Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsbeitragszuschüsse für Dienstordnungs-Angestellte

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 26.3.1987 6 AZR 297/85.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 13.03.1985; Aktenzeichen 3 Sa 77/84)

ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 24.04.1984; Aktenzeichen 3 Ca 127/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Zuschuß in Höhe der Hälfte seines Krankenversicherungsbeitrages zu gewähren und ob die Einlegung der Berufung durch den Streithelfer zulässig war.

Der Kläger wird von der Beklagten seit 1. Januar 1968 als Dienstordnungsangestellter (DO-Angestellter) beschäftigt. Neben seinem Gehalt erhielt er seit 1. Februar 1974 gem. § 59 a der an diesem Tag in Kraft getretenen Dienstordnung der Beklagten einen Zuschuß zu seinem Krankenversicherungsbeitrag in Höhe der Hälfte des von ihm zu zahlenden Beitrages.

Ab 1. April 1980 trat eine neue Dienstordnung (DO) in Kraft, die einen Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag nicht mehr vorsah. § 40 dieser neuen Dienstordnung lautet wie folgt:

"§ 40 Besitzstandswahrung

Auf den bisherigen Dienstverträgen und Dienstordnungen

beruhende günstigere Rechtsverhältnisse

der Angestellten bleiben unberührt, soweit nicht

gesetzliche Vorschriften entgegenstehen."

Die Beklagte zahlte den Krankenversicherungszuschuß zunächst unverändert weiter, weil sie der Auffassung war, sie sei dazu nach § 40 DO neuer Fassung verpflichtet. Durch Verpflichtungsanordnung des Landesaufsichtsamts für die Sozialversicherung in Baden-Württemberg als Aufsichtsbehörde vom 26. Januar 1984 wurde sie angewiesen, die Zahlung des Krankenversicherungszuschusses unverzüglich einzustellen. Die Beklagte hat gegen diese Verpflichtungsanordnung zunächst Klage vor dem Sozialgericht in Reutlingen erhoben. Nachdem das Sozialgericht Ulm am 18. Juli 1984 in mehreren gleichgelagerten Fällen zuungunsten der Krankenkasse entschieden hatte, hat die Beklagte ihre Klage zurückgenommen und die Zuschußzahlungen entsprechend früheren Auflagen des Landesaufsichtsamtes ratenweise abgeschmolzen.

Dagegen hat der Kläger am 14. März 1984 Klage erhoben. Dem Rechtsstreit ist das Land Baden-Württemberg mit Schriftsatz vom 19. April 1984 auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenient beigetreten.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach § 40 der neuen Dienstordnung verpflichtet, den Krankenversicherungszuschuß weiterhin in voller Höhe zu zahlen. Art. IV § 2 des Landesbesoldungsanpassungsgesetzes (LBesAnpG) vom 3. April 1979 (GBl. 1979, 134 ff.) stehe dem nicht entgegen, da dieses Gesetz es für bereits bestehende DO-Verhältnisse zulasse, den Zuschuß übergangsweise beizubehalten. Darüber hinaus griffen die Vorschriften dieses Gesetzes nicht unmittelbar in das DO-Verhältnis ein, sondern beinhalteten lediglich die Verpflichtung, die Dienstordnungen binnen eines Jahres nach Verkündung des Gesetzes anzupassen (Art. IV § 2 Abs. 1). Dabei seien aber die Besitzstände der bereits tätigen DO-Angestellten zu wahren.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 60,38 DM

brutto Arbeitgeberzuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag

für Januar 1984 zu bezahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet

ist, auch zukünftig den Arbeitgeberzuschuß in

Höhe von 1/2 des Krankenversicherungsbeitrages

des Klägers bis zu einer gesetzlichen

oder dienstordnungsmäßigen Neuregelung des

Arbeitgeberzuschusses zu bezahlen.

