Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbau der Überversorgung im öffentlichen Dienst
Leitsatz (amtlich)
- Der 19. Änderungstarifvertrag vom 21. Februar 1984 zum Versorgungstarifvertrag vom 6. März 1967 und die 13. Änderung der Satzung der Zusatzversorgungskasse der Stadt Köln vom 11. Oktober 1984 haben rechtswirksam die nettolohnbezogene Versorgungsobergrenze eingeführt.
- Die Regelungen über das Abschmelzen der Versorgungsleistungen im öffentlichen Dienst bis auf die in den genannten Bestimmungen beschriebene Versorgungsobergrenze greifen nicht in unentziehbare Besitzstände der Arbeitnehmer ein und verletzen weder das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen der Arbeitnehmer in den Fortbestand der ursprünglichen tariflichen Regelungen noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
- Das Versorgungsrecht brauchte keine Sonderregelung für Schwerbehinderte einzuführen.
Normenkette
BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskasse; VersTV-G vom 6. März 1967; 19. Änderungstarifvertrag vom 21. Februar 1984; GG Art. 14, 20; SchwbG § 45
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 24.02.1988; Aktenzeichen 2 Sa 1338/87) |
ArbG Köln (Urteil vom 15.10.1987; Aktenzeichen 12 Ca 9092/86) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. Februar 1988 – 2 Sa 1338/87 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Abschmelzens von Versorgungsleistungen im öffentlichen Dienst.
Der am 17. März 1922 geborene, schwerbehinderte Kläger trat am 17. August 1964 als Verwaltungsangestellter in die Dienste der Stadt Köln. Für das Arbeitsverhältnis galten der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge. Ferner heißt es in § 4 des Arbeitsvertrages:
“Die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung richtet sich nach der Satzung der Zusatzversorgungskasse der Stadt Köln in ihrer jeweiligen Fassung und den Durchführungsvorschriften. Angestellte, die nach diesen Vorschriften als Pflichtversicherte in die Kasse aufzunehmen sind, werden von der Stadt bei der Kasse angemeldet. Nicht als Pflichtmitglied anzumeldende Angestellte können sich nach Maßgabe der Satzung und der Durchführungsvorschriften um die Aufnahme bemühen, soweit diese Vorschriften eine Aufnahme zulassen.”
Mit Wirkung vom 1. September 1964 meldete die Stadt Köln den Kläger bei ihrer Zusatzversorgungskasse an. Diese ist eine rechtlich unselbständige Einrichtung der Beklagten.
Am 31. März 1982 trat der Kläger in den Ruhestand. Seither bezieht er Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und von der Beklagten.
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses galt der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 in der Fassung des 48. Änderungstarifvertrages vom 7. Oktober 1981. Die Altersversorgung war geregelt im Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) vom 6. März 1967 in der Fassung des 18. Änderungstarifvertrages vom 16. September 1981. Nach dem VersTV-G wurde die Zusatzversorgung als Gesamtversorgung auf der Grundlage der gesamtversorgungsfähigen Zeit und des gesamtversorgungsfähigen Entgelts gezahlt. Gesamtversorgungsfähiges Entgelt war der monatliche Durchschnitt der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte, für die für den Versorgungsberechtigten in den letzten drei Kalenderjahren vor dem Eintritt des Versicherungsfalls Umlagen bzw. vor dem 1. Januar 1978 Pflichtbeiträge gezahlt worden sind. Auszuzahlen war der Unterschiedsbetrag zwischen der gesetzlichen Sozialversicherungsrente und der Gesamtversorgung. Bei der Beklagten war die Zusatzversorgung in einer Satzung der Stadt Köln vom 26. Juli 1982 (Amtsblatt der Stadt Köln Nr. 34 vom 30. Juli 1982) geregelt. In der Satzung ist für die Zusatzversorgung dieselbe Berechnungsweise wie im VersTV-G vorgesehen. Nach dem Gesetz über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen – VKZVKG zuletzt in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. November 1984 (GVOBl. NW 1984, 694) ist die Satzung der Zusatzversorgungskasse der jeweiligen Rechtslage, insbesondere einer Änderung der Versorgungstarifverträge, unverzüglich anzupassen.
