Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung zur Reduzierung und Umgestaltung von Lohnzusatzleistungen

 

Normenkette

ZPO § 565 Abs. 2, § 138 Abs. 3-4; KSchG §§ 2, 1 Abs. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 11.11.1999; Aktenzeichen 4 Sa 1879/98)

ArbG Bochum (Urteil vom 07.12.1995; Aktenzeichen 3 Ca 1221/94)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. November 1999 – 4 Sa 1879/98 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 7. Dezember 1995 – 3 Ca 1221/94 – wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch eine Änderungskündigung, die die Beklagte mit dem Ziel einer Reduzierung und Umgestaltung von Lohnzusatzleistungen erklärt hatte.

Der am 5. November 1945 geborene Kläger war seit 1. März 1978 bei der Beklagten zuletzt als Obermonteur gegen ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 5.700,00 DM beschäftigt. Die Beklagte ist auf dem Gebiet des Stahlbaus, Stahlapparatebaus und Behälterbaus tätig und arbeitet für einen Kundenkreis von wenigen Unternehmen; so unterhält sie ua. seit vielen Jahren Dauerbaustellen bei den Firmen S… AG in Be…, H… AG in Ho… und A… AG in Be…. Der Kläger war auf der Dauerbaustelle der Beklagten bei der S… AG in B… eingesetzt. Die Beklagte zahlte ursprünglich an die dort eingesetzten Arbeitnehmer eine “Fernauslösung” in Höhe von kalendertäglich 58,15 DM ohne Rücksicht auf die tatsächliche Entfernung zwischen dem Wohnort des einzelnen Arbeitnehmers und der Einsatzstelle; ein Kilometergeld für die Benutzung des privaten Fahrzeuges wurde nicht zusätzlich gezahlt. Bezogen auf die Lohnselbstkosten pro Arbeitsstunde betrug die “Auslösung” nach bisheriger Zahlungsweise 10,89 DM und setzte sich aus folgenden Komponenten zusammen:

15 % Pauschalsteuer auf versteuertes Fahrgeld

2,18 DM

steuerfreie Auslösung (das sind für Montagearbeiter 8,00 DM je Tag)

1,07 DM

versteuerte Auslösung

7,64 DM

Summe

10,89 DM

Die auf der Baustelle bei der A… AG in B… eingesetzten Arbeitnehmer erhielten geringere Auslösungssätze. Hinsichtlich der auf der Baustelle H… AG in Ho… beschäftigten Arbeitnehmer wurde die Auslösungszahlung schon vor längerer Zeit von kalendertäglicher auf arbeitstägliche Zahlung umgestellt.

Da die S… AG eine Anpassung ihrer mit der Beklagten vereinbarten Verrechnungssätze trotz der Tarifsteigerungen vergangener Jahre verweigerte, führte die Beklagte seit Februar 1994 mit ihrem Betriebsrat Verhandlungen wegen der Reduzierung der Auslösungssätze. In diesem Zusammenhang teilte der Betriebsrat mit Schreiben vom 5. April 1994 der Beklagten mit, nach Rücksprache mit der IG Metall B… sei eine verbindliche Betriebsvereinbarung für alle betroffenen Mitarbeiter rechtlich nicht möglich, da alle Mitarbeiter einen Einzelarbeitsvertrag abgeschlossen hätten, es bestehe jedoch weiter die Bereitschaft zur gemeinsamen Lösung des Problems. Mit Schreiben vom 20. April 1994 hörte die Beklagte den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG zu den von ihr beabsichtigten Änderungskündigungen gegenüber allen bei der S… AG eingesetzten Mitarbeitern – mit Ausnahme dreier Betriebsratsmitglieder, eines Wehrpflichtigen und eines leitenden Angestellten –, an. In dem Schreiben ist ua. davon die Rede, statt der bisherigen kalendertäglich gezahlten Auslösung solle an alle Mitarbeiter arbeitstäglich ein gleich hoher Sockelbetrag und darüber hinaus ein Fahrtkostenzuschuß für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewährt werden. Dem widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 27. April 1994, in dem ua. ausgeführt wird, der Betriebsrat sehe die Verhandlungen noch nicht als gescheitert an, sondern habe am 19. April 1994 seinerseits den Entwurf einer Betriebsvereinbarung vorgelegt, den die Beklagte offensichtlich ignoriert habe; es werde die Einrichtung einer Einigungsstelle gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 10 und 11 BetrVG vorgeschlagen.

