Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzt-Krankenhaus-Vertrag
Normenkette
BAT § 3 Buchst. g. § 17 Abs. 5 S. 1, § 3 Buchst. g. § 17 Abs. 5 S. 4, §§ 22, 26, 70; SR 2c Nr. 8 Abs. 3-4; HRG § 36 Abs. 3, § 53 Abs. 1, § 54; BayHSchLG Art. 22 Abs. 1, Art. 25-26; Weiterbildungsordnung für Ärzte § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 22. November 1988 – 2 Sa 394/88 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die tarifgebundenen Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Vergütung von Bereitschaftsdiensten und Überstunden nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT).
Der Kläger war als Arzt aufgrund des Arbeitsvertrages vom 15. April 1986 in der Zeit vom 1. April 1986 bis zum 31. März 1987 im Klinikum G. des Beklagten in der ärztlichen Krankenversorgung beschäftigt. Er hat in dieser Zeit 54 nicht abgegoltene Mehrarbeitsstunden geleistet. Die Tätigkeit diente u. a. auch der Weiterbildung mit dem Ziel der Gebietsanerkennung (früher: Facharztanerkennung). In der Zeit ab 1. September 1986 hat der Kläger zu etwa 5 % seiner Gesamtarbeitszeit an der Organisation und Durchführung des Radiologischen Kurses für Klinische Semester mitgewirkt.
Der Kläger hatte bei der Einstellung ein Wahlrecht, ob er nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages oder als wissenschaftliche Hilfskraft beschäftigt werden wollte. Er entschied sich für die zweite Vertragsgestaltung und wurde dementsprechend in seinem Arbeitsvertrag als „hauptberufliche wissenschaftliche Hilfskraft” bezeichnet. Vergütung und Arbeitszeit regelten sich nach beamtenähnlichen Grundsätzen. Im Arbeitsvertrag wurde über die Regelung des Art. 80 BayBG hinaus die Bezahlung einer Mehrarbeit ausgeschlossen. Die Vergütung wurde auch nur insoweit gewährt.
Der Kläger war im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit verpflichtet, dienstplanmäßig Bereitschaftsdienste und Überstunden zur Sicherstellung der ärztlichen Patientenversorgung zu leisten. Die Tätigkeit unterschied sich nicht von der Tätigkeit derjenigen Ärzte, die der Beklagte aufgrund von Arbeitsverträgen nach Maßgabe des BAT beschäftigte. Der Kläger erstellte auf den vom Beklagten zur Verfügung gestellten Formularen monatliche Nachweise über geleistete Bereitschaftsdienste und Überstunden. Diese Formulare, die die Grundlage für die Vergütungsabrechnung durch die Verwaltung bilden, wurden vom jeweiligen Klinikvorstand oder seinem beauftragten Vertreter zur Bescheinigung der sachlichen Richtigkeit der angegebenen Stunden unterzeichnet.
Der Kläger stellte mit Schreiben vom 15. Mai 1987 ein Abhilfegesuch, das vom Beklagten nicht beschieden wurde.
Der Kläger hat gemeint, er habe für die nicht durch Freizeit ausgeglichenen oder abgegoltenen Überstunden Ansprüche auf Zahlung von Überstundenvergütung. Der BAT finde Anwendung. Er sei keine wissenschaftliche Hilfskraft gemäß § 3 Buchst. g BAT. Auf die Bezeichnung im Arbeitsvertrag komme es nicht an. Vielmehr sei die tatsächliche Durchführung und praktische Gestaltung der Vertragsbeziehungen entscheidend. Er sei nach den wahrgenommenen Aufgaben und Funktionen als Arzt beschäftigt gewesen und habe ausnahmslos Arbeitsleistungen im Rahmen der regulären Patientenversorgung erbracht. Er sei nur unbedeutend in Forschung und Lehre tätig gewesen. Auch sei die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses wahrgenommene Weiterbildung zum Facharzt keine wissenschaftliche Hilfstätigkeit. Die nach den berufsrechtlichen Regelungen verlangten Weiterbildungsinhalte seien nur im Rahmen der regulären Patientenversorgung und nicht durch eine überwiegend wissenschaftlich geprägte Tätigkeit erfüllbar.