Der VersTV-G vom 6. März 1967 wurde durch den 19. Änderungstarifvertrag vom 21. Februar 1984 geändert. Durch den 19. Änderungstarifvertrag wurde die Gesamtversorgung auf einen Prozentsatz des fiktiven Nettoarbeitsentgelts gekürzt. Das fiktive Nettoarbeitsentgelt ist dadurch zu errechnen, daß von dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt Lohnsteuer nach Steuerklasse III/0 sowie Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung abgezogen werden (vgl. § 23 VersTV-G). In den Besitzstandsregelungen des Tarifvertrages ist vorgesehen, daß derjenige Teil der Zusatzversorgungsrente, der nach der neuen Rentenformel zu kürzen wäre, als Ausgleichsrente weitergezahlt wird. An die neue tarifliche Regelung wurde die Satzung der Beklagten durch die 13. Satzung zur Änderung der Satzung der Zusatzversorgungskasse der Stadt Köln vom 11. Oktober 1984 angepaßt und im Amtsblatt der Stadt Köln veröffentlicht.
Die Beklagte errechnete am 9. April 1985 die Zusatzversorgungsrente erneut. Die Versorgungsrente minderte sich von 1.272,40 DM auf 788,07 DM. Der Ausgleichsbetrag betrug 484,33 DM. Zugleich wies sie den Kläger darauf hin, daß auch der Ausgleichsbetrag als Versorgungsrente gelte. Er werde jedoch nicht der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt. Der Abbau des Ausgleichsbetrages beginne mit der ersten nach dem 1. Januar 1987 vorzunehmenden Anpassung des Entgelts in Höhe von 80,80 DM.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er brauche die Änderung seiner Versorgung durch den 19. Änderungstarifvertrag vom 21. Februar 1984 und die 13. Satzungsänderung vom 11. Oktober 1984 nicht hinzunehmen. Er sei nicht Mitglied einer Gewerkschaft gewesen. Der VersTV-G habe nur kraft arbeitsvertraglicher Verweisung gegolten. Nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses könnten sich Tarifvertragsänderungen nicht mehr nachteilig auswirken.
Auch die Satzungsänderung sei ihm gegenüber unwirksam. Allerdings sei in der Satzung bestimmt, daß künftige Änderungen der Satzung auch für bereits bestehende Mitgliedsverhältnisse, Versicherungsverhältnisse und Leistungsfälle gelten. Dieser Änderungsvorbehalt sei jedoch unwirksam, da er die zukünftigen Änderungen nicht hinreichend bestimme.
Die zu erwartende Kürzung seiner Versorgungsleistungen um fast 40 % verstoße gegen höherrangiges Recht sowie gegen Treu und Glauben. Sein Vertrauen auf die ursprünglich zugesagte Versorgung könne nicht enttäuscht werden. Er sei weder absolut noch relativ überversorgt gewesen. Durch die fiktive Nettolohnberechnung werde er schließlich besonders hart betroffen, weil er als Schwerbehinderter zusätzliche Steuerfreibeträge habe, die bei der Ermittlung des fiktiven Nettogehaltes unberücksichtigt bleiben.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Versorgungsrente in der Höhe zu erbringen, wie sie sich aus der am 31. März 1982 geltenden Fassung der Satzung der Zusatzversorgungskasse der Stadt Köln ergibt,
- hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte bei der Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts zur Ermittlung der Höhe der an den Kläger auszuzahlenden Rente einerseits die dem Kläger und seiner Ehefrau aufgrund der Schwerbehinderung zustehenden steuerlichen Vorteile berücksichtigen muß und andererseits nur den vom Kläger an den Krankenunterstützungsverein der Stadt Köln zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrag berücksichtigen darf.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die dynamische Gesamtversorgung für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes sei durch die Versorgungstarifverträge aus dem Jahre 1967 eingeführt worden. Diese hätten sich an der Höchstversorgung der Beamten orientiert, die bei langjähriger Beschäftigung im öffentlichen Dienst ein Ruhegehalt in Höhe von 75 % der letzten Dienstbezüge erhielten. Das entspreche im Durchschnitt nach Abzug von Steuern etwa 90 % der letzten Nettobezüge. Dieses Verhältnis von Altersversorgung und aktiven Bezügen habe sich in der Folgezeit zum Nachteil der Arbeitnehmer fortlaufend verschlechtert, weil die Steuerbelastung und die Sozialabgaben ständig gestiegen