Die Beklagte und der Nebenintervenient haben Klageabweisung beantragt und vorgetragen, schon wegen des Verpflichtungsbescheides des Landesaufsichtsamtes dürfe der Zuschuß nicht mehr in voller Höhe gezahlt werden. Die DO-Angestellten könnten sich auch nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, weil sie schon vor der Änderung der DO nach Art. IV § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2 LBesAnpG keinen Anspruch mehr auf diesen Zuschuß gehabt hätten. Schließlich greife auch § 40 DO neuer Fassung nicht zu deren Gunsten ein, da die Vorschriften des am 1. Juli 1975 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern vom 23. Mai 1975 (BGBl. I S.1173) und des Landesbesoldungsanpassungsgesetzes entgegenstehende gesetzliche Vorschriften seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Auf die Berufung des Landes Baden-Württemberg - vertreten durch das Landesaufsichtsamt für die Sozialversicherung als Aufsichtsbehörde - hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter. Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung des Nebenintervenienten sei zulässig. Die Tatsache, daß die Beklagte nicht selbst Berufung eingelegt habe, sei weder als Verzicht auf das ihr zur Verfügung stehende Rechtsmittel noch als Mißbilligung der Fortsetzung des Rechtsstreits durch ihren Streithelfer zu werten. Von dem Berufungsgericht könne auch nicht geprüft werden, ob die sachlichen Voraussetzungen für einen wirksamen Beitritt des Streithelfers gegeben seien. Über den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention sei nämlich von dem Arbeitsgericht zusammen mit dem Endurteil durch Zwischenurteil entschieden worden, gegen das die sofortige Beschwerde stattfinde. Diese Entscheidung könne deshalb gemäß § 512 ZPO im Berufungsverfahren nicht überprüft werden, da der Kläger gegen sie keine sofortige Beschwerde eingelegt habe. Der Berufungserwiderungsschriftsatz könne nicht in diesem Sinne ausgelegt werden. Ebensowenig habe der Kläger von der Möglichkeit der Berufung Gebrauch gemacht. Das könne durch den Antrag, die Berufung des Streithelfers zurückzuweisen, da sein Beitritt unwirksam sei, nicht ersetzt werden, zumal dieser Antrag nicht gegen den Beitretenden, sondern die Partei gerichtet sei.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Das Landesarbeitsgericht hat - wie von der Revision zutreffend gerügt - zu Unrecht unter Berufung auf § 512 ZPO eine Prüfung und Entscheidung der Zulässigkeit der Nebenintervention unterlassen.

a) Nach § 512 ZPO unterliegen diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, sofern sie mit der Beschwerde anfechtbar sind. Dazu zählt grundsätzlich auch die Entscheidung über den Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention durch Zwischenurteil nach § 71 Abs. 1 ZPO, gegen das gemäß § 71 Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde stattfindet (Zöller/Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 512 Rz 4). Im Streitfall hat das Arbeitsgericht über die Zulassung der Nebenintervention jedoch zulässigerweise nicht durch Zwischenurteil, sondern im Endurteil mit entschieden (BGH NJW 1982, 2070; Zöller/Vollkommer, aaO, § 71 Rz 5; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 71 Anm. B II b). Es ist sogar möglich, die Nebenintervention stillschweigend zuzulassen und damit den Zurückweisungsantrag einer Partei abzulehnen. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Gericht in seinem Endurteil einer Partei auch die Kosten der Nebenintervention auferlegt (BGH NJW 1963, 2027).

b) Voraussetzung für eine Entscheidung ist jedoch stets ein Antrag nach § 71 Abs. 1 ZPO. Ohne einen entsprechenden Antrag ist im Fall des § 71 ZPO eine Entscheidung von Gerichts wegen unzulässig (Kittner in JuS 1985, 703, 707; Wieczorek, aaO, § 71 Anm. A III). Ein ausdrücklicher Antrag einer der Parteien liegt hier nicht vor. Es ist lediglich im Sitzungsprotokoll vom 24. April 1984 die Erklärung des Klägers enthalten, daß ein Beitritt zum Rechtsstreit nicht rechtswirksam erfolgen könne. Diese Erklärung könnte zwar als Antrag gewertet werden, ist vom Arbeitsgericht aber nicht als solcher in das Urteil aufgenommen worden. Gleichwohl ist mit dem Landesarbeitsgericht von einer entsprechenden Antragstellung des Klägers auszugehen. Über die Zulässigkeit der Nebenintervention bestand Streit und das Arbeitsgericht hat dazu im Endurteil auch eine Entscheidung getroffen. Denn nur bei dieser Betrachtungsweise ergeben die Ausführungen in den Entscheidungsgründen einen Sinn.

