Entscheidungsstichwort (Thema)
Fassadenverkleidung und Flachdacheindeckung
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die tarifliche Zuordnung von Betrieben, die Flachdächer errichten, instandsetzen und instandhalten, zum Dachdeckerhandwerk gelten die vom Senat zur Fassadenverkleidung entwickelten Rechtsgrundsätze (vgl das Urteil des Senats vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 317/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Demgemäß sind Betriebe dem Dachdeckerhandwerk zuzurechnen, in denen in nicht unerheblichem Umfang ausschließlich dem Dachdeckerhandwerk vorbehaltene Tätigkeiten (wie insbesondere die Eindeckung und Reparatur herkömmlicher Steildächer) ausgeführt oder in entsprechendem Umfang gelernte Dachdecker beschäftigt werden. Ausreichend ist auch die Beaufsichtigung der Arbeitnehmer unmittelbar am Arbeitsplatz durch einen Fachmann des Dachdeckerhandwerks (Dachdeckermeister).
3. Die "Auffassung der beteiligten Berufskreise" ist kein selbständiges Kriterium der Tarifauslegung. Sie kann daher auch zur Bestimmung der zutreffenden tariflichen Zuordnung eines Betriebes grundsätzlich nicht herangezogen werden.
Orientierungssatz
1. Auslegung des § 1 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12.11.1960.
2. Auslegung von Tarifverträgen und schuldrechtlichen Verträgen im Vergleich - § 157 BGB.
Normenkette
TVG § 1; HGB § 346; BGB § 157; BauRTV § 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 26.05.1987; Aktenzeichen 5 Sa 1271/86) |
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 12.08.1986; Aktenzeichen 1 Ca 188/86) |
Tatbestand
Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Auskunftserteilung für die Monate August bis Dezember 1985 in Anspruch. Die Nebenintervenientin ist dem Rechtsstreit auf der Beklagtenseite beigetreten.
Nach dem jeweiligen Anteil an der Arbeitszeit der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer werden im Betrieb der Beklagten die nachfolgenden Arbeiten ausgeführt:
a) Fassadenbau 37 v.H.
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bestehend aus der Anbringung von
Kunststoffblechen auf Lattungen
b) Flachdacheindeckungen 16 v.H.
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bestehend aus der Errichtung vollständiger
Flachdächer (Flachdachaufbau
mit allen dazugehörigen Schichten
und Dachhaut)
c) Flachdachinstandsetzungen 13 v.H.
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bestehend aus Instandsetzung oder
Änderung des Flachdachaufbaus und
der Flachdachhaut (Flachdachsanierung)
d) Balkon- und Terrassensanierung 14 v.H.
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bestehend aus der Instandsetzung
der Außenhaut und
e) Kellerabdichtungen 19 v.H.
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bestehend aus der Abdichtung von
Kellerinnenwänden und Kelleraußenwänden.
Im Anspruchszeitraum wurden bei der Beklagten sechs Arbeitnehmer beschäftigt. Ihr Betriebsleiter ist Dachdeckermeister. Von den restlichen Arbeitnehmern der Beklagten waren zwei angelernte Dachdecker und drei im Baugewerbe Ausgebildete. Seit dem 19. Juni 1985 ist die Beklagte bei der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld als Betrieb des Dachdeckerhandwerks geführt und eingetragen.