seien. Das habe dazu geführt, daß ein großer Teil der Rentner höhere Versorgungsleistungen als Bezüge im aktiven Dienst erhalten hätte. Die Tarifvertragsparteien hätten seit 1977 ständig über den Abbau der Überversorgung im öffentlichen Dienst verhandelt. Sie hat die Auffassung vertreten, die abgeschlossenen Tarifverträge und Satzungsänderungen seien rechtswirksam, verstießen nicht gegen höherrangiges Recht und verletzten nicht das schützenswerte Vertrauen der Rentner. Auch die Methode zur Errechnung des fiktiven Nettoentgelts sei nicht zu beanstanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er seine Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger muß das Abschmelzen seines Ausgleichsbetrages durch den 19. Änderungstarifvertrag und die 13. Satzungsänderung der Beklagten hinnehmen. Er kann nicht verlangen, daß Änderungen nach seinem Ausscheiden unberücksichtigt bleiben.
I. Die Zusatzversorgung des Klägers richtet sich nach dem jeweiligen Tarif- und Satzungsrecht.
1. Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers richtete sich sein Arbeitsverhältnis nach dem BAT vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Zu diesen Tarifverträgen gehören die Tarifverträge über die Zusatzversorgung im öffenlichen Dienst.
a) Nach § 46 BAT hat der Kläger Anspruch auf Versorgung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe eines besonderen Tarifvertrages. Die Altersversorgung für die Bediensteten der Stadt Köln unterliegt dem Geltungsbereich des VersTV-G vom 6. März 1967 (§ 1, aaO). Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Versorgungsbezüge des Klägers bei seiner Versetzung in den Ruhestand nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifrecht zutreffend ermittelt worden sind.
b) Das Versorgungstarifrecht ist durch Einfügung einer fiktiven Netto-Obergrenze der Gesamtversorgung geändert worden. Auch der Kläger wurde von dem ändernden Tarifvertragsrecht erfaßt und ist daran gebunden. In seinem Arbeitsvertrag ist ausdrücklich bestimmt, daß sich sein Arbeitsverhältnis nach den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen richtet. Dies gilt für die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis auch dann noch, wenn das Arbeitsverhältnis selbst inzwischen beendet worden ist.
Der Kläger irrt, wenn er die Auffassung vertritt, nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses brauche er weitere Tarifänderungen nicht mehr hinzunehmen. Die vertragliche Inbezugnahme des Tarifvertrages soll gewährleisten, daß er nicht besser oder schlechter behandelt wird, als die kraft Organisationszugehörigkeit Tarifgebundenen.
2. Aber auch dann, wenn der Arbeitsvertrag des Klägers in § 4 eine eigenständige Regelung der Zusatzversorgung enthält, gilt nichts anderes.
a) Im Arbeitsvertrag des Klägers ist bestimmt, daß seine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung sich nach der Satzung der Zusatzversorgungskasse der Stadt Köln in ihrer jeweiligen Fassung und den Durchführungsvorschriften richtet. Nach § 1 der Satzung der Beklagten gewährt sie ihren bei ihr versicherten Angestellten und Arbeitern Leistungen nach Maßgabe der Satzung. Das Versicherungsverhältnis wird nach § 14 der Satzung abgeschlossen zwischen dem Arbeitgeber und der Zusatzversorgungskasse. Der Arbeitnehmer ist Bezugsberechtigter der Versicherung, aber nicht Versicherungsnehmer. Die Pflichtversicherung entsteht mit dem Eingang der Anmeldung bei der Beklagten (§ 15 Abs. 1 der Satzung).
b) Im Arbeitsvertrag des Klägers ist ausdrücklich geregelt, daß sich seine Zusatzversorgung nach den jeweiligen Satzungsbestimmungen richtet. Anhaltspunkte für eine Auslegung dahin, daß der Kläger sich Satzungsänderungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr entgegenhalten lassen muß, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil mußte sich dem Kläger die Auslegung aufdrängen, daß er dem jeweiligen Satzungsrecht unterworfen war. Er wurde im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages versichert, der schon im Interesse der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer nach einheitlichen Richtlinien ausgestaltet sein muß.
