Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Fortführung der Aufgaben der früheren Treuhandanstalt. Betriebsübergang bei Fortführung der Aufgaben der früheren Treuhandanstalt. Gestaltungsmissbrauch. betriebsbedingte Kündigung. Massenentlassungsanzeige. Höhe des Nachteilsausgleichs. Verzugszinsen
Orientierungssatz
- Eine von dem Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die geplante Maßnahme sich objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt. Die bloße Fortführung der vereinigungsbedingten Aufgaben der Vermögenszuordnung begründet keinen Betriebsübergang iSd. § 613a BGB.
- Der Arbeitgeber ist verpflichtet, vor Ausspruch der Kündigung eine Massenentlassung bei der Arbeitsverwaltung anzuzeigen, da unter “Entlassung” iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG der Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen ist. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verbietet es allerdings, die vor Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 in der Rechtssache Junk ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam zu halten.
- Bei der Höhe des Nachteilsausgleichs nach § 113 BetrVG kann auch ein betriebsverfassungswidriges Verhalten des Arbeitgebers berücksichtigt werden.
Normenkette
BGB §§ 613a, 288 Abs. 2, § 242; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, § 17; BetrVG § 113
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 27. Mai 2005 – 6 Sa 1499/04 – werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger 72 % und die Beklagte zu 1) 28 % der Gerichtskosten zu tragen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) sowie 53 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) zu tragen. Die Beklagte zu 1) hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 28 % zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten zu 1), über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 2) im Wege des Betriebsübergangs und auf Grund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung, über die Weiterbeschäftigung des Klägers durch die Beklagte zu 2) sowie über die Höhe des dem Kläger zugesprochenen Nachteilsausgleichs.
Der Kläger war seit 1991 bei der Treuhandanstalt (THA), der späteren Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), zuletzt als Gruppenleiter im Bereich Vermögenszuordnung/Kommunalisierung (VK) beschäftigt. Diese Aufgaben wurden ab dem 1. Januar 1999 auf Grund eines Rahmenvertrages auf die Beklagte zu 1) übertragen, bei der der Kläger dann auch beschäftigt war. Nach einer entsprechenden Zuständigkeitsübertragung führte die Beklagte zu 1) die Aufgaben seit dem 1. Juli 1999 für den Oberfinanzpräsidenten (OFP) der Oberfinanzdirektion Berlin (OFD) durch. Die Beklagte zu 1) beschäftigte zuletzt 163 Mitarbeiter. Ihre alleinige Gesellschafterin war die Bundesrepublik Deutschland.
Mit Schreiben vom 28. März 2003 kündigte der OFP das durch den Rahmenvertrag mit der Beklagten zu 1) begründete Vertragsverhältnis. Mit Schreiben vom 5. Mai 2003 teilte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit, dass der Betrieb der Beklagten zu 1) stillgelegt werde und wies sie an, alle Arbeitsverhältnisse zu kündigen.
Nach Anhörung des bei ihr gebildeten Betriebsrates kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 26. Mai 2003 zum 31. Dezember 2003. Unter dem 2. Oktober 2003 vereinbarte sie mit dem Betriebsrat einen Sozialplan, wonach der Kläger eine Abfindung in Höhe von 74.988,00 Euro zu erhalten hat.
Unter dem 27. Oktober 2003 zeigte die Beklagte zu 1) der Bundesanstalt für Arbeit die Entlassung der von ihr gekündigten Arbeitnehmer an. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 26. November 2003 verhängte diese eine Entlassungssperre bis zum folgenden Tag.
Seit dem 1. Januar 2004 werden die verbliebenen Aufgaben der Beklagten zu 1) vom Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (BARoV) erledigt, das hierzu sämtliche Verfahrensakten übernommen hat. Die Prozessführung wird nunmehr dezentral bei den VZ-Stellen Rostock, Chemnitz und Cottbus wahrgenommen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs erfolgt und daher unwirksam. Die Beklagte zu 2) habe das Justitiariat (GRP: Gruppe Grundsätze/Recht/Prozesse), dessen Leiter er gewesen sei, von der Beklagten zu 1) übernommen. Die BARoV habe die Akten und Verwaltungsvorgänge, die Prozessdatenbank und den Softwarevertrag übernommen. Außerdem sei die Beklagte zu 1) ihrer Verpflichtung zur Erstattung der Massenentlassungsanzeige nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Sein Arbeitsverhältnis bestehe auf Grund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ohnehin mit der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) habe ihn an die Beklagte zu 2) ohne behördliche Erlaubnis entliehen. In der Auslagerung der Aufgaben der Vermögenszuordnung auf die Beklagte zu 1) durch den Rahmenvertrag liege ein Umgehungsgeschäft, da damit die Arbeitnehmerrechte hätten eingeschränkt werden sollen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass die von der Beklagten zu 1) gegenüber ihm mit Schreiben vom 26. Mai 2003 ausgesprochene Kündigung unwirksam ist und sein Arbeitsverhältnis hierdurch nicht beendet wurde;
2. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) besteht und diese zu verurteilen, ihn über den 31. Dezember 2003 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;
hilfsweise,
die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn einen Nachteilsausgleich in Höhe von 80.684,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2004 zu zahlen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Die Beklagte zu 1) hat die Auffassung vertreten, auf Grund der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung beabsichtigten Betriebsstilllegung sei die Kündigung rechtswirksam. Es habe kein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) stattgefunden. Die verbleibenden Restaufgaben würden in den vorhandenen Behördenstrukturen des BARoV zu Ende geführt. Das Justitiariat sei außerdem keine selbständige organisatorische Einheit bei ihr gewesen. Eine Arbeitnehmerüberlassung habe nicht vorgelegen. Die Beklagte zu 2) habe kein arbeitsrechtliches Weisungsrecht, sondern nur teilweise ein fachliches Weisungsrecht gegenüber ihren Mitarbeitern ausgeübt. Die geltend gemachte Höhe des Nachteilsausgleichs sei nicht gerechtfertigt.
