Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 24.5.1989, 2 AZR 285/88.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.04.1988; Aktenzeichen 11 (16) Sa 1364/87) |
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 12.08.1987; Aktenzeichen 5 Ca 586/87) |
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.
Die 36 Jahre alte Klägerin, Apothekerin und Ärztin, war seit dem 1. Oktober 1986 auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages vom 15. August 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Die Probezeit war auf drei Monate verkürzt. Das monatliche Bruttogehalt der Klägerin betrug zuletzt 6.500,-- DM.
Die Beklagte ist die deutsche Tochter des international tätigen englischen Pharmakonzerns B. In ihrer Hauptverwaltung in N beschäftigt sie ca. 210 Mitarbeiter, davon 48 in der von Herrn Dr. G geleiteten Forschungsabteilung.
Die Klägerin war Mitarbeiterin der als Phase 1 bezeichneten Human-Pharmakologie, einer Unterabteilung der Forschungsabteilung, in der neue Medikamente erstmalig an Menschen erprobt werden. Für diese Ersterprobung werden ausschließlich gesunde Probanden eingesetzt. Die Phase 1 hatte 16 Mitarbeiter, von denen neben der Klägerin noch zwei weitere Ärzte waren. Der Klägerin war zudem die Leitung des Labors übertragen. Eine weitere Unterabteilung der Forschungsabteilung ist die Phase 2, in der neue Medikamente erstmals an erkrankten Testpersonen erprobt werden. In dieser von einem Diplom-Psychologen geleiteten Abteilung sind zwei Ärzte beschäftigt, einer vollzeitlich, eine Ärztin teilzeitbeschäftigt.
Eine bei der englischen Muttergesellschaft der Beklagten tätige Projektgruppe entdeckte bei ihren Forschungen eine - später mit der Arbeitsbezeichnung BRL 43694 versehene - Substanz, die geeignet ist, Erbrechen zu unterdrücken. Die ersten Forschungsergebnisse wurden 1985 in einem englischsprachigen Decision A Document festgehalten. Darin heißt es u. a. (ins Deutsche übersetzt):
"Falls sich die Strahlenkrankheit, hervorgerufen
entweder bei der Strahlenbehandlung des Krebses
oder als mögliche Folge eines Nuklearkrieges,
durch einen 5-HT Rezeptor Antagonisten
als behandelbar oder verhütbar erwei-
sen sollte, würde das Marktpotential für solch
eine Substanz signifikant erhöht werden."
Im November 1985 entschied das Forschungsmanagement, die Substanz weiterzuentwickeln. Die entsprechenden, in Großbritannien durchgeführten Versuche schlossen im Dezember 1986 mit positivem Ergebnis ab. Ende März 1987 wurde bei der Muttergesellschaft der Beklagten beschlossen, einen Teil der weiteren Forschungsarbeiten auf die Beklagte zu übertragen. Nachdem Herr Dr. G hierüber mit Schreiben vom 25. März 1987 unterrichtet worden war, entschied er, die Arbeiten sollten von der Klägerin unter Supervision von Herrn Dr. R durchgeführt werden.
Am 9. April 1987 fuhren Herr Dr. G, die Klägerin und Herr Dr. E, der die Substanz in der Phase 2 betreuen sollte, nach England, um das Projekt mit dem dortigen Bearbeiter von BRL 43694, Herrn Dr. Ra, abzustimmen. In seinem von dieser Besprechung gefertigten Protokoll notierte Herr Dr. G eine Äußerung Dr. Ra, der militärische Bereich stelle für eine den Brechreiz unterdrückende Substanz einen "huge market" dar. Kopien des Protokolls gab Herr Dr. G an die Klägerin sowie an Herrn Dr. R weiter.
Am 22. April 1987 erklärten die drei Ärzte der Phase 1 erstmals gegenüber der Beklagten, sie könnten aus medizinisch-ethischen Gründen die Substanz BRL 43694 nicht betreuen. Die Entwicklung diene in erster Linie militärischen Zwecken. Die Substanz sei geeignet, Symptome atomarer Verstrahlung kurzfristig zu unterdrücken und dadurch den weiteren Einsatz von Soldaten zu gewährleisten.
Die Weigerung der Ärzte führte zu einer Reihe von Gesprächen, deren Inhalt zwischen den Parteien zum Teil streitig ist. Einigkeit besteht darüber, daß die Beklagte versuchte, die Ärzte von ihrer Haltung abzubringen, indem sie die zivile Intention des Projektes BRL 43694 hervorhob, andererseits für den Fall der endgültigen Verweigerung der Mitarbeit aber die Kündigung der Arbeitsverhältnisse in Aussicht stellte.
Am 28. April 1987 reiste der stellvertretende Leiter der Forschungsabteilung bei der englischen Muttergesellschaft zum Zwecke der Erörterung des Problems aus Großbritannien an. Am 30. April 1987 fanden jeweils Einzelgespräche der Ärzte mit dem Personalleiter der Beklagten, Herrn P, statt. Am 7. Mai 1987 wurde Herr Dr. R über die endgültige Entscheidung der Beklagten unterrichtet, die Arbeiten an BRL 43694 in N auszuführen.
