnen darlegen(Senat 17. Juli 1999 – 2 AZR 141/99 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102; – 2 AZR 522/98 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101). Im Rahmen der Prüfung einer eventuellen Sozialauswahl könnte der ausländische Staat aufgrund § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gezwungen sein, interne, möglicherweise sogar vertrauliche Planungen und personalwirtschaftliche Entscheidungen zu offenbaren. Daher rechtfertigt auch das zweitinstanzlich vorgetragene Argument des Klägers, es gehe ihm insbesondere um die Frage der richtigen Sozialauswahl, keine andere Beurteilung.
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der vorliegende Rechtsstreit der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen, weil der Kläger hoheitliche Funktionen ausübte. Pressearbeit für einen Staat oder eine Behörde, wie sie der Kläger erledigt hat, ist hoheitliche Tätigkeit(vgl. etwa Bundespresseamt, Pressesprecher einer Behörde). Dies gilt hier jedenfalls angesichts der herausgehobenen Stellung des Klägers mit den ganz sicher hoheitlichen Aufgaben, als Ersatzredner für die Vereinigten Staaten zur Verfügung zu stehen, für Hoheitsträger Reden zu schreiben und etwa den neuen Botschafter in der deutschen Öffentlichkeit einzuführen.
aa) Es kann dahinstehen, ob die Würdigung des Landesarbeitsgerichts zutrifft, die Tätigkeit des Klägers sei hoheitlich gewesen, da sie den konsularischen Aufgaben gemäß Art. 5 b des Wiener Übereinkommens vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen(WÜK, BGBl. 1969 II S 1587) entsprochen habe. Danach gehört es zu den konsularischen Aufgaben,
die Entwicklung kommerzieller, wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat zu fördern und zwischen ihnen auch sonst nach Maßgabe dieses Übereinkommens freundschaftliche Beziehungen zu pflegen.
Diese Funktion ist aber eher auf die Beziehungen zwischen Entsende- und Empfangsstaat bezogen und umfaßt zumindest dem Wortlaut nach nicht die Öffentlichkeit des Empfangsstaates und die Presse als deren Teil.
Auch die Regelung von Art. 5 c WÜK, dergemäß konsularische Aufgaben auch darin bestehen,
sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im kommerziellen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Leben des Empfangsstaats zu unterrichten, an die Regierung des Entsendestaats darüber zu berichten und interessierten Personen Auskünfte zu erteilen,
betrifft die Unterrichtung über den Empfangsstaat. Dem Kläger oblag dagegen vorrangig die Unterrichtung der Öffentlichkeit des Empfangsstaates über Politik und Gesellschaft des Entsendestaates.
bb) Der von der Revision angesprochene, von verschiedenen Staaten zur Abgrenzung herangezogene Grundsatz zwischen nichtkommerziellen und kommerziellen Handlungen des Staates („commercial activity” gegenüber „non-commercial” bzw. „sovereign activity”, „actes de commerce” gegenüber „actes de gouvernement”) führt gegenüber den vom Bundesverfassungsgericht geprägten Abgrenzungskriterien nicht zu weitergehenden Erkenntnissen. Auch danach ist letztlich die Einordnung als öffentlich- oder privatrechtlich von Bedeutung(Geimer aaO Rn. 581).
cc) Mangels einschlägiger völkerrechtlicher Regelungen ist daher die Einordnung der Tätigkeit als hoheitlich oder nichthoheitlich nach deutschem Recht zu beurteilen. Danach gilt, daß amtliche Erklärungen und Öffentlichkeitsarbeit des Staates, einer Behörde oder von Amtsträgern als schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln öffentlichrechtlicher Natur sind(vgl. Kopp VwGO 10. Aufl. § 40 Rn. 28 – 28 b; Redeker/von Oertzen VwGO 12. Aufl. § 40 Rn. 10 und § 42 Rn. 52). Insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung ist eine sich aus den im Grundgesetz vorgesehenen Aufgaben ergebende öffentliche Tätigkeit. Dazu gehört vor allem auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Politik der Bundesregierung(BVerfG 2. März 1977 – 2 BvE 1/76 – BVerfGE 44, 125, 147 f.; 23. Februar 1983 – 2 BvR 1765/82 – BVerfGE 63, 230, 242 f.).