Die Beklagte zu 2) hat ebenfalls die Auffassung vertreten, dass zwischen ihr und dem Kläger kein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zustande gekommen sei. Es fehle schon an der Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung. Auch habe sie nicht den Betrieb der Beklagten zu 1) übernommen. Sie beschäftige lediglich zwei der ehemals sechs Justitiare der Beklagten zu 1) weiter.
Das Arbeitsgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Klage mit dem Hilfsantrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs in der geltend gemachten Höhe nebst Zinsen in Höhe von lediglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2004 stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Mit der Anschlussrevision macht die Beklagte zu 1) die Reduzierung des Nachteilsausgleichs auf 75 % eines Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr, insgesamt 63.034,75 Euro, geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten zu 1) haben keinen Erfolg; sie sind zwar zulässig, aber unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 26. Mai 2003 fristgemäß zum 31. Dezember 2003 beendet worden, da sie den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst habe, den Betrieb stillzulegen. Diese unternehmerische Entscheidung habe mit der Kündigung des Rahmenvertrages durch den OFP der OFD Berlin und der Weisung, die Liquidation zu betreiben und alle Arbeitsverhältnisse zu kündigen, auch greifbare Formen angenommen. Dem habe nicht entgegengestanden, dass die noch nicht abgeschlossenen Vorgänge noch hätten weiterbearbeitet werden müssen, da dies auch durch bereits vorhandene Einrichtungen der Beklagten zu 2) im Wege bloßer Funktionsnachfolge habe geschehen können.
Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. KSchG wegen Verletzung der Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 1 KSchG unwirksam, weil diese Vorschriften auf den Betrieb der Beklagten zu 1) keine Anwendung gefunden hätten. Dieser sei ein Betrieb iSd. § 23 Abs. 2 Satz 1 KSchG, der von einer öffentlichen Verwaltung geführt werde und keinen wirtschaftlichen Zweck verfolge.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei auch nicht im Wege des Betriebs( teil)übergangs auf die Beklagte zu 2) übergegangen, da es bereits zum 31. Dezember 2003 aufgelöst worden sei.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegen die Beklagte zu 2) als Betriebserwerberin, den er mit seinem Weiterbeschäftigungsanspruch konkludent geltend gemacht habe. Weder sei der Betrieb der Beklagten zu 1) noch ein Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt gewesen sei, auf die Beklagte zu 2) iSd. § 613a Abs. 1 BGB übergegangen. Die von der Beklagten zu 1) unterhaltene organisatorische Einheit sei zum 31. Dezember 2003 vollständig aufgelöst worden. Die Aufgaben nach dem Vermögenszuordnungsgesetz (VZOG) würden seitdem durch das BARoV im Rahmen seiner bereits vorhandenen Organisation an verschiedenen Standorten wahrgenommen. Ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil des Personals sei nicht übernommen worden. Auch könne kein Übergang des Betriebsteils Justitiariat (Gruppe GRP) festgestellt werden. Zum einen sei nicht erkennbar, dass es sich bei der Gruppe GRP um eine hinreichend verselbständigte Teileinheit gehandelt habe. Jedenfalls habe sie aber mit der Aufgabenübernahme durch das BARoV ihre Identität verloren.
Der Kläger könne von der Beklagten zu 2) auch nicht auf Grund eines infolge unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung begründeten Arbeitsverhältnisses Beschäftigung verlangen. Eine gemäß § 1 Abs. 2 AÜG zu vermutende Arbeitsvermittlung ab dem 1. Januar 1999 durch die Beklagte zu 1) zunächst an die BvS und ab dem 1. Juli 1999 an die Beklagte zu 2), vertreten durch den OFP der OFD Berlin, könne nach Streichung des § 13 AÜG mit Wirkung zum 1. April 1997 nicht bejaht werden. Ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2) sei auch nicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG begründet worden, denn der Kläger sei nicht in die Arbeitsorganisation der Beklagten zu 2) eingebunden worden. Es sei nicht erkennbar, worin eine über fachspezifische Vorgaben hinausgehende Wahrnehmung arbeitsrechtlicher Weisungsbefugnisse durch den OFP bestanden haben solle. Auch habe der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) in denselben Räumlichkeiten wie der Kläger gearbeitet und sei von ihm als unmittelbarer Vorgesetzter bezeichnet worden. Soweit er daneben auch noch Weisungen der Beklagten zu 2) habe befolgen müssen, hätte ein einheitlicher Leitungsapparat zur gemeinsamen Verfolgung eines arbeitstechnischen Zwecks und damit ein Gemeinschaftsbetrieb vorgelegen. Damit fehle es an dem Erfordernis der vollständigen Eingliederung in den Betrieb des Entleihers. Schließlich habe auf Seiten der Beklagten zu 1) keine Gewerbsmäßigkeit vorgelegen.