Auch ohne Rücksicht auf die Anwendbarkeit des BAT habe er Ansprüche auf die Überstundenvergütungen, da der Beklagte ein entschädigungsloses Erbringen der Überstunden nicht verlangen könne. Der arbeitsvertragliche Ausschluß der Überstundenvergütung halte einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nicht Stand.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.601,64 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. April 1987 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat gemeint, der Kläger sei als wissenschaftliche Hilfskraft nach § 3 Buchst. g BAT vom Geltungsbereich des BAT ausgenommen. Der Kläger habe eine überwiegend wissenschaftlich geprägte Tätigkeit ausgeübt, die der wissenschaftlichen Weiterbildung gedient habe und zur Beurteilung der Eignung als wissenschaftlicher Nachwuchs erfolgt sei. Dieser Bewertung stehe nicht die Tatsache entgegen, daß der Kläger in der Krankenversorgung tätig gewesen sei. Aus den hochschulrechtlichen Bestimmungen der Art. 25, 22 BayHSchLG über die Stellung und die Aufgaben der wissenschaftlichen Hilfskräfte folge, daß im Bereich der klinischen Medizin die Tätigkeit in der Krankenversorgung zu den wissenschaftlichen Dienstleistungen gehöre und deshalb mit Forschung und Lehre untrennbar verbunden sei. Daher habe die Einstufung als wissenschaftliche Hilfskraft im Bereich der Medizin nicht zur Voraussetzung, daß ausschließlich theoretische Tätigkeiten in Forschung und Lehre ausgeübt werden. Es sei des weiteren ohne Bedeutung, daß die bei dem Beklagten als BAT-Angestellte beschäftigten Ärzte eine mit der klägerischen Tätigkeit identische Tätigkeit ausübten.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Klageabweisung. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Sachaufklärung.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers sei begründet, weil der vertragliche Ausschluß der Überstundenabgeltung unwirksam sei. Zwar sei der Kläger als wissenschaftliche Hilfskraft im Sinne von § 3 Buchst. g BAT anzusehen. Danach sei als wissenschaftliche Hilfstätigkeit eine in einem Teil- oder Vollzeitarbeitsverhältnis ausgeübte, als vorübergehende Durchgangsposition übertragene Tätigkeit zu werten, die wissenschaftlichen Zwecken diene, Aufgaben in Forschung und Lehre unterstützend begleite, insbesondere in einer unmittelbaren Zuarbeit für eine Tätigkeit in Forschung und Lehre bestehe.
Da die unmittelbare Zuarbeit für die in Forschung und Lehre tätigen Angehörigen des Lehrkörpers nur im Zusammenhang mit der Krankenversorgung erfolgen könne, müsse die eigene Beteiligung der wissenschaftlichen Hilfskraft an der Lehrtätigkeit nicht den Schwerpunkt der Tätigkeit bilden. Entscheidend sei, ob die Betrauung mit ärztlichen Aufgaben mit dem Ziel der unmittelbaren und vorübergehenden Zuarbeit für die Tätigkeit der dem Lehrkörper angehörigen Personen in der Erforschung und Weiterentwicklung von Diagnose- und Therapiemethoden erfolge und dazu diene, der wissenschaftlichen Hilfskraft den Einstieg in die Hochschullaufbahn zu eröffnen.
Der Kläger sei dafür beweisfällig geblieben, daß er entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht in diesem Sinne beschäftigt worden sei. Gleichwohl halte der vertragliche Ausschluß einer Überstundenabgeltung einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nicht stand. Da der Beklagte seiner Verpflichtung zur Gewährung des Freizeitausgleichs für die angeordneten Überstunden nicht nachgekommen sei, entbehre die Ungleichbehandlung des Klägers, der infolge der Befristung seines Arbeitsverhältnisses die Gewährung von Freizeitausgleich während des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Anspruch nehmen könne, gegenüber den vergleichbaren Kollegen, denen Freizeitausgleich vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden sei, eines sachlichen Grundes.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
B. Der Kläger hat Anspruch auf Bereitschaftsdienst- und Überstundenvergütung nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT). Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet, weil der Kläger seinen Anspruch nur zum Teil rechtzeitig gemäß § 70 BAT geltend gemacht hat.
I. Der arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschluß der Bezahlung von Mehrarbeit ist rechtsunwirksam. Die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages gelten unmittelbar und zwingend, weil der Kläger keine vom persönlichen Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages ausgenommene wissenschaftliche Hilfskraft im Sinne des § 3 Buchst. g BAT ist. Das ergibt die Auslegung dieser Vorschrift und die Durchführung des Vertrages der Parteien.