Darüber hinaus ist die gesamte Aufklärungsarbeit der öffentlichen Hand hoheitlicher Natur, etwa Warnungen vor der Öffentlichkeit drohenden Gefahren durch die Bundesregierung selber(BVerwG 2. Juli 1979 – 1 C 9.75 – BVerwGE 58, 167: Veröffentlichung einer Liste über die therapeutische Wirksamkeit von Arzneimitteln; BVerwG 18. April 1985 – 3 C 34.84 – BVerwGE 71, 183: Veröffentlichung von Arzneimitteltransparenzliste; BVerwG 23. Mai 1989 – 7 C 2.87 – BVerwGE 82, 76: Warnung vor Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft; BVerwG 18. Oktober 1990 – 3 C 2.88 – BVerwGE 87, 37: Veröffentlichung einer Liste glykolhaltiger Weine) oder durch die Finanzierung eines privaten Vereins(BVerwG 27. März 1992 – 7 C 21.90 – BVerwGE 90, 112) oder die Herausgabe einer Zeitschrift(BVerwG 5. November 1981 – 3 C 47.80 – Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 1). Hoheitliche Tätigkeit liegt erst dann nicht mehr vor, wenn die öffentliche Hand bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben in einen von Gleichordnung geprägten Wettbewerb mit Privatunternehmen tritt oder bei einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit aufgrund der Förderung einzelner Unternehmen, soweit zwischen der öffentlichen Hand und Konkurrenten der geförderten Unternehmen kein öffentlichrechtliches Verhältnis besteht (BGH GSZ 22. März 1976 – GSZ 1/75 – BGHZ 66, 229; – GSZ 2/75 – BGHZ 67, 81; BVerwG 18. April 1985 aaO; 2. Juli 1979 aaO).
Nach deutschem Recht nahm der Kläger demnach hoheitliche Aufgaben wahr. Die Einstellungsbehörde des Klägers ist unmittelbar dem Präsidenten und dem Außenministerium der Beklagten unterstellt. Ihre Aufgabe ist die Verbreitung der Politik der Beklagten und die Information und Beeinflussung der Bevölkerung des Aufnahmestaates in deren Sinne. Auch und gerade nach der Darstellung der Revision wirkte der Kläger unmittelbar an der zu diesem Ziel betriebenen staatlichen Öffentlichkeitsarbeit mit. Wenn die Revision die Tätigkeit des Klägers trotzdem als nichthoheitlich eingeordnet wissen will, übersieht sie, daß staatliches Handeln nicht bereits dann privatrechtliche Natur hat, wenn es nicht durch den Erlaß von Verwaltungsakten gekennzeichnet ist. Dabei berücksichtigt sie die hier nach deutschem Recht einschlägige Möglichkeit schlicht-hoheitlicher Tätigkeit nicht. Hinzu kommt, daß der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch unmittelbar für Beamte und sonstige offizielle Vertreter der amerikanischen Bundesregierung unterstützend tätig war. Daß dies dem Privatrecht zuzuordnende Funktionen waren, behauptet die Revision selbst nicht.
Die Revision macht auch vergeblich geltend, daß die Tätigkeit ebensogut von einer privaten Agentur hätte erbracht werden können. Auch dann wäre die von dieser erbrachte Öffentlichkeitsarbeit hoheitlicher Natur gewesen; auch die Einschaltung von Rechtspersonen des Privatrechts zur Öffentlichkeitsarbeit beeinträchtigt deren hoheitliche Natur nicht(vgl. BVerwG 27. März 1992 aaO).
Der Hinweis der Revision, das Arbeitsverhältnis unterliege deutschem Recht, kann allein eine von § 20 Abs. 2 GVG abweichende Beurteilung gleichfalls nicht rechtfertigen. Ist dies der Fall, ist das deutsche Recht von den zuständigen amerikanischen Gerichten anzuwenden. Dadurch kommt es entgegen der vom Kläger geäußerten Befürchtung nicht zu einer Überspannung der staatlichen Immunität mit der Folge, daß die betroffenen Arbeitnehmer rechtlos gestellt würden. Die Verweisung auf eine Klage vor den Gerichten des Entsendestaates mag die Erlangung von Rechtsschutz erheblich erschweren. Dies kann jedoch nicht dazu führen, den deutschen Arbeitsgerichten gegenüber ausländischen Staaten hinsichtlich Funktionsträgern, die in einem Bereich originärer Regierungszuständigkeit eingesetzt werden, unter Verletzung der Souveränität des ausländischen Staates die Kontrolle über den Bestand von Arbeitsverhältnissen zuzubilligen.