Auch aus einem Missbrauch der Gestaltungsform könne der Kläger nichts herleiten. Die Übertragung eines Teils der Aufgaben der BvS auf die Beklagte zu 1) stelle keine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes dar. Die sonstigen Aufgaben der BvS seien offenbar in einem weitergehenden Umfang erledigt gewesen als die Vermögenszuordnung/Kommunalisierung, weshalb sie ihre letzte Dienststelle bereits zum 31. Dezember 2000 geschlossen habe.
Dem Kläger stehe jedoch gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 113 Abs. 2 BetrVG in Höhe von 80.684,40 Euro zu. Die Beklagte habe mit der Stilllegung des Betriebs eine Betriebsänderung durchgeführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, was auch nicht entbehrlich gewesen sei. Die Kammer habe es als angemessen erachtet, den mit der Verweisung in § 113 Abs. 1 BetrVG auf § 10 KSchG vorgegebenen Rahmen von zwölf Monatsverdiensten voll auszuschöpfen. Ausschlaggebend sei, dass die Beklagte zu 1) Verhandlungen über einen Interessenausgleich offenbar von vorneherein für entbehrlich erachtet habe. Der Kläger habe zudem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine gleichwertige Stelle finden können. Außerdem habe er bereits Anspruch auf eine Sozialplanabfindung in Höhe von 74.988,00 Euro. Ein dahinter zurückbleibender Nachteilsausgleich verlöre seinen Sanktionscharakter.
Die Zinsforderung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei gerechtfertigt, weil der Kläger entweder Verbraucher iSd. § 13 BGB oder eine richtlinienkonforme Einschränkung der Vorschrift des § 288 BGB auf Rechtsgeschäfte im Geschäftsverkehr geboten sei.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in weiten Teilen der Begründung und im Ergebnis stand. Weder die Revision des Klägers noch die Anschlussrevision der Beklagten zu 1) ist begründet.
1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Kündigungsschutzantrag und den Weiterbeschäftigungsantrag zurückgewiesen. Die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 26. Mai 2003 hat das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 2003 beendet.
a) Die Kündigung ist nicht gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Sie wurde entgegen der Auffassung des Klägers nicht wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen. Ein solcher Betriebsübergang hatte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 26. Mai 2003 weder greifbare Formen angenommen noch kam es danach zu einem solchen Betriebsübergang. Die Beklagte zu 2) hat durch das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (BARoV) seit dem 1. Januar 2004 zwar die Aufgabe der Beklagten zu 1) der vereinigungsbedingten Vermögenszuordnung übernommen, nicht aber deren betriebliche Organisation, so dass eine bloße Funktionsnachfolge vorliegt.
aa) Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. des Senats im Anschluss an EuGH 11. März 1997 – C-13/95 – [Ayse Süzen] EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145; vgl. zB BAG 22. Juli 2004 – 8 AZR 350/03 – BAGE 111, 283 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27; 18. März 1999 – 8 AZR 159/98 – BAGE 91, 121 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177).
In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar (BAG 18. März 1999 – 8 AZR 196/98 – AP BGB § 613a Nr. 190 = EzA BGB § 613a Nr. 178; 29. Juni 2000 – 8 AZR 520/99 –).
In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (so zuletzt EuGH 20. November 2003 – C-340/01 – [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13; vgl. auch BAG 22. Juli 2004 – 8 AZR 350/03 – BAGE 111, 283 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27).
Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen. Die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung des Betriebs genügt für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht. Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht (BAG 12. November 1998 – 8 AZR 282/97 – BAGE 90, 163 = AP BGB § 613a Nr. 186 = EzA BGB § 613a Nr. 170).
bb) Im Streitfall hat die Beklagte zu 2) weder einen Betrieb noch einen Betriebsteil der Beklagten zu 1) übernommen.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die von der Beklagten zu 1) unterhaltene organisatorische Einheit als solche zum 31. Dezember 2003 vollständig aufgelöst. Die Aufgaben nach dem Vermögenszuordnungsgesetz werden seitdem von der Beklagten zu 2) durch das BARoV im Rahmen dessen bereits vorhanden gewesener Organisation an verschiedenen Standorten wahrgenommen. Bei dieser Sachlage genügte es für die Identität der wirtschaftlichen Einheit nicht, dass das BARoV sämtliche Akten und nach Darstellung des Klägers auch das Mobiliar und die Datenbanken der Beklagten zu 1) übernommen hat. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht weiter darauf hin, dass der arbeitstechnische Zweck der Beklagten zu 1) in der Erbringung von Dienstleistungen bestand, bei denen es wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft und das sog. “Know-how” der Arbeitnehmer ankommt. In diesem Fall müsste ein Betriebserwerber einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernommen haben (st. Rspr. des Senats im Anschluss an EuGH 11. März 1997 – C-13/95 – [Ayse Süzen] EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145; vgl. zB Senat 22. Juli 2004 – 8 AZR 350/03 – BAGE 111, 283 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27). Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) die Hauptbelegschaft der von der Beklagten zu 1) zuletzt beschäftigten 163 Mitarbeiter übernommen habe.
