Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Status einer Musikschullehrerin
Leitsatz (redaktionell)
vgl. – 5 AZR 384/91 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen
Normenkette
BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 07.05.1991; Aktenzeichen 13 (14) Sa 1074/90) |
ArbG Emden (Urteil vom 23.05.1990; Aktenzeichen 2 Ca 106/90) |
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. Mai 1991 – 13 (14) Sa 1074/90 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Klägerin ist seit 1978 in der Musikschule des beklagten Landkreises als Musikschullehrerin tätig. In dem von beiden Parteien unterschriebenen „Beschäftigungsauftrag” vom 17. September 1985 heißt es u.a,:
„§ 1
- … wird verpflichtet, … Musikunterricht zu erteilen.
- Die wöchentliche Unterrichtszeit wird im Einvernehmen mit dem Schulleiter bis zu 14 Stunden festgesetzt.
§ 2
- Ein Beschäftigungsverhältnis zum Landkreis L. wird durch diesen Auftrag nicht begründet. Tarifliche Vorschriften und die Bestimmungen der §§ 616–622 BGB finden auf den Beschäftigungsauftrag keine Anwendung.
- Die allgemeinen Rechte und Pflichten aus diesem Auftrag ergeben sich aus den Bestimmungen der §§ 611–614 BGB.
§ 5
Im Falle ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit wird die Vergütung für einen Zeitraum von höchstens 42 Kalendertagen weitergewährt.
§ 6
Für den Steuerabzug und die Beitragsleistungen zur Sozialversicherung gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
§ 7
Die Kreisverwaltung kann den Auftrag mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsschluß widerrufen, der Auftragnehmer mit der gleichen Frist seine Entlassung hieraus beantragen.
§ 8
Änderungen, Kündigungen und Ergänzungen dieses Beschäftigungsauftrages bedürfen der Schriftform. Sonstige Vereinbarungen wurden nicht getroffen.”
Die Bezahlung erfolgte nach Jahreswochenstunden.
Der Beklagte führte für die Klägerin und die übrigen aufgrund von Beschäftigungsaufträgen tätigen Mitarbeiter bis Ende 1989 Lohnsteuer und – bei entsprechender Vergütungshöhe – Sozialversicherungsbeiträge ab; ein Teil der Mitarbeiter erhielt auch vermögenswirksame Leistungen.
Mit Schreiben vom 23. Januar 1990 sprach der Beklagte den „Widerruf” des bestehenden „Beschäftigungsauftrages” zum 28. Februar 1990 aus und bot zugleich den Abschluß eines Dienstvertrages ab 1. März 1990 an. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt der Wirksamkeit der Vertragsänderung an. Nach § 1 Satz 1 des Dienstvertrages wird die Klägerin „als nebenamtliche Musikschullehrer(in) (Honorarkraft) im Rahmen des jeweiligen Stundenplanes bis zu 12 Unterrichtsstunden … eingesetzt”. Weiter heißt es in dem Dienstvertrag:
…
Die Angaben im Arbeitsplan über Fach, Ort und Zeit des Kurses gelten ergänzend.
§ 2
Die Tätigkeit wird in wirtschaftlicher und persönlicher Selbständigkeit und Unabhängigkeit ausgeübt. Ein Arbeitsverhältnis wird durch diese Vereinbarung nicht begründet.
§ 3
…
Die Honorarkraft verpflichtet sich, das Honorar den geltenden Bestimmungen entsprechend zu versteuern. Sie wird darauf hingewiesen, daß für diese freiberufliche Tätigkeit Versicherungspflicht (Rentenversicherung der Angestellten und gesetzliche Krankenversicherung) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz besteht …
§ 4
Die Honorarkraft verpflichtet sich, an Konferenzen und eventuellen Vorspielnachmittagen und Konzerten teilzunehmen, soweit der Leiter der Musikschule die Teilnahme für erforderlich hält. Nimmt sie in einem Schuljahr an mehr als 3 Konzerten oder Vorspielnachmittagen teil, wird für die Teilnahme an jeder weiteren Veranstaltung ein Honorar entsprechend § 3 gezahlt.