1. a) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet das Adjektiv „wissenschaftlich” soviel wie „die Wissenschaft betreffend, zu ihr gehörend, auf ihr beruhend, in der Art. einer Wissenschaft” (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1984, Bd. 6, S. 761) oder „die Wissenschaft betreffend, dazu gehörend, darauf beruhend” (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 1981, Bd. 6, S. 2893). Der Terminus „Wissenschaft” bedeutet im allgemeinen sprachlichen Sinne „durch Forschung, Lehre und überlieferte Literatur gebildetes, geordnetes und begründetes, für sicher erachtetes Wissen einer Zeit” (Brockhaus/Wahrig, aaO) bzw. „Wissen hervorbringende forschende Tätigkeit in einem Bereich” (Duden, aaO).
Der Begriff „Hilfskraft” wird allgemeinsprachlich definiert als „Person zur Unterstützung, Mithilfe bei einer Arbeit” (Brockhaus/Wahrig. Deutsches Wörterbuch, 1981, Bd. 3, S. 556) oder als „jemand, der zur Mithilfe, Unterstützung bei bestimmten Arbeiten angestellt ist” (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 1977, Bd. 3, S. 1232). Das sich auf den Begriff „Hilfskraft” beziehende Adjektiv „wissenschaftlich” bezeichnet eine „mit bestimmten wissenschaftlichen Arbeiten beauftragte Hilfskraft” (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 1981, Bd. 6, S. 2893).
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind „wissenschaftliche Hilfskräfte” somit Personen, die zur Mithilfe und Unterstützung bei bestimmten wissenschaftlichen Arbeiten angestellt sind, d. h. für eine in Forschung und Lehre tätige Person unterstützende und zuarbeitende Tätigkeiten verrichten.
b) Die hochschulrechtliche Terminologie bestätigt diese Definition des allgemeinen Sprachgebrauchs.
Mit der Verwendung des Begriffs „wissenschaftliche Hilfskräfte” haben die Tarifvertragsparteien im Jahre 1961 auf eine Gruppe von Hochschulangehörigen Bezug genommen, deren spezifische Aufgaben und Funktionen in der Reichsassistentenordnung vom 1. Januar 1940 festgelegt waren (Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 1. Aufl., 1956, S. 299; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Juni 1990, § 3 Erl. 8; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand 1. Oktober 1990, § 3 Erl. 7). Nach § 15 RAssO sollten sie „zur Wahrnehmung von wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten bestellt” werden. Im Gebiet des beklagten Freistaats galt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 3 Buchst. g BAT das bayerische Hochschullehrergesetz vom 15. November 1948 (GVBl BY, S. 254), welches in Art. 38 Nr. 2 eine Regelung für die wissenschaftlichen Hilfskräfte enthielt. Ein entscheidungserheblicher Bedeutungswandel des Begriffs „wissenschaftliche Hilfskraft” ist seitdem nicht eingetreten (so auch Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT. Stand Oktober 1990, § 3 Rz 4; PK-BAT Hannig, § 3 Rz 11). Mit Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes (HRG) vom 26. Januar 1976 (BGBl I S. 185) ist die Rechtsstellung der wissenschaftlichen Hilfskräfte in § 36 Abs. 3 HRG geregelt. Sie werden der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter im Sinne des § 53 HRG zugeordnet (Denninger/Becker, HRG, 1984, § 53 Rz 14). Im Bereich des Beklagten gilt für wissenschaftliche Hilfskräfte insbesondere Art. 25 BayHSchLG. Nach beiden Regelungen besteht das Hauptmerkmal der wissenschaftlichen Hilfskräfte in der Verpflichtung zum Erbringen von wissenschaftlichen Dienstleistungen gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 HRG, Art. 25 Abs. 1 Satz 1 und Art. 22 Abs. 1 Satz 1 BayHSchLG. Hierunter sind Tätigkeiten zu verstehen, mit denen der wissenschaftliche Mitarbeiter bei Forschung und Lehre anderen unterstützend zuarbeitet und damit die Aufgabe der jeweiligen Einrichtung, der er zugeordnet ist, zu erfüllen hilft (Denninger/Becker, aaO, § 53 Rz 3). Als wissenschaftliche Dienstleistungen kommen darüber hinaus die Mitarbeit bei allen den Professoren obliegenden Dienstaufgaben in Betracht, etwa bei Prüfungen, der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses oder der Studienberatung (Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, S. 590 Rz 531). Entscheidend für die Einstufung als wissenschaftliche Dienstleistung ist stets, welche Nähe der Mitarbeiter zur wissenschaftlichen Tätigkeit hat (Thieme, aaO, S. 207 Rz 195).