Am 11. Mai 1987 fand in Gegenwart des Betriebsratsvorsitzenden, Herrn B, eine weitere Unterredung zwischen den Herren P und Dr. G einerseits und der Klägerin andererseits statt. Im Verlaufe des Gesprächs wurde der Klägerin ein Schreiben überreicht, in dem die Beklagte erklärte, Intention der Entwicklung der Substanz BRL 43694 sei die Emesis bei Chemotherapie als primäre Indikation. Zweckbestimmung sei nicht der militärische Einsatz im Fall eines Nuklearkrieges. Eine von der Klägerin und von Herrn Dr. R geforderte weitergehende Erklärung, in der die Beklagte sich verpflichten sollte, jegliche militärische Nutzung der Substanz auszuschließen, lehnte diese in einem weiteren Gespräch am 13. Mai 1987 ab.
Am darauffolgenden Tag wurden die beiden Ärzte, die zuvor erklärt hatten, mit einer einvernehmlichen Lösung ihrer Arbeitsverhältnisse nicht einverstanden zu sein, abermals aufgefordert, die Arbeiten an dem streitigen Projekt aufzunehmen. Für den Fall der Weigerung wurde erneut die Kündigung angedroht.
Am 15. Mai 1987 erklärten die Klägerin und Herr Dr. R, am Projekt BRL 43694 endgültig nicht mitarbeiten zu wollen. Daraufhin wurde mit Schreiben vom gleichen Tag der Betriebsrat von den beabsichtigten ordentlichen Kündigungen unterrichtet. Er widersprach den Kündigungen mit Schreiben vom 19. Mai 1987. Noch am gleichen Tag wurde die ordentliche Kündigung der Klägerin zum 30. Juni 1987 ausgesprochen und ihr zugestellt, wobei sie gleichzeitig unter Fortzahlung ihrer Bezüge beurlaubt wurde.
Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Sie habe zwar die Mitarbeit an der Weiterentwicklung des Medikamentes BRL 43694 verweigert. Dies könne ihr aber nicht als Vertragsverletzung vorgeworfen werden, da sie aus Gewissensgründen gehandelt habe. Sie sei als Ärztin an den hippokratischen Eid gebunden. Die Mitarbeit an der Erforschung der Substanz BRL 43694 sei daher nicht nur mit ihrem Gewissen, sondern auch mit ärztlichem Standesrecht unvereinbar.
Die Erforschung der Substanz sei maßgeblich auch auf ihren Einsatz im Falle eines Nuklearkrieges gerichtet. Noch vor Erscheinen des Decision A Documents habe es Kontakte zwischen der englischen Muttergesellschaft der Beklagten und der NATO gegeben. Die NATO sei an der Entwicklung des Medikaments interessiert gewesen. Die militärische Intention der Entwicklung ergebe sich auch aus der Art der bisher durchgeführten Versuche, denn es seien Versuchstiere einer nuklearen Ganzkörperbestrahlung ausgesetzt worden, wie sie in der Strahlentherapie äußerst selten, als Folge einer nuklearen Auseinandersetzung aber typischerweise, zu erwarten sei.
Es werde von ihr nicht verkannt, daß die Substanz BRL 43694 auch außerhalb des militärischen Bereichs Anwendung finden solle. Bei der weisungsgemäßen Erforschung von Wirkungen der Substanz im menschlichen Körper, hinsichtlich von Nebenwirkungen sowie bei Fragen der Dosierung hätte sie davon ausgehen müssen, daß ihre Forschungsergebnisse auch bei der geschilderten militärischen Verwendung ihren Niederschlag gefunden hätten.
Die Mitarbeit an der Erforschung einer solchen Substanz bedeute für sie die Teilnahme an der Vorbereitung eines Atomkrieges. Das lasse ihr Gewissen nicht zu.
Sie könne die Bearbeitung der Substanz auch deshalb nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, weil ihre Anwendung auch dem Zweck diene, die Kampffähigkeit der Soldaten aufrechtzuerhalten. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihr eine Arbeit zuzuweisen, die sie in Gewissensnöte gebracht hätte.
Bereits bei ihrer Einstellung habe sie in einem längeren Gespräch mit Herrn Dr. G die Befürchtung geäußert, bei der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeitenden Beklagten zu Arbeiten herangezogen zu werden, die sie in Konflikt mit der ärztlichen Ethik und damit mit ihrem Gewissen bringen könnten. Herr Dr. G habe ihr versichert, sie werde keinesfalls Arbeiten ausführen müssen, die sie mit ihrem Gewissen in Konflikt brächten. Aufgrund dieser Zusage sei der spätere Konflikt für sie nicht vorhersehbar gewesen.
Die Beklagte habe ihr keine andere Arbeit übertragen. Dies wäre möglich gewesen, denn bei der Beklagten würden auch andere Substanzen bearbeitet. Sie selbst habe sich stets bereiterklärt, sämtliche andere Substanzen, die die Phase 1 durchliefen, zu bearbeiten.
