Entscheidungsstichwort (Thema)
Heimzulage
Leitsatz (amtlich)
Sozialpädagogen/Sozialarbeiter, die im Bereich “Betreutes Wohnen” arbeiten, sind nicht in einem Heim beschäftigt. Sie haben keinen Anspruch auf eine Heimzulage nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes.
Normenkette
Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) § 12; Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) § 14; Einzelgruppenplan 22a/22b Sozialpädagogen/Sozialarbeiter im Sozialdienst/Erziehungsdienst: Ziff. 1 m, Anm. 7; BAT Zulagen § 22; BAT Zulagen § 23
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 21.01.1991; Aktenzeichen 8 Sa 1772/89) |
ArbG Hannover (Urteil vom 20.09.1989; Aktenzeichen 9 Ca 567/88) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. Januar 1991 – 8 Sa 1772/89 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger während seiner Tätigkeit als Sozialpädagoge in dem von dem beklagten Verein geführten Erziehungsbereich “Betreutes Wohnen” (1. November 1986 bis 31. Dezember 1988) die sogenannte Heimzulage gemäß Anmerkung 7 zu den Einzelgruppenplänen 22a und 22b für Sozialpädagogen/Sozialarbeiter im Sozialdienst/Erziehungsdienst (Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind – AVR –) zusteht.
Der Kläger ist bei dem beklagten Verein aufgrund Dienstvertrag vom 16. Dezember 1985 als Sozialpädagoge in Teilzeitbeschäftigung angestellt. Nach § 2 dieses Vertrages gelten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. Nach § 3 Ziff. 3.1 des Vertrages ist er gemäß § 12 AVR in die Berufsgruppe EgP 22, Fallgruppe 1, VergGr. Vb eingestuft.
Er wurde zunächst innerhalb des Heimes B…, einer geschlossenen stationären Einrichtung der Jugendhilfe, mit der Betreuung der dort untergebrachten überwiegend körperlich, seelisch oder geistig behinderten oder gefährdeten oder verhaltensgestörten Kinder als Erzieher im Gruppendienst beschäftigt. Mit Vertragsänderung vom 8. Oktober 1986 wurde seine Tätigkeit mit Wirkung vom 1. November 1986 geändert. Er arbeitete nunmehr als Sozialpädagoge im Erziehungsbereich “Betreutes Wohnen”.
“Betreutes Wohnen” wird in der Broschüre des beklagten Vereins “Einblicke und Aussichten” auf S. 5 wie folgt erläutert:
Betreutes Wohnen
Im sozialpädagogisch betreuten Einzelwohnen werden Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr entsprechend ihrem Entwicklungsstand individuell gefördert.
Hierfür werden vom Einrichtungsträger kleine Einzelwohnungen angemietet, in denen die Jugendlichen ihr Leben in Eigenverantwortung erproben können. Die hier zu betreuenden Jugendlichen stammen entweder aus einem der schon benannten Heimbereiche oder werden direkt in diese Maßnahme aufgenommen.
In Kürze: Betreutes Wohnen
Mitarbeiter:
Für acht Wohnungen steht ein Sozialpädagoge oder Sozialarbeiter zur Verfügung.
Rechtsgrundlage:
§ 5, 6 JWG FEH, FE, § 75a JWG, vereinzelt § 72 BSHG
Indikation:
Jugendliche ab 16 Jahren, die wegen langjähriger Heimaufenthalte dem Gruppenleben entwachsen oder aufgrund vielschichtiger Probleme in keinen Gruppenverband integrierbar sind.
Methodik:
Regelmäßige Hausbesuche, Begleitung zu Ämtern und Behörden. Konfliktberatung in Einzelgesprächen, gemeinsame Aktivitäten.
Zielsetzung:
Allgemeine Hilfen zur Lebensbewältigung, selbständige Lebensführung.
Während der Zeit seiner Beschäftigung im Heim B… als Gruppenerzieher erhielt der Kläger eine Heimzulage in Höhe von 90,-- DM nach der Anmerkung 7a zu den Einzelgruppenplänen 22a und 22b neben seiner Vergütung nach der Ziff. 1k, VergGr. Vb des Einzelgruppenplans (Sozialpädagogen/Sozialarbeiter in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder in Aufnahme- (Beobachtungs-) Gruppen oder in heilpädagogischen Gruppen – Anm. 7, 14 –).
Nach Übernahme des Erziehungsdienstes im Bereich “Betreutes Wohnen” wurde der Kläger aus Ziff. 1m vergütet. Eine Heimzulage erhielt er nicht mehr.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Bereich “Betreutes Wohnen” sei der Heimerziehung zuzurechnen, so daß er weiterhin Anspruch auf die Heimzulage habe. Er nimmt insoweit Bezug auf einen Erlaß des niedersächsischen Kultusministers vom 15. November 1988 – 5013-51 411 B –. Entsprechend seiner Teilzeitbeschäftigung stehe ihm daher für die Zeit vom 1. November 1986 bis zum 31. Dezember 1988 ein Anspruch auf anteilige Heimzulage in der unstreitigen Gesamthöhe von 2.025,-- DM brutto zu.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.025,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 5. Januar 1989 zu zahlen.
