Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG. Nichtverlängerung der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit. Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung -Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und der (Schwer-)Behinderung. Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung -entgangener Gewinn. haftungsausfüllende Kausalität
Orientierungssatz
1. Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Das Unterrichtungs- und Anhörungsrecht nach dieser Bestimmung soll die Schwerbehindertenvertretung in die Lage versetzen, auf eine sachdienliche Behandlung hinzuwirken, wenn die spezifischen Belange eines schwerbehinderten Menschen oder der schwerbehinderten Beschäftigten als Gruppe für die Entscheidung des Arbeitgebers erheblich sind.
2. Unterlässt es der Arbeitgeber entgegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen, ist dies ein Indiz iSv. § 22 AGG, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass der/die schwerbehinderte Arbeitnehmer/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung benachteiligt wurde.
3. Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die in § 7 Abs. 2 TzBfG bestimmte Verpflichtung, einen Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen, ist demgegenüber kein Indiz iSv. § 22 AGG, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass der/die schwerbehinderte Arbeitnehmer/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung benachteiligt wurde.
4. Streiten die Parteien darüber, ob der Arbeitgeber dem/der Arbeitnehmer/in nach § 15 Abs. 1 AGG zum Ersatz eines Vermögensschadens in Form entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) – hier: entgangenen Arbeitsentgelts – verpflichtet ist, trifft den/die Arbeitnehmer/in die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität wird durch § 22 AGG nicht abgeändert.
5. Ein Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf entgangenen Gewinn in Form entgangenen Arbeitsentgelts nach § 15 Abs. 1 AGG darauf stützt, er sei vom Arbeitgeber bei der Vergabe zusätzlicher Wochenarbeitsstunden unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG nicht berücksichtigt worden, muss deshalb darlegen und ggf. beweisen, dass alle Voraussetzungen für eine vertragliche Aufstockung seiner Wochenarbeitszeit vorgelegen haben und die Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit ausschließlich deshalb unterblieben ist, weil der Arbeitgeber bei der Vergabe der Wochenarbeitsstunden nach einem Grund iSv. § 1 AGG, zB der (Schwer-)Behinderung differenziert hat.
6. Dem/r Anspruchsteller/in kommt dabei im Rahmen von § 15 Abs. 1 AGG aber eine Beweiserleichterung zugute, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei diskriminierungsfreiem Vorgehen des Arbeitgebers eine vertragliche Aufstockung der Wochenarbeitszeit erfolgt wäre.
Normenkette
AGG §§ 1, 7 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 22; BGB § 252; SGB IX § 81 Abs. 2, § 95 Abs. 2 S. 1; TzBfG § 7 Abs. 2, § 9; ZPO § 286 Abs. 1, § 559 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. September 2015 – 18 Sa 520/14 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als den Anträgen zu 3. und zu 4. des Klägers stattgegeben wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsstreits – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagte dem Kläger nach § 15 Abs. 1 AGG zum Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet ist. Der Kläger stützt seinen Schadensersatzanspruch im Wesentlichen darauf, die Beklagte habe ihn dadurch wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert, dass sie ihn bei der Vergabe zusätzlicher Wochenstunden im Juni 2013 nicht berücksichtigt habe.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der F mit Hauptsitz in M (T) in den USA. Sie betreibt einen Express-Versand und Transport-Service. Der Kläger ist bei der Beklagten als Kurier in der Station K teilzeitbeschäftigt. Er wurde rückwirkend zum 20. Dezember 2011 mit einem Grad der Behinderung von 50 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beläuft sich seit dem 1. Januar 2012 auf 27,5 Stunden. Auf dieser Grundlage erzielte er zuletzt eine monatliche Vergütung iHv. 1.994,12 Euro brutto.
In K waren im Jahr 2013 insgesamt 24 Kuriere beschäftigt, 16 davon als Teilzeitmitarbeiter. Sofern es in der Station K zu einem erhöhten Arbeitsanfall kommt, leisten alle teilzeitbeschäftigten Kuriere Überstunden. Darüber hinaus setzt die Beklagte in einem solchen Fall regelmäßig für Kurierfahrten Selbstständige (sog. Agents) ein. Neben dem Kläger ist der Vollzeitmitarbeiter E als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Streitig ist, seit wann der ebenfalls in Teilzeit beschäftigte Kurier S als schwerbehinderter Mensch anerkannt bzw. einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist und ob darüber hinaus weitere Kuriere als schwerbehinderte Menschen anerkannt sind.
Am 18. Mai 2011 hatte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung erteilt, mit der sie beanstandete, dieser habe sich geweigert, einen Abholauftrag auszuführen. Diese Abmahnung befand sich im Frühjahr 2013 nicht mehr in der Personalakte des Klägers. Unter dem 24. Januar 2013 hatte die Beklagte dem Kläger eine Ermahnung erteilt mit der Begründung, dieser habe seinen Dienst am 2. Januar 2013 um 40 Minuten verspätet begonnen. Eine entsprechende Ermahnung hatten auch drei weitere Kuriere erhalten, von denen zwei bei der Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit im Juni 2013 berücksichtigt wurden.