Im einzelnen hat die Klägerin mit der Klage von der Beklagten für den vorgenannten Zeitraum Auskunft über die Zahl der bei ihr beschäftigten rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, technischen und kaufmännischen Angestellten sowie Poliere und Schachtmeister, die Höhe der Bruttolohnsumme und die entsprechende Höhe der Beiträge für die Sozialkassen des Baugewerbes verlangt und sie für den Fall der Nichterfüllung auf Zahlung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG in Anspruch genommen. Dazu hat die Klägerin vorgetragen, mit ihrer bei weitem überwiegenden Arbeitszeit seien die Arbeitnehmer der Beklagten im Anspruchszeitraum mit baugewerblichen Tätigkeiten beschäftigt worden. Dazu gehörten einmal die Kellerabdichtungen sowie die Balkon- und Terrassensanierung. Auch die Errichtung und Instandsetzung von Flachdächern seien Aufgaben der Klebeabdichter und damit des Baugewerbes. Weiter gehöre die Fassadenverkleidung zum Baugewerbe, was sich schon aus ihrer ausdrücklichen Erwähnung im BRTV-Bau ergebe. Bei der rechtlichen Würdigung müsse entscheidend berücksichtigt werden, daß die Errichtung und Instandsetzung von Flachdächern keine ursprünglichen und herkömmlichen Aufgaben des Dachdeckerhandwerks seien. Demgemäß hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular
Auskunft darüber zu erteilen,
wieviele arbeiterrentenversicherungspflichtige
Arbeiter vom 1. August bis 31. Dezember 1985
bei der Beklagten beschäftigt worden sind,
wie hoch sich deren Bruttolohnsumme beläuft und
in welcher Höhe demgemäß für diese Arbeitnehmer
Beiträge für die Sozialkassen des Baugewerbes
angefallen sind,
2. dieselben Auskünfte für den zuvor bezeichneten
Zeitraum auch bezüglich der bei der Beklagten
beschäftigten technischen und kaufmännischen
Angestellten, Poliere und Schachtmeister zu
erteilen,
3. für den Fall, daß diese Verpflichtungen binnen einer
Frist von zwei Wochen nach Urteilszustellung nicht
erfüllt werden, an die Klägerin eine Entschädigung
in Höhe von 8.403,60 DM zu zahlen.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben Klageabweisung beantragt und erwidert, der Betrieb der Beklagten sei ein solcher des Dachdeckerhandwerks, der nicht unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes falle. Die Errichtung und Instandsetzung bzw. Instandhaltung von Dächern seien ursprüngliche Dachdeckeraufgaben, wobei rechtsunerheblich sei, daß bei der Beklagten diese Aufgaben Flachdächer beträfen. Dasselbe habe auch für die Fassadenverkleidung zu gelten. Damit entfalle der überwiegende Einsatz der Arbeitnehmer der Beklagten auf Tätigkeiten des Dachdeckerhandwerks. Diesen seien sogar die Balkon- und Terrassensanierung sowie die Kellerabdichtungen zuzurechnen, ohne daß es vorliegend darauf entscheidend ankomme. Jedenfalls sei von erheblicher rechtlicher Bedeutung, daß der Betriebsleiter der Beklagten Dachdeckermeister sei und als solcher den Einsatz der Arbeitnehmer entsprechend überwache. Weiter sei zu berücksichtigen, daß es sich auch handwerksrechtlich bei der Beklagten um einen Betrieb des Dachdeckerhandwerks handele.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
In der Revisionsinstanz hat die Klägerin entsprechend den Anforderungen der Senatsrechtsprechung (vgl. BAGE 48, 390, 398 = AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) die Entschädigungssumme um 20 v.H. ermäßigt und die Frist zur Auskunftserteilung auf einen Monat verlängert. Mit diesen Beschränkungen verfolgt die Klägerin mit der Revision ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß es für das Klagebegehren keine Rechtsgrundlage gibt. Der Betrieb der Beklagten ist ein solcher des Dachdeckerhandwerks und fällt damit nicht in den Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes.
Mit dem Landesarbeitsgericht ist bezüglich der Arbeiter der Beklagten von § 13 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 12. November 1960 (VerfTV) in der Fassung vom 12. Dezember 1984 auszugehen. Der fachliche bzw. betriebliche Geltungsbereich des VerfTV ist mit dem des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) identisch. Während das in den älteren Fassungen des VerfTV jeweils in § 1 Abs. 2 in allgemeiner Weise zum Ausdruck gebracht wurde, wird seit der Neufassung des VerfTV vom 19. Dezember 1983 in § 1 Abs. 2 der gesamte § 1 Abs. 2 BRTV-Bau wörtlich übernommen, so daß bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden auf den BRTV-Bau überhaupt nicht mehr zurückgegriffen zu werden braucht. An der materiellen Rechtslage hat sich durch diese redaktionelle Tarifänderung nichts verändert (vgl. das Urteil des Senats vom 25. Februar 1987 - 4 AZR 230/86 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Damit kommt es, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, darauf an, ob im Anspruchszeitraum im Betrieb der Beklagten vom fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich des VerfTV (und damit auch des BRTV-Bau) erfaßte Tätigkeiten verrichtet worden sind. Dabei kommt es, wie das Landesarbeitsgericht mit Recht hervorhebt, auf die zeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- und gewerberechtliche Kriterien an, die allenfalls ergänzend und zur Bestätigung herangezogen werden können (vgl. die Urteile des Senats vom 14. Oktober 1987 -4 AZR 342/87 - und - 4 AZR 317/87 -, beide zur Veröffentlichung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen auf die entsprechende ständige Rechtsprechung des Senats). Demgemäß kommt es entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten und der Nebenintervenientin für die Frage der zutreffenden tariflichen Zuordnung auch nicht entscheidend darauf an, daß die Beklagte bei der zuständigen Handwerkskammer als Betrieb des Dachdeckerhandwerks geführt wird und eingetragen ist. Dieser Umstand kann vielmehr allenfalls ergänzend und zur Bestätigung Berücksichtigung finden.