Es sei auch möglich gewesen, sie in verstärktem Maße mit der Laborleitung zu beschäftigen, für die sie ohnehin bereits zuständig gewesen sei. Darüber hinaus gebe es im Betrieb der Beklagten eine medizinisch-wissenschaftliche Abteilung, die wissenschaftliche Informationen entwickelter Medikamente für Ärzte erarbeite und Beipackzettel für Medikamente umfasse. Dort sei im Kündigungszeitpunkt ein Arbeitsplatz frei gewesen.
Die Klägerin macht weiter geltend, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Das Anhörungsschreiben vom 15. Mai 1987 enthalte unrichtige Angaben. Sie habe ihre Bedenken bezüglich der Substanz nicht, wie dort behauptet, durch die Zusicherung der Beklagten vom 11. Mai 1987 als ausgeräumt erklärt. Ebensowenig sei sie zu irgendeinem Zeitpunkt mit der einvernehmlichen Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses einverstanden gewesen. Schließlich fehle es auch an der in dem Anhörungsschreiben behaupteten Dringlichkeit des Projektes BRL 43694.
Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung - beantragt
festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis
durch die Kündigung der Beklagten vom
19. Mai 1987 nicht aufgelöst worden sei,
sondern über den 30. Juni 1987 hinaus
fortbestehe.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis nach § 9 KSchG aufzulösen.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Das Forschungsziel sei die Entwicklung eines Medikamentes gewesen, das primär in der Krebstherapie von Nutzen sei, indem es eine unangenehme Nebenwirkung dieser Behandlung unterdrücke. Zweckbestimmung der Entwicklung sei nicht der militärische Einsatz im Falle eines nuklearen Krieges. Sie sei nie an militärische Stellen herangetreten und es gebe auch keine Vereinbarungen mit solchen Stellen über die Nutzung der Substanz. Die Ausführungen in dem Decision A Document und diejenigen des Dr. Ra, die den gegenteiligen Eindruck erwecken könnten, seien in der Sache nicht richtig. Zumindest entsprächen sie nicht der offiziellen Firmenstrategie.
Sie habe eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin sorgfältig geprüft. Eine solche habe nicht bestanden. Wegen der organisatorischen Abläufe und Zusammenhänge habe der Klägerin keine andere Substanz zur Bearbeitung zugewiesen werden können. Der Entwicklung der Substanz BRL 43694 sei Anfang 1987 höchste Priorität eingeräumt worden. Daher sei die Phase 1 vom November 1987 bis April 1988 unter Zurückstellung anderer Arbeiten fast ausschließlich mit diesem Projekt beschäftigt gewesen. Eine Freistellung der Klägerin von der Arbeit an der Substanz sei auch schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil alle drei Ärzte der Phase 1 die Betreuung von BRL 43694 abgelehnt hätten. Herr Dr. E sei mit dem Abschluß eines großen Projekts beschäftigt gewesen. Frau Dr. H komme, da nur teilzeitbeschäftigt, für die Bearbeitung nicht in Frage. Die Klägerin habe auch nicht mit der Leitung des Labors ausgelastet werden können, da diese Tätigkeit nur 20 % ihrer Arbeitszeit ausfülle. Im übrigen wären auch im Labor Arbeiten im Zusammenhang mit dem Projekt BRL 43694 auszuführen gewesen.
Eine Beschäftigung außerhalb der Human-Pharmakologie habe die Klägerin in der Besprechung vom 13. Mai 1987 anläßlich der hypothetischen Erörterung dieses Themas selbst ausgeschlossen. Es habe dort auch kein freier Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden.
Hinsichtlich der Anhörung des Betriebsrates hat die Beklagte geltend gemacht, dieser sei bereits vor Einleitung des eigentlichen betriebsverfassungsrechtlichen Kündigungsverfahrens voll eingeschaltet und informiert worden. Der Betriebsratsvorsitzende habe an entsprechenden Gesprächen und Verhandlungen persönlich teilgenommen, das Schreiben vom 15. Mai 1987 stelle nur den Abschluß des Anhörungsverfahrens dar. Der Betriebsrat sei insbesondere durch die Teilnahme seines Vorsitzenden an der Besprechung vom 11. Mai 1987 ausreichend informiert worden. Dort sei die gesamte Problematik erörtert worden. Darüber hinaus bestehe die betriebliche Praxis, daß der Betriebsrat vor seiner Stellungnahme von sich aus rückfrage, wenn noch Fragen offen seien.
Ihren vorsorglich gestellten Auflösungsantrag hat die Beklagte damit begründet, es bestehe der Verdacht, die Klägerin habe betriebsinterne Dokumente an Presseorgane weitergegeben. Ab Anfang Juni 1987 seien über die streitgegenständliche Kündigung und die Substanz BRL 43694 eine Reihe von Presseveröffentlichungen erschienen. Diese Dokumente seien nur den unmittelbar an dem Projekt Beteiligten bekannt gewesen. Die Klägerin habe darüber hinaus an dem 7. medizinischen Kongreß zur Verhinderung eines Atomkrieges, der vom 6. bis 8. November 1987 stattgefunden habe, als Redner zum Thema "Medizinische Kriegsforschung in der BRD" teilgenommen. Dort habe sie Firmeninterna der Beklagten im einzelnen dargestellt.