§ 8
Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.
Unter dem 1. März 1990 erließ der Oberkreisdirektor des Beklagten eine „Dienstanweisung für die nebenamtlichen Lehrkräfte der Musikschule”, die auszugsweise wie folgt lautet:
„1. Allgemeines
1.1 Die Dienstanweisung gilt für alle nebenamtlichen Lehrkräfte der Musikschule. Sie bestimmt das Verhältnis der Lehrer zur Schule, zum Schulleiter und zu den Schülern bzw. ihren gesetzlichen Vertretern. Die Dienstanweisung ist zusammen mit den Bestimmungen der Schulordnung sowie den weiteren im Dienstvertrag genannten allgemeinen Bestimmungen verbindlich.
1.2 Die Lehrkraft ist verpflichtet, über die ihr bei der Ausübung des; Dienstes bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder durch den Schulträger angeordnet ist. …
2. Unterricht
2.1 Die Unterrichtsstunden und die zu unterrichtenden Schüler werden den Lehrkräften zu Beginn des Schuljahres durch die Schulleitung zugewiesen. Spezielle Wünsche der Eltern und Schüler bzw. der Lehrkräfte können berücksichtigt werden. … Die Lehrkräfte geben ihre Stundenwünsche der Schulleitung rechtzeitig vor Beginn des Schuljahres bekannt.
2.2 Die Lehrkräfte sind in ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit im Rahmen der Gesetze und der Konferenzbeschlüsse frei. Die festgelegten Lehrpläne sind verbindlich; begründete Ausnahmen müssen mit der Schulleitung abgesprochen werden …
2.3 Die Schulleitung berät die Lehrkräfte in pädagogischen und künstlerischen Fragen.
2.4 Die Lehrkräfte sind zur regelmäßigen und korrekten Führung der Anwesenheitslisten während des Unterrichts verpflichtet. Ein Ausschluß von Schülern aus dem Unterricht ist nur durch die Schulleitung möglich. Bei unentschuldigtem Fehlen von Schülern gilt folgendes Verfahren; …
Die Klassenbücher sind zu Beginn eines jeden Quartals (01.01., 01.04., 01.07., 01.10.) unaufgefordert in der Verwaltung der Musikschule zur Kontrolle und Abzeichnung vorzulegen.
Bei Unterrichtsbesuchen sowie bei der Klärung von Beschwerden der gesetzlichen Vertreter sind die Anwesenheitslisten zur Verfügung zu stellen. Sie sind am Ende jedes Schuljahres unaufgefordert in der Verwaltung der Musikschule abzugeben.
2.5 Die Lehrkräfte sind gehalten, für die regelmäßige und genaue Führung der Aufgabenhefte Sorge zu tragen.
2.6 Zu den gesetzlichen Vertretern der Schüler ist ein ständiger enger Kontakt zu halten, insbesondere durch regelmäßige Vorstellung der Leistungen der Schüler in Musizierstunden. Darüber hinaus sind die gesetzlichen Vertreter bei besonderen Vorkommnissen, insbesondere bei einem wesentlichen Rückgang der Leistungen zu informieren.
…
2.12 Die Lehrkräfte sind verantwortlich für den ordnungsgemäßen Ablauf des Unterrichts. Gröbere Verstöße gegen die Schuldisziplin sind der Schulleitung zu melden.
2.13 Mängel in den Unterrichtsräumen, Beschädigungen oder Verlust von Einrichtungsgegenständen sowie Beschädigungen und Verlust von Instrumenten sind unverzüglich der Verwaltung der Musikschule mitzuteilen.
2.14 Die Lehrkräfte sind gehalten, auf eine sachgerechte Behandlung der durch die Musikschule an die Schüler ausgegebenen Leihinstrumente zu achten und etwaige Schäden daran unverzüglich der Verwaltung der Musikschule mitzuteilen.