Überdies hat das BARoV die übernommenen Aufgaben in seiner bereits vorhandenen Organisation an verschiedenen Standorten wahrgenommen. Damit wurde der Betrieb auch nicht unter Wahrung seiner Identität als Betrieb oder organisatorisch selbständiger Betriebsteil im Wesentlichen unverändert fortgeführt. Wird nämlich eine wirtschaftliche Einheit vollständig in die eigene Organisationsstruktur eingegliedert, liegt keine Identität der wirtschaftlichen Einheit vor (st. Rspr. des Senats, vgl. 25. September 2003 – 8 AZR 421/02 – AP BGB § 613a Nr. 261 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 14; zuletzt 6. April 2006 – 8 AZR 249/04 – NZA 2006, 1039, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Funktionsnachfolge durch bloße Weiterführung einer Aufgabe ist kein Betriebsübergang. Dies gilt insbesondere auch für öffentliche Arbeitgeber (vgl. Senat 20. März 1997 – 8 AZR 856/95 – BAGE 85, 312 = AP Einigungsvertrag Art. 13 Nr. 24 = EzA Einigungsvertrag Art. 13 Nr. 18).
Soweit die Revision einen Teilbetriebsübergang hinsichtlich der “Gruppe GRP” (= Justitiariat) geltend macht, hat der Kläger weder vorgetragen, dass das Justitiariat bei der Beklagten zu 1) ein organisatorisch selbständiger Betriebsteil war, noch dass dieser von der Beklagten zu 2) als solcher unverändert fortgeführt wurde.
Für den Teilbetriebsübergang setzt § 613a BGB voraus, dass bei dem früheren Betriebsinhaber ein organisatorisch selbständiger Betriebsteil bestand und bei dem Betriebserwerber erhalten geblieben ist (st. Rspr. des Senats vgl. zuletzt 16. Februar 2006 – 8 AZR 211/05 – AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47). Der Vortrag der Beklagten zu 2), sie habe lediglich zwei der sechs bei der Beklagten zu 1) beschäftigten Justitiare übernommen, spricht zudem gegen die Übernahme des Betriebsteils “Justitiariat”.
cc) Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Landesarbeitsgericht habe im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zum Betriebsübergang § 139 ZPO verletzt, ist unzulässig. Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, das Berufungsgericht habe § 139 ZPO missachtet, muss genau angegeben werden, wonach das Gericht hätte fragen sollen und was die Partei daraufhin vorgetragen hätte (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2001 – 5 AZR 395/99 – AP ZPO § 253 Nr. 33 = EzA ZPO § 253 Nr. 21; 12. April 2000 – 5 AZR 704/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 72; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 74 Rn. 39). Diesen Mindesterfordernissen entspricht die Verfahrensrüge des Klägers nicht. Er zeigt nicht auf, in welcher Weise er seine Klagebegründung auf entsprechenden Hinweis des Landesarbeitsgerichts konkretisiert hätte, sondern führt lediglich aus, dass er auf den entsprechenden Sachvortrag im Schriftsatz vom 20. Oktober 2003 verwiesen hätte. Diesen Vortrag hat das Landesarbeitsgericht jedoch bei seiner rechtlichen Prüfung berücksichtigt. Der geltend gemachte Verfahrensverstoß kann daher für das angefochtene Urteil jedenfalls nicht kausal geworden sein.
b) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Kündigung sozial gerechtfertigt; dringende betriebliche Bedürfnisse sind gegeben.
aa) Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., vgl. BAG 24. März 1983 – 2 AZR 21/82 – BAGE 42, 151, 157 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21).
bb) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts stand. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb der Beklagten zu 1) entgegenstehen, bedingt.
(1) Dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, können sich aus inner- oder außerbetrieblichen Gründen ergeben (BAG 5. Dezember 2002 – 2 AZR 522/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 50). Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (BAG 5. Dezember 2002 – 2 AZR 522/01 – aaO; 28. Oktober 2004 – 8 AZR 391/03 – BAGE 112, 273 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 56). Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehören die Stilllegung des gesamten Betriebs, einer Betriebsabteilung oder eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber (BAG 27. November 2003 – 2 AZR 48/03 – BAGE 109, 40 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128; 22. Januar 1998 – 8 AZR 243/95 – AP BGB § 613a Nr. 173 = EzA BGB § 613a Nr. 161). Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (BAG 27. November 2003 – 2 AZR 48/03 – aaO; 18. Januar 2001 – 2 AZR 514/99 – BAGE 97, 10 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 109). Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen (Senat 29. September 2005 – 8 AZR 647/04 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140; 16. Mai 2002 – 8 AZR 319/01 – AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210). Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (Senat 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96 – BAGE 86, 20 = AP BGB § 613a Nr. 154 = EzA BGB § 613a Nr. 149).
Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt allerdings nicht vor, wenn er beabsichtigt, seinen Betrieb zu veräußern. Die Veräußerung des Betriebs allein ist keine Stilllegung, weil seine Identität gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet (Senat 16. Mai 2002 – 8 AZR 319/01 – AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210). Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus (vgl. BAG 12. Februar 1987 – 2 AZR 247/86 – AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64). Eine von dem Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die geplante Maßnahme sich objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten und der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung bewertet (Senat 16. Mai 2002 – 8 AZR 319/01 – aaO; 10. Dezember 1998 – 8 AZR 264/98 –).
(2) Die Beklagte zu 1) hatte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung – wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat – den endgültigen Entschluss gefasst, den Betrieb zum 31. Dezember 2003 stillzulegen.