Demgegenüber haben die Prozeßparteien und die Nebenintervenientin in der Revision, in der Revisionserwiderung und insbesondere in ihren ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat für die Frage der zutreffenden tariflichen Zuordnung des Betriebes der Beklagten entscheidend auf die Auffassung der beteiligten Berufskreise, die Verkehrssitte und die "Meinung des Publikums" abgestellt, wobei die Klägerin stärker auf die allgemeine Verkehrsauffassung und die Beklagte und die Nebenintervenientin stärker auf das "fachbezogene Publikum" abstellen.
Ungeachtet dieser Differenzierungen in der Argumentation der Klägerin auf der einen und der Beklagten sowie der Nebenintervenientin auf der anderen Seite kann es nach der Auffassung des Senats auf diese von den Parteien in der Revisionsinstanz aufgezeigten und in den Vordergrund gerückten Gesichtspunkte für die zutreffende tarifliche Zuordnung des Betriebes der Beklagten überhaupt nicht ankommen. Wie der Senat bereits in seinem Urteil BAGE 46, 308, 314 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung näher ausgeführt und in seinem weiteren Urteil vom 25. November 1987 - 4 AZR 403/87 - (zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) bestätigt hat, ist nämlich entgegen der Meinung der vorliegenden Prozeßbeteiligten die "Auffassung der beteiligten Berufskreise" kein selbständiges Kriterium für die Auslegung von Tarifverträgen, weil sie für sich allein über den Willen der Tarifvertragsparteien nichts aussagt und zum Tarifrecht, sofern nicht die Tarifvertragsparteien sie zum Gegenstand einer tariflichen Regelung machen, überhaupt keinen Bezug hat. Das wird auch daraus deutlich, daß die Arbeitnehmer und deren tarifvertragsschließende Organisationen auf den Handelsbrauch im Sinne von § 346 HGB, der inhaltlich weitgehend der "Auffassung der beteiligten Berufskreise" entspricht, keinerlei Einfluß haben, weil es sich dabei um eine Institution des Handelsrechts handelt (vgl. Hefermehl in Schlegelberger, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 346 Rz 18 sowie 22 - 23). Da demgegenüber die Tarifverträge ein spezifischer und bedeutsamer Bestandteil des Arbeitsrechts sind und in erster Linie die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern regeln sollen, scheiden hier handelsrechtliche Gesichtspunkte als Auslegungsmittel grundsätzlich aus. Das gilt ganz allgemein und auch für die vorliegend entscheidende Frage der zutreffenden tariflichen Zuordnung.
Dabei verkennt der Senat nicht, daß Verträge gemäß § 157 BGB so auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Entgegen der Meinung der Parteien und der Nebenintervenientin liegt die Bedeutung der hier normierten Verpflichtung zur Berücksichtigung der Verkehrssitte jedoch im Bereich der individuellen schuldrechtlichen Verträge des allgemeinen bürgerlichen Rechts unter Einschluß des Arbeitsrechts. Dagegen verbietet der normative Charakter der tariflichen Bestimmungen die generelle Übertragung dieser Verpflichtung in das Recht der Tarifauslegung, zumal die Verkehrssitte im Sinne von § 157 BGB inhaltlich die im Rechtsverkehr tatsächlich praktizierte herrschende Übung und Handhabung darstellt und deswegen dieselbe Bedeutung hat wie im Handelsrecht der Handelsbrauch im Sinne von § 346 HGB (vgl. BGHZ 11, 1, 3 sowie das Urteil des OLG München vom 9. Dezember 1955 - 6 U 1422/55 - NJW 1956, 594, auch Soergel/Siebert/Knopp, BGB, 10. Aufl., § 157 Rz 31 - 33 mit weiteren Nachweisen). Daher kommt es auch nicht auf die Differenzierungen an, die die Parteien und die Nebenintervenientin zwischen der allgemeinen und der "fachbezogenen" Verkehrsauffassung bzw. dem "allgemeinen Publikum" und dem "fachbezogenen Publikum" machen.