…
4. Besondere Dienstpflichten
4.1 Die Lehrkräfte sind verpflichtet, ihren Schülern entsprechend der Schulordnung Zeugnisse zu erteilen und die Ergebnisse in das Ausbildungsbuch des Schülers zu übertragen sowie sie zu den Prüfungen zu melden. An den Prüfungen ihrer Schüler nehmen diese Lehrkräfte selbst teil. Der zu gleicher Zeit liegende Unterricht fällt in der Regel aus.
4.2 Die Lehrkräfte stellen ihre Schüler mindestens einmal jährlich in Musizierstunden oder sonstigen Veranstaltungen den Eltern und anderen Interessierten vor. Für öffentliche Veranstaltungen reichen sie auf Anforderung der Schulleitung Vorschläge ein.
4.3 Die Lehrkräfte sind auf Anordnung der Schulleitung zur Teilnahme an Konferenzen und Arbeitsgemeinschaften in zeitlich geringem Umfang verpflichtet. Bei Verhinderung ist eine vorherige Mitteilung erforderlich. In diesem Falle ist die fehlende Lehrkraft verpflichtet, sich selbst über Inhalt und Ergebnis zu informieren und evtl. Beschlüsse auszuführen.
4.4 Die Mitarbeit an allgemeinen schulischen Aufgaben und Veranstaltungen wird von allen Lehrkräften erwartet.
5. Verschiedenes
…
5.3 Im Sinne einer kollegialen Zusammenarbeit haben die Lehrkräfte auch den Anordnungen solcher Kollegen nachzukommen, die im Auftrage der Schulleitung bestimmte Aufgaben wahrnehmen.”
Während der gesamten Dauer des Vertragsverhältnisses wurde die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden innerhalb des vertraglich vorgegebenen Rahmens entsprechend den vorhandenen Anmeldungen in Absprache zwischen Lehrkraft und Schulleiter bestimmt. Zuletzt unterrichtete die Klägerin zwölf Wochenstunden. Die Schulleitung legte die Unterrichtszeiten unter Berücksichtigung der Wünsche der Lehrkraft, der Wünsche von Eltern und Schülern und der räumlichen Gegebenheiten fest. Der festgelegte Stundenplan war verbindlich; Änderungen konnten nur mit Zustimmung der Schulleitung erfolgen. Für die Unterrichtsgestaltung waren die Lehrpläne des Verbandes Deutscher Musikschulen anzuwenden, z.B. das Curriculum Musikalische Früher Ziehung. Die Lehrkraft war verpflichtet, Anwesenheitslisten und Klassenbücher zu führen, Kontakt zu Eltern zu halten, mindestens einmal jährlich mit ihren Schülern an einem Vorspiel teilzunehmen und an Konferenzen mitzuwirken. Vertretungen wurden auf freiwilliger Basis gegen gesonderte Vergütung übertragen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, es bestehe ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien, weil sie in den Betrieb des Beklagten eingegliedert gewesen sei. Sie hat vorgetragen: Der Unterricht müsse in den zugewiesenen Unterrichtsräumen stattfinden, der Stundenplan sei verbindlich, Materialien und Methoden seien vorgegeben. Insbesondere dokumentiere auch die Dienstanweisung ab 1. März 1990 ihre persönliche Abhängigkeit. Zu berücksichtigen sei weiter, daß sie nach dem „Beschäftigungsauftrag” Lohnfortzählung erhalten habe und bezahlter Urlaub gewährt worden sei. In diesem Zusammenhang sei auch der Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch den Beklagten Bedeutung beizumessen. Endlich habe sie über die Unterrichtstätigkeit hinaus nicht unerhebliche Nebenpflichten wahrzunehmen gehabt.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
- festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht,
- festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 23. Januar 1990 unwirksam ist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, es liege nur ein freies Mitarbeiterverhältnis vor. Die Bindung an den Lehrplan bedeute nur die Konkretisierung der geschuldeten Leistung. Der zeitlichen und örtlichen Bindung der Lehrkräfte komme keine entscheidende Bedeutung zu, da über die festgelegten Unterrichtszeiten hinaus keine nennenswerte Dienstbereitschaft verlangt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und nach den zuletzt gestellten Klageanträgen entschieden. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin ist Arbeitnehmerin des beklagten Landkreises. Ihre Arbeitsbedingungen haben sich durch die Änderungskündigung vom 23. Januar 1990 nicht geändert.