Die Beklagte erstellt für die Kuriere regelmäßig Leistungsbeurteilungen mit acht Bewertungskriterien und einer Notenskala von 1 „sehr gut”) bis 4 „nicht zufriedenstellend”). Die Beurteilungen des Klägers vom 23. April 2008, 7. Mai 2009, 3. November 2009 und 23. April 2010 weisen als Gesamtergebnis jeweils die Note 1,0 aus, die Beurteilung vom 28. Oktober 2010 die Bewertung 1,1, die Beurteilung vom 7. April 2011 sowie eine Beurteilung (ohne Datum) für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 1. April 2012 jeweils die Note 1,3 und die Bewertung vom 14. Mai 2013 die Note 1,5. Die Parteien streiten darüber, ob es sich dabei um über- oder unterdurchschnittliche Beurteilungen handelt. Grundlage der letzten Beurteilung war ua. eine durch den Stationsmanager Ku vorgenommene Überprüfung „Check-Ride”) am 18. April 2013, bei der dieser beanstandete, der Kläger könne drei bis fünf zusätzliche Stopps pro Tag durchführen. In einem Gespräch am 14. Mai 2013, dessen genauer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, teilte Herr Ku dem Kläger auf dessen Anfrage mit, dass seine vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit nicht um weitere Arbeitsstunden aufgestockt werden könne.
Im Juni 2013 standen bei der Beklagten insgesamt 66,5 Stunden für eine Erhöhung der vertraglichen wöchentlichen Arbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Kuriere zur Verfügung. In Abstimmung mit dem Betriebsrat stockte die Beklagte die wöchentliche Arbeitszeit von zwölf teilzeitbeschäftigten Kurieren um jeweils fünf Stunden auf. Der Kläger, der mehrfach um eine Erhöhung seiner Wochenstundenzahl gebeten hatte, und der Mitarbeiter H, der erst im Januar 2013 von der Station Kö nach K zurückgekehrt war, wurden hierbei nicht berücksichtigt. Nachdem der Kläger, der von der Beklagten über die beabsichtigte Stundenaufstockung nicht unterrichtet worden war, hiervon erfahren hatte, wandte er sich mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24. Juli 2013 an die Beklagte. In diesem Schreiben heißt es ua.:
„Gegenstand unserer Einschaltung ist die Benachteiligung unseres Mandanten bei der Aufstockung von Arbeitszeiten, welche sowohl gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz als auch gegen die Grundsätze des AGG und des SGB IX verstößt.
…
Namens und im Auftrag unseres Mandanten haben wir Sie daher zur Vermeidung von Weiterungen aufzufordern, auch unserem Mandanten eine Erhöhung seiner Arbeitszeit unter entsprechender Vergütungserhöhung um 5 Stunden pro Woche auf insgesamt 32,5 Stunden zu gewähren und ihm eine entsprechende Ergänzung zum Arbeitsvertrag anzubieten.”
Die Beklagte wies dieses Begehren mit Schreiben vom 2. August 2013 zurück.
In der Folgezeit wurden durch den Tod eines Kuriers sowie infolge der Entziehung der Fahrerlaubnis eines weiteren Kuriers insgesamt weitere 60 Wochenstunden frei. Dieses Stundenkontingent verwendete die Beklagte nicht für Stundenerhöhungen der teilzeitbeschäftigten Kuriere, sondern glich es durch Anordnung von Überstunden sowie den Einsatz von Agents aus.
Mit seiner am 30. August 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit um fünf Stunden sowie mit einem am 9. Oktober 2013 eingegangenen Schriftsatz hilfsweise die Feststellung begehrt, dass er bei der nächsten Verteilung von Wochenstunden an Teilzeitkräfte mit der Maßgabe zu berücksichtigen sei, dass seine Arbeitszeit um bis zu 7,5 Stunden pro Woche erhöht und ihm eine entsprechende Änderung seines Arbeitsvertrages unter Erhöhung der monatlichen Vergütung angeboten werde. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Klage erweitert und hilfsweise die Zahlung von Schadensersatz in Form entgangenen Arbeitsentgelts für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2016 sowie hilfsweise die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm monatlich bis zu einer Erhöhung seiner Wochenstundenzahl bzw. bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einen Betrag iHv. 344,43 Euro brutto zu zahlen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn dadurch, dass sie ihn bei der Vergabe zusätzlicher Wochenstunden im Juni 2013 nicht berücksichtigt habe, wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Er hat behauptet, seit März 2010 regelmäßigen, teils erheblichen Anfeindungen seiner Vorgesetzten Ku und Sp ausgesetzt gewesen zu sein. Hierdurch sei er wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Es hätten sich beispielsweise Bronchialasthma, psychische Beeinträchtigungen, Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel und Tinnitus entwickelt. Diese Funktionsbeeinträchtigungen seien auch der Grund für seine Anerkennung als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50.