Im übrigen bestimmt § 2 Abs. 3 der Satzung vom 26. Juli 1982, die der Kläger noch hinnehmen will, ausdrücklich, daß künftige Änderungen der Satzung auch für bereits bestehende Mitgliedsverhältnisse, Versicherungsverhältnisse und Leistungsfälle gelten. Die Satzungsbestimmungen über die Höhe der Leistung konnten deshalb nach Eintritt eines Versicherungsfalles geändert werden.
II. Die 13. Satzungsänderung der Beklagten vom 11. Oktober 1984 ist wirksam zustande gekommen.
1. Nach § 2 Abs. 3 kann die Satzung nach Anhörung des Kassenausschusses durch Beschluß des Rates der Stadt Köln geändert werden. Hiervon abweichend heißt es in § 2 Abs. 4, daß Satzungsänderungen, die auf einer Änderung des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) beruhen, der Kassenausschuß beschließt. Etwaige Änderungen sind im Amtsblatt der Stadt Köln zu veröffentlichen.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Satzungsänderung vom zuständigen Kassenausschuß beschlossen und im Amtsblatt veröffentlicht worden ist. Hiergegen sind Verfahrensrügen nicht erhoben.
2. Die Satzung vom 26. Juli 1982 enthält einen wirksamen Änderungsvorbehalt. Solche Änderungsvorbehalte sind bei Zusatzversorgungskassen üblich. Auch die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder kennt seit jeher entsprechende Änderungsvorbehalte.
Allerdings hat die Rechtsprechung zunächst hohe Anforderungen an die Bestimmtheit des Änderungsvorbehaltes gestellt (vgl. BGH Urteil vom 22. September 1971 – IV ZR 15/70 – VersR 1971, 1116, 1117; Urteil vom 14. Juni 1972 – IV ZR 62/71 – VersR 1972, 827, 828; Urteil vom 23. Februar 1977 – IV ZR 75/76 – AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL). Später hat der BGH – im Hinblick auf die Versorgung in Form einer Gruppenversicherung – in dem Rechtsverhältnis zwischen Versicherungsberechtigten und der Zusatzversorgungskasse einen einfachen Änderungsvorbehalt für ausreichend angesehen (BGH Urteil vom 16. März 1988 – IVa ZR 142/87 – AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu 2b der Gründe). Dem ist zuzustimmen, denn die Satzung enthält nichts anderes als die Umsetzung der Versorgungstarifverträge in die versicherungsrechtlichen Bestimmungen.
III. Die Satzungsänderungen verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
Die Beklagte wird vom Geltungsbereich des Gesetzes über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Lande Nordrhein-Westfalen (VKZVKG) vom 6. November 1984 erfaßt (§ 10 VKZVKG). In § 13 Abs. 1 Satz 2 VKZVKG ist ausdrücklich vorgesehen, daß die Satzung der jeweiligen Rechtslage, insbesondere an die Änderungen der Versorgungstarifverträge unverzüglich anzupassen ist. Die 13. Satzungsänderung hat in ihren §§ 33a und 103 die Vorschriften des VersTV-G umgesetzt. Gegen die Änderung des VersTV-G bestehen keine Bedenken. Durch den VersTV-G konnten die Versorgungsleistungen abgeschmolzen werden.