Mit Schreiben vom 27. April 1994, dem Kläger am 29. April 1994 zugegangen, sprach die Beklagte eine Änderungskündigung zum 31. Oktober 1994 aus, mit der sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen anbot, nämlich anstelle der bisher gezahlten Fernauslösung arbeitstäglich Aufwendungsersatz in Form von Wegegeld in Höhe von 25,00 DM und Fahrtkostenzuschuß für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 0,70 DM je Entfernungskilometer.

Mit seiner am 19. Mai 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 31. Mai 1994 zugestellten Klage, mit der der Kläger gleichzeitig die Annahme des Angebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen unter Vorbehalt erklärte, hat er sich gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen und des weiteren gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewandt. Er hat geltend gemacht, auch wenn die Vorbehaltserklärung der Beklagten verspätet zugegangen sei, müsse es im Rahmen des § 2 KSchG ausreichen, wenn er innerhalb von drei Wochen Klage erhoben und gleichzeitig die Vorbehaltsannahme erklärt habe. Jedenfalls habe die Beklagte sich nachträglich mit der Annahme der Vorbehaltserklärung einverstanden erklärt. Im übrigen seien keine Gründe ersichtlich, die eine Änderung der ursprünglichen Arbeitsbedingungen rechtfertigten; ein Rückgang der durch die Beklagte bei der S… AG erzielten Erlöse werde ebenso bestritten wie die Behauptung, daß die Arbeiten bei der S… AG nicht mehr kostendeckend seien. Das Verlangen eines Kunden nach Kostensenkung allein könne eine Änderungskündigung nicht rechtfertigen, zumal damit nur in einem bestimmten Bereich, nicht jedoch bezogen auf den Betrieb ein Bedürfnis zur Kostensenkung dargestellt werde. Schließlich werde bestritten, daß der Betriebsrat vor Ausspruch der Änderungskündigung ordnungsgemäß angehört worden sei, insbesondere, daß ihm ausreichende Informationen übermittelt worden seien, warum gerade auf der Baustelle der S… AG eine Notwendigkeit eingetreten sei, die entsprechenden Auslösungssätze zu senken. Davon abgesehen verstoße die ausgesprochene Änderungskündigung gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wonach Fragen der betrieblichen Lohngestaltung der Zustimmung des Betriebsrates bedürften.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 27. April 1994, zugegangen am 29. April 1994, mit dem 31. Oktober 1994 nicht beendet worden ist,

hilfsweise festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 27. April 1994, zugegangen am 29. April 1994, zum 31. Oktober 1994 unwirksam ist.

Die Beklagte hat sich mit ihrem Klageabweisungsantrag darauf berufen, der Kläger habe die Vorbehaltserklärung verspätet abgegeben. In ihrer Klageerwiderung vom 13. Juli 1994 sei sie irrtümlich von einer rechtzeitigen Annahmeerklärung ausgegangen, habe damit jedoch kein Angebot an den Kläger gemacht, sich auch mit einer verspäteten Annahme einverstanden zu erklären. Zur Begründung der Änderungskündigung hat sie vorgetragen, sie sei in dieser Branche durch die Struktur des Kundenkreises von dem starken Konjunktureinbruch betroffen; insbesondere die S… AG übe einen starken Druck auf die vereinbarten Preise aus. Die Folge sei, daß ihr Erlös bei der S… AG pro Lohnstunde 58,21 DM betrage, während ihre Lohnselbstkosten sich schon auf 54,01 DM zuzüglich baustellenbedingten Nebenkosten von 1,13 DM und Gemeinkostenanteil von 9,68 DM beliefen, so daß sie insgesamt pro Lohnstunde 64,82 DM aufwende und damit einen Verlust von 6,61 DM erwirtschafte. Die Arbeiten bei der S… AG seien für sie nicht mehr kostendeckend; sie habe daher gegensteuern müssen, um nicht erheblich in die Verlustzone zu geraten. Insofern habe nur die Alternative bestanden, entweder die Tätigkeit bei der S… AG aufzugeben oder aber die Kosten, insbesondere im Bereich der Auslösungen, zu senken. Auf der Basis der bisher kalendertäglich gezahlten Fernauslösung von 58,15 DM ergebe sich bei 30 Kalendertagen und durchschnittlich 172 Stunden je Monat ein monatlicher Auslösungssatz von 1.744,50 DM, der unvertretbar hoch sei. Aufgrund der Kostenreduzierung erleide der Kläger zwar eine monatliche Einbuße von 778,50 DM, was aber noch vertretbar erscheine. So hätten 48 von 55 bei der S… AG eingesetzten Arbeitnehmern das Änderungsangebot angenommen.