Er hätte als schwerbehinderter Mensch bei der Vergabe von zusätzlichen Wochenarbeitsstunden gemäß § 9 TzBfG bevorzugt berücksichtigt werden müssen. Jedenfalls sei er durch die Ablehnung einer Erhöhung seiner wöchentlichen Arbeitszeit vor allem wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Dies folge insbesondere aus dem Umstand, dass er als einziger Teilzeitbeschäftigter trotz eines entsprechenden Wunsches im Juni 2013 keine Stundenerhöhung erhalten habe, dass die Beklagte ihn entgegen § 7 Abs. 2 TzBfG nicht vorab über die Stundenerhöhungen informiert habe und auch die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 95 Abs. 2 SGB IX nicht vorab unterrichtet und angehört habe.
Wie sich aus den vorgelegten Beurteilungen zudem ergebe, leiste er überdurchschnittliche Arbeit. Er sei einer der wenigen Arbeitnehmer, die in den vergangenen Jahren auf sechs unterschiedlichen Touren eingesetzt worden seien, während die meisten anderen Kuriere nur auf zwei bis drei Touren einsetzbar seien. Bei dem „Check-Ride” am 18. April 2013 habe sich Herr Ku wie ein „Drill-Instructor” geriert und dadurch bei ihm Stress und Verunsicherung ausgelöst. Sofern andere Kuriere gelegentlich eine höhere Anzahl an Lieferungen erledigen könnten, sei dies maßgeblich darauf zurückzuführen, dass diese ua. unter Missachtung von Geschwindigkeitsbeschränkungen, Nichteinhaltung sonstiger Regeln der Straßenverkehrsordnung oder außerhalb des städtischen Berufsverkehrs unterwegs seien. Der am 13. Juni 2013 mit dem Schwerbehindertenvertrauensmann Ho durchgeführte weitere „Check-Ride” habe gezeigt, dass er gut arbeite und die verlangte Anzahl von Stopps erreiche. Herr Ho habe sich anschließend bei den Stationsmanagern Sp und Ku für ihn eingesetzt. Diese hätten jedoch lediglich angeboten, dass er sich durch das Ableisten von Überstunden für eine künftige Stundenerhöhung empfehlen könne. Im Jahr 2013 habe er im Übrigen 81,6 Überstunden geleistet.
Außerdem habe Herr Ku ihm in dem Gespräch am 14. Mai 2013 erklärt, er solle sich nicht unglücklich machen; er sei ja schwerbehindert, solle auf seine Gesundheit achten und bedenken, dass er bei der Beklagten nicht mehr glücklich werde; er solle lieber eine Abfindung nehmen und die Beklagte verlassen. Herr Sp habe im Juni 2013 und auch schon mehrfach im Jahr 2012 geäußert, solange er Stationsmanager in der Station K sei, werde er (der Kläger) keine zusätzlichen Stunden bekommen. Herr Sp habe sich in auffälliger Weise dafür interessiert, ob seine Krankmeldung am 1. Juli 2013 mit der Schwerbehinderung zu tun habe und ob ihm denn sein Arbeitsplatz nicht wichtig sei. Die Anfeindungen seien auch nach Juni 2013 fortgesetzt worden. So habe Herr Sp am 12. Juni 2015 ironisch geäußert, es sei ja beachtlich, dass der Kläger als Schwerbehinderter am 11. Juni 2015 27 Stopps geschafft habe und habe dabei hämisch gelacht. Am 29. Juni 2015 habe er erfahren, dass die Beklagte erneut zusätzliche Stunden an sieben Mitarbeiter verteilt habe, ohne ihn dabei zu berücksichtigen oder überhaupt nur im Vorfeld zu informieren.
Wegen der willkürlichen und ausschließlich wegen seiner Schwerbehinderung erfolgten Nichtberücksichtigung bei der Stundenvergabe im Mai/Juni 2013 stehe ihm jedenfalls nach § 15 Abs. 1 AGG ein zeitlich unbegrenzter Schadensersatzanspruch zu, der sich ausgehend von einer durchschnittlichen Stundenerhöhung von 4,75 Stunden für die übrigen Teilzeitbeschäftigten und einem Bruttomonatsgehalt von 1.994,12 Euro auf monatlich 344,34 Euro belaufe.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, seine Arbeitszeit um fünf Stunden pro Woche auf 32,5 Stunden pro Woche zu erhöhen und ihm eine entsprechende Änderung des Arbeitsvertrages unter Erhöhung der monatlichen Vergütung auf 2.356,69 Euro bei ansonsten unveränderten Bedingungen anzubieten;
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens bei der nächsten Verteilung von Wochenstunden an Teilzeitkräfte mit der Maßgabe zu berücksichtigen, dass seine Arbeitszeit wie andere um bis zu 7,5 Stunden pro Woche auf bis zu 35 Wochenstunden erhöht und ihm eine entsprechende Änderung seines Arbeitsvertrages unter Erhöhung der monatlichen Vergütung auf bis zu 2.537,97 Euro bei ansonsten unveränderten Bedingungen angeboten wird;
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. und 2.,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.399,48 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
hilfsweise für den Fall, dass das Gericht dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch (Antrag zu 3.) nur anteilig bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung stattgeben sollte,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger monatlich einen Betrag iHv. 344,43 Euro brutto zu zahlen und zwar beginnend ab dem Zeitpunkt der Entscheidung durch das Berufungsgericht und endend vor dem Tag, an dem die Beklagte die Wochenstundenzahl des Klägers erhöht oder das Arbeitsverhältnis beendet wird, je nachdem, welcher Zeitpunkt zuerst eintritt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger weder eine Aufstockung seiner wöchentlichen Arbeitszeit noch Schadensersatz zu schulden. Bereits im Juni 2013 seien alle verfügbaren 66,5 Stunden vergeben worden, wobei sie das über 60 Wochenstunden hinausgehende Stundenkontingent auf die Mitarbeiter R (fünf Stunden) und A (1,5 Stunden) verteilt habe. Die Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit der Mitarbeiter sei überwiegend bereits zum 1. Juni 2013 umgesetzt worden. Nur Herr Er habe erst seit dem 15. Juni 2013 fünf Stunden mehr pro Woche gearbeitet. Dass dessen Änderungsvertrag am 23. August 2013 noch nicht unterzeichnet gewesen sei, habe daran gelegen, dass sie Herrn Er zunächst einen falschen Vertragstext vorgelegt habe.
