Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung kommunaler Verwaltungsgemeinschaften
Normenkette
BGB § 613a; Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1; Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 3 1. Alt; Arbeitsgesetzbuch der DDR § 55 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Mai 1995 – 6 (5) Sa 204/94 – hinsichtlich des noch rechtshängigen Teiles aufgehoben.
Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Dessau vom 17. Dezember 1993 – 9 Ca 159/93 – und vom 21. Januar 1994 – 9 Ca 357/93 – werden in diesem Umfang zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer von der Beklagten zu 1) ausgesprochenen Kündigung und den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2).
Die im Jahre 1945 geborene Klägerin war seit dem 1. Juni 1987 bei der Beklagten zu 1) zuletzt als Sachbearbeiterin in der Kämmerei zu einem monatlichen Arbeitsentgelt von 2.672,07 DM brutto beschäftigt.
Die Beklagte zu 1) ist eine Gemeinde mit 1.300 Einwohnern. Bis Anfang 1993 unterhielt sie keine vollständig ausgebaute Verwaltung. Lediglich die Bereiche Kämmerei, Kasse, Steueramt und Liegenschaftsamt wurden in eigener Verwaltung bearbeitet. Weitere Aufgaben wurden durch ein Rechtsanwalts- und ein Planungsbüro sowie den Landkreis K. und die Stadt K. wahrgenommen. Alleiniger Vorgesetzter aller Bediensteten der Verwaltung war der Bürgermeister.
Im Januar 1993 vereinbarten die Beklagte zu 1) und zehn weitere Gemeinden auf der Grundlage des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zur Neuordnung der kommunalen Gemeinschaftsarbeit und zur Anpassung der Bauordnung vom 9. Oktober 1992 (GVBl. LSA S. 730, fortan: GKG-LSA) die Bildung der Beklagten zu 2), einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Dienstherrenfähigkeit (§ 3 Abs. 4 GKG-LSA). Sie errichteten zum 1. April 1993 ein gemeinsames Verwaltungsamt. Der Sitz der Beklagten zu 2) befindet sich in der Gemeinde W.
Mit Schreiben vom 31. März 1993, der Klägerin am 1. April zugegangen, kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Mai 1993. Mit Schreiben vom 3. Juni 1993 teilte die Beklagte zu 1) der Klägerin unter Bezugnahme auf die ausgesprochene Kündigung mit, daß sich die Kündigungsfrist bis zum 30. Juni 1993 verlängere. Sie kündigte im übrigen dem gesamten Verwaltungspersonal und schloß am 31. März 1993 ihre Verwaltung. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte sie regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.
Am 1. April 1993 nahm die Beklagte zu 2) ihre Tätigkeit auf. Im Amt der Beklagten zu 2) werden Aufgaben der elf Mitgliedsgemeinden mit insgesamt 7.000 Einwohnern und einer Fläche von 100 km² zentral wahrgenommen. Die Beklagte zu 2) führt für die Gemeinden in deren Namen die Verwaltungsgeschäfte des übertragenen Wirkungskreises sowie auf Antrag einer Gemeinde Aufgaben des eigenen Wirkungskreises durch. Die Verwaltung der Beklagten zu 2) ist in vier Abteilungen mit jeweils einem Abteilungsleiter gegliedert, die dem Leiter des Amtes unterstellt sind. Die 24 im Verwaltungsamt der Beklagten zu 2) vorgesehenen Planstellen wurden aufgrund von Stellenausschreibungen mit ehemaligem Verwaltungspersonal der verschiedenen Trägergemeinden besetzt. Die Auswahl traf der Gemeinschaftsausschuß der Beklagten zu 2) unter den insgesamt 34 Bediensteten der elf Trägergemeinden.
Mit der am 14. April 1993 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Am 20. Juli 1993 hat die Klägerin die Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert. Sie hat behauptet, die Beklagte zu 2) habe von der Beklagten zu 1) Akten, Einrichtungsgegenstände und technische Geräte übernommen. Die Kündigung sei gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Es liege der Übergang einer Dienststelle oder eines Teiles der Dienststelle von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) vor. Unerheblich sei, daß die Aufgaben nicht mehr von der bisherigen Organisation erledigt würden. Entscheidend sei, ob nach dem Inhaberwechsel die Möglichkeit bestünde, die Aufgaben im wesentlichen unverändert fortzuführen.
