Entscheidungsstichwort (Thema)

Leiter von Fernsehübertragungswagen

 

Orientierungssatz

Eingruppierung von Leiter eines Fernsehübertragungswagens nach der Vergütungsordnung für den NDR in der Fassung vom 12.6.1974 Vergütungsgruppe 3; Reportagewagen als Fernsehübertragungswagen.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 04.11.1987; Aktenzeichen 5 Sa 53/87)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 10.04.1987; Aktenzeichen 1 Ca 43/87)

 

Tatbestand

Der am 10. Dezember 1942 geborene Kläger, der Mitglied der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft ist, steht seit dem 1. April 1958 in den Diensten des Beklagten. Er absolvierte zunächst eine 3 1/2jährige Ausbildung zum Elektromechaniker und wurde im Anschluß daran als Techniker in verschiedenen Bereichen des Beklagten eingesetzt und nach VergGr. 6 der Vergütungsordnung des Beklagten in der Fassung vom 12. Juni 1974 (VergO-NDR) bezahlt. Seit dem 1. September 1978 erhielt der Kläger eine Zulage in Höhe der Differenz zur VergGr. 4. Mit Wirkung vom 1. Juni 1984 wurde er in die VergGr. 4 als "technischer Angestellter mit der Tätigkeit eines gehobenen Ingenieurs" eingruppiert und bezahlt.

Der Kläger wird auf einem von dem Beklagten als "Reportagewagen" bezeichneten Fahrzeug eingesetzt, mit dem Fernsehübertragungen durchgeführt werden. Ihm obliegt die gesamte technische Abwicklung der Fernsehübertragung, für die er eingesetzt ist, nebst Beratung der anderen an der Sendung beteiligten Personen. Dem Kläger ist für seine Tätigkeit grundsätzlich ein Assistent unterstellt. Bei dem Einsatz mehrerer Kameras wird pro eingesetzter Kamera ein Assistent eingesetzt, so daß dann auch mehrere Assistenten dem Kläger unterstehen. Das Fahrzeug, auf dem der Kläger eingesetzt ist, ist mit zwei Kameras und der Zuschaltmöglichkeit für eine dritte Kamera ausgerüstet. Weiter verfügen die Fahrzeuge, bei denen es sich um einen VW LT oder um einen DB 608, 613 handelt, über folgende technische Geräte: 2 BCN-Magnetbandaufzeichnungsgeräte mit der Möglichkeit für Zeitlupenwiedergabe, 1 Mischpult mit Trick-Ebene und Bluebox-Effekten sowie 1 Farbschrifteinblendung. Um Fernsehproduktionen jedweder Art leisten zu können, werden an dieses Fahrzeug Aston-Schrifteingabegeräte, Ques Tech (Digitalisierungsgerät für Farbfernsehbilder), diverse Monitore und weitere bildtechnische Geräte angeschlossen.

Im Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages gab es die von dem Beklagten als "Reportagewagen" bezeichneten Fahrzeuge noch nicht; es gab 3 Fernsehübertragungswagen, deren damalige Ausstattung zwischen den Parteien zum Teil im Streit ist. 2 von diesen Fahrzeugen, die auch heute noch verwendet werden und bei denen es sich um Sattelschlepper handelt, haben eine reichhaltige technische Ausstattung; sie sind u. a. mit 4 Kameras und der Möglichkeit der Zuschaltung einer 5. Kamera ausgerüstet. Sie werden von ihrer Aufgabenstellung her für die Übertragung oder Aufzeichnung großer Veranstaltungen bzw. für Produktionen mit höchstem Schwierigkeitsgrad eingesetzt. Dem Leiter dieser Fernsehübertragungswagen unterstehen 2 Techniker und 1 Tontechniker, bei Produktionen zusätzlich ein weiterer Tontechniker und 1 Toningenieur. Ein mit 2 Kameras ausgerüstetes Fahrzeug (Ü 3) ist mittlerweile außer Dienst gestellt; auch sein übriger technischer Standard entsprach nicht dem der großen Fernsehübertragungswagen. Sein damaliger Leiter wurde nach VergGr. 3 vergütet. Dieser übernahm nach Abschaffung des Ü 3 unter Beibehaltung seiner Vergütungsgruppe einen sogen. "Reportagewagen".