Die Klägerin hat beantragt, den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen. Sie hat den entsprechenden Vortrag der Beklagten bestritten.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil die Berufung der Klägerin gegen das die Kündigungsschutzklage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Sie hat zur Bestätigung ihrer Rechtsauffassung ein Gutachten von Professor Dr. Denninger vorgelegt (im folgenden: Gutachten Denninger). Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision, hilfsweise um Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 KSchG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung für sozial gerechtfertigt erachtet und im wesentlichen dazu ausgeführt, die Klägerin habe grundlos die ihr übertragene Arbeit verweigert. Ein rechtlich relevanter Gewissenskonflikt der Klägerin sei nicht feststellbar. Für die Anerkennung einer Gewissensentscheidung reiche nicht jede innere Belastung aus, vielmehr müsse der Gewissenszwang einen gewissen Mindestrang erreichen. Bei der Beurteilung der rechtlichen Relevanz eines Gewissenskonfliktes komme es auf die Sicht eines außenstehenden Dritten an. Nur wenn nach allgemeiner Ansicht die Verrichtung der Arbeit den Betroffenen in einen unzumutbaren Gewissenskonflikt bringe, verstoße der Arbeitgeber durch das dahingehende Verlangen gegen Treu und Glauben. Die Erwägung der Klägerin, der Einsatz der streitigen Substanz könne die Gefahr eines nuklearen Krieges erhöhen, sei aus der Sicht eines außenstehenden Dritten nicht ganz nachvollziehbar. Ein Medikament, das nach einer nuklearen Verstrahlung lediglich ein Symptom unterdrücke, sei kaum geeignet, Überlegungen im Hinblick auf die Führung eines nuklearen Konflikts zu fördern.
Die Klägerin hätte sich auch auf eine Konfliktsituation der vorliegenden Art einstellen müssen. Bei einem Unternehmen, das Arzneimittel erforsche und produziere, müsse immer damit gerechnet werden, die Forschungsergebnisse und Medikamente würden auch im militärischen Bereich genutzt werden.
Ob der Klägerin eine andere Arbeit hätte zugewiesen werden können, sei rechtlich unerheblich. Diese Frage stelle sich nur bei rechtlicher Relevanz der Gewissensentscheidung. Wäre bei jeder noch so schwach begründeten Gewissensnot die Prüfung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit erforderlich, könnte dies zu einer Fülle von Konfliktfällen führen, wenn Arbeitnehmer durch Berufung auf eine Gewissensentscheidung versuchten, von einer unliebsamen Arbeit entbunden zu werden.
B. Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts kann weder im Ergebnis noch in der Begründung gefolgt werden.
I. Nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen war die Klägerin bei zutreffender rechtlicher Würdigung durch einen in ihrer Person liegenden Grund gehindert, die ihr von der Beklagten zugewiesene Arbeit zu verrichten. Die Kündigung der Beklagten ist daher nur dann nicht sozialwidrig, wenn eine andere Beschäftigungsmöglichkeit nicht bestand, was vom Landesarbeitsgericht nicht überprüft worden ist.
1. Die Weigerung eines Arbeitnehmers, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, ist, nach entsprechender Abmahnung, an sich regelmäßig geeignet, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen (BAGE 47, 363, 371 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 250).
Der bisher festgestellte Sachverhalt trägt aber nicht die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei nach Aufforderung durch die Beklagte zur Mitarbeit an dem Projekt BRL 43694 nach der objektiven Rechtslage verpflichtet gewesen.
a) Zwar gehörte die Mitarbeit an diesem Projekt zu den Aufgaben der Klägerin. Werden die Leistungspflichten eines Arbeitnehmers in einem Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben, wie dies vorliegend der Fall war, so ist der Arbeitnehmer regelmäßig verpflichtet, den sich innerhalb dieses Rahmens haltenden Weisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergab sich jedoch eine Einschränkung des Direktionsrechts der Beklagten aus § 315 BGB in Verb. mit Art. 4 GG, denn die Klägerin hat der Beklagten einen Gewissenskonflikt offenbart und unter Berufung darauf ihre Leistung im Rahmen des Projektes abgelehnt.
b) Aufgrund seines Weisungsrechtes kann der Arbeitgeber einseitig die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Leistung bestimmen. Das Weisungsrecht, das seine Grenzen in Vorschriften der Gesetze, des Kollektiv- und des Einzelarbeitsvertragsrechts findet, darf gemäß § 315 Abs. 1 BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden (BAGE 33, 71 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Die in § 315 BGB geforderte Billigkeit wird inhaltlich auch durch das Grundrecht der Gewissensfreiheit bestimmt (BAGE 47, 363, 375 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 8. Aufl., S. 33, insbesondere Fußn. 32; derselbe, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis, 1966, S. 134). Eine solche vom Arbeitgeber zu berücksichtigende Gewissensentscheidung hatte die Klägerin der Beklagten mitgeteilt.