c) Damit muß davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der wissenschaftlichen Hilfskraft ursprünglich und auch nach wie vor mit dem beschriebenen Inhalt verwendet und angewandt wissen wollen (vgl. BAGE 42, 272, 277 = AP Nr. 61 zu § 611 BGB; BAG Urteil vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 139/89 – nicht veröffentlicht). Im Ergebnis zu Recht werden daher die geltenden hochschulrechtlichen Funktionsbezeichnungen den verschiedenen Tatbeständen des § 3 Buchst. g BAT zugeordnet (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, § 3 Rz 8; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO, § 3 Rz 17; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, aaO, § 3 Rz 7, S. 30.12 ff.; Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand August 1990, § 3 BAT Rz 9 c). Ärztliche Tätigkeiten im Rahmen der regulären Patientenversorgung sind nach diesen Kriterien nicht den wissenschaftlichen Dienstleistungen zuzuordnen, da kein unmittelbarer Bezug zur wissenschaftlichen Tätigkeit in Forschung und Lehre besteht.
d) Dies ergibt sich auch aus dem Hochschulrahmengesetz selbst. Im Bereich der Medizin gehören zwar zu den wissenschaftlichen Dienstleistungen gemäß § 53 Abs. 1 Satz 3 HRG, Art. 22 Abs. 1 Satz 3 BayHSchLG auch Tätigkeiten in der Krankenversorgung. Nach § 54 HRG, Art. 26 BayHSchLG sind jedoch hauptberuflich an der Hochschule tätige Personen mit ärztlichen Aufgaben den wissenschaftlichen Mitarbeitern „gleichgestellt”. Hieraus wird deutlich, daß ärztliche Tätigkeiten für sich gesehen gerade keine wissenschaftlichen Dienstleistungen im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 3 HRG, Art. 22 Abs. 1 Satz 3 BayHSchLG (Denninger/Becker, aaO. § 54 Rz 1) darstellen. Einer gesetzlichen Gleichstellung mit wissenschaftlichen Mitarbeitern hätte es nämlich nicht bedurft, wenn ärztliche Tätigkeiten in der Krankenversorgung als solche schon wissenschaftliche Dienstleistungen darstellten und zum Status eines wissenschaftlichen Mitarbeiters bzw. einer wissenschaftlichen Hilfskraft führten. Mit „Tätigkeiten in der Krankenversorgung” im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 3 HRG, Art. 22 Abs. 1 Satz 3 BayHSchLG sind daher nicht die regulären ärztlichen Aufgaben im Rahmen der Patientenversorgung gemeint, sondern es ist eine Krankenversorgung, die im Rahmen eines Unterrichts am Krankenbett erbracht wird (Denninger/Becker, aaO, § 53 Rz 3).
e) Auch die Weiterbildung zum Facharzt kann nicht als wissenschaftliche Hilfstätigkeit qualifiziert werden.
Gemäß § 1 Abs. 1 Weiterbildungsordnung besteht das Ziel der Weiterbildung darin, Ärzten nach Abschluß ihrer Berufsausbildung im Rahmen einer mehrjährigen Berufstätigkeit eingehende Erfahrungen im jeweiligen Fachgebiet zu vermitteln. Diese mehrjährige weiterbildungsrelevante Berufstätigkeit ist nach der Anlage zur Weiterbildungsordnung in ihrem weitaus überwiegenden Teil im regulären Stationsdienst abzuleisten. Das Erfordernis der weiterbildungsrelevanten praktischen Tätigkeit im Rahmen der normalen stationären Patientenversorgung macht deutlich, daß es sich bei der Weiterbildung von ihren Inhalten und Zielsetzungen her nicht um eine Tätigkeit in Forschung und Lehre, mithin um keine wissenschaftliche Tätigkeit handelt.