Die Klägerin hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 31. März 1993 aufgelöst wurde,
- festzustellen, daß zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, die Kündigung sei gemäß Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 EV (fortan: Nr. 1 Abs. 4 EV) gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit gegen die beiden Beklagten getrennt und die Klage durch zwei Urteile abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage nach Verbindung der Verfahren stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Urteile.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufungen der Klägerin gegen die Urteile erster Instanz (§ 564 Abs. 1 ZPO).
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1) ist nicht am 1. April 1993 auf die Beklagte zu 2) übergegangen, sondern durch die am 31. März 1993 zum 30. Juni 1993 ausgesprochene Kündigung aufgelöst worden.
I. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1) ist nicht am 1. April 1993 auf die Beklagte zu 2) übergegangen.
1. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses folgt nicht aus § 2 Abs. 4 GKG-LSA in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Ersten Vorschaltgesetzes zur Verwaltungs- und Gebietsreform des Landes Sachsen-Anhalt vom 9. Oktober 1992 (GVBl. LSA S. 716).
§ 3 Abs. 1 des Vorschaltgesetzes regelt die Übernahme von Arbeitsverhältnissen bei der Umbildung von Gebietskörperschaften und steht im Zusammenhang mit § 2, der die Landesregierung ermächtigt, Gemeinden aufzulösen und ihre Gebiete in andere Gemeinden einzugliedern oder neue Gemeinden zu bilden. Die bloße Aufgabenübertragung zur Stärkung der Verwaltungskraft von einer Gemeinde auf eine Verwaltungsgemeinschaft stellt keine derartige Umbildung der Gebietskörperschaft dar, denn die Gemeinde als solche bleibt in ihrem Bestand als juristische Person unverändert. Dies wird durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 GKG-LSA bestätigt. Danach beschließt der Gemeinschaftsausschuß der Verwaltungsgemeinschaft u.a. über die Bestellung des Leiters des gemeinsamen Verwaltungsamtes und seines Stellvertreters sowie über die Einstellung der übrigen Bediensteten. Somit geht das Gesetz davon aus, daß das für die Tätigkeit der Verwaltungsgemeinschaft notwendige Personal erst aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Gemeinschaftsausschusses neu eingestellt werden muß.
2. Grundlage für einen Übergang des Arbeitsverhältnisses kann entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht die direkte Anwendung der EWG-Richtlinie Nr. 77/187 des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen sein. Unabhängig davon, daß Richtlinien gemäß Art. 189 EGV der nationalen Umsetzung bedürfen, aber nicht unmittelbar gelten, gehört die strukturelle Neuordnung der öffentlichen Verwaltung und die Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer öffentlichen Verwaltung auf eine andere nicht zum Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 15. Oktober 1996 (– Rs C-298/94 – EuGHE I 1996, 4989 = NZA 1996, 1279) ausdrücklich zu der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften und der Übertragung von Verwaltungsaufgaben nach dem GKG-LSA entschieden. Dem folgt der Senat.
3. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht gemäß § 613 a BGB übergegangen, denn es liegt kein Betriebsübergang vor. Die Beklagte zu 2) hat lediglich Aufgaben des materiellen Verwaltungshandelns und keine wirtschaftliche Einheit der Beklagten zu 1) übernommen, die ihre Identität bei der Beklagten zu 2) bewahrt hätte.
Es kann folglich dahingestellt bleiben, ob § 613 a BGB über die Richtlinie 77/187 hinausgeht und auch die Verwaltungstätigkeit des öffentlichen Dienstes als „Betrieb” erfaßt, denn die Voraussetzungen eines Betriebsüberganges liegen ohnehin nicht vor.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11. März 1997 – Rs C-13/95 – DB 1997, 628 f.), der sich der Senat mit Urteil vom 22. Mai 1997 (– 8 AZR 101/96 – zur Veröffentlichung bestimmt) angeschlossen hat, setzt ein Betriebsübergang die Bewahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff „Einheit” bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Überganges maßgeblichen Kriterien kommt notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und selbst nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu.
b) Bei der Übertragung einer öffentlichen Verwaltung kommt der vorhandenen Organisation große Bedeutung zu. Eine „Wahrung der Identität” der Verwaltung ist bei Fortführung der Aufgaben innerhalb einer gänzlich andersartigen Arbeitsorganisation der übernehmenden Verwaltung nicht denkbar. In diesem Fall würden lediglich die Aufgaben übertragen, also die bloße Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH.