Weiter ist davon auszugehen, daß nach der aufgrund einer entsprechenden, auch vorliegend zu berücksichtigenden Tarifänderung geltenden neuen Rechtsprechung des erkennenden Senats unter den fachlichen Geltungsbereich des VerfTV und damit auch des BRTV-Bau diejenigen Betriebe fallen, in denen überwiegend im Abschnitt V von § 1 Abs. 2 VerfTV (bzw. BRTV-Bau) konkret genannte Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, ohne daß dann noch die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III der Tarifnormen zu überprüfen sind (vgl. die Urteile des Senats vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 342/87 - und 25. Februar 1987 - 4 AZR 230/86 - und - 4 AZR 240/86 -, alle zur Veröffentlichung vorgesehen, im Anschluß an BAGE 45, 11, 17 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Nach den mit prozessualen Rügen nicht angefochtenen und daher den Senat gemäß § 561 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurden im Anspruchszeitraum die Arbeitnehmer der Beklagten zu 37 v.H. der Gesamtarbeitszeit mit Fassadenverkleidung beschäftigt. Sie stellten vorgehängte und hinterlüftete Fassaden aus Kunststoffblechen her, die auf Lattungen angebracht wurden.
Mit Recht weist das Landesarbeitsgericht diese betriebliche Tätigkeit der Beklagten dem Dachdeckerhandwerk zu. Dabei berücksichtigt es zutreffend, daß diese Tätigkeit als Dämm-(Isolier-) Arbeit bzw. als Fassadenbauarbeit ausdrücklich in den Nummern 8 und 11 der katalogartigen Aufzählung von baugewerblichen Tätigkeiten im Abschnitt V von § 1 Abs. 2 VerfTV genannt wird. Das Landesarbeitsgericht folgert jedoch weiter richtig, daß diese betriebliche Tätigkeit der Beklagten eine solche des Dachdeckerhandwerks ist und deswegen gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 2 VerfTV aus dem fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes ausgenommen ist.
Bereits in seinem Urteil vom 3. Dezember 1986 - 4 AZR 466/86 - (AP Nr. 73 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) hat der Senat darauf hingewiesen, daß nach der inzwischen vollzogenen Fortentwicklung im Wirtschafts- und Arbeitsleben die Fassadenverkleidung als betriebliche Tätigkeit sowohl von Dachdeckern als auch von Zimmereibetrieben, Trockenbaumonteuren, Isolierern und Klempnern vorgenommen wird. Von dieser Sachlage ist der Senat auch in seinem weiteren Urteil vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 317/87 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) ausgegangen. Der Senat hat in diesem Urteil näher ausgeführt, daß angesichts der eingetretenen Wandlungen im Wirtschafts- und Arbeitsleben die auch vorliegend zu vollziehende rechtliche Differenzierung nicht mehr wie in früheren Entscheidungen nach dem Berufsbild, auch nicht nach der beruflichen Tradition und auch nicht nach dem Berufsrecht erfolgen kann. Demgemäß kann nach den weiteren Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 317/87 - für die Zugehörigkeit der Fassadenverkleidung zum Dachdeckerhandwerk nur noch darauf abgestellt werden, ob in nicht unerheblichem Umfang Arbeiten ausgeführt werden, die (wie insbesondere die Neueindeckung von Steildächern) ausschließlich dem Dachdeckerhandwerk vorbehalten sind, oder ob in dem betreffenden Betrieb die Arbeiten in nicht unerheblichem Umfang von gelernten Dachdeckern ausgeführt werden oder wenigstens eine entsprechende Aufsicht durch einen Fachmann des Dachdeckerhandwerks (Dachdeckermeister) besteht. Dabei muß es sich freilich, wie der Senat ebenfalls näher ausgeführt hat, im Interesse der Wahrung der gebotenen Sachnähe zum Dachdeckerhandwerk um eine unmittelbare Aufsicht handeln, die bei der Arbeit selbst, d.h. am Arbeitsplatz, ausgeübt wird. Eine lediglich allgemeine Weisungsbefugnis bzw. eine lediglich geschäftlich-wirtschaftliche Aufsichtsfunktion ist nicht ausreichend.