In dem Gespräch am 14. Mai 2013 habe Herr Ku gegenüber dem Kläger lediglich erklärt, dass man zwar gerne weitere Stunden an die Mitarbeiter verteilen würde, dies aber von der Geschäftsleitung noch nicht genehmigt sei. Die entsprechende Genehmigung sei erst im Juni 2013 erteilt worden.
Grund für die Nichtberücksichtigung des Klägers bei der Stundenvergabe sei nicht dessen Schwerbehinderung, sondern seien ausschließlich seine Leistungsmängel gewesen. Seine Beurteilungen seien schlechter als der Notendurchschnitt, der im Jahr 2011 bei 1,05, im Jahr 2012 bei 1,03 und im Jahr 2013 bei 1,07 gelegen habe. Damit sei der Kläger der im Vergleich schlechteste Kurier gewesen. Im Übrigen habe Herr S, der ebenfalls schwerbehindert bzw. gleichgestellt sei, eine Stundenerhöhung erhalten. Zudem beschäftige sie als Vollzeitkuriere neben Herrn Er die weiteren schwerbehinderten Arbeitnehmer B und D. Der Kläger sei auch nicht der einzige teilzeitbeschäftigte Kurier, der bei der Stundenaufstockung nicht berücksichtigt worden sei. Herr H, der seit März 2005 bei ihr beschäftigt und lediglich im Zuge der Kapazitätsverlagerung von Fr nach Kö im Jahr 2010 dorthin gewechselt sei, sei – was unstreitig ist – trotz eines entsprechenden Wunsches bei der Stundenvergabe ebenfalls unberücksichtigt geblieben. Die vom Kläger im Jahr 2013 geleisteten Überstunden beliefen sich auf lediglich 17,03 Stunden und lägen damit weit unter denen der übrigen Kuriere.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – nach Beweisaufnahme den Anträgen zu 3. und 4. insoweit entsprochen, als es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger entgangene Vergütung für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis zum 31. August 2015 iHv. 8.955,18 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen und zudem festgestellt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger monatlich einen Betrag iHv. 344,43 Euro brutto zu zahlen, und zwar beginnend ab dem Datum der Entscheidung durch das Berufungsgericht (25. September 2015) und endend vor dem Tag, an dem die Beklagte die Wochenstundenzahl des Klägers erhöht oder das Arbeitsverhältnis beendet wird, je nachdem, welcher Zeitpunkt zuerst eintritt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Revision, mit der sie die vollständige Klageabweisung begehrt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte den Klageanträgen zu 3. und 4. nicht – teilweise – stattgegeben werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann vom Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte den Klageanträgen zu 3. und 4. nicht – teilweise – stattgegeben werden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG, da die Beklagte die Auswahl unter den Kurierfahrern, die eine Arbeitszeitaufstockung wünschten, unter Verstoß gegen §§ 7, 1 AGG vorgenommen habe. Der Kläger habe ausreichende Indizien nachgewiesen, dass er insoweit wegen seiner Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit unmittelbar benachteiligt worden sein könnte. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht widerlegt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Beklagte kein objektives Auswahlverfahren durchgeführt habe. Vielmehr lasse der Ausschluss des Klägers eine unmittelbare Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten. Diese Vermutung werde durch folgende Indizien gestützt: Der Kläger sei nach dem Willen der Manager der Beklagten, Sp und Ku, als einziger Kurier in Teilzeit, der eine Stundenerhöhung gewünscht habe, nicht berücksichtigt worden, obgleich die Stunden ohne Einzelfallbetrachtung vergeben worden seien. Die quantitativen Leistungseinschränkungen des Klägers, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dazu geführt haben könnten, dass er nicht berücksichtigt worden sei, beruhten auf seiner Behinderung, was den Managern der Beklagten bewusst gewesen sein müsse. Zudem sei der Kläger in dem Gespräch am 14. Mai 2013 fehlerhaft informiert worden, dass keine Stundenaufstockungen zu erwarten seien. Man habe ihn auch nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Kollegen zum 1. Juni 2013 bzw. 15. Juni 2013 dauerhafte Erhöhungen der Wochenarbeitszeit erhielten, während er keine Berücksichtigung gefunden habe. Dies spreche dafür, dass man ihm gegenüber eine Rechtfertigung für die unterbliebene Verlängerung der Wochenarbeitszeit habe vermeiden wollen. Außerdem habe die Beklagte schriftsätzlich unzutreffende Angaben dazu gemacht, warum der Kläger nicht ausgewählt wurde.