Es ist daher nicht entscheidend, ob im Falle einer auf eine Gewissensentscheidung gestützten persönlichen Leistungsverhinderung eine nach den Unmöglichkeitsregeln abzuwickelnde Leistungsstörung vorliegt (so Kohte, NZA 1989, 161), da der offenbarte beachtliche Gewissenskonflikt vom Arbeitgeber bereits vorrangig im Rahmen der Leistungsbestimmung des Arbeitnehmers zu beachten ist. Kollidiert das Recht des Arbeitgebers, im Rahmen seiner unternehmerischen Betätigungsfreiheit den Inhalt der Arbeitsvertragsverpflichtung des Arbeitnehmers anhand dessen Arbeitsvertrages zu konkretisieren mit der nach Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Gewissensbetätigung des Arbeitnehmers, so ist diese Spannungslage nach § 315 BGB unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles aufzulösen, und zwar aufgrund einer wertenden Abwägung der Umstände des Einzelfalles (so zutreffend Gutachten Denninger, S. 50, 51). Allein abzustellen auf die durch die Gewissensbetätigung mitgeteilte Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers mit der Folge einer absoluten Unmöglichkeit, könnte bei besonderen Fallkonstellationen dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Konflikt nicht gerecht werden, insbesondere wenn es sich um Übergangsarbeiten handelt, die aufgrund der konkreten Sachlage dringend geboten sind.
2. Das Landesarbeitsgericht hat vorliegend schon den Begriff der Gewissensentscheidung verkannt.
a) Der Senat ist bereits in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1984 (BAGE 47, 363, 376 = AP, aa0) von einem subjektiven Gewissensbegriff ausgegangen. Er hat dazu ausgeführt, Gewissen i. S. des allgemeinen Sprachgebrauchs und des Art. 4 GG sei als ein real erfahrbares seelisches Phänomen zu verstehen, dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens seien. Als eine Gewissensentscheidung sei jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien von "Gut" und "Böse" orientierte Entscheidung anzusehen, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfahre, so daß er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könne (BVerfGE 12, 45, 54 f.). Das Gewissen könne durch äußere Einflüsse geweckt und veranlaßt werden, zu einem bestimmten Ereignis Stellung zu beziehen und nach innerer Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Die von außen kommenden Anregungen könnten verschiedener Art sein. Sie könnten nicht bloß aus religiösen oder ethischen Vorstellungen kommen, vielmehr auch in gefühlsmäßigen Erwägungen, in weltanschaulichen Grundsätzen oder politischen Überzeugungen wurzeln.
b) Der Senat hält trotz anderer Auffassungen (vgl. Brox, Anm. zu AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu 2 b; Kraft, AcP 163 (1963), 472, 484; Kempff, AiB 1988, 256, 258; Kissel, NZA 1988, 145, 151; Brecher, Festschrift für Nipperdey, 1965, Bd. II, S. 29, 49; Reuter, BB 1986, 385, 389; Kaufmann, AcP 161 (1962), 289, 307) an seiner Entscheidung fest.
aa) In Übereinstimmung mit dem Senat vertreten sowohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 12, 45, 54 f.; 48, 127, 173; 69, 1, 23) als auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 7, 242, 246; 75, 188, 195; 79, 24, 27) in ständiger Rechtsprechung den subjektiven Gewissensbegriff. Dem ist die Literatur zum Teil gefolgt (Mayer, ArbuR 1985, 105, 108; derselbe, JZ 1985, 1111, 1112; Preuß, ArbuR 1986, 382, 383; Wendeling-Schröder, BB 1988, 1742, 1744; Kohte, NZA 1989, 161, 163; Gutachten Denninger, S. 9 ff., 24 ff.).
bb) Die Besorgnis, durch die Anwendung des subjektiven Gewissensbegriffes werde die Rechtsordnung gefährdet, ist nicht berechtigt. Wenn auch durch die Tatsache, daß es sich bei einer Gewissensentscheidung um einen rein inneren Vorgang handelt, die Überprüfbarkeit eingeschränkt wird (so bereits BVerfGE 12, 45, 55; BAGE 47, 363, 376) so sind die Gerichte keineswegs gezwungen, jede nur behauptete Gewissensentscheidung hinzunehmen. Der Arbeitnehmer muß seine Entscheidung im einzelnen darlegen und erläutern. Es muß hierbei erkennbar sein, daß es sich um eine nach außen tretende, rational mitteilbare und intersubjektiv nachvollziehbare Tiefe, Ernsthaftigkeit und absolute Verbindlichkeit einer Selbstbestimmung handelt (BVerwG Urteil vom 3. Februar 1988 - 6 C 3/86 - NVwZ 1989, 60; Gutachten Denninger, S. 15).
cc) Die Relevanz einer auf Tatsachen gestützten inneren Gewissensentscheidung unterliegt nicht der gerichtlichen Überprüfung. Ihre Bewertung anhand von Kriterien wie "irrig", "falsch" oder "richtig" wäre als verfassungwidrig anzusehen, woraus auch die Unzulässigkeit einer Qualifizierung als "beachtlich" oder "unbeachtlich" folgt (so zutreffend Gutachten Denninger, S. 15; BVerfGE 12, 45, 56).