Der Betriebsrat sei ausführlich zu den erforderlichen Kostensenkungsmaßnahmen angehört worden, insbesondere seien ihm die konkreten Auswirkungen der hohen Lohnselbstkosten im einzelnen erläutert worden. Die Änderungskündigungen vom 27. April 1994 seien erst nach Eingang der Stellungnahme des Betriebsrats vom gleichen Tage zur Post gegeben worden.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeugen B… und D… zur Frage der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung und nach Einholung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens zur Deckung der Lohnselbstkosten die Klage abgewiesen. Auf die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 27. April 1994 sei rechtsunwirksam und das Arbeitsverhältnis sei nicht zum 31. Dezember 1994 (richtig: 31. Oktober 1994) beendet worden.

Die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (Senat 17. Juni 1998 – 2 AZR 336/97 – BAGE 89, 149).

Der Kläger hat insbesondere seine Auffassung bekräftigt, es dürfe nicht allein auf die Kostenstruktur der Baustelle Be… abgestellt werden, sondern es komme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des gesamten Betriebes an. Er hat ferner vorgetragen, mehreren Arbeitnehmern werde eine höhere Auslösung gezahlt, weshalb der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt sei. Schließlich hat er die Ansicht vertreten, wenn die fehlende Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG einer Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung entgegen stehe, müsse dies auch zur Unwirksamkeit der Beendigungskündigung führen.

Die Beklagte hat insbesondere geltend gemacht, der Verlust im Bereich Be… schlage auf das ganze Unternehmen durch und gefährde nicht nur die dortigen Arbeitsplätze, sondern alle Arbeitsplätze des Unternehmens. Dies belege das eingeholte Sachverständigengutachten. Ihm lasse sich ferner entnehmen, daß sich die Entgeltsenkung auf das zur Sanierung unabwendbar Notwendige beschränkt habe. Der Kläger hätte dies billigerweise hinnehmen müssen, zumal sich die Bruttoentgeltabsenkung netto erheblich geringer ausgewirkt hätte. Die Änderungskündigungen seien gegenüber allen gekündigten Arbeitnehmern mit inhaltsgleichen Änderungsangeboten ausgesprochen worden, so daß der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet worden sei. Dem Betriebsrat seien alle maßgebenden Tatsachen substantiiert mitgeteilt worden; er sei auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Unrentabilität der Baustelle Be… auf das wirtschaftliche Ergebnis des Gesamtbetriebes durchschlage, und daß ohne eine Anpassung der Personalkosten Beendigungskündigungen nicht zu vermeiden wären.

Das Landesarbeitsgericht hat in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils erneut festgestellt, daß die Kündigung vom 27. April 1994 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Oktober 1994 aufgelöst hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht wiederum zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsgericht hat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die dem Kläger mit der Änderungskündigung angetragene Änderung der Arbeitsbedingungen sei zwar durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Die Änderungskündigung, die mangels fristgerecht erklärter Vorbehaltsannahme als Beendigungskündigung wirke, sei somit sozial gerechtfertigt. Ihre Wirksamkeit scheitere auch nicht an einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG. Gleichwohl habe die Änderungskündigung nicht als Beendigungskündigung zum Kündigungstermin vollzogen werden können, weil bis zum Ablauf der Kündigungsfrist keine Betriebsvereinbarung oder Regelungsabsprache über Wegegeld und Fahrgelderstattung vorgelegen habe. Der gegenteiligen Ansicht des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 17. Juni 1998, mit dem die Sache zurückverwiesen wurde, vermöge das Berufungsgericht weder im Ergebnis noch in der Begründung zu folgen.

II. Das angefochtene Urteil war aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Mit Recht rügt die Revision eine Verletzung von § 565 Abs. 2 ZPO. Der Senat konnte gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückweisen.