2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte sei dem Kläger nach § 15 Abs. 1 AGG zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn bei der Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Kuriere im Juni 2013 wegen seiner Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und dadurch unmittelbar benachteiligt habe, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob hinreichende Indizien vorliegen, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung vermuten lassen iSv. § 22 AGG, einen unzutreffenden Maßstab angewendet und damit zugleich die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweislastumkehr nach § 22 AGG verkannt.
a) Der Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG.
aa) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung „wegen” eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und dem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Für den Kausalzusammenhang ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht – gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder” des Verhaltens – handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (vgl. etwa BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 62; 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 53, BAGE 155, 149; 26. Juni 2014 – 8 AZR 547/13 – Rn. 34 mwN).
bb) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den haftungsbegründenden Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (vgl. etwa BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 63 mwN; 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 54 mwN, BAGE 155, 149).
(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist (vgl. BAG 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 24; 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 54 mwN, BAGE 155, 149). Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (EuGH 25. April 2013 – C-81/12 – [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; vgl. auch EuGH 19. April 2012 – C-415/10 – [Meister] Rn. 42, 44 f.; BAG 26. Juni 2014 – 8 AZR 547/13 – Rn. 31 mwN).
(2) Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 16. Juli 2015 – C-83/14 – [CHEZ Razpredelenie Bulgaria] Rn. 85; 25. April 2013 – C-81/12 – [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 – C-54/07 – [Feryn] Rn. 32, Slg. 2008, I-5187; BAG 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 24; 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 54 mwN, BAGE 155, 149). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. etwa BAG 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 63 mwN; 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – aaO).
cc) Sowohl die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einer/einem Beschäftigten vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen Haupt- und/oder Hilfstatsachen eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, als auch deren Würdigung, ob die von dem Arbeitgeber seinerseits vorgebrachten Tatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, sind nur eingeschränkt revisibel (vgl. etwa BAG 22. August 2013 – 8 AZR 563/12 – Rn. 49 mwN, 63). In beiden Fällen beschränkt sich die revisionsrechtliche Kontrolle darauf zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht sich den Vorgaben von § 286 Abs. 1 ZPO entsprechend mit dem Prozessstoff umfassend auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und des Weiteren rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. BAG 23. Juli 2015 – 6 AZR 457/14 – Rn. 29, BAGE 152, 134; 18. September 2014 – 8 AZR 759/13 – Rn. 30; 26. Juni 2014 – 8 AZR 547/13 – Rn. 42; 27. März 2014 – 6 AZR 989/12 – Rn. 37; 26. September 2013 – 8 AZR 650/12 – Rn. 28; 22. August 2013 – 8 AZR 563/12 – aaO; 21. Juni 2012 – 8 AZR 364/11 – Rn. 34, BAGE 142, 158).
b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es bestehe die Vermutung, dass der Kläger bei der Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Kuriere im Juni 2013 wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei, hält dieser eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand. Zwar hat das Landesarbeitsgericht unter B. III. 3. a) aa) der Urteilsgründe zutreffend die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wiedergegeben, wonach eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann genügt, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Es hat diesen Maßstab allerdings im Folgenden seiner Würdigung nicht zugrunde gelegt, sondern bereits die Möglichkeit der Kausalität der Behinderung des Klägers für dessen Benachteiligung ausreichen lassen. So stellt das Berufungsgericht seiner Würdigung unter B. III. 3. a) cc) der Urteilsgründe den Satz voran: „Der Kläger hat ausreichende Indizien nachgewiesen, dass er wegen seiner Schwerbehinderung unmittelbar benachteiligt worden sein kann.” Ferner heißt es unter B. III. 3. a) cc) (1) der Urteilsgründe: „Die quantitativen Leistungseinschränkungen des Klägers, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dazu geführt haben können, dass der Kläger nicht berücksichtigt wurde, beruhen auf seiner Behinderung.” § 22 AGG verlangt für die Annahme der Kausalitätsvermutung jedoch das Vorliegen von Indizien, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dass das Landesarbeitsgericht diese Voraussetzung dennoch als gegeben angesehen hat, lässt das angefochtene Urteil auch nicht an anderer Stelle seiner Begründung erkennen.