dd) Ebenso geht es rechtlich nicht an, die Gewissensentscheidung nach objektiven Kriterien eingrenzen zu wollen. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der eine Gewissensentscheidung auslösende Gewissenszwang müsse einen "Mindestrang" erreichen, hat es selbst die Kriterien, nach denen dieser Rang ermittelt werden könnte und sollte, nicht mitgeteilt. Über die oben unter bb) aufgestellten Kriterien hinaus fehlt es nämlich schon an objektiven Kriterien, nach denen eine "Einheitsbewertung" erfolgen könnte (so zutreffend Kohte, aaO; Kempff, aaO, 258; Gutachten Denninger, S. 31 ff.).
ee) Ebenso kann die Gewichtigkeit der persönlichen Gewissensentscheidung nicht objektiviert und gemessen werden an der Ansicht "außenstehender Dritter" oder an einer angeblich "allgemeinen Ansicht". Hinge die Qualifizierung von einem "neutralen" Schiedsrichter ab, wäre der verfassungsrechtlich geschützte Gewissensbegriff entleert und einer Fremdbestimmung durch sich gerade nicht in Gewissensnot befindliche Beurteiler unterworfen (so zutreffend Gutachten Denninger, S. 33 ff.).
ff) Eine objektive Einschränkung der Gewissensentscheidung ist auch praktisch nicht notwendig, um zu einem interessengerechten Ausgleich zwischen Gewissensfreiheit einerseits und Vertragstreue andererseits zu gelangen.
Wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 20. Dezember 1984 (aa0, 375) und unter Ziff. B I 1 b weiter ausgeführt hat, ist das billige Ermessen im Sinne von § 315 BGB unter Abwägung der Interessenlage beider Vertragsparteien festzustellen, wobei es letztlich eine Frage des Einzelfalles ist, ob die Zuweisung einer Tätigkeit, die den Arbeitnehmer in Gewissenskonflikt bringt, nicht der Billigkeit des § 315 BGB entspricht und der Arbeitnehmer daher nicht verpflichtet ist, diese Tätigkeit auszuüben. Damit wird nicht die subjektive, auf objektiv vorliegende und insoweit vom Gericht überprüfbare Tatsachen gestützte Gewissensentscheidung einer richterlichen Kontrolle unterzogen. Es wird vielmehr im Rahmen einer Interessenabwägung nur geprüft, ob der Arbeitnehmer trotz eines in seiner Person liegenden Hinderungsgrundes die Arbeit überhaupt weiter zu verrichten oder wegen ganz besonderer Umstände kurzfristig zu erbringen hat. So ist es von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer schon bei Vertragsschluß damit rechnen mußte, daß ihm eine derartige Tätigkeit zugewiesen werden könnte (vgl. Krüger, RdA 1954, 365, 373; Söllner, aa0; Scheschonka, Arbeits- und Leistungsverweigerung aus Glaubens- und Gewissensnot, Dis. Hamburg 1972, S. 119).
Diese Begrenzung des Direktionsrechtes durch die berechtigte Berufung auf eine Gewissensnot führt auch nicht unter Einschränkung der unternehmerischen Freiheit hinsichtlich der Bestimmung der Produktion zu einer gesetzwidrigen Erweiterung des Bestandsschutzes und zu einer einseitigen Belastung des Arbeitgebers mit dem Beschäftigungsrisiko. Wenn Arbeitnehmer, deren Einsatzmöglichkeit durch eine von ihnen getroffene Gewissensentscheidung eingeschränkt ist, nicht im Rahmen der vereinbarten oder geänderten Arbeitsbedingungen anderweitig beschäftigt werden können, ist an sich ein in ihrer Person liegender Grund gegeben, der jedenfalls nach § 1 Abs. 2 KSchG eine ordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Wenn ein anderer Einsatz nicht möglich ist, gerät der Arbeitgeber auch nicht nach § 615 BGB in Annahmeverzug.