Schließlich hat die Revision die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, daß der Kläger trotz grundsätzlicher Weisungsgebundenheit über einen erheblichen Freiraum zu eigenverantwortlicher Gestaltung verfügte und nicht nur als Hilfskraft eingesetzt wurde, nicht angegriffen. Der Senat kann daher vorliegend wie im Urteil vom 3. Juli 1996 (aaO) offenlassen, ob die Immunität auch gegenüber einem Arbeitnehmer ohne jeglichen Handlungsspielraum bestehen würde.
4. Aufgrund des damit bestehenden Verfahrenshindernisses ist die Klage entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts insgesamt durch Prozeßurteil abzuweisen. Zwar fällt nach einer abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage und einer erstinstanzlichen Entscheidung durch Zwischenurteil nach § 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO in den Rechtsmittelinstanzen nur der Zwischenstreit an(BGH 3. März 1958 – III ZR 157/56 – BGHZ 27, 15). Kommt das Rechtsmittelgericht entgegen der Vorinstanz im Verfahren über den Zwischenstreit jedoch zu dem Ergebnis, daß die Klage nicht zulässig ist, hat es die Klage als unzulässig abzuweisen. § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bzw. § 551 Nr. 4 ZPO sind nicht anwendbar(BGH 3. März 1958 aaO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 280 Rn. 6, 10).
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts kann nicht als Prozeßurteil in diesem Sinne verstanden werden. Vielmehr lassen der auf die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit beschränkte Hauptsachetenor und das Fehlen einer Kostenentscheidung erkennen, daß das Landesarbeitsgericht in Verkennung der Rechtslage bewußt kein die Klage abweisendes Prozeßurteil erlassen wollte. Der Senat ist trotzdem befugt, ohne Verstoß gegen den Grundsatz von § 308 Abs. 1 ZPO und das Verschlechterungsverbot von § 559 Abs. 1 ZPO die Klage abzuweisen. Ein Rechtsmittelgericht kann auf einen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag zurückgreifen, wenn das Gericht unterer Instanz etwa im Fall einer Stufenklage durch Teilurteil über einen vorbereitenden oder einen Teilanspruch eine dem Kläger günstige Entscheidung getroffen hat, und auch den in der unteren Instanz anhängig gebliebenen weiteren Klageanspruch abweisen, wenn mit der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts notwendigerweise auch dem weiteren Anspruch die Grundlage entzogen wird. Da dann mit der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts der Anspruch ohnehin erledigt ist, entspricht es dem Grundsatz der Prozeßökonomie, den Rechtsstreit auch formal zu beenden(BAG 28. November 1966 – 5 AZR 190/66 – BAGE 19, 146; BGH 16. Juni 1959 – VI ZR 81/58 – BGHZ 30, 213; 8. Mai 1985 – IV a ZR 138/83 – BGHZ 94, 268). Wenn danach ein Rechtsmittelgericht die Klage selbst hinsichtlich anderer, nicht bei ihm anhängiger Teile des Streitgegenstandes abweisen kann, ist beim Fehlen einer Prozeßvoraussetzung eine abschließende Entscheidung durch Prozeßurteil erst recht möglich, wenn die Vorinstanz die sich aus ihrer Entscheidung über den Zwischenstreit ergebende Konsequenz für den gesamten Rechtsstreit nicht berücksichtigt hat. Auch hier wäre eine Beschränkung der Entscheidung des Revisionsgerichts unökonomisch, da bei rechtskräftiger Feststellung des Vorliegens des Verfahrenshindernisses die Vorinstanzen ohne eigenen Beurteilungsspielraum die Klage als unzulässig abweisen müßten.
5. Der Kläger hat nach §§ 97, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Fischermeier, Nipperdey, Kuemmel-Pleißner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.11.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558074 |
BB 2001, 788 |
DB 2001, 1044 |
FA 2001, 120 |
FA 2001, 144 |
NZA 2001, 683 |
AP, 0 |