Auch bei Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich vorliegend um eine Weiterbildung an einer Universitätsklinik handelt, vermag den ärztlichen Tätigkeiten kein wissenschaftliches Gepräge zu verleihen. Zum einen ist die ärztliche Weiterbildung nicht auf Universitätskliniken beschränkt, vielmehr stellen diese nur eine neben anderen möglichen Weiterbildungsstätten dar (§ 6 Abs. 1 Weiterbildungsordung). Zum anderen stellt die ärztliche Tätigkeit an einer Universitätsklinik als solche auch deshalb keine wissenschaftliche Tätigkeit dar, weil Universitätskliniken nämlich nicht nur wissenschaftlichen Zwecken dienen, sondern Teil des Systems der öffentlichen Krankenversorgung sind (vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl., S. 264 Rz 248).
2. Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten, unstreitigen Sachverhalt war der Kläger in der regulären ärztlichen Patientenversorgung tätig und hat daneben ab 1. September 1986 zu etwa 5 % seiner Gesamtarbeitszeit an der Organisation und Durchführung des Radiologischen Kurses für klinische Semester mitgewirkt. Damit widersprechen sich die Vertragsbezeichnung als „wissenschaftliche Hilfskraft” und die tatsächliche Durchführung des Vertrages. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. BAGE 30, 163, 172 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAGE 41, 247, 258 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAGE 43, 102, 105 = AP Nr. 5 zu § 10 AÜG; BAG Beschluß vom 10. September 1985 – 1 ABR 28/83 – AP Nr. 3 zu § 117 BetrVG 1972; zuletzt Urteil vom 3. April 1990 – 3 AZR 258/88 – zur Veröffentlichung vorgesehen) entscheidet aber über die rechtliche Einordnung eines Rechtsverhältnisses nicht die Bezeichnung oder die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge, sondern der Geschäftsinhalt. Widersprechen sich aber schriftliche Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrags, ist letztere maßgebend. Nur aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind und welche Stellung den Parteien hiernach tatsächlich zukommt.
II. Nach den somit unmittelbar und zwingend geltenden Vorschriften des BAT, die ein Wahlrecht des Klägers zwischen verschiedenen Vertragsgestaltungen ausschließen, hatte der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Abgeltung seiner Bereitschaftsdienststunden nach der SR 2 c Nr. 8 Abs. 3 BAT sowie der geleisteten Überstunden gemäß § 17 Abs. 5 Satz 4 BAT.
1. Nach § 17 Abs. 1 BAT sind Überstunden, die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 bis 4 BAT) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen. Neben einer mündlichen, schriftlichen oder auch nur stillschweigenden Anordnung kann es genügen, wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geleistete Überstundenarbeit kennt und sie duldet (BAG Urteil vom 27. Juni 1979 – 4 AZR 727/77 – n. v.). So angeordnete Überstunden sind grundsätzlich bis zum Ende des nächsten Kalendermonats durch entsprechende Arbeitsbefreiung auszugleichen. Für jede nicht ausgeglichene Überstunde ist die Überstundenvergütung (§ 35 Abs. 3 Unterabs. 2 BAT) zu zahlen.
Unstreitig hat der Kläger die Überstunden aufgrund einer dienstplanmäßigen Einteilung erbracht. Damit lag eine „Anordnung” im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 BAT vor. Auch der Beklagte ging von einer Anordnung der Überstunden aus, da er die Überstundenvergütungen hinsichtlich eines Teils der insgesamt geleisteten Überstunden gezahlt hat und die weitergehende Bezahlung aus anderen Gründen als einer fehlenden Anordnung verweigert (vgl. dazu BAG Urteil vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 – nicht veröffentlicht).
2. Da auch die Bereitschaftsdienste dienstplanmäßig abgeleistet und vom Beklagten teilweise vergütet wurden, ist von einer Anordnung im Sinne der SR 2 c Nr. 8 Abs. 1 BAT auszugehen.