1. In seinem im selben Rechtsstreit ergangenen Urteil vom 17. Juni 1998 (aaO) hat der Senat entschieden, die vorhergehende Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sei für die Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht erforderlich, im Fall rechtzeitiger Vorbehaltsannahme gemäß § 2 KSchG sei lediglich die Durchsetzung der Änderung davon abhängig, daß die Mitbestimmung des Betriebsrats erfolgt sei; nehme ein Arbeitnehmer das mit der Änderungskündigung verbundene Änderungsangebot wie hier nicht bzw. nicht rechtzeitig an, handele er auf eigenes Risiko; erweise sich die Änderungskündigung als im übrigen wirksam und sozial gerechtfertigt, sei das Arbeitsverhältnis mangels Vorbehaltsannahme beendet und infolgedessen werde die Durchsetzung der Mitbestimmung für diesen Arbeitnehmer nicht mehr relevant (zustimmend Henssler SAE 2000, 247; weitergehend Hans Hanau Anm. AP KSchG 1969 § 2 Nr. 49, wonach auch die Durchführung der Vertragsänderung vor Durchführung der Mitbestimmung erfolgen könne).

Diese, die Aufhebung des ersten Berufungsurteils tragende rechtliche Beurteilung hatte das Landesarbeitsgericht gemäß § 565 Abs. 2 ZPO seiner erneuten Entscheidung zugrunde zulegen. Wenn das Landesarbeitsgericht demgegenüber annimmt, mangels Durchführung der Mitbestimmung gemäß § 87 BetrVG innerhalb der Kündigungsfrist habe die Änderungskündigung nicht in eine Beendigungskündigung umschlagen können, und wenn es hierzu ausdrücklich festhält, es vermöge der gegenteiligen Auffassung der Revisionsentscheidung nicht zu folgen, verstößt das eindeutig gegen die gesetzliche Bindungswirkung.

Auch der Senat selbst ist an seine damals vertretene Rechtsauffassung gebunden (BAG 28. Juli 1981 – 1 ABR 56/78 – BAGE 36, 1; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 75 Rn. 44). Davon abgesehen überzeugt die vom Landesarbeitsgericht entgegen § 565 Abs. 2 ZPO vorgetragene abweichende Auffassung nicht. Soweit das Berufungsgericht darauf hinweist, ein Arbeitnehmer könne im Fall seiner die Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß §§ 99 f. BetrVG mißachtenden Versetzung oder bei ohne Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG angeordneten Überstunden die Arbeit verweigern, verkennt es, daß es insoweit gerade nicht um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung geht. Auch eine Änderungskündigung mit dem Ziel der Versetzung ist hinsichtlich ihrer Wirksamkeit von der Durchführung der Mitbestimmung gemäß §§ 99 f. BetrVG unabhängig; daß ein Arbeitnehmer, der das Änderungsangebot vorbehaltlos, unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG oder unter dem bloß auf die ohnehin bestehende Rechtslage verweisenden Vorbehalt der Durchführung der betrieblichen Mitbestimmung angenommen hat, die Arbeit auf dem neuen Arbeitsplatz bis zur Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch das Arbeitsgericht verweigern kann, ist lediglich die Kehrseite der kollektivrechtlich fehlenden Durchsetzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen Ausfluß der individualvertraglichen Rechtslage. Hat der Arbeitnehmer das mit der Änderungskündigung verbundene Versetzungsangebot vorbehaltlos abgelehnt, ist die gegebenenfalls eintretende Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine “Belohnung” des Arbeitgebers für eine Verletzung von § 99 BetrVG; vielmehr kann der Arbeitgeber diesen Arbeitnehmer schon individualrechtlich nicht wie vorgesehen versetzen, so daß es nicht mehr darauf ankommt, ob der Betriebsrat dieser Versetzung zustimmen würde bzw. ob die Zustimmung des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht zu ersetzen wäre. Wie es das Risiko des Arbeitgebers ist, einen neu geschlossenen Arbeitsvertrag mangels Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung gemäß § 99 BetrVG nicht erfüllen zu können (BAG 28. April 1992 – 1 ABR 73/91 – BAGE 70, 147), so ist es umgekehrt das Risiko des eine Versetzung vorbehaltlos ablehnenden Arbeitnehmers, daß sich die (Änderungs-)Kündigung als wirksam erweist und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zustimmung des Betriebsrats zu der ursprünglich beabsichtigten Versetzung überflüssig macht. Die Einwände und das Resümee des Landesarbeitsgerichts, daß “nicht sein kann, was nicht sein darf”, gehen an der Argumentation des Senats im Urteil vom 17. Juni 1998 (aaO) vorbei.