gg) Die vom Senat für die streitentscheidende Interessenabwägung bezeichneten Kriterien (Vorhersehbarkeit, aktuelle betriebliche Erfordernisse und Wiederholungswahrscheinlichkeit) haben teilweise beachtliche Zustimmung gefunden (ausdrücklich alle drei Kriterien erwähnend: Brox, Anm. 1 zu AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu 2; Preuß, ArbuR 1986, 382, 383 f.; vgl. auch Blomeyer, JZ 1954, 309, 311; Söllner, aa0; Mayer, JZ 1985, aa0, Kohte, aa0, 167; Bosch/Habscheid, JZ 1954, 213, 215; Diederichsen, Festschrift für Michaelis, 1972, S. 36, 40; Mayer-Maly, Arbeitsleben und Rechtspflege, Festschrift für Gerhard Müller, 1981, S. 325, 331; Krüger, RdA 1954, 365, 373; Gläser, Der Einfluß der Glaubens- und Gewissensfreiheit und der Meinungsfreiheit auf das Arbeitsverhältnis, Diss. Göttingen, 1972, S. 118). Dem Merkmal der Vorhersehbarkeit dürfte dabei keine absolute Bedeutung beizumessen sein (vgl. Mayer-Maly, aa0, S. 331; a.A. Diederichsen, aa0; Maunz/ Dürig, GG, Stand November 1988, Art. 4 Rz 147), noch ist sie irrelevant (Brox, aa0; Blomeyer, aa0; Kohte, aa0, 168; wohl auch Kaufmann, aa0, S. 305), was vorliegend jedoch aus tatsächlichen Gründen keiner abschließenden Entscheidung bedarf. Würde einer Gewissensentscheidung bei vorhersehbarem Konflikt überhaupt keine Bedeutung beigemessen, so bliebe unberücksichtigt, daß ein Arbeitnehmer die Arbeit, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, im Laufe der Zeit aufgrund zusätzlicher Erkenntnisse als gewissensbelastend empfinden kann. Es besteht auch kein Anlaß, auf greifbare betriebliche Beeinträchtigungen, die unabhängig von der dogmatischen Einordnung für jede Kündigung erforderlich sind (Weller, Das Arbeitsrecht der Gegenwart, 1982, S. 77, 80; Otto, Anm. zu EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 10; Herschel, Festschrift für Schnorr von Carolsfeld, 1972, S. 157, 171), hier zu verzichten.
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze hätte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, die Klägerin habe eine rechtlich-relevante Gewissensentscheidung getroffen.
a) Das angefochtene Urteil geht selbst davon aus, die Klägerin habe die Arbeiten aus Gewissensgründen abgelehnt. Da sich die danach vom Berufungsgericht formulierten objektiven Anforderungen an eine Gewissensentscheidung als unzutreffend erweisen, hat die Entscheidung insoweit keinen Bestand.
b) Die Klägerin hat ihre Gewissensentscheidung auch durch Tatsachen überprüfbar dargelegt. Ein Mittel, das die Symptome der Strahlenkrankheit zeitweise unterdrücken kann, ist ihrer Meinung nach geeignet, die Einschätzung hinsichtlich der Führbarkeit eines Atomkrieges positiv zu beeinflussen. Die Klägerin hat auch nicht die Entwicklung sämtlicher Medikamente abgelehnt, die auch im Kriegsfall an Soldaten verabreicht werden könnten. Die streitige Substanz bekämpft vielmehr eine Indikation, die bei einer nuklearen Auseinandersetzung mit Sicherheit massenweise auftreten würde.
c) Auf die Motivation der Beklagten bei der Entwicklung der Substanz kommt es nicht an. Die Klägerin hat nämlich klargestellt, nicht die Zweckbestimmung, sondern die objektive Verwertbarkeit des Medikamentes im Kriegsfall löse ihren Gewissenskonflikt aus. Diese objektive Verwertbarkeit ist zwischen den Parteien aber unstreitig.
d) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war der vorliegende Gewissenskonflikt für die Klägerin nicht vorhersehbar.
Die Klägerin mußte zwar in einem Pharmakonzern mit einer Beteiligung an der Entwicklung von Medikamenten rechnen, die im Kriegsfall auch an Soldaten verabreicht werden. Hierin liegt aber, wie bereits dargelegt, nicht ihr Gewissenskonflikt. Die Klägerin hat ihre Mitarbeit an der Substanz BRL 43694 vielmehr deshalb verweigert, weil die Substanz eine Indikation bekämpft, die gerade im Falle atomarer Verstrahlung massenhaft vorkommen würde.
Im übrigen ist das Berufungsgericht auch insoweit von den vom Senat aufgestellten und weiterhin für richtig gehaltenen Grundsätzen abgewichen, als es die an die Voraussehbarkeit zu stellenden Anforderungen abgeschwächt hat. Während der Senat im Urteil vom 20. Dezember 1984 (BAGE 47, 363 = AP, aa0) darauf abgestellt hat, ob der Arbeitnehmer damit rechnen mußte, daß die nach dem Arbeitsvertrag und den bestehenden betrieblichen Verhältnissen zu erwartenden Aufgaben ihn in einen Gewissenskonflikt bringen könnten, hat sich das Landesarbeitsgericht mit der Prognose begnügt, ob ein derartiger Konflikt von vornherein "nicht auszuschließen" gewesen sei.
e) Soweit das Landesarbeitsgericht einen hinreichenden Gewissenskonflikt auch im Hinblick auf den angeblich geringen Anteil der Klägerin an dem Gesamtforschungsvorhaben, weiter infolge der fehlenden Nähe zu denjenigen verneint hat, die über die Anwendung des fertigen Produkts entscheiden, hat es den von ihm festgestellten Sachverhalt unzutreffend gewertet. Die Gewissensentscheidung der Klägerin wurde vorliegend nicht ausgelöst durch eine von der Klägerin nur eingebildete, entfernt liegende Art der Verwendungsmöglichkeit des Produkts oder wegen einer auf den Tatsachen nicht spezifisch folgenden Verwendungsmöglichkeit der Substanz. Die Klägerin konnte und mußte aufgrund firmeninterner Informationen vielmehr annehmen, die von ihr zu betreuende Substanz solle auch im Falle eines Nuklearkrieges zum Einsatz an verstrahlten Soldaten kommen, worin die Beklagte hierin einen für sie erschließbaren Markt sah.
