Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilurlaubsanspruch. Übertragung. Abgeltung
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Übertragung eines Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs 3 Satz 2 BUrlG bedarf es keiner Handlung von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer.
2. Die Übertragungsregelung nach § 7 Abs 3 Satz 2 BUrlG gilt auch für Teilurlaubsansprüche neben der Übertragungsregelung nach § 7 Abs 3 Satz 4 BUrlG für den nach § 5 Abs 1 Buchst a BUrlG entstandenen Urlaubsanspruch.
3. Teilurlaubsansprüche sind unter den gleichen Voraussetzungen abzugelten wie Vollurlaubsansprüche.
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 10 und 16 des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie im Nordverbund vom 31.3.1979.
Normenkette
TVG § 1; BGB § 280; BUrlG § 7 Abs. 4, 3, § 5 Abs. 1 Buchst. b, a
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war vom 9. April 1984 bis zum 19. Oktober 1984 als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war kraft Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie im Nordverbund vom 31. März 1979 (MTV) anzuwenden.
§ 10 MTV enthält u. a. folgende Regelungen:
"6. Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des
Urlaubs
6.1 Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt
und genommen werden.
.....
6.4 (1) Der Urlaub ist grundsätzlich zusammenhängend
zu gewähren.
.....
6.7 Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste
Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn betriebliche
oder in der Person des Arbeitnehmers liegende
Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung
muß der Urlaub in den ersten drei Monaten
des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen
werden.
6.8 Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach
§ 10.4 entstehender Teilurlaub jedoch auf das
nächste Kalenderjahr zu übertragen.
6.9 (1) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ganz oder teilweise nicht mehr
gewährt werden, so ist er abzugelten."
In § 16 MTV ist bestimmt:
"1. Ausschlußfristen
1.1 Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis
und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis
in Verbindung stehen, sind dem Arbeitgeber gegenüber
... schriftlich innerhalb folgender Ausschlußfristen
geltend zu machen:
a) Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb
von 4 Wochen nach Aushändigung oder Zusendung
der Entgeltabrechnung, ...
b) alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei
Monaten nach ihrer Fälligkeit.
1.2 Nach Ablauf dieser Fristen ist eine Geltendmachung
von Ansprüchen ausgeschlossen (Ausschlußfristen
gemäß § 4 Ziffer 4 TVG).
.....
2. Gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nach
dem Ausscheiden
Ist ein Anspruch innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist
geltend gemacht und seine Erfüllung
schriftlich abgelehnt worden, so muß ein Arbeitnehmer,
der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden
ist, innerhalb von 3 Monaten vom Zugang der
schriftlichen Ablehnung an gerechnet, seinen Anspruch
gerichtlich geltend machen, andernfalls
die Geltendmachung ausgeschlossen ist (Ausschlußfrist
gemäß § 4 Ziffer 4 TVG)."
Der Kläger war vom 31. Juli 1984 bis zum 28. Februar 1985 arbeitsunfähig krank. Bei seinem Ausscheiden hatte der Kläger einen Urlaubsanspruch in Höhe von zehn Tagen, für den das Urlaubsentgelt einschließlich des zusätzlichen Urlaubsgeldes 1.605,60 DM betrug. Diesen Betrag hat der Kläger schriftlich am 10. Januar 1985 geltend gemacht. Die Beklagte hat sich geweigert, diesen Urlaubsanspruch abzugelten.
Mit seiner am 12. März 1985 der Beklagten zugestellten Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.605,60 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 12. März 1985 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der von ihm mit der Klage begehrte Zahlungsanspruch zu. Das Landesarbeitsgericht (NZA 1986, 477) hat zu Unrecht den Anspruch des Klägers verneint.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 19. Oktober 1984 noch einen Urlaubsanspruch von zehn Arbeitstagen hatte. Da dem Kläger dieser Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hatte gewährt werden können, war er abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG, § 10 6.9 (1) MTV).
Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für 1984 war entstanden, obwohl der Kläger im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war. Nach § 10 6.9 (1) MTV, der insoweit mit § 7 Abs. 4 BUrlG übereinstimmt, tritt mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis an die Stelle des Anspruchs auf Urlaubsgewährung der Abgeltungsanspruch. Die Entstehung dieses Anspruchs setzt nicht voraus, daß der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsfähig ist. Dies entspricht seit dem Urteil vom 28. Juni 1984 (BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung) der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 10. Februar 1987 - 8 AZR 529/84 -, zur Veröffentlichung bestimmt).
2. Nicht gefolgt werden kann dagegen dem Landesarbeitsgericht darin, daß der Anspruch dem Kläger nicht mehr zustehe, weil er nicht in das Jahr 1985 übertragen worden sei; dafür bedürfe es eines entsprechenden Rechtsgeschäfts zwischen den Parteien, das hier nicht zustande gekommen sei.
Diese Auffassung stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz und zum Urlaubsabgeltungsanspruch nicht überein (Entscheidung des Sechsten Senats vom 13. Mai 1982, BAGE 39, 53 = AP Nr. 4 zu § 7 BUrlG Übertragung, der sich der erkennende Senat u. a. mit Urteil vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 - AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, angeschlossen hat).
a) Danach ist der Urlaubsanspruch auf das Urlaubsjahr befristet; er endet mit dem 31. Dezember des Jahres, in dem er entstanden ist. Die Wirkungen dieser Befristung treten nicht ein, wenn die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen, der Urlaub also aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht während des Urlaubsjahres erfüllt worden ist. Für diese im Gesetz genannten Sonderfälle wird die Anspruchsdauer, also die Befristung, auf den 31. März des Folgejahres erweitert. Dann tritt an die Stelle der Befristung des Urlaubsanspruchs auf den 31. Dezember eine neue zeitliche Begrenzung auf den 31. März des folgenden Jahres. Während dieser neuen Befristung des Urlaubsanspruchs ist der Urlaub zu verwirklichen, andernfalls verfällt er mit Ablauf dieser Frist. Damit hängt die Übertragung des Urlaubs am Jahresende auf den bis zum 31. März des Folgejahres dauernden Übertragungszeitraum allein vom Vorliegen der Merkmale in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ab, also davon, ob der Urlaub im Kalenderjahr aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers nicht genommen werden konnte. Übertragen i. S. von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG bedeutet daher nur, daß der Urlaub des Vorjahres bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums dem Urlaub des nachfolgenden Jahres hinzugerechnet wird. Er ist demnach einem "Übertrag" in einer laufenden Rechnung vergleichbar.
Kommt es für die Übertragung des Urlaubs allein auf das Vorliegen der Merkmale nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG an, bedarf es dafür keiner weiteren Handlungen von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, um die Übertragung zu bewirken. Aus diesem Grunde sind weder ein Antrag des Arbeitnehmers auf Übertragung noch eine entsprechende Annahmeerklärung des Arbeitgebers erforderlich, um die Übertragung des Urlaubs am Ende des Urlaubsjahres zu bewirken. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt ein Rechtsgeschäft für die Übertragung nicht in Betracht. Die Übertragung ist gesetzliche Wirkung des Vorliegens der Merkmale in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG oder entsprechender tariflicher Regelungen.
b) Die Übertragungsregelung nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG gilt auch für Teilurlaubsansprüche. Dem steht nicht entgegen, daß nach § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG für den nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG entstandenen Teilurlaubsanspruch die Möglichkeit besteht, diesen auf das gesamte nächste Kalenderjahr zu übertragen, also nicht nur auf den Übertragungszeitraum nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG. Im Gegensatz zur Übertragung nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG hängt diese Erweiterung der Anspruchsdauer vom Verlangen des Arbeitnehmers, also einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber ab.
c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt für Urlaubsabgeltungsansprüche nach dem BUrlG jedenfalls in bezug auf ihren Bestand nichts anderes als für Urlaubsansprüche (vgl. Urteil vom 28. Juni 1984, BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung; zuletzt erkennender Senat im Urteil vom 25. August 1987 - 8 AZR 331/85 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).