I. Die Klage ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 1) zulässig. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, daß dieses Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (§ 256 ZPO). Für den Fall, daß ein Arbeitsverhältnis festgestellt würde, wären auf dieses Vertragsverhältnis der Parteien – unabhängig von den getroffenen Vereinbarungen – die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, die ein Arbeitsverhältnis gestalten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur BAGE 34, 111, 116 = AP Nr. 37 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAGE 36, 77, 81 = AP Nr. 38, a.a.O., zu 1 der Gründe; BAGE 41, 247, 250 f. = AP Nr. 42, aao, zu A der Gründe).
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Arbeitnehmer ist danach derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal dies die einzige Norm darstellt, die Kriterien dafür enthält. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen (vgl. statt vieler: BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 9. Mai 1984 – 5 AZR 195/82 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 2 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 – 7 ABR 19/91 – EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 44, zu B II 2 der Gründe).
Dabei kommt es nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Denn durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Wenn der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen wird, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Denn die praktische Handhabung läßt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (BAGE 19, 324, 329 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 1 der Gründe; BAGE 41, 247, 258 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 27. März 1991 – 5 AZR 194/90 – AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu I 2 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 – 7 ABR 19/91 – EzA, a.a.O., zu B II 1 der Gründe).
Für die Abgrenzung entscheidend sind demnach die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung oder andere formelle Merkmale wie die Abführung von Steuern und Sozial Versicherungsbeiträgen. Die Arbeitnehmereigenschaft kann nicht mit der Begründung verneint werden, es handele sich um eine nebenberufliche Tätigkeit (BAG Urteil vom 8. Oktober 1975 – 5 AZR 430/74 – AP Nr. 18 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 5 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 – 7 ABR 19/91 – a.a.O. Zu B II 3 b der Gründe). Umgekehrt spricht nicht schon der Umstand für ein Arbeitsverhältnis, daß es sich um ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis handelt (BAG Urteil vom 27. März 1991 – 5 AZR 194/90 – AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu III 7 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991, a.a.O., zu B II 3 c der Gründe).
2. Die dargestellten Grundsätze gelten auch für Unterrichtstätigkeit. Entscheidend ist danach, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist und in welchem umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise seiner Erteilung, ihrer Arbeitszeit und die sonstigen umstände der Dienstleistung mitgestalten kann (BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991, a.a.O., zu B II 4 der Gründe).
a) Für Lehrkräfte außerhalb von Universitäten und Hochschulen hat das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze dahin konkretisiert, daß diejenigen, die an allgemeinbildenden Schulen unterrichten, in aller Regel Arbeitnehmer sind, auch wenn es sich bei ihrem Unterricht um eine nebenberufliche Tätigkeit handelt (BAG Urteil vom 16. März 1972 – 5 AZR 460/71 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Lehrer. Dozenten; BAGE 37, 305, 312 f. = AP Nr. 65 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B I 1 der Gründe) und daß Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden können, und zwar selbst dann, wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm handelt (BAG Urteil vom 26. Januar 1977 – 5 AZR 796/75 – AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAGE 37, 58 und 39, 329 = AP Nr. 22, 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten).