Weiter war im Zeitpunkt des Tarifabschlusses bei dem Beklagten ein sogen. Farb-MAZ-Wagen vorhanden, dessen Leiter, dem ebenfalls ein Assistent unterstand, nach VergGr. 4 vergütet worden ist. Der Farb-MAZ-Wagen ist unterdessen ebenfalls abgeschafft worden, da die MAZ-Geräte sowohl in die "Reportage-" als auch in die Fernsehübertragungswagen integriert worden sind.

Mit Schreiben vom 10. August 1984 begehrte der Kläger erfolglos seine Höhergruppierung in die VergGr. 3. Mit seiner Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, es handele sich bei dem Fahrzeug, auf dem er tätig sei, um einen Fernsehübertragungswagen im Sinne der VergGr. 3 Ziff. 3 VergO-NDR. Dieses Fahrzeug sei auch für hochwertige Produktionen geeignet, z. B. für Life-Übertragungen von Gottesdiensten und Kirchensendungen, Schaubuden-Sendungen und die Selbstdarstellung des Beklagten während der Messe "Du und Deine Welt", Life-Sendungen von der Hannover-Messe und diverse Musiksendungen. Die Tarifvertragsparteien hätten die quantitative und qualitative Ausstattung bewußt nicht als Tätigkeitsmerkmal in den Tarifvertrag aufgenommen. Daß die Tarifpartner den Begriff des Fernsehübertragungswagens nicht nur auf die auch heute noch von dem Beklagten bezeichneten Fahrzeuge hätten eingrenzen wollen, ergebe sich bereits aus der damaligen Existenz des Ü 3, der ebenfalls nicht über den hohen technischen Standard der beiden übrigen Fernsehübertragungswagen verfügt habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet

ist, dem Kläger seit dem 1. Januar 1985 Ver-

gütung entsprechend der VergGr. 3 nach der ab

dem 1. Juli 1974 geltenden Vergütungsordnung zu

zahlen,

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist,

die monatlichen Differenzbeträge zwischen der

VergGr. 3 und der VergGr. 4 je nach Fälligkeit mit

4 % zu verzinsen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, bei dem sogen. "Reportagewagen" handele es sich nicht um einen Fernsehübertragungswagen im Sinne der Vergütungsordnung. Das ergebe sich bereits aus der bescheideneren technischen Ausstattung und aus der Tatsache, daß diese Fahrzeuge nicht für Produktionen von besonders hohem Schwierigkeitsgrad einsetzbar seien. Unrichtig sei die Behauptung des Klägers, der Reportagewagen werde überwiegend für hochwertige Fernsehproduktionen eingesetzt. Da bei Abschluß des Tarifvertrages nur die großen Fernsehübertragungswagen vorhanden gewesen seien, seien die Tarifvertragsparteien auch von den Qualitätsanforderungen für einen Leiter dieser Fahrzeuge ausgegangen; nur dieser Typ der Fernsehübertragungswagen sei somit dem Richtbeispiel zugrunde zu legen. Der gleichfalls Anfang der 70er Jahre eingesetzte Ü 3 könne nicht mit einem Reportage-, sondern eher mit einem Fernsehübertragungswagen verglichen werden. Die mit diesem Fahrzeug gesammelten Erkenntnisse und Erfahrungen seien zum Teil in die Entwicklung der heutigen Reportagewagen miteingeflossen; unzutreffend sei allerdings, daß die Reportagewagen Nachfolger des Ü 3 seien. Der Reportagewagen stelle somit für die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des Tarifvertrages zur Vergütungsordnung eine nicht vorhersehbare Neuerung dar. Deshalb sei der Kläger gemäß Ziff. 2 der Erläuterungen zur Vergütungsordnung einzugruppieren, wonach die in den Richtbeispielen gekennzeichneten Arbeitsplätze den Maßstab für die Bewertung von nicht aufgeführten Arbeitsplätzen setzten. Wollte man dem Begriff des Reportagewagens eine eigene Wertung beimessen, so handele es sich um eine tarifliche Regelungslücke, die nicht durch die Gerichte zu schließen sei. Die Reportagewagen seien auch nicht an die Stelle der Fernsehübertragungswagen getreten. Es habe sich lediglich herausgestellt, daß für bestimmte weniger anspruchsvolle Aufnahmen, nämlich solche mit Reportagecharakter, aufgrund der technischen Entwicklung auch weniger anspruchsvolles technisches Gerät eingesetzt werden könne. Daraus ergebe sich zwingend, daß eine Abgrenzung dieser neuentwickelten Fahrzeuge zu den hergebrachten Fernsehübertragungswagen erforderlich sei. Auch für die Leitungsfunktion mache es einen erheblichen Unterschied aus, ob sich die Unterstellung und Weisungsbefugnis auf fünf oder nur auf einen Mitarbeiter beziehe. Unzutreffend sei, daß der Leiter des Ü 3, Herr G, seinerzeit aufgrund seiner Tätigkeit auf diesem Fahrzeug in die VergGr. 3 eingruppiert worden sei. Vor seiner Tätigkeit auf diesem Ü 3 habe Herr G eine Tätigkeit als Leiter eines Fernsehübertragungswagens ausgeübt und sei demgemäß nach VergGr. 3 vergütet worden. Diese Vergütung habe ihm aus Gründen der Besitzstandswahrung erhalten bleiben müssen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision unter Beschränkung des Zinsanspruches auf Prozeßzinsen ab 11. Februar 1987 aus dem Nettobetrag.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war zurückzuweisen. Zutreffend haben die Vorinstanzen dem Kläger den Anspruch auf Vergütung nach VergGr. 3 VergO-NDR ab 1. Januar 1985 zuerkannt.