Nach diesen Grundsätzen der Senatsrechtsprechung, an denen festzuhalten ist, ist mit dem Landesarbeitsgericht auch der Betrieb der Beklagten, soweit darin Fassadenverkleidung betrieben wird, dem Dachdeckerhandwerk zuzurechnen. Der Betriebsleiter der Beklagten ist nämlich Dachdeckermeister. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts überwacht er als solcher auch die Tätigkeit der Arbeitnehmer. Daß das auch im Sinne des weiteren Erfordernisses der Senatsrechtsprechung unmittelbar am Arbeitsplatz geschieht, ergibt sich aus den näheren Ausführungen, die der Beklagtenvertreter zu gerichtlichem Protokoll gegenüber dem Arbeitsgericht gemacht (Bl. 46 der Vorakten) und die die Klägerin nicht bestritten hat. Dabei berücksichtigt der Senat auch, daß der Geschäftsführer der Beklagten, der kein Fachmann des Dachdeckerhandwerks ist, die kaufmännisch-wirtschaftliche Betriebsleitung durchführt, so daß notwendigerweise die Fachaufgaben dem Betriebsleiter zufallen.
Abgesehen davon wird darüber hinaus auch noch ein weiteres Erfordernis der Senatsrechtsprechung im Betrieb der Beklagten erfüllt. Vom Betriebsleiter abgesehen sind nämlich zwei der fünf von der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer angelernte Dachdecker. Damit beschäftigt die Beklagte in nicht unerheblichem Umfang Fachleute dieser Berufssparte, wobei es nicht erforderlich ist, daß sie auch die Gesellenprüfung im Dachdeckerhandwerk abgelegt haben. Entscheidend ist insoweit vielmehr, daß die angelernten und als solche eingesetzten Dachdecker zwei Fünftel der rechtserheblichen Gesamtarbeitnehmerschaft ausmachen.
Mit Recht rechnet das Landesarbeitsgericht aber auch die Flachdacheindeckungen dem Dachdeckerhandwerk zu, die 16 v.H. der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer im Anspruchszeitraum ausgemacht haben. Anders als das herkömmliche Steildach, dessen Errichtung, Instandsetzung und Instandhaltung auch noch heute eine Domäne des Dachdeckerhandwerks ist, hat das Flachdach im deutschen Wirtschaftsraum erst verhältnismäßig spät Eingang und Verbreitung gefunden, wobei es entscheidend auf die Entwicklung des Zements und entsprechende Verwendungsmöglichkeiten angekommen ist (vgl. Meyers Enzykl. Lexikon, Band 6, S. 159). Nicht zuletzt deswegen, weil bei Flachdächern der Frage ihrer Abdichtung eine besondere Bedeutung zukommt, hat die Entwicklung im Wirtschafts- und Arbeitsleben dazu geführt, daß - ähnlich wie bei der Fassadenverkleidung - auch die Errichtung von Flachdächern nunmehr nebeneinander von verschiedenen Gewerbezweigen vorgenommen wird, insbesondere neben den Dachdeckern von den sogenannten Klebeabdichtern, bei denen inzwischen Dachabdichtungen sogar den Schwerpunkt und den größten Anteil an ihrer gewerblichen Tätigkeit ausmachen (vgl. hierzu Blätter für Berufskunde, Band 1 - II C 401 Dachdecker, S. 1 und S. 3, sowie Band 1 - II C 110 Klebeabdichter, S. 1 bis 3). Dabei besteht zwischen Dachdeckern und Klebeabdichtern ein heftiger Wettbewerb, der teilweise durch zuerkannte Patente noch verschärft wird.
Angesichts der gleichen tatsächlichen Voraussetzungen im Arbeits- und Wirtschaftsleben müssen daher auch bei der Frage der Zuordnung von Betrieben, die die Eindeckung von Flachdächern vornehmen, zum Baugewerbe oder Dachdeckerhandwerk dieselben Grundsätze gelten, die der Senat für die Fassadenverkleidung in seinem Urteil vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 317/87 - entwickelt hat. Demgemäß ist die Errichtung von Flachdächern Tätigkeit des Dachdeckerhandwerks, wenn sie in nicht unerheblichem Umfang von gelernten Dachdeckern ausgeführt wird oder eine entsprechende Aufsicht durch einen Fachmann des Dachdeckerhandwerks (Dachdeckermeister) besteht, wobei wiederum die entsprechende Aufsicht unmittelbar am Arbeitsplatz ausgeübt werden muß.