Der erkennende Senat hat in seinen Urteilen vom 7. Mai 1986 (– 5 AZR 591/83 –, n.v.) und vom 7. November 1990 (– 5 AZR 12/90 –, n.v.) die Lehrkräfte an Musikschulen den außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichtenden Volkshochschuldozenten gleichgestellt. Er hat im ersten Fall die Arbeitnehmereigenschaft verneint und im zweiten den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, das dann die Arbeitnehmereigenschaft bejaht hat (LAG Bremen Urteil vom 22. Oktober 1991 – 1 Sa 22/91 –, n.v.). Der Zweite Senat hat in seinem Urteil vom 20. Februar 1986 (– 2 AZR 212/85 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969) die Arbeitnehmereigenschaft von teilzeitbeschäftigten Musikschullehrern bejaht. Das dortige Anstellungsverhältnis war aber im Vertrag ausdrücklich als „Arbeitsverhältnis” bezeichnet worden.
b) Der Senat verbleibt bei seiner typisierenden Betrachtungsweise. Dafür sprechen folgende Gründe:
aa) Der Unterscheidung zwischen allgemeinbildenden Schulen sowie schulischen Lehrgängen einerseits und Volkshochschulen und Musikschulen andererseits liegt die Einsicht zugrunde, daß der stärkeren Einbindung von Schülern in ein Schul- oder Ausbildungssystem auch eine stärkere persönliche Abhängigkeit der Lehrkräfte vom Unterrichtsträger entspricht. Das zeigt sich in mehreren Punkten. Für Unterricht an allgemeinbildenden Schulen und im Rahmen von Kursen, die zu staatlich anerkannten Schulabschlüssen führen sollen, gibt es ein dichtes Regelwerk von Gesetzen, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen. Diese betreffen nicht nur die Unterrichtsziele, die sehr genau beschrieben werden, sondern auch Inhalt, Art und Weise des Unterrichts. Der Unterricht der verschiedenen Fächer und Stufen muß nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch und didaktisch aufeinander abgestimmt werden. Ein weiteres kommt hinzu: Wegen der großen allgemeinen Bedeutung unterliegen diese Lehrkräfte verstärkter Aufsicht und Kontrolle, abgesehen davon, daß die ständig stattfindenden Leistungskontrollen der Schüler mittelbar auch eine Kontrolle der Unterrichtenden bedeuten. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß bei Unterricht an allgemeinbildenden Schulen und im Rahmen schulischer Kurse zur Erlangung von Schulabschlüssen regelmäßig mehr Nebenarbeiten anfallen als bei der Abhaltung von Volkshochschulkursen und von Musikschulunterricht. Neben der Unterrichtsvorbereitung stehen die Korrekturen von schriftlichen Arbeiten, die Beteiligung an der Abnahme von Prüfungen, die Teilnahme an Konferenzen, die Abhaltung von Schulsprechstunden, unter Umständen auch Pausenaufsichten und die Durchführung von Wandertagen und Schulreisen.
Die Erteilung von Unterricht an allgemeinbildenden Schulen bedingt die Eingliederung der Lehrkräfte in die vom Schulträger bestimmte Arbeitsorganisation. Von daher ist es folgerichtig, wenn Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen, soweit sie aufgrund von privat rechtlichen Verträgen tätig sind, als Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt werden. Unterricht an allgemeinbildenden Schulen kann im Grundsatz nicht freien Mitarbeitern übertragen werden.
bb) Anders ist die Lage bei Volkshochschulen und Musikschulen. Hier ist die Verbindung der Schüler oder Kursteilnehmer zum Unterrichtsträger erheblich lockerer. Es besteht kein Schulzwang; die Schüler können sich leicht von der Schule lösen. Es gibt regelmäßig – anders als bei den allgemeinbildenden Schulen – auch keine förmlichen Abschlüsse. Die Kurse dienen nicht der Berufsvorbereitung. Der Unterricht ist meist weniger reglementiert, das Ausmaß der Kontrolle geringer. Schließlich fallen weniger Nebenarbeiten an. Die auch hier nötige Organisation und Koordination sowie die inhaltlichen Vorgaben lassen den Lehrkräften regelmäßig mehr Spielraum als in allgemeinbildenden Schulen. Volkshochschuldozenten und Musikschullehrer können daher im Grundsatz auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Arbeitnehmer sind sie nur dann, wenn die Parteien dies vereinbart haben (vgl. BAG Urteil vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 212/85 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969) oder im Einzel fall festzustellende Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, daß der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit gegeben ist.