II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es sei zu vermuten, dass der Kläger bei der Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Kuriere im Juni 2013 wegen seiner Behinderung benachteiligt wurde, erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
1. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers stellt der von ihm behauptete Umstand, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht vorab unterrichtet und angehört wurde, kein Indiz iSv. § 22 AGG dar, dass er wegen seiner Behinderung benachteiligt wurde.
a) Zwar hat der Arbeitgeber nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Unterlässt es der Arbeitgeber entgegen dieser Bestimmung, die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen, ist dies ein Indiz iSd. § 22 AGG, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer wegen der Behinderung benachteiligt wurde (BAG 20. Januar 2016 – 8 AZR 194/14 – Rn. 40; 22. August 2013 – 8 AZR 574/12 – Rn. 35).
b) Vorliegend war die Beklagte jedoch weder zu einer Unterrichtung noch zu einer Anhörung der Schwerbehindertenvertretung verpflichtet.
aa) Das Wort „berühren” in § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist mit „betreffen” gleichzusetzen (BAG 17. August 2010 – 9 ABR 83/09 – Rn. 14, BAGE 135, 207). Die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte sollen es der Schwerbehindertenvertretung ermöglichen, auf eine sachdienliche Behandlung hinzuwirken, wenn die spezifischen Belange eines schwerbehinderten Menschen oder der schwerbehinderten Beschäftigten als Gruppe für die Entscheidung des Arbeitgebers erheblich sind (BAG 22. August 2013 – 8 AZR 574/12 – Rn. 35 mwN). Eine Unterrichtungs- und Anhörungspflicht besteht deshalb nicht, wenn die Angelegenheit bzw. die Maßnahme des Arbeitgebers die Belange schwerbehinderter Menschen in keiner anderen Weise betrifft als die Belange nicht schwerbehinderter Beschäftigter (BAG 14. März 2012 – 7 ABR 67/10 – Rn. 20; 17. August 2010 – 9 ABR 83/09 – Rn. 13, 18, aaO).
bb) Dies war bei der Vergabe zusätzlicher Wochenarbeitsstunden im Juni 2013 an 14 teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter und bei der Nichtvergabe zusätzlicher Wochenarbeitsstunden an den Kläger der Fall. Hierdurch wurden weder die spezifischen Belange des schwerbehinderten Klägers noch die der schwerbehinderten Beschäftigten als Gruppe berührt.
2. Auch der Umstand, dass die Beklagte den Kläger ggf. entgegen § 7 Abs. 2 TzBfG nicht vorab über ihren Entschluss unterrichtet hat, die wöchentliche Arbeitszeit von teilzeitbeschäftigten Kurieren um insgesamt 66,5 Stunden aufzustocken, begründet entgegen der Auffassung des Klägers nicht die Vermutung, dass dieser wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde. Dies folgt bereits daraus, dass die in § 7 Abs. 2 TzBfG bestimmte Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach Veränderung von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über zu besetzende entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, zwar ua. der Verwirklichung der Ansprüche nach § 9 TzBfG dient, jedoch keine Verpflichtung ist, die das Gesetz zum Schutze oder mit dem Ziel der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen bestimmt hat. Als Vermutungstatsachen für einen Kausalzusammenhang mit der Schwerbehinderung kommen nämlich nur Pflichtverletzungen in Betracht, die der Arbeitgeber begeht, indem er Vorschriften nicht befolgt, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen enthalten (vgl. BAG 26. September 2013 – 8 AZR 650/12 – Rn. 29; 17. August 2010 – 9 AZR 839/08 – Rn. 35). Dies ist bei § 7 Abs. 2 TzBfG nicht der Fall.
III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Insbesondere kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob Indizien vorliegen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Kläger bei der Vergabe der zusätzlichen Wochenarbeitsstunden im Juni 2013 wegen seiner Schwerbehinderung unberücksichtigt blieb. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
1. Zwar hat der Senat bei der Beurteilung, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger die ungünstigere Behandlung wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat, grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) festgestellt hat. Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder unwahr sei, so ist diese Feststellung nach § 559 Abs. 2 ZPO für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist. Die den Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde liegende Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur auf eine entsprechende Rüge hin darauf zu überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. etwa BAG 18. November 2015 – 5 AZR 814/14 – Rn. 29 mwN; 19. Mai 2015 – 9 AZR 863/13 – Rn. 23 mwN). Allerdings greift die insoweit erhobene Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe den Prozessstoff nur unvollständig gewürdigt, durch, weshalb dahinstehen kann, ob die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht auch deshalb einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhält, weil sie – wie die Beklagte rügt – auf einer Verletzung von Denkgesetzen beruht.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die quantitativen Leistungseinschränkungen des Klägers, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dazu geführt haben könnten, dass er nicht berücksichtigt wurde, beruhten auf seiner Behinderung, was den Managern der Beklagten bewusst gewesen sein müsse. Diese Würdigung lässt indes jegliche Auseinandersetzung damit vermissen, dass der Kläger selbst widersprüchlich dazu vorgetragen hatte, inwieweit die Entscheidung der Beklagten, ihn bei der Vergabe zusätzlicher Wochenarbeitsstunden nicht zu berücksichtigen, überhaupt auf behinderungsbedingten Leistungsbeeinträchtigungen beruhte. Insoweit hat der Kläger nämlich auch ausgeführt, er habe, wie sich aus den vorgelegten Beurteilungen ergebe, im Vergleich zu anderen – nicht behinderten – Kurierfahrern sogar überdurchschnittliche Leistungen erbracht. Er sei einer der wenigen Arbeitnehmer, die in den vergangenen Jahren auf sechs unterschiedlichen Touren eingesetzt worden seien, während die meisten anderen Kuriere nur auf zwei bis drei Touren einsetzbar seien. Bei dem „Check-Ride” am 18. April 2013 habe sich Herr Ku wie ein „Drill-Instructor” geriert und dadurch bei ihm Stress und Verunsicherung ausgelöst. Sofern andere Kuriere gelegentlich eine höhere Anzahl an Lieferungen erledigen könnten, sei dies maßgeblich darauf zurückzuführen, dass diese ua. unter Missachtung von Geschwindigkeitsbeschränkungen, Nichteinhaltung sonstiger Regeln der Straßenverkehrsordnung oder außerhalb des städtischen Berufsverkehrs unterwegs seien.
b) Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht auch deshalb einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhält, weil sie – wie die Beklagte rügt – auf einer Verletzung von Denkgesetzen beruht. Insbesondere kann offenbleiben, ob die Rüge der Beklagten durchgreift, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht aus der Formulierung des Zeugen Ku, „Krankheitszeiten, das muss man nicht verheimlichen” den Schluss gezogen, die Zeugen Sp und Ku hätten nicht vollständig wahrheitsgemäß ausgesagt, zudem habe es eindeutige anderslautende Aussagen der Zeugen außen vor gelassen. Es kommt daher nicht darauf an, ob sich aus dem Umstand, dass ein Zeuge – ohne hiernach gefragt worden zu sein – besonders betont, nichts verheimlichen zu wollen, ein Realkennzeichen im Sinne eines „starken Indizes” dafür ergeben kann, dass er tatsächlich doch etwas verheimlichen wollte (vgl. zu der Aussagekraft einer Betonung der Wahrheitstreue durch den Zeugen: Bender/Nack/Treuer Tatsachenfeststellung vor Gericht 3. Aufl. Rn. 371; Balzer Beweisaufnahme und Beweiswürdigung im Zivilprozess 2. Aufl. Rn. 328) oder ob es sich bei diesem Umstand lediglich um einen Indikator mit für sich genommen nur geringer Validität, dh. mit durchschnittlich nur wenig über dem Zufallsniveau liegender Aussagekraft für die Glaubhaftigkeit oder fehlende Glaubhaftigkeit der Aussage handelt (vgl. hierzu BGH 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98 – zu B II 1 b aa (1) der Gründe, BGHSt 45, 164).
2. Nach der Zurückverweisung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) wird das Landesarbeitsgericht zunächst – ggf. nach erneuter Beweisaufnahme – erneut darüber zu entscheiden haben, ob die Beklagte den Kläger „wegen” seiner Schwerbehinderung benachteiligt hat, dh. ob Indizien vorliegen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Schwerbehinderung des Klägers kausal für die Entscheidung der Beklagten war, diesen bei der Stundenerhöhung im Juni 2013 nicht zu berücksichtigen und ob diese Vermutung – sofern sie bestehen sollte – von der Beklagten ggf. widerlegt wurde. Dafür gibt der Senat die nachstehenden Hinweise:
a) Das Landesarbeitsgericht wird zu beachten haben, dass einige der von ihm im angefochtenen Urteil angezogenen Umstände für sich allein betrachtet nicht geeignet sind, eine Indizwirkung nach § 22 AGG zu begründen.
aa) Selbst wenn der Kläger der einzige schwerbehinderte Arbeitnehmer in der Vergleichsgruppe der teilzeitbeschäftigten Kuriere gewesen sein sollte, ließe sich hieraus allein kein Indiz iSd. § 22 AGG ableiten. Dieser Umstand lässt nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Schluss darauf zu, dass die Schwerbehinderung des Klägers Teil des Motivbündels der Beklagten war. Es besteht zumindest ein gleich hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür, dass ausschließlich andere Motive ausschlaggebend waren, wobei es sich insoweit nicht um sachlich gerechtfertigte Motive handeln muss. Die bloße ungünstigere Behandlung eines Beschäftigten weist für sich genommen nicht darauf hin, dass diese im Zusammenhang mit einem bestimmten Merkmal iSv. § 1 AGG steht. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die einen Bezug zu diesem Merkmal aufweisen.
