Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag. Anwendung des § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 trotz Benennung eines Sachgrundes im Arbeitsvertrag. Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Befristungsrecht
Orientierungssatz
- Eine Befristung ist nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 wirksam, wenn die Voraussetzungen dieser Bestimmung bei Vertragsschluß objektiv vorgelegen haben und die Befristung nicht gegen das Anschlußverbot in § 1 Abs. 3 BeschFG 1996 verstößt. Dies gilt auch, wenn im Arbeitsvertrag ein Sachgrund für die Befristung genannt ist.
- Die Befristungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 kann arbeitsvertraglich ausgeschlossen sein. Ob dies der Fall ist, ist im Wege der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln. Allein die Angabe eines Sachgrunds im Arbeitsvertrag reicht dazu nicht aus.
- Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 9 SächsPersVG (in der bis 23. April 1998 geltenden Fassung) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einstellung und bei Änderungen des Arbeitsvertrags. Diese Mitbestimmungsrechte erfassen die Vereinbarung einer Befristung in einem Anschlußarbeitsvertrag nicht.
Normenkette
BGB § 620; BeschFG 1996 § 1 Abs. 1, 3; HRG (in der bis 22. Februar 2002 geltenen Fassung) § 57c; SächsPersVG (in der bis 23. April 1998 geltenden Fassung) § 80 Abs. 1 Nr. 1; SächsPersVG (in der bis 23. April 1998 geltenden Fassung) § 80 Abs. 1 Nr. 9
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. September 2000 – 8 Sa 644/99 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund einer Befristung am 28. Februar 1999 geendet hat.
Der Kläger ist Diplom-Lehrer für Mathematik und Physik. Er promovierte 1988 auf dem Gebiet der physikalischen Chemie. Vom 1. November 1992 bis zum 31. Oktober 1997 war der Kläger auf Grund von vier aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen an der Technischen Universität Chemnitz/Zwickau im Fachbereich Chemie beschäftigt. Der vierte, vorletzte Arbeitsvertrag vom 1. April 1996 war befristet vom 1. Juli 1996 bis zum 31. Oktober 1997 “gemäß § 57b (2) Nr. 1 HRG”. Die Aufgabe des Klägers bestand durchgängig in der Durchführung von Lehrveranstaltungen für Lehramtsstudenten der Fachrichtung Chemie.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 beantragte der Kläger eine weitere Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren und erklärte, nach Ablauf der Verlängerungsfrist werde er keine juristischen Schritte bezüglich einer Anstellung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis unternehmen. Am 30. Oktober 1997 schlossen die Parteien einen für die Zeit vom 1. November 1997 bis zum 28. Februar 1999 befristeten Arbeitsvertrag unter Bezugnahme auf “§ 57b Abs. 1 iVm. §§ 57a, 56 HRG, § 63 Abs. 2 SHG”. Als Tätigkeitsbereich ist “Fakultät für Naturwissenschaften, Lehrkraft für besondere Aufgaben (871)” angegeben. In einer Nebenabrede heißt es, dieser Arbeitsvertrag diene auch dazu, den Kläger auf eine Tätigkeit außerhalb der TU Chemnitz/Zwickau vorzubereiten. Die Tätigkeit des Klägers blieb gegenüber den Vorjahren unverändert.
Mit der am 18. Februar 1999 beim Arbeitsgericht Chemnitz eingegangen Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 1999 gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, ein Sachgrund für die Befristung habe nicht vorgelegen. Außerdem sei die Befristung gemäß § 57c HRG unwirksam, weil die Höchstbefristungsdauer von fünf Jahren überschritten sei. Auf § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 könne der Beklagte die Befristung nicht stützen. Die Befristung sei zudem unwirksam, weil das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 80 SächsPersVG nicht beachtet worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 28. Februar 1999 hinaus unbefristet fortbesteht,
hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1):
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags als Lehrkraft für besondere Aufgaben bis zum rechtskräftigen Abschluß des Arbeitsgerichtsverfahrens weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, für die Befristung habe ein sachlicher Grund bestanden. Die Befristung sei auch nach § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 wirksam. Der Beteiligung des Personalrats vor Abschluß des Arbeitsvertrags habe es nicht bedurft, da der Kläger überwiegend wissenschaftliche Tätigkeiten ausgeübt und er keinen Antrag nach § 82 Abs. 1 SächsPersVG auf Mitbestimmung des Personalrats gestellt habe. Außerdem habe der Kläger sein Klagerecht durch die Erklärung im Schreiben vom 13. Oktober 1997 verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auf Grund der vereinbarten Befristung am 28. Februar 1999 geendet. Die Befristung ist nach § 1 Abs. 1 BeschFG in der vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (BeschFG 1996) wirksam. Dem steht § 80 Abs. 1 SächsPersVG nicht entgegen. Ob für die Befristung ein Sachgrund vorliegt kann daher ebenso offenbleiben wie die Frage, ob der Kläger sein Klagerecht verwirkt hat.