Auszugehen ist von Ziffer 512.1 MTV-NDR, wonach für die Grundvergütung nach der Vergütungsordnung die überwiegend ausgeübte Tätigkeit, mindestens aber die im Arbeitsvertrag festgelegte Tätigkeit maßgebend ist (vgl. BAG Urteil vom 7. Februar 1979 - 4 AZR 562/77 - AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk und vom 29. April 1981 - 4 AZR 1007/78 - AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Dazu ist in Ziffer 2 bestimmt, daß die Richtbeispiele für die Wertigkeit einer Eingruppierung typische Arbeitsplätze kennzeichnen, die den Maßstab auch für die Bewertung anderer Arbeitsplätze setzen und bei den Richtbeispielen jeweils die Tätigkeiten angegeben sind, die dem Arbeitsplatz das Gepräge geben. Hiervon geht auch das Landesarbeitsgericht aus. Es hebt hervor, daß der Kläger ausschließlich auf einem Fahrzeug eingesetzt ist, mit dem Farbfernsehübertragungen durchgeführt werden. Dieses Fahrzeug wird von dem Beklagten als Reportagewagen bezeichnet. Diese Tätigkeit ist danach für die Eingruppierung des Klägers als Arbeitsplatz maßgeblich.

In der VergO-NDR sind für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers danach aber folgende Merkmale zugrunde zu legen:

VergGr. 3

........

Betriebsingenieure

Richtbeispiele

1. Programmingenieure, die für die tontechnische

Abwicklung technisch sehr schwieriger Produktionen

und/oder technisch sehr schwieriger Filmhaupt-

mischungen und Synchronisationen verantwortlich sind.

2. Programmingenieure, die für die bildtechnische Ab-

wicklung schwierigster elektronischer Studioproduk-

tionen (z.B. große Fernsehspiele, Life-Unterhal-

tungssendungen) verantwortlich sind und maßgeblich

bei der Realisierung der künstlerischen Absichten

des Regisseurs in farb-, licht- und tricktechnischer

Hinsicht mitwirken.

3. Ingenieure in der Bildtechnik als Leiter eines Fern-

sehübertragungswagens.

......

VergGr. 4

......

Gehobene Ingenieure

mit Zeugnis als graduierter Ingenieur und mehrjähriger

entsprechender Tätigkeit

oder

technische Angestellte mit der Tätigkeit eines

gehobenen Ingenieurs.

Richtbeispiele

........

2. Programmingenieure in der Bildtechnik, die für die

bildtechnische Abwicklung schwieriger elektronischer

Studioproduktionen (z.B. anspruchsvolle Features oder

Farbtagesschau verantwortlich und für die licht-,

farb- und tricktechnische Beratung zuständig sind.

......