Hinsichtlich der Bereitschaftsdienststunden mangelt es jedoch an einer Nebenabrede im Sinne der SR 2 c Nr. 8 Abs. 5 Satz 1 BAT. Der Abschluß einer derartigen Nebenabrede hat zwar grundsätzlich konstitutive Wirkung für das Entstehen eines entsprechenden Vergütungsanspruches (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 19. Juni 1985 – 5 AZR 57/84 – AP Nr. 11 zu § 4 BAT; BAG Urteil vom 9. August 1978 – 4 AZR 77/77 – AP Nr. 5 zu § 17 BAT). Fehlt es an einer Nebenabrede, so werden die geleisteten Bereitschaftsdienste jedoch nach der tatsächlichen Belastung abgerechnet (BAG Urteil vom 15. Februar 1990 – 6 AZR 386/88 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Die geleisteten Überstunden und Bereitschaftsdienststunden wurden nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht durch Freizeitausgleich abgegolten (vgl. dazu BAG Urteile vom 16. Februar 1989 – 6 AZR 325/87 –, vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 – und vom 7. Dezember 1989 – 6 AZR 129/88 – nicht veröffentlicht). Eine Abgeltung durch Freizeitausgleich ist nicht mehr möglich. Dies ergibt sich zwar nicht schon aus dem Ablauf des einmonatigen (§ 17 Abs. 5 Satz 1 BAT a. F.) bzw. dreimonatigen (SR 2 c Nr. 8 Abs. 4 Satz 1 BAT) Ausgleichszeitraumes, da auch nach dessen Ablauf in beiderseitigem Einverständnis ein Freizeitausgleich gewährt werden kann (BAG Urteil vom 7. Dezember 1982 – 3 AZR 1218/79 – AP Nr. 8 zu § 17 BAT). Die Unmöglichkeit folgt jedoch aus der Tatsache, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mehr besteht.
III. Der Kläger hat keinen tarifvertraglichen Vergütungsanspruch. Wie der Senat in der am gleichen Tag entschiedenen Parallelsache im einzelnen ausgeführt hat (vgl. BAG Urteil vom 24. Oktober 1990 – 6 AZR 37/89 – zur Veröffentlichung vorgesehen), war die Vergütungsordnung zum BAT (Anl. 1 a und 1 b) zum 31. Dezember 1983 wirksam gekündigt, so daß sie nur nachwirkend gemäß § 4 Abs. 5 TVG galt und sich somit nicht wie vorliegend auf erst nach Außerkrafttreten begründete Arbeitsverhältnisse erstreckte (vgl. BAGE 50, 258 = AP Nr. 2 zu § 74 BAT).
IV. Der Kläger hat jedoch einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung der Bereitschaftsdienste und Überstunden erworben.
1. Infolge der Unwirksamkeit der Mehrarbeitsvergütungsklausel ist in dem Arbeitsvertrag des Klägers eine Lücke entstanden, die den Regelungsplan der Parteien vervollständigungsbedürftig macht. Eine derartige, durch Wegfall einer unwirksamen Vereinbarung entstandene Vertragslücke, stellt eine der ergänzenden Vertragsauslegung zugängliche Regelungslücke dar (BGHZ 63, 132, 135 f.; BGHZ 90, 69, 74). Diese ist entsprechend dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen (BGHZ 90, 69, 74 ff.). Maßgebend ist, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGHZ 90, 69, 77). Unter Anlegung des in §§ 133, 157 BGB vorgegebenen Auslegungsmaßstabes ist daher danach zu fragen, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die nicht bedachte Unwirksamkeit der Klausel bewußt gewesen wäre (vgl. BGHZ 9, 273, 278; 60, 353, 362; 84, 1, 7). Hierbei ist der gesamte Sinnzusammenhang des Vertragswerkes, ein von beiden Teilen anerkannter Vertragszweck sowie die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., S. 287).
2. Unter Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze bestehen zwei Möglichkeiten der Lückenausfüllung. Zum einen hätten die Parteien entsprechend den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Absenkung der Eingangsbezahlung im Bereich des BAT vom 21. März 1985 (abgedruckt bei Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, VergO BL, Bd. 1, Teil II, Besondere Vorbemerkung S. 9 ff.) die Anwendung der Vergütungsordnung zum BAT vereinbaren können. Zum anderen hätten die Parteien eine Überstundenvergütung aus der VergGr. II a BAT vereinbaren können. Von dieser Vertragsgestaltung ist auszugehen. Dies ergibt sich aus der von dem Beklagten nach dem Schreiben des Kultusministers vom 25. Januar 1979 (– Nr. I B 2–5/31032 –) geübten Praxis mit Ärzten, die eine der klägerischen Tätigkeit entsprechende Tätigkeit ausübten, eine Vergütung nach der VergGr. II a BAT arbeitsvertraglich zu vereinbaren.