Die im Arbeitsvertrag vom 30. Oktober 1997 vereinbarte Befristung kann auf § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG 1996 gestützt werden. Diese Befristungsmöglichkeit ist vertraglich nicht abbedungen worden. Die Befristung ist auch mit den Bestimmungen des HRG vereinbar.
Die Befristung ist nicht aus personalvertretungsrechtlichen Gründen unwirksam.
Nach § 79 SächsPersVG kann eine Maßnahme, die der Mitbestimmung der Personalvertretung unterliegt, nur mit deren Zustimmung getroffen werden. Die Personalvertretung hat gemäß § 80 Abs. 1 SächsPersVG in der hier maßgeblichen, bis zum 23. April 1998 geltenden Fassung ua. mitzubestimmen bei der Einstellung (Nr. 1) und bei Änderungen des Arbeitsvertrags (Nr. 9). Für die Vereinbarung einer Befristung sieht das SächsPersVG – anders als zB die Personalvertretungsgesetze der Länder Brandenburg und Nordrhein-Westfalen – ein Mitbestimmungsrecht nicht vor. Deshalb hängt die Wirksamkeit der Befristung nicht von der Zustimmung des Personalrats ab.
- Die im Arbeitsvertrag vom 30. Oktober 1997 vereinbarte Befristung ist keine Änderung des Arbeitsvertrags im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 9 SächsPersVG. Diese Vorschrift betrifft Änderungen einzelner Vertragsbedingungen innerhalb der unbefristeten oder befristeten Vertragslaufzeit. Nicht erfaßt werden davon die Fälle, in denen sich an die bisherige Vertragslaufzeit eine weitere anschließen soll. Das Mitbestimmungsrecht nach § 80 Abs. 1 Nr. 9 SächsPersVG dient dem Schutz des Arbeitnehmers vor einer Änderung seines vertraglich vereinbarten Besitzstandes. In diesen Besitzstand wird durch eine Verlängerung der Vertragslaufzeit nicht eingegriffen (BAG 4. Dezember 1996 – 7 AZR 136/96 – nv., zu 2c aa der Gründe; 21. Februar 2001 – 7 AZR 200/00 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 226 = EzA BGB § 620 Nr. 174, zu III 1d der Gründe).
- Die unterbliebene Mitbestimmung des Personalrats bei der Einstellung, zu der auch die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags gehört (vgl. BAG 7. August 1997 – 1 ABR 68/89 – BAGE 65, 329 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 82), führt nicht zur Unwirksamkeit des abgeschlossenen Arbeitsvertrags (BAG 2. Juli 1980 – 5 AZR 56/79 – AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 5; 25. Juni 1987 – 2 AZR 541/86 – AP BGB § 620 Bedingung Nr. 14 = EzA BGB § 620 Bedingung Nr. 8). Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung hat die Verletzung von Mitbestimmungsrechten nur dann die Unwirksamkeit der Maßnahme gegenüber dem Arbeitnehmer zur Folge, wenn diese den Arbeitnehmer belastet (BAG 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134 = AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 51, zu D II der Gründe). Dies ist beim Abschluß eines Arbeitsvertrags nicht der Fall. Deshalb ist bei fehlender Zustimmung der Personalvertretung zur Einstellung zwar die tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb, dh. dessen Beschäftigung, unzulässig. Der Arbeitsvertrag bleibt jedoch wirksam (BAG 2. Juli 1980 aaO; 25. Juni 1987 aaO).
- Angesichts dessen bedurfte es keiner Entscheidung, ob ein die Befristung rechtfertigender Sachgrund vorlag. Auch auf die Frage, ob der Kläger sein Klagerecht durch die Erklärung im Schreiben vom 13. Oktober 1997 verwirkt hat, kam es nicht an.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Linsenmaier, Nottelmann, Hökenschnieder
Fundstellen
NZA 2003, 176 |
ZTR 2003, 200 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 10 |
PersV 2003, 116 |
ArbRB 2002, 359 |
NJOZ 2003, 1910 |