Der beklagte Verein hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei im Rahmen des Bereichs “Betreutes Wohnen” nicht in einem Heim tätig gewesen. Darüber hinaus enthalte die für ihn maßgebende Fallgruppe 1 m keinen Hinweis auf die Anmerkung 7. Diese Fallgruppe sei gerade geschaffen worden, um den neueren Entwicklungen im Erziehungsdienst als Aufgabe für Sozialpädagogen/Sozialarbeiter Rechnung zu tragen. Bei dem Bereich “Betreutes Wohnen” entfielen im übrigen die besonderen Belastungen für die in einem Heim tätigen Beschäftigten. Das “Betreute Wohnen” sei vielmehr eine Maßnahme im Anschluß an die Heimerziehung, in der die betreuten Jugendlichen auf ihrem Weg in die vollständige Selbständigkeit zusätzlich begleitet würden.
Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Heimzulage, da er im Rahmen des “Betreuten Wohnens” nicht in einem Heim im Sinne der Anmerkung 7a zu den Einzelgruppenplänen 22a und 22b beschäftigt worden ist.
I.1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach § 2 des zwischen ihnen bestehenden Dienstvertrages vom 16. Dezember 1985 die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Diese haben – soweit es hier interessiert -den folgenden Wortlaut:
§ 12
Eingruppierung bei der Einstellung
§ 14
Die Bestandteile der Vergütung
Einzelgruppenplan 22b Sozialpädagogen/ Sozialarbeiter im Erziehungsdienst
Vergütungsgruppe V b
2.a) Danach erhalten Mitarbeiter in einem Heim für die Dauer der Tätigkeit in einem solchen Heim eine Zulage von 90,-- DM, soweit dort überwiegend ein bestimmter Personenkreis, der hier nicht streitig ist, untergebracht worden ist. Weder der Wortlaut dieser Regelung noch der Gesamtzusammenhang der AVR, die bei deren Auslegung maßgebend zu berücksichtigen sind, lassen den Schluß zu, daß auch solche Mitarbeiter eine Zulage erhalten sollen, die außerhalb eines Heimes der genannten Art tätig sind. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben die Regelungen gerade nicht den Wortlaut “Mitarbeiter eines Heimes oder Mitarbeiter in (bei) der Heimerziehung”. Vielmehr sollen gerade die Erschwernisse der Tätigkeit in einem Heim abgegolten werden. Dies ergibt sich auch und gerade aus der Abstufung der Zulage je nachdem, ob in dem Heim überwiegend oder nicht überwiegend Behinderte untergebracht sind (vgl. BAG Urteil vom 28. September 1989 – 6 AZR 166/88 – AP Nr. 4 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen = ZTR 1990, 247). Der Kläger war in der streitbefangenen Zeit nicht in einem Heim tätig, sondern er betreute nach seinem eigenen Vortrag ausschließlich außerhalb des Heimes in Einzelwohnungen untergebrachte Mädchen, die sich nicht mehr in einer Heimerziehung befanden, sondern als Vorstufe zur Entlassung aus jeglicher Betreuung in zwar von dem Heim angemieteten Einzelwohnungen lebten, aber im übrigen, abgesehen von einer fünfstündigen Beratung durch den Kläger je Woche, selbständig lebten. Die mit einer Heimerziehung verbundenen Erschwernisse fielen bei der Art der Tätigkeit des Klägers nicht mehr an.
b) Diese Auslegung wird – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend herausgestellt hat –, auch durch die Regelung in Ziff. 7c der Anmerkungen unterstrichen, nach der dem Mitarbeiter bestimmter Arten von Erziehungsdienst und den in einer Werkstatt für Behinderte Tätigen eine besonders geregelte Zulage zusteht (vgl. BAG Urteil vom 28. September 1989, aaO).
3. Der Kläger kann sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und seinen Anspruch daraus herleiten, daß Sozialpädagogen im Bereich “Mobile Betreuung” die streitige Heimzulage gezahlt werde. Wie das Landesarbeitsgericht – unangegriffen – festgestellt hat, stellt der damit angesprochene Erziehungsbereich eine völlig andere Art der Betreuung der Betroffenen schon vom zeitlichen Umfang her dar, so daß insoweit ein sachgerechtes Unterscheidungsmerkmal gegeben ist.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Dr. Wißmann, Schneider, Gotsche, Kamm
Fundstellen
Haufe-Index 848129 |
NZA 1994, 96 |