2. Das Landesarbeitsgericht hat ausgehend von der Senatsrechtsprechung zum Prüfungsmaßstab bei der Änderungskündigung (BAG 19. Mai 1993 – 2 AZR 584/92 – BAGE 73, 151) und zu den Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Lohnkostensenkung (20. August 1998 – 2 AZR 84/98 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 50 = EzA KSchG § 2 Nr. 31; 12. November 1998 – 2 AZR 91/98 – BAGE 90, 182) festgestellt, die dem Kläger angetragene Änderung der Arbeitsbedingungen sei durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt und damit sozial gerechtfertigt. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zu entnehmen, daß die in Be… aufgetretenen Verluste auf den Gesamtbetrieb derart durchschlugen, daß ohne die entsprechende Änderung der Arbeitsverträge eine Stillegung bzw. eine Reduzierung der Belegschaft in absehbarer Zeit unvermeidlich gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zudem ausgeführt, die Beklagte habe sich “im Rahmen des zur Sanierung des Betriebes unabwendbar Notwendigen gehalten”. Auch der Kläger hat dies alles nicht mehr in Zweifel gezogen.

Soweit das Landesarbeitsgericht weiter angenommen hat, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei auch dem Kläger persönlich zuzumuten gewesen, zumal die Nettodifferenz deutlich geringer als der Unterschied im Bruttobetrag ausgefallen wäre, und den Gleichbehandlungsgrundsatz habe die Beklagte beachtet, indem sie allen Arbeitnehmern die Änderungskündigung mit inhaltsgleichem Änderungsangebot ausgesprochen habe, sind revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler nicht ersichtlich. Auch die Annahme, das Vorbringen des Klägers zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nicht ausreichend spezifiziert, ist nicht zu beanstanden. Allein aus dem von der Beklagten eingeräumten Umstand, bei Einzelgesprächen sei es unter Berücksichtigung besonderer persönlicher und sozialer Verhältnisse und ungleich gravierenderer Auswirkungen der Änderungskündigung bei den nahe am Werk wohnenden Mitarbeitern, in einigen Fällen zu individuellen Ergänzungen der mit der Änderungskündigung vereinheitlichten Konditionen gekommen, läßt sich eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Ausspruch der Änderungskündigungen nicht ableiten; eine Gleichbehandlung mit inzwischen wieder besser gestellten Arbeitnehmern könnte der Kläger allenfalls dann verlangen, wenn sein Arbeitsverhältnis fortbestünde und er im einzelnen darlegen würde, daß er gegenüber einer Gruppe von Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ohne sachliche Gründe schlechter behandelt werde.

3. Was die Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG angeht, so läßt sich dem angefochtenen Urteil die Feststellung entnehmen, dem Betriebsrat seien die Kündigungsgründe auch insoweit ausreichend mitgeteilt worden, als der Kläger Defizite moniert hatte (Durchschlagen der Verlustsituation in Be… auf den Gesamtbetrieb, Verhinderung einer Belegschaftsreduzierung nur durch die vorgesehenen Änderungskündigungen). Im übrigen ist das detaillierte Vorbringen der Beklagten zur Betriebsratsanhörung im Schriftsatz vom 11. Februar 1999 schon gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu werten. Der Kläger hatte insoweit im Schriftsatz vom 5. Januar 1999 mit nur zwei Sätzen eine Information des Betriebsrats pauschal in Abrede gestellt. Auf Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) hat sich der Kläger dabei nicht berufen. Deshalb hätte er auf das gegenteilige Vorbringen der Beklagten nun seinerseits substantiiert erwidern müssen (abgestufte Darlegungslast, vgl. BAG 16. März 2000 – 2 AZR 75/99 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179). Dies hat der Kläger unterlassen.

 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Fischermeier, Nipperdey, Kümmel-Pleißner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1810742

FA 2001, 243

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