4. Ingenieure in der Bildmeßtechnik, die große Anlagen-

komplexe wie ein Fernsehstudio, die FAT- oder MAZ-

Zentrale im Fernsehstudio Lockstedt oder Fernseh-

übertragungswagen selbständig messen und prüfen sowie

Fehler an diesen Anlagenkomplexen suchen und beheben.

.......

10. Ingenieure als Leiter eines Farb-MAZ-Wagens

.......

Irgendwelche Oberbegriffe oder allgemeine Eingruppierungsmerkmale enthält die VergO-NDR nicht. Danach geht das Landesarbeitsgericht zutreffend und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, daß der Kläger mit den Aufgaben eines Ingenieurs in der Bildtechnik als Leiter eines Fernsehübertragungswagens beschäftigt wird. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut des Leiters eines Fernsehübertragungswagens. Über diesen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen verfolgte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, soweit sie in der Tarifnorm einen Niederschlag gefunden haben. Dazu ist insbesondere auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der auch deswegen mit berücksichtigt werden muß, weil nur daraus auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht ausdrücklich ausgegangen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht nicht zusätzlich noch geprüft, ob der Kläger auch als Ingenieur in der Bildtechnik angesehen werden kann, da dies zwischen den Parteien nicht umstritten war. Es ergibt sich jedoch ohne weiteres, daß der Kläger auch die Tätigkeit eines Ingenieurs in der Bildtechnik ausübt. Er verfügt zwar über keine Ausbildung als Ingenieur. Ziffer 1 der Erläuterungen zur VergO-NDR bestimmt jedoch:

"Die fachlichen Voraussetzungen sind die Anforderungen,

die zur Eingruppierung in eine Vergütungsgruppe erfüllt

sein sollen; sie können durch eine andere Ausbildung

oder Fortbildung oder durch entsprechende berufliche

Kenntnisse und Fähigkeiten ersetzt werden. Werden in-

nerhalb einer Laufbahn in den höheren Vergütungsgrup-

pen fachliche Voraussetzungen nicht angegeben, gelten

die fachlichen Voraussetzungen der nächst unteren

Vergütungsgruppe dieser Laufbahn, in der fachliche

Voraussetzungen genannt sind.

Die Erfüllung der fachlichen Voraussetzungen allein

begründet keinen Anspruch auf höhere Eingruppierung."

Nach VergO-NDR VergGr. 4 werden als Ingenieure sowohl gehobene Ingenieure als auch technische Angestellte mit der Tätigkeit eines gehobenen Ingenieurs angesehen. Eine solche Tätigkeit, die der eines gehobenen Ingenieurs entspricht, übt der Kläger jedoch auch aus. Da er Arbeiten ausführt, die für die Aufnahme, Bearbeitung, Übertragung, Aufzeichnung und Wiedergabe von Fernsehbildern erforderlich sind, ist er auch in der Bildtechnik tätig (vgl. Blätter zur Berufskunde, Bd. 2 - I U 22, S. 2).

Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht weiter an, daß es sich bei dem Fahrzeug, auf dem der Kläger eingesetzt ist, um einen Fernsehübertragungswagen handelt. Das Landesarbeitsgericht führt aus, dieser Wagen sei für Fernsehübertragungen konzipiert und werde dafür auch genutzt. Es sei unerheblich, daß der Beklagte auch Fernsehübertragungswagen in Betrieb habe, die qualitativ über eine technisch höhere Ausstattung verfügten und die deshalb im Vergleich zu dem Fahrzeug des Klägers für wesentlich schwierigere Produktionen eingesetzt werden könnten. Die Tarifvertragsparteien hätten an den Begriff des Fernsehübertragungswagens und dessen Leiter keine Qualifikationsmerkmale hinsichtlich Ausrüstung, Besetzung und Schwierigkeit der Bedienung geknüpft. Bereits nach dem Wortlaut seien alle Leiter eines Fernsehübertragungswagens unabhängig von seiner Ausstattung deshalb nach VergGr. 3 zu bezahlen. Der Begriff des Reportagewagens sei in der Vergütungsordnung nicht enthalten. Mit dem Begriff des Fernsehübertragungswagens hätten die Tarifvertragsparteien eine reine Funktionsbezeichnung gewählt. Daß die Tarifvertragsparteien an den Begriff des Fernsehübertragungswagens keine besonderen Qualifikations- oder Größenmerkmale geknüpft hätten, ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages, soweit dieser im Tarifwerk seinen Niederschlag gefunden habe. Der Vergütungsordnung seien besondere Qualifikationsmerkmale hinsichtlich Arbeitsplatz und des Arbeitnehmers nicht fremd. Damit hätten die Tarifvertragsparteien festgelegt, daß Leiter eines Fernsehübertragungswagens in VergGr. 3 einzugruppieren seien, ohne daß eine besondere Bedeutung in der Größe des Gerätes oder besondere Anforderungen bezüglich des Schwierigkeitsgrades der Aufnahmen festgelegt worden seien. Damit sei klargestellt, daß jeder Leiter eines für Fernsehübertragungen bestimmten Fahrzeuges nach VergGr. 3 zu bezahlen sei. Deshalb komme es auf die Tarif- und Entstehungsgeschichte nicht mehr an. Daraus ließe sich aber auch nichts Gegenteiliges ableiten, da im Zeitpunkt des Tarifabschlusses bereits ein Fernsehübertragungswagen mit weniger qualifizierter Ausstattung vorhanden gewesen sei, so daß die Tarifvertragsparteien gewußt hätten, daß die Ausstattung solcher Fernsehübertragungswagen unterschiedlich sein könne. Eine bestimmte Typisierung des Fernsehübertragungswagens nach VergGr. 3 sei damit nicht erfolgt.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich beizupflichten. Unter dem Begriff des Fernsehübertragungswagens ist ein Wagen zu verstehen, "mit dessen technischen Einrichtungen Funk- und Fernsehsendungen aufgezeichnet oder übertragen werden können" (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, 1984, S. 352; vgl. auch Blätter zur Berufskunde, Bd. 2 - I U 22, S. 2 und Brockhaus, Enzyklopädie, 19. Bd. 1974, S. 175 f). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegt aber bei dem Fahrzeug, auf dem der Kläger eingesetzt worden ist, ein solcher Fernsehübertragungswagen vor, da mit seinen technischen Einrichtungen Fernsehsendungen aufgezeichnet oder übertragen werden.

Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht auch darin, daß der Wille der Tarifvertragsparteien, einen Reportagewagen nicht als Fernsehübertragungswagen im Sinne der VergGr. 3 anzusehen, in den Tarifnormen keinen Niederschlag gefunden hat. Nach der Vergütungsordnung gibt es nur den Leiter eines Fernsehübertragungswagens, ohne daß die Tarifvertragsparteien nach Größe oder Ausstattung dieses Wagens Unterschiede gemacht haben. Soweit in VergGr. 4 Richtbeispiel 10 zu den gehobenen Ingenieuren oder technischen Angestellten Ingenieure als Leiter eines Farb-MAZ-Wagens genannt sind, gibt dies für die Auslegung des Begriffes eines Fernsehübertragungswagens nichts her. Denn nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei dem Farb-MAZ-Wagen nur um ein Fahrzeug, mit dessen technischen Einrichtungen Fernsehsendungen aufgezeichnet, nicht jedoch übertragen werden können. Deshalb kann aus der Erwähnung dieses Richtbeispiels nicht darauf geschlossen werden, daß Fernsehübertragungswagen nach VergGr. 3 eine bestimmte Größe oder eine bestimmte Ausstattung haben müßten. Vielmehr ergibt sich das Gegenteil und eine Bestätigung für die vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegung nach dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang insbesondere auch noch aus dem Richtbeispiel 5 zum Ersten Techniker der VergGr. 6 VergO-NDR. Dieses Richtbeispiel lautet:

"Techniker, die auf einem großen, technisch besonders

komplizierten Fernsehübertragungswagen neben den be-

triebstechnischen Aufgaben insbesondere meßtechnische

Prüfungs- und Störungsbeseitigungen durchführen."