Solche Umstände können etwa sein das Recht des Schulträgers, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig zu bestimmen (BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 – 7 ABR 19/91 – EzA, a.a.O.), den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festzulegen, eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstandes der Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst oder die Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte.
3. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, liegen im Streitfall besondere Umstände vor, aus denen sich ergibt, daß die Klägerin Arbeitnehmerin ist.
Maßgebend für das Rechtsverhältnis der Parteien war zunächst der „Beschäftigungsauftrag” vom 17. September 1985. Art. Umfang und nähere Umstände des von der Klägerin zu erteilenden Unterrichts sind darin nur sehr unvollkommen geregelt. § 1 des „Beschäftigungsauftrages” enthält nur die Bestimmung, daß die Klägerin verpflichtet ist, „Musikunterricht zu erteilen”, und daß die „wöchentliche Unterrichtszeit … im Einvernehmen mit dem Schulleiter bis zu 14 Stunden festgesetzt” wird. Im übrigen heißt es in § 8, daß „Änderungen, Kündigungen und Ergänzungen dieses Beschäftigungsauftrages der Schriftform” bedürfen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen, das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 561 Abs. 2 ZPO) waren für die Unterrichtsgestaltung die Lehrpläne des Verbandes Deutscher Musikschulen anzuwenden, z.B. das Curriculum Musikalische Früherziehung, und waren die Lehrkräfte verpflichtet, Anwesenheitslisten und Klassenbücher zu führen. Kontakt zu Eltern zu halten, mindestens einmal jährlich mit ihren Schülern an einem Vorspiel teilzunehmen und an Konferenzen mitzuwirken. Der „Beschäftigungsauftrag” enthält dazu keine ausdrückliche Regelung. Es kann hier dahinstehen, ob es sich dabei nur um eine „Konkretisierung” des Leistungsgegenstandes handelt oder insoweit eine konkludente Vereinbarung vorliegt oder aber bereits darin die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts zu sehen ist. Entscheidend ist, daß die Schulleitung nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 561 Abs. 2 ZPO) die Unterrichtszeiten, also die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden, festlegte. Damit übte der Beklagte sein arbeitsvertragliches Weisungsrecht aus. Aus der Tatsache, daß die Schulleitung die Wünsche der Lehrkraft und die der Eltern und Schüler berücksichtigte, ergibt sich nichts anderes. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, daß der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht. Das ändert nichts daran, daß es sich gleichwohl um eine einseitige Maßnahme handelt und nicht um eine vertragliche Vereinbarung. Die Festlegung der Unterrichtszeiten unter Berücksichtigung von Wünschen der Lehrkraft sowie der Eltern und Schüler ist also einer Vereinbarung zwischen Schulträger und Lehrkraft rechtlich nicht gleichzuachten.
Damit steht die Klägerin zumindest seit September 1985 in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten.
4. Dieses Arbeitsverhältnis ist durch den „Widerruf” des „Beschäftigungsauftrages” nicht beendet oder geändert worden. Bei dem mit einem Vertragsangebot verbundenen „Widerruf” handelte es sich um eine Änderungskündigung. Diese ist unwirksam, weil der Beklagte Kündigungsgründe nicht vorgetragen hat und weil die nach § 78 Abs. 2 Nr. 7 Nds. PersVG erforderliche Zustimmung des Personalrats nicht vorliegt.
Auch die vom Beklagten unter dem 1. März 1990 erlassene Dienstanweisung konnte an der Arbeitnehmer Stellung der Klägerin nichts ändern. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, enthält die Dienstanweisung zahlreiche Bestimmungen (z.B. 2.1, 2.4, 2.6, 4.4, 5.3), die zusätzlich dafür sprechen, daß es sich bei dem Rechtsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelte. Die Inanspruchnahme des Rechts, eine verbindliche „Dienstanweisung” oder „Schulordnung” zu erlassen, die über eine reine Hausordnung hinausgeht, ist mit einem freien Mitarbeiterverhältnis regelmäßig nicht vereinbar.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Dr. Frey, Anthes
Fundstellen