f) Aus dem Inhalt der Gewissensentscheidung ergibt sich auch, daß die Beklagte mit weiteren vergleichbaren Konflikten nach Abschluß des Projektes BRL 43694 nicht rechnen mußte. Dabei kommt es auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin an. Aus denkbaren Gewissenskonflikten anderer Arbeitnehmer kann sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Grund für die Unerheblichkeit der Gewissensentscheidung der Klägerin und die Unwirksamkeit der Kündigung ergeben.
4. Entscheidungserheblich für die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung ist somit, ob die Beklagte außerstande war, die Klägerin anderweitig zu beschäftigen. Die Parteien haben insoweit substantiiert widersprechende Tatsachen vorgetragen, denen das Berufungsgericht, vorbehaltlich Ziff. 5, nachzugehen haben wird. Die Überprüfung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit bliebe nur dann außer Betracht, wenn die Klägerin, die dies bestreitet, von vornherein jegliche andere Art der Beschäftigung in der Human-Pharmakologie abgelehnt hätte.
5. Das Berufungsgericht wird zunächst zu überprüfen haben, ob die Kündigung nicht bereits gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist, weil die Beklagte dem Betriebsrat Tatsachen vorenthalten hat, die sie von vornherein subjektiv für wesentlich erachtete oder weil sie nunmehr gehindert ist, von ihr zunächst für unwesentlich erachtete Tatsachen hinsichtlich einer Verwendungsmöglichkeit im Prozeß nachzuschieben (vgl. BAGE 49, 39, 46 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972).
a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Hierbei darf er sich nicht auf Schlagworte beschränken. Die Tatsachen auf denen der Kündigungsentschluß beruht, sind substantiiert in einer Weise darzustellen, die es dem Betriebsrat ermöglicht, ohne weitere Erkundigungen dazu Stellung zu nehmen (BAGE 44, 249, 259 = AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972; Senatsurteil vom 5. Februar 1981 - 2 AZR 1135/78 - AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW, zu II 2 der Gründe; KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 62). Der Arbeitgeber muß jedoch nur die Tatsachen mitteilen, die seinen Kündigungsentschluß tragen. Dabei ist es unerheblich, ob die mitgeteilten Gründe objektiv vollständig und zutreffend sind und die Kündigung rechtfertigen (BAGE 31, 1, 7 = AP Nr. 18 zu § 102 BetrVG 1972; BAGE 44, 249, 257 = AP, aa0; KR-Etzel, aa0, Rz 66). Kündigungsrelevante Tatsachen, die dem Betriebsrat bereits bekannt sind, brauchen anläßlich der Anhörung nicht erneut mitgeteilt zu werden (BAGE 44, 249, 259 = AP, aa0). Das Wissen seines Vorsitzenden muß sich der Betriebsrat gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 BetrVG anrechnen lassen (BAGE 49, 136, 143, 144 = AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 1 b und c, bb der Gründe, m.w.N.).
b) Das Anhörungsschreiben vom 15. Mai 1987 enthält zwar eine knappe, aber bereits aus sich heraus verständliche Darstellung derjenigen Umstände, die die Beklagte zur Kündigung veranlaßt haben. Auch der Inhalt des Antwortschreibens des Betriebsrates läßt erkennen, daß dieser über den Vorgang in ausreichendem Maße informiert war. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat dennoch nicht möglich.
In dem Schreiben fehlt ein Hinweis auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der Klägerin in einem anderen Bereich. Es ist entsprechend dem Vortrag der Parteien aufzuklären (§ 139 ZPO), ob der Betriebsrat hierüber informiert war, denn die Beklagte behauptet, das Schreiben vom 15. Mai 1987 stelle nur den Abschluß eingehender Erörterungen mit dem Betriebsratsvorsitzenden dar, oder ob die Beklagte durch das Weglassen des Hinweises auf eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit dem Betriebsrat hinreichend deutlich gemacht hat, eine solche bestehe objektiv oder nach ihrer Einschätzung nicht. Ob dieser Vortrag dann ausreichend wäre, hängt auch davon ab, wie substantiiert die Klägerin sich in den vorangegangenen Gesprächen mit der Frage einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit befaßt hat. Auch insoweit bedarf es einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes.
Darüberhinaus macht die Klägerin geltend, der Betriebsrat sei nicht nur unvollständig, sondern sogar falsch informiert worden. Es sei nämlich unrichtig, daß sie ihre Bedenken durch die Zusicherung der Beklagten vom 11. Mai 1987 als ausgeräumt erklärt habe oder daß sie zu irgendeinem Zeitpunkt mit der einverständlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden gewesen sei.
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Dr. Bobke Dr. Harder
Fundstellen