bb) Auch wenn der Kläger am 14. Mai 2013 fehlerhaft dahin informiert worden sein sollte, dass keine Stundenaufstockungen zu erwarten seien, und wenn die Beklagte ihn nicht vorab über ihren Entschluss unterrichtet haben sollte, die wöchentliche Arbeitszeit von teilzeitbeschäftigten Kurieren anzuheben, lässt dies für sich genommen ebenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Schluss darauf zu, dass die Schwerbehinderung des Klägers mitursächlich für seine Benachteiligung war. Allein das Bemühen, einen Beschäftigten gar nicht erst auf die gewünschte Maßnahme hoffen zu lassen bzw. bei ihm nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, andere Arbeitnehmer seien begünstigt worden, lässt für sich betrachtet nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den erforderlichen Zusammenhang zwischen der Benachteiligung und einem Merkmal iSv. § 1 AGG schließen, sondern nur darauf, diesen Beschäftigten nicht begünstigen zu wollen und Problemen mit ihm möglichst aus dem Wege zu gehen.
b) Sollte das Landesarbeitsgericht bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis gelangen, dass Indizien bewiesen sind, die nach § 22 AGG eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten lassen, wird es sodann zu prüfen haben, ob die Beklagte dargelegt und bewiesen hat, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist, weil ausschließlich andere als die in § 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX genannten Gründe, hier: die Schwerbehinderung des Klägers, zu dessen ungünstigerer Behandlung geführt haben.
3. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Beklagte den Kläger „wegen” seiner Schwerbehinderung benachteiligt hat, wird es zu prüfen haben, ob diese Benachteiligung auch kausal für den von ihm geltend gemachten Schaden ist. Dabei wird es Folgendes zu beachten haben: Streiten die Parteien – wie hier – darüber, ob der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 AGG zum Ersatz eines Vermögensschadens in Form entgangenen Gewinns (§ 252 BGB), hier: entgangenen Arbeitsentgelts, verpflichtet ist, hat der/die Anspruchsteller/in die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität. Diese, dem/der Anspruchsteller/in im Rahmen von § 15 Abs. 1 AGG obliegende Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität wird durch § 22 AGG nicht abgeändert (vgl. BAG 11. August 2016 – 8 AZR 406/14 – Rn. 105; 20. Juni 2013 – 8 AZR 482/12 – Rn. 52 f.; 19. August 2010 – 8 AZR 530/09 – Rn. 78 f.). Danach muss der/die Anspruchsteller/in darlegen und ggf. beweisen, dass seine/ihre Schlechterstellung – eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes unterstellt – auch tatsächlich zu einem Schaden geführt hat bzw. führen wird. Dies wäre im vorliegenden Verfahren aber nur dann anzunehmen, wenn andernfalls alle Voraussetzungen für eine vertragliche Aufstockung der Wochenarbeitszeit des Klägers vorgelegen hätten, wenn also die Anhebung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers ausschließlich deshalb unterblieben wäre, weil die Beklagte bei der Vergabe der Wochenarbeitsstunden nach einem Grund iSv. § 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, hier: der Schwerbehinderung, differenziert hätte. Ähnliche Überlegungen werden für die Situation eines abgelehnten Bewerbers (vgl. BAG 11. August 2016 – 8 AZR 406/14 – aaO; 19. August 2010 – 8 AZR 530/09 – Rn. 78) und in dem Fall angestellt, dass ein befristeter Vertrag nicht verlängert oder nicht entfristet wird (BAG 20. Juni 2013 – 8 AZR 482/12 – aaO). Dem Kläger käme im Rahmen von § 15 Abs. 1 AGG aber eine Beweiserleichterung zugute, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder Wahrscheinlichkeit für eine vertragliche Aufstockung seiner Wochenarbeitszeit bei diskriminierungsfreiem Vorgehen der Beklagten bestünde (vgl. BGH 23. April 2012 – II ZR 163/10 – Rn. 64, BGHZ 193, 110).
4. Im Hinblick auf den auf Feststellung gerichteten Hilfsantrag zu 4. wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu beachten haben, dass der hiermit verfolgte Anspruch nur bestehen kann für Zeiten, für die dem Kläger ein Entgelt- oder Entgeltschutzanspruch zusteht und dass vor diesem Hintergrund unter Umständen nur eine Feststellung dem Grunde nach in Betracht kommt.
Unterschriften
Schlewing, Winter, Vogelsang, Wein, F. Rojahn
Fundstellen
Haufe-Index 10851727 |
BB 2017, 1331 |
BB 2017, 1723 |
DB 2017, 15 |
DStR 2017, 14 |
NJW 2017, 36 |
NVwZ 2017, 7 |
FA 2017, 212 |
JR 2019, 308 |
NZA 2017, 6 |
NZA 2017, 854 |
NZG 2017, 6 |
ZIP 2017, 12 |
ZTR 2017, 547 |
AP 2017 |
AuA 2017, 142 |
AuA 2017, 438 |
EzA-SD 2017, 10 |
EzA-SD 2017, 13 |
MDR 2017, 14 |
NZA-RR 2017, 5 |
ZMV 2017, 110 |
br 2017, 44 |
ArbRB 2017, 202 |
ArbRB 2017, 34 |
ArbR 2017, 304 |
NJW-Spezial 2017, 404 |
StX 2017, 111 |
FSt 2018, 169 |
Personalmagazin 2018, 58 |