Die Tarifvertragsparteien haben in diesem Richtbeispiel ausdrücklich einen großen und technisch besonders komplizierten Fernsehübertragungswagen angesprochen. Sie machen damit deutlich, daß sie an anderer Stelle zwischen kleineren und größeren Fernsehübertragungswagen, zwischen einfacheren und komplizierteren Fernsehübertragungswagen unterscheiden. Im Gegensatz dazu ist bei dem Richtbeispiel Nr. 3 der VergGr. 3 eine solche Anforderung an den Fernsehübertragungswagen nicht aufgestellt worden. Dann spricht aber alles dafür, an einer solchen Differenzierung in den einzelnen Richtbeispielen auch festzuhalten. Das gilt um so mehr, als nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Zeitpunkt des Tarifabschlusses neben den großen Fernsehübertragungswagen auch bereits ein Fernsehübertragungswagen mit technisch geringerer Ausstattung vorhanden war und die Tarifvertragsparteien daher wußten, daß die Ausstattung der Fernsehübertragungswagen unterschiedlich ist. Dies haben sie im Richtbeispiel Nr. 5 der VergGr. 6 auch kenntlich gemacht. Wenn dann in VergGr. 3 lediglich der Leiter eines jeden Fernsehübertragungswagens ohne eine solche Qualifikation aufgeführt ist, muß es daher dabei verbleiben, daß nach Tarifwortlaut und Gesamtzusammenhang ein Unterschied zwischen den einzelnen Fernsehübertragungswagen in dieser Gruppe nicht gemacht wird.

Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht auch weiter angenommen, daß der Kläger Leiter eines Fernsehübertragungswagens ist, auch wenn ihm in der Regel nur ein Assistent unterstellt ist. Das Landesarbeitsgericht führt dazu aus, daß sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebe, daß als Leiter derjenige Mitarbeiter anzusehen sei, dem die Bedienung des jeweiligen Gerätes eigenverantwortlich übertragen wurde. Das gelte zumindest dann, wenn ihm wenigstens ein weiterer Mitarbeiter ständig unterstellt sei.

Auch dem ist zuzustimmen. Das Landesarbeitsgericht ist dazu von der Rechtsprechung des Senats ausgegangen, wonach für den Begriff eines Leiters nicht unbedingt erforderlich ist, daß weitere Mitarbeiter unterstellt sind. Wenn das Landesarbeitsgericht dann feststellt, daß der Kläger für den Einsatz und die Bedienung eines Fernsehübertragungswagens die alleinige Verantwortung trägt und ihm darüber hinaus in der Regel mindestens ein Assistent unterstellt worden ist, so konnte es daraus in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise schließen, daß der Kläger auch dieses Tätigkeitsmerkmal erfüllt. Es ist nicht erkennbar, daß der Rechtsbegriff verkannt worden ist, bei der Subsumtion das Landesarbeitsgericht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hätte oder seine Beurteilung wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände fehlerhaft sei.

Soweit die Revision einwendet, hinsichtlich der Leiter sogenannter Reportagewagen liege eine unbewußte Tariflücke vor, die ausgefüllt werden müsse, gehen diese Einwendungen fehl. Eine unbewußte Regelungslücke ist nur dann gegeben, wenn die Tarifvertragsparteien ein vollständiges Gesamtsystem zur Ordnung eines Lebenssachverhaltes schaffen wollten, dabei aber Fallgestaltungen übersehen haben (vgl. BAG Urteil vom 18. März 1986 - 3 AZR 541/84 - AP Nr. 3 zu § 35 BAT und vom 13. Juni 1973 - 4 AZR 445/72 - AP Nr. 123 zu § 1 TVG Auslegung). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Tarifvertragsparteien haben für Leiter von Fernsehübertragungswagen ausdrücklich ein Richtbeispiel getroffen, ohne daß sie dabei bestimmte Anforderungen hinsichtlich Ausstattung und Größe des Fahrzeuges geregelt haben. Wenn sich im Laufe der technischen Entwicklung die Ausstattung und Größe solcher Fernsehübertragungswagen zum Teil verändert, spielt dies für die tarifliche Bewertung keine maßgebliche Rolle. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, den Tarifvertrag insoweit zu ändern und auf diese neue technische Entwicklung hin zu ergänzen. Solange dies nicht geschieht, ist der sogenannte Reportagewagen nach wie vor als Fernsehübertragungswagen anzusehen, zumal auch schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages Fernsehübertragungswagen unterschiedlicher Ausstattung und Qualifikation bestanden. Unter diesen Umständen kann von einer unbewußten Tariflücke nicht ausgegangen werden.

Die Revision war deshalb zurückzuweisen, nachdem der Kläger seinen Zinsanspruch auf Prozeßzinsen und Zinsen aus dem Nettobetrag beschränkt hat. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag

Polcyn Fieberg

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439275

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