1. Im Verhältnis von zwei aufeinanderfolgenden Tarifverträgen gilt die sogenannte Zeitkollisionsregel. Die Tarifvertragsparteien können eine Tarifnorm sowohl zugunsten als auch zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer ändern. Dies entspricht ganz herrschender Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum (BAG Urteil vom 1. Juni 1970 – 3 AZR 166/69 – AP Nr. 143 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu II 3c der Gründe; BAGE 41, 163, 168 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, zu II 3 der Gründe; Urteil vom 28. November 1984 – 5 AZR 195/83 – AP Nr. 2 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu 1a, 3a der Gründe; Urteil vom 10. Oktober 1989 – 3 AZR 200/88 –, zu II 3a der Gründe, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 149). Ablösende Tarifverträge sind von den Gerichten nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz, gegen zwingendes Gesetzesrecht, gegen die guten Sitten oder gegen tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (BAGE 22, 252, 266 f. = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu B IV 3b der Gründe; 41, 163, 168 = AP, aaO; Urteil vom 28. November 1984 – 5 AZR 195/83 – AP, aaO, zu 3 der Gründe; Urteil vom 10. Oktober 1989 – 3 AZR 200/88 –, aaO, zu II 3a der Gründe).
2. Durch den 19. Änderungstarifvertrag wird nicht in unentziehbare Besitzstände oder sonstige eigentumsgleiche Rechte des Klägers eingegriffen. Die Zusatzversorgungsrente des Klägers war vor und nach dem 19. Änderungstarifvertrag gleich hoch. Dem Kläger wurde nichts weggenommen. Durch den 19. Änderungstarifvertrag ist allein für einen Teil der Versorgungsbezüge die im Jahre 1967 eingeführte Rentendynamik beseitigt worden. Diese Rentendynamik war nicht unantastbar. Aus § 18 Abs. 1 BetrAVG ergibt sich, daß im Versorgungsrecht des öffentlichen Dienstes § 16 BetrAVG, der eine Anpassungsprüfung für laufende Betriebsrenten vorsieht, nicht anzuwenden ist; die Renten brauchen nicht an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt zu werden.
3. Durch den 19. Änderungstarifvertrag ist der Kläger nicht in seinem verfassungsrechtlich geschützten Vertrauen in den Fortbestand seiner betrieblichen Altersversorgung enttäuscht worden. Das Vertrauen auf den Fortbestand und die Rechtssicherheit setzen der Rückwirkung von Gesetzen und Tarifverträgen Grenzen (vgl. BVerfGE 13, 261, 271; 15, 313, 324).
a) Ausgeschlossen ist eine echte Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann vor, wenn die Rechtsnormen nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen (vgl. BVerfGE 11, 139, 145 f., 14, 288 ff., 297). Der 19. Änderungstarifvertrag hat aber nicht in der Vergangenheit liegende Tatbestände anders geordnet, sondern für die Zukunft die Dynamisierung der Rente teilweise beseitigt.
b) Eine unechte Rückwirkung eines Tarifvertrages ist jedenfalls dann möglich, wenn die Normadressaten noch mit einer Änderung der Rechtsposition rechnen mußten (vgl. BVerfGE 8, 274, 304; 13, 261, 272; 19, 187, 196). Bei der Änderung der dynamisierten Gesamtversorgung im Jahre 1967 ergab sich für den durchschnittlichen Versorgungsfall bei der möglichen Höchstversorgung eine Nettoversorgung, die sich um etwa 90 % des letzten verfügbaren Nettoeinkommens bewegte. Wegen der Entwicklung der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und der Erhöhungen der Einkommenssteuer erreichten die Arbeitnehmer bei Versetzung in den Ruhestand das zuletzt verfügbare Einkommen und überschritten es, je nach den steuerlichen Verhältnissen. Die Tarifvertragsparteien haben daher bereits seit 1977 immer wieder versucht, die Höhe der Gesamtversorgung der Rentner und der Einkommen der aktiven Arbeitnehmer, die die Rente erwirtschaften müssen, in ein angemessenes Verhältnis zu bringen (vgl. Berger/Kiefer, Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, Stand: 1984, Einführung VI; Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Stand: Juni 1986, A Einl. S. 18c ff.). Die Arbeitnehmer mußten deshalb mit Änderungen rechnen. Sie konnten wegen der einem Generationenvertrag innewohnenden Sachgerechtigkeit nicht davon ausgehen, daß die Regelung der Gesamtversorgung auf Dauer unverändert bleiben würde.
4. Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, daß durch den 19. Änderungstarifvertrag die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verletzt worden seien.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird verletzt, wenn die vorgenommenen Normänderungen zur Erreichung des angestrebten Zieles ungeeignet und zur Erreichung des erstrebten Zweckes nicht erforderlich waren. Hiervon kann keine Rede sein.
Spätestens seit dem Jahre 1977 verhandelten die Tarifvertragsparteien über eine Korrektur der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, weil die Versorgung der Rentner in zahlreichen Fällen die letzten Einkommensbezüge überschritt. Um weiteren Fehlentwicklungen vorzubeugen, war es nicht nur erforderlich, sondern sinnvoll, auf Nettoversorgungsobergrenzen abzustellen, um dem Auseinanderklaffen der Nettobezüge aktiver Arbeitnehmer und Rentner zu begegnen. Soweit der Kläger sich darüber beschwert, nicht die Bezüge der Rentner seien zu hoch, sondern die Abgabelasten der Aktiven seien zu hoch, mag er sich vergegenwärtigen, daß die Soziallasten erwirtschaftet werden müssen. Die Durchführung der Reduktion der Rentnerbezüge berücksichtigt durchaus deren Interessen, weil die Bezüge nicht gemindert werden, sondern allein die Rentendynamik teilweise abgeschmolzen wird und das zu erreichende Ziel in einer langen Übergangsperiode angestrebt wird.
5. Der Kläger hat nichts dafür dargelegt, daß er von Rentenkürzungen ausgenommen werden müsse. Er hat zwar in allen Instanzen betont, daß er nach seiner Rentenbiographie nicht überversorgt sei. Hierauf kommt es nicht an. Der Kläger hat aber nicht dargelegt, daß er zu einer Arbeitnehmergruppe gehört hat, die eine Sonderbehandlung hätte erfahren müssen, weil der Zweck der Tarifvertragsänderung der Einbeziehung in die Regelung entgegenstehe.
IV. Der Kläger wendet sich mit seinem Hilfsantrag zu Unrecht gegen die Regelungen über Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitseinkommens.
1. Die Berechnung des fiktiven Nettoeinkommens ist in § 23 VersTV-G im einzelnen geregelt. Der Kläger hat nicht dargelegt, daß von dieser Regelung zu seinen Ungunsten abgewichen worden ist.
2. Seine Angriffe gegen die Regelung sind ungerechtfertigt. Es mag sein, daß er als Schwerbehinderter Steuervergünstigungen genießt, durch seine Mitgliedschaft bei der Krankenfürsorge der Stadt Köln Vergünstigungen erhält und daß ältere Arbeitnehmer nicht mehr zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig sind. Hierum geht es nicht. Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Nettoversorgungsregelungen ist allein, eine gleich hohe Versorgung für alle vergleichbaren Versorgungsberechtigten zu erzielen und den nach der Ausgangsversorgung des Jahres 1967 bestehenden Abstand zwischen den Versorgungsbezügen und den Bezügen der noch aktiven Arbeitnehmer zu erreichen. Dies ist sachgemäß und angemessen.
Eine solche Regelung verstößt auch nicht gegen das Schwerbehindertengesetz. Nach § 45 SchwbG dürfen bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und der Dienstbezüge aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen der Behinderung bezogen werden, nicht berücksichtigt werden. Im Tarifvertrag ist keine Anrechnung der Versorgungsrente auf die Betriebsrenten vorgesehen; Schwerbehinderte werden nicht anders behandelt als die übrigen Arbeitnehmer. Außerdem ist die Zusatzversorgungsrente kein Arbeitsentgelt aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis.
Unterschriften
Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Dr. Hoppe, Zilius
Fundstellen
Haufe-Index 841008 |
BAGE, 327 |
RdA 1990, 315 |
AP, 0 |