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht jedoch die Ausführungen des Klägers in dem Berufungserwiderungsschriftsatz nicht als sofortige Beschwerde gegen das Zwischenurteil gewertet.

a) Die Zulassung der Nebenintervention im Endurteil kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (BGH NJW 1963, 2027; BGH NJW 1982, 2070). Im Streitfall ist eine solche mit dem Berufungserwiderungsschriftsatz vom 4. Oktober 1984 - eingegangen bei Gericht am 5. Oktober 1984 - eingelegt worden. Diese war auch noch zulässig, da das Urteil des Arbeitsgerichts keine Rechtsmittelbelehrung für den Kläger enthielt und zum Zeitpunkt des Einganges des Berufungserwiderungsschriftsatzes bei dem Berufungsgericht noch kein Jahr verstrichen war (§ 9 Abs. 5 ArbGG). Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger darin nicht ausdrücklich erklärt hat, Beschwerde einlegen zu wollen, da eine terminologisch korrekte Bezeichnung des Rechtsmittels nicht erforderlich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Partei erkennbar das ihr zustehende Rechtsmittel einlegen wollte (Zöller/Schneider, aaO, § 577 Rz 15). Der Kläger hat in der Berufungserwiderung inhaltliche Ausführungen zur Zulässigkeit der Berufung gemacht und in deren Rahmen weiterhin den Rechtsstandpunkt vertreten, die Nebenintervention sei unzulässig. Damit hat er sich aber gegen die entgegenstehenden Ausführungen in dem arbeitsgerichtlichen Urteil gewendet und dadurch deutlich gemacht, auch eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Zulässigkeit der Nebenintervention anstreben zu wollen. Keinen anderen Zweck verfolgt insoweit eine sofortige Beschwerde.

b) Nach alledem liegt in dem Antrag des Klägers auf Zurückweisung des Rechtsmittels des Streitgehilfen mit der Begründung, die Streithilfe sei unzulässig, eine sofortige Beschwerde gegen die Zulassung der Nebenintervention durch das Arbeitsgericht, die das Landesarbeitsgericht bisher noch nicht entschieden hat. Der Rechtsstreit war daher gemäß § 565 Abs. 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da das Revisionsgericht gemäß § 565 Abs. 3 ZPO die Sache nicht selbst entscheiden kann. Die Entscheidung hängt nämlich davon ab, ob die Nebenintervention zulässig war. Ist die Zulässigkeit der Nebenintervention zu verneinen, ist die Berufung unzulässig. Dies hängt davon ab, ob ein Interventionsgrund gegeben ist, der Nebenintervenient mithin ein rechtliches Interesse an der Entscheidung des Rechtsstreits zugunsten der Beklagten hat. Der Begriff des rechtlichen Interesses im Sinne dieser Vorschrift ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (Wieser, Das rechtliche Interesse des Nebenintervenienten, 1965, S. 107). Dem Tatsachengericht steht deshalb bei der Subsumtion insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Wertung kann in der Revisionsinstanz nur beschränkt daraufhin überprüft werden, ob es den Rechtsbegriff als solchen verkannt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (BAGE 42, 169, 176 = AP Nr. 12 zu § 12 SchwbG). Vorliegend fehlt es aber an jeglicher Wertung, da das Landesarbeitsgericht insoweit keine Feststellungen getroffen hat.

3. Das Landesarbeitsgericht wird daher noch die erforderlichen Feststellungen treffen und zunächst darüber entscheiden müssen, ob - wofür sehr viel spricht - das Land Baden-Württemberg ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 ZPO am Obsiegen der Beklagten hat. Ist die Nebenintervention und damit auch die Berufung zulässig, wird das Landesarbeitsgericht sodann über den geltend gemachten Anspruch selbst zu entscheiden haben.

Weitere oder nähere Hinweise für die erneute Verhandlung und Entscheidung hält der Senat bei der gegebenen Sachlage nicht für erforderlich.

Dr. Röhsler Dörner Schneider

Oberhofer Dr. Gehrunger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440699

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