V. Diese arbeitsvertraglichen Ansprüche des Klägers Sind zum Teil verfallen, weil sie nicht rechtzeitig geltend gemacht sind. Soweit der Senat nicht beurteilen konnte, ob die Forderungen rechtzeitig geltend gemacht worden sind oder nicht, mußte der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
1. Arbeitsvertragliche Ansprüche verfallen gemäß § 70 BAT, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach deren Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden (vgl. ständige Rechtsprechung seit BAGE 11, 150 = AP Nr. 27 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Wird für angeordnete Bereitschaftsdienste und Überstunden kein Freizeitausgleich gewährt, so werden die Ansprüche auf Bereitschaftsdienstvergütung gemäß SR 2 c Nr. 8 Abs. 4 Satz 1 BAT nach Ablauf eines dreimonatigen Ausgleichszeitraums fällig (vgl. BAG Urteil vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 – nicht veröffentlicht). Die Ansprüche auf Überstundenvergütung werden gemäß § 17 Abs. 5 Satz 1 BAT nach Ablauf des einmonatigen Ausgleichs Zeitraums fällig (BAG Urteil vom 7. Dezember 1982 – 3 AZR 1218/79 – AP Nr. 8 zu § 17 BAT; BAG Urteil vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 – nicht veröffentlicht; BAG Urteil vom 18. Januar 1990 – 6 AZR 386/89 – EzA § 15 BAT Nr. 1, zur Veröffentlichung vorgesehen; ebenso PK-BAT Pieper, § 17 Rz 28; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, aaO, § 17 Erl. 7 S. 98.21). Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Ausgleichszeitraumes beendet wird. Ein Freizeitausgleich setzt den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraus. In diesem Fall werden die Ansprüche mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.
2. Die vom Kläger bei der Verwaltung eingereichten Nachweise über die geleisteten Bereitschaftsdienst- und Überstunden stellen keine Geltendmachung im Sinne von § 70 BAT dar, weil die Ansprüche im Zeitpunkt der Einreichung noch nicht fällig waren (vgl. BAG Urteil vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 – nicht veröffentlicht). Eine ordnungsgemäße Geltendmachung erfolgte somit erstmals mit dem Abhilfegesuch des Klägers vom 15. Mai 1987.
a) Somit waren die Ansprüche auf Bereitschaftsdienstvergütung bis Juli 1986 spätestens nach Ablauf des dreimonatigen Ausgleichszeitraums am 1. November 1986 fällig. Die Ausschlußfrist war damit am 30. April 1987 abgelaufen.
Die Ansprüche für die in den Monaten Februar und März 1987 geleisteten Bereitschaftsdienststunden waren zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis am 31. März 1987 fällig.
Eine ordnungsgemäße Geltendmachung gemäß § 70 BAT erfolgte mit dem Abhilfegesuch am 15. Mai 1987.
b) Die Ansprüche auf Überstundenvergütung bis September 1986 wurden danach spätestens am 1. November 1986 fällig. Die Ausschlußfrist war daher am 30. April 1987 abgelaufen.
Für die im Jahr 1987 geleisteten Überstunden ergab sich aufgrund der Änderung des § 17 Abs. 5 Satz 1 BAT ein abweichender Fälligkeitszeitpunkt dahingehend, daß die Fälligkeit nach Ablauf des nunmehr dreimonatigen Ausgleichszeitraumes eintrat. Die Ansprüche für die Monate Februar und März 1987 waren mithin zum Zeitpunkt des Abhilfegesuchs am 15. Mai 1987 fällig.
c) Die weitergehenden Ansprüche auf Zahlung der in den Monaten ab August 1986 bis März 1987 geleisteten Bereitschaftsdienststunden sowie der ab Oktober 1986 bis März 1987 geleisteten Überstunden sind daher begründet.
Über diese nicht verfallenen Ansprüche des Klägers konnte jedoch nicht abschließend entschieden werden, da es an den hierfür notwendigen tatsächlichen Feststellungen mangelt. Die dem Grunde nach für die angeführten Monate bestehenden Vergütungsansprüche sind der Höhe nach nicht bezifferbar. Es läßt sich nämlich nicht feststellen, wie die geltend gemachten und unstreitigen 54 Mehrarbeitsstunden den einzelnen Monaten zuzuordnen sind. Es steht daher nicht fest, wieviele Bereitschaftsdienststunden und Überstunden auf die einzelnen Monate entfallen. Insoweit bedarf es weiterer Sachaufklärung.
Unterschriften
Dr. Jobs, Dörner, Schliemann, H. Schmidt, Marx
Fundstellen