c) Mit der Übertragung aller Verwaltungsaufgaben auf die Beklagte zu 2) und der Schließung ihrer Verwaltung hat die Beklagte zu 1) ihre vorhandene Organisationsstruktur vollständig aufgelöst. Eine Übertragung dieser Organisationseinheit auf die Beklagte zu 2) fand nicht statt. Vielmehr nimmt die Beklagte zu 2) die zuvor von der Beklagten zu 1) eigenständig wahrgenommenen Aufgaben und gleichzeitig die weiterer zehn Gemeinden nun zentral an einem anderen Ort im Rahmen einer eigenen neugebildeten und andersartigen Arbeitsorganisation wahr.
aa) Die Verwaltungsorganisation ist bei der Beklagten zu 2) mehrstufig aufgebaut. Neben den sonstigen Diensten sind Sachbearbeiter tätig, die einem Abteilungsleiter und in einer weiteren Stufe dem Leiter des Verwaltungsamtes unterstellt sind. Demgegenüber wurden bei der Beklagten zu 1) die Sachbearbeiter unter der direkten Anleitung des gesetzlichen Vertreters der Beklagten zu 1), des Bürgermeisters, tätig. Daneben erledigten ein Planungsbüro, eine Rechtsanwaltskanzlei, die Stadt K. sowie der Landkreis K. Verwaltungsaufgaben der Beklagten zu 1).
bb) Statt der Aufgaben einer kleinen Landgemeinde von 1.300 Einwohnern auf einer Fläche von 8 km² werden nun zentral in vier Abteilungen die Verwaltungsaufgaben von elf Gemeinden mit 7.000 Einwohnern auf 100 km² erfüllt. Damit wurde die Verwaltung der Beklagten zu 1), wie es das Arbeitsgericht zutreffend ausgedrückt hat, gerade nicht ausgelagert und unter Beibehaltung ihrer vorhandenen Organisationsstrukturen unter dem gemeinsamen Dach der Beklagten zu 2) zusammen mit der Verwaltung der übrigen Mitgliedsgemeinden wieder zusammengeführt. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Funktionsnachfolge, also die reine Fortführung bestimmter Aufgaben in einem die Identität der Einheit verändernden neuen organisatorischen Zusammenhang. Die Beklagte zu 2) erfüllt nicht eigene Verwaltungsaufgaben, wie zuvor ihre Mitgliedsgemeinden, sondern fremde, ihr übertragene Aufgaben anderer juristischer Personen.
cc) Auch die einzige Führungskraft, der Bürgermeister der Beklagten zu 1), wurde nicht übernommen. Er ist zwar Mitglied des Gemeinschaftsausschusses gemäß § 6 Abs. 1 GKG-LSA. Die Geschäfte der laufenden Verwaltung führt jedoch der Leiter des Amtes (§ 9 Abs. 2 GKG-LSA).
dd) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zu 2) untergeordnete Arbeitsmittel, wie die von der Klägerin aufgeführten verschiedenen Einrichtungsgegenstände, Bürogeräte und Akten übernommen hat. Diese untergeordneten Aspekte würden nicht ausreichen, um in einer Gesamtbewertung von der Wahrung der Identität einer funktionierenden Verwaltung als Organisationseinheit auszugehen.
4. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die Beklagte zu 2) folgt nicht aus einer verwaltungsrechtlichen Funktionsnachfolge. Die Übertragung von Verwaltungsaufgaben einer Behörde oder Dienststelle auf eine andere Behörde oder Dienststelle bewirkt ohne besondere normative Regelung keinen Übergang von Arbeitsverhältnissen von einem Träger öffentlicher Verwaltung auf einen anderen. Sind die Träger verschiedene juristische Personen, bedarf der Übergang von Arbeitsverhältnissen einer besonderen gesetzlichen Regelung, sofern nicht die Voraussetzungen des § 613 a BGB vorliegen. Dies entspricht der westdeutschen Gesetzgebungspraxis und wird auch durch § 128 BRRG verdeutlicht, der für das Beamtenrecht den Erlaß besonderer, den Übergang von Beamtenverhältnissen anordnender Verwaltungsakte vorsieht (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 16. März 1994 – 8 AZR 576/92 – BAGE 76, 69 = AP Nr. 11 zu § 419 BGB Funktionsnachfolge, mit weiteren Nachweisen). Diese dem Rechtsschutz der Bediensteten in bewährter Weise dienenden Regelungen können nicht unter Berufung auf das Sozialstaatsprinzip nivelliert werden.
Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der auch die vom Berufungsgericht angezogene Entscheidung des Vierten Senats vom 13. Juli 1994 (– 4 AZR 699/93 – BAGE 77, 201 = AP Nr. 12 zu § 1 TVG-Tarifverträge: DDR) nicht abgewichen ist. Die angezogene Entscheidung betraf den nach dem Recht der DDR zu beurteilenden Fall einer durch Befehl des Ministers des Innern der DDR vom 5. März 1990 zum 1. Juli 1990 aufgelösten Dienststelle seines Geschäftsbereiches, deren Kräfte und Mittel dezentral einer anderen nachgeordneten Dienststelle unterstellt wurden. Nach dem Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland besteht das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nicht zur Behörde oder Dienststelle, sondern zu dem jeweiligen Träger öffentlicher Verwaltung. Löst dieser eine Behörde oder Dienststelle ersatzlos auf und verlagert deren Aufgaben auf eine andere Behörde oder Dienststelle, verändert dies nicht seine Arbeitgeberstellung. Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen sind vielmehr mit den Mitteln der Abordnung, der Versetzung oder der Kündigung zu regeln. Nach dem Arbeitsgesetzbuch der DDR war dies anders, denn das Arbeitsrechtsverhältnis bestand zum jeweiligen Betrieb (vgl. § 38 Abs. 1 AGB-DDR 1977). Die ersatzlose Auflösung einer Einrichtung erforderte deshalb eine Neuzuordnung des Arbeitsrechtsverhältnisses (vgl. BAG Urteil vom 20. März 1997 – 8 AZR 856/95 – zur Veröffentlichung bestimmt).
II. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch die Kündigung vom 31. März 1993 zum 30. Juni 1993 aufgelöst worden. Die Kündigung ist gemäß Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 3 1. Alt. EV wirksam.
1. Dieser besondere Kündigungstatbestand ist anwendbar. Die Klägerin ist aufgrund ihrer durchgehenden Beschäftigung bei der Beklagten zu 1) Angehörige des öffentlichen Dienstes gemäß Art. 20 Abs. 1 EV. Unter den Begriff „öffentliche Verwaltung” in Nr. 1 Abs. 4 EV fallen auch Gemeinden. Die Regelung gilt auch für die Kündigung vom 31. März 1993, denn sie ist wirksam durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I, 1546) bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden (vgl. hierzu BAG Urteil vom 27. Juni 1996 – 8 AZR 1024/94 – AP Nr. 61 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX).
2. Gemäß Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 3 1. Alt. EV ist die ordentliche Kündigung zulässig, wenn die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird. Eine Beschäftigungsstelle wird in diesem Sinne ersatzlos aufgelöst, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die bisherige organisatorische Verwaltungseinheit von materiellen, immateriellen und personellen Mitteln aufgibt und deren Verwaltungstätigkeit dauerhaft einstellt. Dabei kennzeichnet der Begriff „Beschäftigungsstelle” die räumliche Einheit, in der die Bediensteten ihre Arbeitsleistung erbringen. Er umfaßt jede Behörde und Dienststelle des Trägers öffentlicher Verwaltung und setzt keine besondere, über die räumliche Einheit hinausgehende organisatorische Selbständigkeit voraus (BAG Urteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 714/92 – BAGE 76, 352, 356 = AP Nr. 7 zu Art. 13 Einigungsvertrag).
3. Die Beschäftigungsstelle der Klägerin ist im Sinne von Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 3 1. Alt. EV ersatzlos aufgelöst worden. Die Beklagte zu 1) hat ihre Verwaltung zum 31. März 1993 geschlossen, ohne deren Aufgaben selbst weiter wahrzunehmen. Die Übertragung der Verwaltungsaufgaben auf die Beklagte zu 2) stellt keinen „Ersatz” im Sinne der Vorschrift dar, weil die Kündigungsregelung sich allein auf den jeweiligen Arbeitgeber bezieht. Beschäftigungsmöglichkeiten bei anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bleiben außer Betracht.
4. Gemäß § 55 Abs. 2 AGB-DDR betrug die Kündigungsfrist bei der Beschäftigungszeit der Klägerin zwei Monate zum Monatsende. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1) endete damit aufgrund der Verlängerung der Kündigungsfrist am 30. Juni 1993.
Fundstellen