Ihre Stilllegungsabsicht hatte zu diesem Zeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen. Zum einen war mit der Kündigung des Rahmenvertrages durch den OFP der OFD Berlin vom 28. März 2003 die Grundlage einer über den 31. Dezember 2003 hinausgehenden Tätigkeit entfallen. Zum anderen hatte sie mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 5. Mai 2003 die Anweisung erhalten, die für die beschlossene Auflösung erforderlichen Maßnahmen – wie die Beendigung der Arbeitsverhältnisse und sonstiger Rechtsverhältnisse der Gesellschaft spätestens zum 31. Dezember 2003 – in die Wege zu leiten. Neben dem Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte sie darüber hinaus alle übrigen Arbeitsverhältnisse wie auch die bestehenden Mietverträge.
Aus dem Vorbringen des Klägers lässt sich – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht entnehmen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 26. Mai 2003 die rechtsgeschäftliche Veräußerung des Betriebs oder von Betriebsteilen der Beklagten zu 1) geplant war. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem von dem Kläger zitierten Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Juli 2003. Dort ist nur von der Erledigung der Restaufgaben der Beklagten zu 1) an drei Standorten durch qualifiziertes Personal des Bundes aus der Bundesvermögensverwaltung die Rede. Dies lässt keine Folgerung auf einen geplanten Betriebs( teil)übergang zu. Auch der Kläger spricht in seinem Schriftsatz vom 20. Oktober 2003 lediglich davon, dass die Aufgaben der Vermögenszuordnung von dem BARoV und den dort tätigen Mitarbeitern bzw. von neu aus anderen Bereichen vom BARoV übernommenen Mitarbeitern erledigt werden sollen. Die für eine geplante Betriebsveräußerung erforderliche identitätswahrende Fortführung des Betriebs oder einzelner Teile kommt in dem Schreiben nicht zum Ausdruck.
c) Die Kündigung vom 26. Mai 2003 ist nicht wegen Verstoßes der Beklagten zu 1) gegen die Pflichten aus § 17 KSchG unwirksam. Die Beklagte zu 1) hat entsprechend der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erstattung der Anzeige iSd. § 17 Abs. 1 KSchG (vgl. zuletzt eingehend 18. September 2003 – 2 AZR 79/02 – BAGE 107, 318 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 14 = EzA KSchG § 17 Nr. 11) nach Ausspruch der Kündigung des Klägers vom 26. Mai 2003 am 27. Oktober 2003 die Entlassung der von ihr gekündigten Arbeitnehmer der Bundesanstalt für Arbeit angezeigt und damit im Widerspruch zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 in der Rechtssache “Junk” (– C-188/03 – EuGHE I 2005, 885 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 18 = EzA KSchG § 17 Nr. 13) gehandelt. Dies führt im Ergebnis jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, weil die Beklagte zu 1) sich auf einen Vertrauensschutz berufen kann.
Der Zweite Senat hat im Urteil vom 23. März 2006 (– 2 AZR 343/05 – NZA 2006, 971, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) ausgeführt, dass nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH vom 27. Januar 2005 in der Rechtssache “Junk” (– C-188/03 – EuGHE I 2005, 885 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 18 = EzA KSchG § 17 Nr. 13) der Arbeitgeber verpflichtet ist, vor Ausspruch der Kündigung die Massenentlassung bei der Arbeitsverwaltung anzuzeigen, da unter “Entlassung” iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG der Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen sei. Er hat damit seine frühere Rechtsprechung (18. September 2003 – 2 AZR 79/02 – BAGE 107, 318 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 14 = EzA KSchG § 17 Nr. 11; 13. April 2000 – 2 AZR 215/99 – AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9) aufgegeben und eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift vorgenommen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verbiete es jedoch, die vor Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam zu erachten. Der Bürger dürfe erwarten, dass sein zum Zeitpunkt der Handhabung rechtlich gefordertes Verhalten von der Rechtsprechung nicht nachträglich als rechtswidrig oder nicht ausreichend qualifiziert werde (BVerfG 22. März 1983 – 2 BvR 475/78 – BVerfGE 63, 343, 357). Eine Rechtsprechungsänderung dürfe regelmäßig nicht dazu führen, einer Partei rückwirkend Handlungspflichten aufzuerlegen, die sie nachträglich nicht mehr erfüllen könne (BAG 29. März 1984 – 2 AZR 429/83 (A) – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 31 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 55; 18. Januar 2001 – 2 AZR 616/99 – AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1). Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe für die Erstattung der Massenentlassungsanzeige auf die “Entlassung” als tatsächlichen Beendigungszeitpunkt abgestellt. Eine Änderung der Rechtsprechung sei nicht im Juli 2004 – und damit erst recht nicht im Mai 2003 wie im Streitfall – zu erwarten gewesen. Die Arbeitsverwaltung habe ihre Verwaltungspraxis entsprechend gestaltet. Der Arbeitgeber habe daher – jedenfalls bis zur Bekanntgabe der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 – darauf vertrauen können, richtig verfahren zu haben. Wegen des vor allem arbeitsmarktpolitischen Zwecks der Erstattung von Massenentlassungsanzeigen seien auch keine individual-rechtlich geschützten Interessen des Arbeitnehmers in einer das Vertrauen des Arbeitgebers überwiegenden Weise betroffen. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
2. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ist auch kein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zustande gekommen.
a) Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 iVm. § 13 AÜG aF kommt nicht in Betracht. Danach entstand auch bei nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher, wenn die in § 1 Abs. 2 AÜG bestimmten Voraussetzungen für die Vermutung der Arbeitsvermittlung vorlagen und diese Vermutung nicht widerlegt wurde. Die Vorschrift des § 13 AÜG aF ist mit Wirkung vom 1. April 1997 ersatzlos gestrichen worden. Sie kann – auch wenn, wie der Kläger in der Revisionsbegründung vorträgt, ihre tatbestandlichen Voraussetzungen bereits vor dem Außerkrafttreten vorgelegen haben – nicht mehr zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien herangezogen werden.
b) Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ist auch kein Arbeitsverhältnis gemäß den § 1 Abs. 1 Satz 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen. Es fehlt bereits an der Gewerbsmäßigkeit der behaupteten Arbeitnehmerüberlassung.
aa) Unter gewerbsmäßig im Sinne des § 1 Abs. 1 AÜG ist jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtete selbständige Tätigkeit zu verstehen. Das entscheidende Kriterium für die Gewerbsmäßigkeit ist die Gewinnerzielungsabsicht, wobei es nicht darauf ankommt, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wird (BAG 20. April 2005 – 7 ABR 20/04 – EzA AÜG § 14 Nr. 5; 21. März 1990 – 7 AZR 198/89 – BAGE 65, 43 = AP AÜG § 1 Nr. 15). Die Gewinnerzielungsabsicht setzt voraus, dass aus der Sicht des Handelnden die Möglichkeit einer Gewinnerzielung besteht (vgl. Schüren/Hamann AÜG 2. Aufl. § 1 Rn. 313). Eine Gewinnerzielungsabsicht im gewerberechtlichen Sinne liegt regelmäßig nur dann vor, wenn ein Überschuss der Erträge über die Aufwendungen angestrebt wird (vgl. zum Begriff der Gewerbsmäßigkeit nach § 55 Abs. 1 GewO: BGH 30. August 1994 – 4 StR 45/94 – NStZ 1995, 38). Demzufolge handelt der Verleiher mit Gewinnerzielungsabsicht, wenn er das Entgelt für die Überlassung des Leiharbeitnehmers so bemisst, dass es die Kosten übersteigt. Deckt dagegen das Überlassungsentgelt allenfalls die Selbstkosten des Arbeitgebers, liegt grundsätzlich keine Gewinnerzielungsabsicht vor (Becker/Wulfgramm AÜG 3. Aufl. Art. 1 § 1 Rn. 29; Martens DB 1985, 2144, 2150; Schaub Arbeitnehmerüberlassung 2001 S. 243).
bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fehlt es im Streitfall jedenfalls an einer gewerbsmäßigen Überlassung der Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) an die Beklagte zu 2). Das landesarbeitsgerichtliche Urteil enthält in den Entscheidungsgründen die Feststellung, dass die Beklagte zu 1) sich lediglich die Personalkosten hat erstatten lassen. Allein der Umstand, dass die Beklagte zu 1) Vollkaufmann ist und zur Zahlung von Gewerbesteuer herangezogen wird, vermag die Annahme einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nicht zu begründen. Das Gesetz verlangt, dass gerade die Arbeitnehmerüberlassung gewerbsmäßig betrieben wird (vgl. BAG 25. Januar 2005 – 1 ABR 61/03 – BAGE 113, 218 = AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 48 = EzA BetrVG 2001 § 99 Nr. 7). Dies ist im Streitfall nicht gegeben. Die Beklagte zu 1) hat für die behauptete Überlassung ihrer Arbeitnehmer kein Entgelt erhalten oder zumindest erhalten wollen, das über ihre Selbstkosten hinausging.
cc) Soweit die Revision rügt, dass Landesarbeitsgericht habe diesbezüglich seine Hinweis- und Aufklärungspflichten gemäß § 139 ZPO verletzt, trägt der Kläger keine neuen Tatsachen vor, die er auf einen entsprechenden Hinweis des Landesarbeitsgerichts ergänzend vorgetragen hätte und die das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit ausfüllen. Er behauptet lediglich, die Beklagte zu 1) sei im Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2003 gewerblich tätig gewesen und habe in einem erheblichen Umfang eigene Geschäfte und eigene gewerbliche Umsätze getätigt und gewinnorientiert gearbeitet. So habe sie gegen Honorar kommunale Gebietskörperschaften und regionale Energieversorgungsunternehmen beraten. Sie habe außerdem bei sog. Kom-A-Unternehmen das Vertragsmanagement übernommen. Hieraus folgt aber die Gewerbsmäßigkeit gerade der Arbeitnehmerüberlassung nicht.