Gegenüber den Regelungen im Bundesurlaubsgesetz enthält der MTV in § 10 6.7, 6.8 und 6.9 (1) keine Änderungen. Sie stimmen mit § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG überein. Die Auffassung der Beklagten, nach dem MTV könne ein Teilurlaubsanspruch nur übertragen werden, wenn der Arbeitnehmer dies verlange, findet in § 10 6.8 MTV keine Stütze.
Damit ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers auf den Übertragungszeitraum des Jahres 1985 übertragen. Der Kläger war wegen seiner Arbeitsunfähigkeit gehindert, den für ihn am 19. Oktober 1984 entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruch im Jahre 1984 zu verwirklichen. Dies ist ein Grund in der Person des Klägers, der nach § 10 6.7 MTV, § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG die Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des Kalenderjahres 1985 rechtfertigt.
3. Der Kläger war jedenfalls im Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 12. März 1985 nicht mehr arbeitsunfähig. Damit wäre bei Weiterbestehen seines Arbeitsverhältnisses sein Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1984 auf Arbeitsbefreiung von zehn Arbeitstagen noch vor Ablauf des Übertragungszeitraums erfüllbar gewesen. Der Kläger hat den Urlaubsabgeltungsanspruch mit seiner Klage auch so rechtzeitig geltend gemacht, daß er vor dem 31. März 1985 als Urlaubsanspruch hätte erfüllt werden können. Es bedarf daher keiner Erwägungen des Senats darüber, ob etwa der Urlaubsanspruch des Klägers nach § 10 6.8 MTV, § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG auch noch nach dem 31. März 1985 hätte verwirklicht werden können.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Forderung des Klägers auch nicht die Ausschlußklausel nach § 16 MTV entgegen. Der Kläger hat den Anspruch nach dem Ende seiner Arbeitsunfähigkeit am 28. Februar 1985 mit der Klage geltend gemacht, also während der Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs. Eine frühere Geltendmachung kam nicht in Betracht, insbesondere ist die schriftliche Aufforderung des Klägers vom 10. Januar 1985 wirkungslos, weil während der Arbeitsunfähigkeit vom 31. Juli 1984 bis zum 28. Februar 1985 der Anspruch nicht erfüllbar und damit die Fälligkeit während dieser Zeit ausgeschlossen war (vgl. BAGE 44, 278 = AP Nr. 15 zu § 7 BUrlG Abgeltung und Urteil des erkennenden Senats vom 27. August 1986 - 8 AZR 582/83 -, zur Veröffentlichung bestimmt).
Mit Ablauf des 31. März 1985 ist der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers zwar wegen Zeitablaufs erloschen. Dennoch steht ihm der geltend gemachte Betrag als Schadenersatz zu. Durch die Klage ist die Beklagte in Verzug gesetzt worden (§ 284 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für den durch den Untergang des Anspruchs am 31. März 1985 entstandenen Schaden muß die Beklagte dem Kläger einstehen (§ 286 Abs. 1, § 287 Satz 2 BGB). Nach § 249 Satz 1 BGB schuldet die Beklagte dem Kläger somit den der Urlaubsabgeltung sowie dem hiervon abhängigen Urlaubsgeld entsprechenden Geldbetrag.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Dr. Liebers Brückmann
Fundstellen
BAGE 56, 53-59 (LT1-3) |
BAGE, 53 |
DB 1988, 447-447 (LT1-3) |
AiB 1988, 95-96 (LT1-3) |
ARST 1988, 74-75 (LT1-2) |
JR 1988, 308 |
NZA 1988, 245-246 (LT1-3) |
RdA 1988, 58 |
AP § 7 BUrlG Übertragung (LT1-3), Nr 15 |
AR-Blattei, ES 1640 Nr 304 (LT1-3) |
AR-Blattei, Urlaub Entsch 304 (LT1-3) |
EzA § 7 BUrlG, Nr 57 (LT1-3) |
EzBAT § 47 BAT, Nr 6 (LT1-3) |
VR 1988, 335 (S) |