Diese Erfordernisse der Senatsrechtsprechung sind im Betriebe der Beklagten auch im Bereiche der Errichtung von Flachdächern erfüllt. Auch diese Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten wurde nämlich im Anspruchszeitraum vom Betriebsleiter der Beklagten, einem Dachdeckermeister, unmittelbar am Arbeitsplatz überwacht. Auch diese Arbeiten wurden im übrigen in nicht unerheblichem Umfang von Fachleuten des Dachdeckerhandwerks ausgeführt. Da vorliegend also jedenfalls die betriebliche Tätigkeit der Beklagten auf den Gebieten der Fassadenverkleidung und der Flachdacheindeckung nicht dem Baugewerbe, sondern dem Dachdeckerhandwerk zuzurechnen ist und diese Aufgaben zusammengenommen mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer der Beklagten ausmachten, ist die Klage, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, unbegründet.
Indessen gilt auch für die Instandsetzung und Instandhaltung von Flachdächern, die weitere 13 v.H. der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer der Beklagten in Anspruch genommen haben, das zuvor Ausgeführte entsprechend. Auch diese Tätigkeit wird wie die Errichtung von Flachdächern sowohl von Dachdeckern als auch von Klebeabdichtern ausgeführt. Damit ist auch diese betriebliche Tätigkeit der Beklagten vorliegend dem Dachdeckerhandwerk zuzurechnen. Ob das, wie das Arbeitsgericht annimmt und das Landesarbeitsgericht offen läßt, auch hinsichtlich der Balkon- und Terrassensanierung sowie der Kellerabdichtungen zutrifft, braucht nicht entschieden zu werden. Beide Aufgaben waren nämlich im Anspruchszeitraum für die überwiegende betriebliche Tätigkeit bei der Beklagten unerheblich.
Die weiteren Einwendungen der Revision greifen nicht durch. Entgegen der Meinung der Klägerin kommt es nach der neuen Rechtsprechung des Senats (vgl. das Urteil vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 317/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) auf die Berufsbilder von Dachdeckern und Klebeabdichtern sowie die entsprechenden Rechtsgrundlagen nicht mehr an. Zutreffend weist indessen die Revision darauf hin, daß man die Errichtung von Flachdächern weder unter tatsächlichen noch unter rechtlichen Aspekten mit der Herstellung herkömmlicher Steildächer vergleichen kann. Das ändert jedoch nichts daran, daß auch diese Tätigkeit nach den Grundsätzen der insoweit konkretisierten und den Verhältnissen im Arbeits- und Wirtschaftsleben angepaßten Senatsrechtsprechung bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden dem Dachdeckerhandwerk zuzurechnen ist und keineswegs zwingend, wie die Klägerin meint, dem Baugewerbe angehört. Vorliegend stehen nur fünf Monate des Jahres 1985 als Anspruchszeitraum im Streit. Daher kommt es entgegen den weiteren Ausführungen der Revision nicht darauf an, mit welchen Aufgaben und zu welchen Zeitanteilen die Arbeitnehmer der Beklagten zu anderen Zeiten beschäftigt worden sind. Weiter verkennt die Revision, daß es nach dem Inhalt des Senatsurteils vom 14. Oktober 1987 - 4 AZR 317/87 - bereits ausreicht, daß die Arbeitnehmer der Beklagten am Arbeitsplatz durch einen Dachdeckermeister, nämlich den Betriebsleiter der Beklagten, überwacht worden sind. Deshalb kommt es vorliegend überhaupt nicht mehr entscheidend darauf an, in welchem zahlenmäßigen Verhältnis als Dachdecker oder als Bauarbeiter ausgebildete bzw. angelernte Arbeitnehmer beschäftigt worden sind. Abgesehen davon waren im Anspruchszeitraum aber auch zwei Fünftel der Arbeitnehmer angelernte Dachdecker.
Hinsichtlich der kaufmännischen und technischen Angestellten der Beklagten, ihrer Poliere und Schachtmeister gilt dieselbe Rechtslage. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob überhaupt bei der Beklagten solche Arbeitnehmer beschäftigt worden sind, was nach dem Akteninhalt zweifelhaft erscheint.
Die Kosten ihrer erfolglosen Revision trägt die Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Neumann Dr. Freitag Dr. Feller
Dr. Konow Schmalz
Fundstellen