3. Auch der von dem Kläger bemühte Grundsatz des Gestaltungsmissbrauchs bzw. des Umgehungsgeschäfts führt nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten zu 2).
a) Der Kläger vertritt insoweit die Auffassung, die Auslagerung der Aufgaben der Vermögenszuordnung/Kommunalisierung von der BvS auf die Beklagte zu 1) sei im Jahre 1999 von der Beklagten zu 2) in der Absicht erfolgt, sich ihrer Mitarbeiter unter Ausschaltung der gesetzlichen Vorschriften wie des KSchG nach Belieben, nämlich durch Auflösung und Liquidation der Beklagten zu 1), wieder “entledigen” zu können. Außerdem stehe einer vertraglichen Übertragung der Aufgaben der Vermögenszuordnung/Kommunalisierung Art. 33 Abs. 4 GG entgegen, der den Gesetzgeber und die Exekutive verpflichte, die Ausführung hoheitlicher Befugnisse ausschließlich von Einrichtungen des öffentlichen Rechts wahrnehmen zu lassen. Die von der Beklagten zu 2) gewählte vertragliche Konstruktion durch den mit der Beklagten zu 1) geschlossenen Rahmenvertrag verstoße hiergegen. Zwingende Rechtsfolge sei, dass sich die Beklagte zu 2) gegenüber den von dieser rechtswidrigen Vorgehensweise betroffenen Arbeitnehmern auf die vorgeschobene vertragliche Konstruktion nicht berufen könne und verpflichtet sei, diese im öffentlichen Dienst weiterzubeschäftigen.
b) Dem folgt der Senat nicht. Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Gründung der Beklagten zu 1) habe lediglich die Umgehung gesetzlicher Arbeitnehmerschutzvorschriften bezweckt, ist bereits nicht erkennbar, in welcher Weise er durch den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 1), den er im Übrigen gerichtlich erfolgreich geltend gemacht hat, schlechter gestellt war als bei einem Verbleib bei der BvS. Darüber hinaus vermag dies ohnehin nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2) zu führen. Allenfalls führte es zu einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und seiner vormaligen Arbeitgeberin, der BvS, die als Anstalt des öffentlichen Rechts eine eigenständige juristische Person ist.
Soweit der Kläger weiterhin meint, die Beklagte zu 2) habe durch den Abschluss des Rahmenvertrages mit der Beklagten zu 1) gegen Art. 33 Abs. 4 GG verstoßen, hätte dies ebenfalls nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zur ersteren zur Folge, sondern allenfalls die Unwirksamkeit des Rahmenvertrages. Denn der Rahmenvertrag diente dann der Umgehung des Art. 33 Abs. 4 GG und wäre als Umgehungsgeschäft nichtig. Die Nichtigkeit des Rahmenvertrages hat jedoch keine Folgen für die zur Beklagten zu 1) bestehenden Arbeitsverhältnisse.
c) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte zu 2) habe sich nicht durch Umstrukturierungen den Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs entziehen dürfen. Ein Betriebsübergang setzt die tatsächliche Fortführung der wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung von deren Identität voraus. Mit der sofortigen vollständigen Umstrukturierung nutzt der “Erwerber” nicht eine im “Vorgängerbetrieb” vorhandene Arbeitsorganisation (“er legt sich nicht ins gemachte Bett”), sondern gründet eine neue Arbeitsorganisation bzw. gliedert die wirtschaftliche Einheit in die bereits vorhandene Organisation ein. Diese sofort erfolgende wesentliche Umgestaltung löst nicht die Rechtsfolgen des § 613a BGB aus (vgl. Senat 6. April 2006 – 8 AZR 249/04 – NZA 2006, 1039, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 3b der Gründe). Die Gestaltungsmöglichkeit zur Vermeidung eines Betriebsübergangs und dessen Folgen muss auch dem öffentlichen Arbeitgeber zugebilligt werden, wenn dadurch eine öffentliche Aufgabe wie die Vermögenszuordnung in den neuen Bundesländern, die bereits überwiegend erledigt ist, fiskalisch sinnvoll von einem bereits bestehenden Amt zu Ende geführt werden soll.
4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) auf Wiedereinstellung.
a) Der auf Weiterbeschäftigung gerichtete Antrag des Klägers (Klageantrag zu 2) kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht als Antrag auf Wiedereinstellung gegen die Beklagte zu 2) ausgelegt werden. Der Weiterbeschäftigungsanspruch setzt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus (BAG 15. August 2001 – 7 AZR 144/00 – EzA BGB § 620 Nr. 182). Im Falle eines Antrags auf Wiedereinstellung soll aber ein wirksam beendetes Arbeitsverhältnis gerade erst wieder vertraglich begründet werden. Daher kann mit dem Antrag auf Weiterbeschäftigung kein Wiedereinstellungsanspruch verfolgt werden (BAG 15. August 2001 – 7 AZR 144/00 – aaO; 19. September 2001 – 7 AZR 574/00 – EzA BeschFG 1985 § 1 Klagefrist Nr. 7; ErfK/Müller-Glöge 6. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 14). Auch geht der Kläger erkennbar davon aus, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 2) bereits ein Arbeitsverhältnis besteht, aus dem ein Weiterbeschäftigungsanspruch folgt. Er verfolgt daher den Weiterbeschäftigungsanspruch als Hauptantrag. Den Wiedereinstellungsanspruch könnte er erfolgreich nur hilfsweise für den Fall des Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2), also der Abweisung des Klageantrags zu 2, geltend machen. Diesen Antrag hat der Kläger nicht gestellt.
b) Im Übrigen könnte der Wiedereinstellungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) ohnehin in der Sache keinen Erfolg haben, weil es nach Ausspruch der wirksamen Kündigung der Beklagten zu 1) zu keinem Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) gekommen ist (siehe unter II 1a bb).
5. Die Klage ist schließlich auch unbegründet, soweit der Kläger mit ihr eine Verzinsung des Anspruchs auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2004 gemäß § 288 Abs. 2 BGB fordert. Der höhere Zinssatz des § 288 Abs. 2 BGB findet im Arbeitsverhältnis keine Anwendung (vgl. BAG 23. Februar 2005 – 10 AZR 602/03 – AP InsO § 55 Nr. 9 = EzA InsO § 209 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
6. Auch die mit der Anschlussrevision von der Beklagten zu 1) geltend gemachte Herabsetzung der Höhe des Nachteilsausgleichs auf 75 % ist unbegründet.
a) Die Festsetzung der konkreten Höhe des Nachteilsausgleichs liegt im Ermessen des Gerichts (BAG 8. November 1988 – 1 AZR 687/87 – BAGE 60, 87 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 18; Oetker GK-BetrVG 8. Aufl. § 113 Rn. 83; ErfK/Kania § 113 BetrVG Rn. 6). Es ist dabei an die durch den Verweis auf § 10 KSchG in § 113 Abs. 3, Abs. 1 BetrVG vorgegebenen Höchstgrenzen, die im Fall des Klägers gemäß § 10 Abs. 1 KSchG bei 12 Monatsgehältern liegt, gebunden. Daneben ist ua. auf die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die tatsächlich durch die Betriebsänderung erlittenen Nachteile, die Arbeitsmarktlage und das Ausmaß des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers abzustellen (BAG 13. Juni 1989 – 1 AZR 819/87 – BAGE 62, 88 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 19; 20. November 2001 – 1 AZR 97/01 – BAGE 99, 377 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 29).
Die Festsetzung des Nachteilsausgleichs ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Die rechtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob das Berufungsgericht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und nicht gegen Rechtsvorschriften oder Denkgesetze verstoßen hat (BAG 4. Dezember 2002 – 10 AZR 16/02 – BAGE 104, 94 = AP InsO § 38 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 30; 20. November 2001 – 1 AZR 97/01 – BAGE 99, 377 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 29; 10. Dezember 1996 – 1 AZR 290/96 – AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 32 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 34; 8. November 1988 – 1 AZR 687/87 – BAGE 60, 87 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 18).
b) Dieser eingeschränkten Überprüfung hält das landesarbeitsgerichtliche Urteil trotz der Ausschöpfung der gesetzlichen Höchstgrenzen von 12 Monatsgehältern stand.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat – vornehmlich mit der Begründung, die Beklagte zu 1) habe von vorneherein Verhandlungen über einen Interessenausgleich für entbehrlich gehalten – bewusst die Höchstgrenze des § 113 Abs. 1 BetrVG iVm. § 10 KSchG ausgeschöpft. Diese Begründung ist nicht sachwidrig und hat damit keinen Ermessensfehler zur Folge.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt die Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG zugleich eine Sanktion für das betriebsverfassungswidrige Verhalten des Arbeitgebers dar (4. Dezember 2002 – 10 AZR 16/02 – BAGE 104, 94 = AP InsO § 38 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 30; 20. November 2001 – 1 AZR 97/01 – BAGE 99, 377 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 29; 13. Juni 1989 – 1 AZR 819/87 – BAGE 62, 88 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 19). In seinem Urteil vom 22. Juli 2003 (– 1 AZR 541/02 – BAGE 107, 91 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 42 = EzA BetrVG 2001 § 111 Nr. 1) hat das Bundesarbeitsgericht dem völligen Übergehen des Verhandlungsanspruchs des Betriebsrates darüber hinaus ein besonderes Gewicht beigemessen.
(2) Der Einwand der Beklagten zu 1), dass mit dem Betriebsrat Einigkeit bestanden habe, die offiziellen Verhandlungen erst bei Vorliegen einer endgültigen Stilllegungsentscheidung zu beginnen, musste das Landesarbeitsgericht nicht zu einer anderen Entscheidung veranlassen und notwendigerweise zu Gunsten der Beklagten zu 1) berücksichtigen. § 112 Abs. 1 BetrVG steht nicht zur Disposition der Betriebsparteien. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 1) selbst bei Vorliegen einer endgültigen Stilllegungsentscheidung unstreitig nicht mehr in Interessenausgleichsverhandlungen eingetreten ist. Die Initiativlast für den Abschluss eines Interessenausgleichs liegt zudem bei dem Arbeitgeber (BAG 24. Januar 1996 – 1 AZR 542/95 – BAGE 82, 79 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 16 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 24).
bb) Ebenfalls durfte das Landesarbeitsgericht ermessensfehlerfrei den Nachteilsausgleich so ansetzen, dass er die vorgesehene Sozialplanabfindung des Klägers übersteigt. Damit entspricht es den im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juni 1989 (– 1 AZR 819/87 – BAGE 62, 88 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 19) aufgestellten Grundsätzen, wonach der Anspruch auf Nachteilsausgleich höher sein kann als die Sozialplanabfindung, da er zugleich das Verhalten des Arbeitgebers sanktionieren soll und diese Funktion leerliefe, wenn der Nachteilsausgleich in jedem Fall auf den Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan begrenzt wäre.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Schömburg, Andreas Henniger
Fundstellen
Haufe-Index 1672624 |
FA 2006, 314 |
FA 2007, 124 |
NZA 2007, 1287 |
AP 2007 |
AuA 2006, 612 |
EzA-SD 2006, 3 |
EzA-SD 2007, 9 |
EzA |
ArbRB 2006, 257 |
SPA 2006, 7 |
SPA 2007, 4 |