Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag (EV)
Leitsatz (redaktionell)
Entlastungsvorbringen des Arbeitnehmers; weitere Umstände zur Darlegungs- und Beweislast
Normenkette
EV Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 23.11.1993; Aktenzeichen 5 Sa 5/93) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 12.11.1992; Aktenzeichen 1 Ca 4092/92) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 23. November 1993 – 5 Sa 5/93 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin (geboren am 4. April 1939) ist Fachlehrerin für Mathematik und Chemie und steht seit 1962 als Lehrerin im Schuldienst. Seit 1977 ist sie SED-Mitglied. Sie bekleidete folgende Funktionen:
1978/1981 |
Ehrenamtliche Parteisekretärin |
(Parteigruppe von ca. 7–15 Mitgliedern) |
1982/1983 |
Stellvertretende Direktorin |
(an der … OS …) |
1983/1989 |
Direktorin |
(an der … OS …, ca. 300 Schüler) |
Die Klägerin hat außerdem 1981/82 die Kreisparteischule und 1986/87 in einem 22monatigen Fernkurs die Bezirksparteischule der SED besucht. Vor ihrer Lehrertätigkeit hatte sie nach dem Besuch der Grundschule eine Lehre als Facharbeiterin bis 1957 absolviert und dann neben der Laborarbeit die Abendoberschule besucht, die sie 1958 mit der Sonderreifeprüfung abschloß. Hieran schloß sich das Studium für Mathematik und Chemie bis 1962 an.
Im Januar 1990 wurde die Klägerin in ihrem Amt als Direktorin der Oberschule bestätigt und erhielt unter dem 28. August 1990 eine Ernennungsurkunde des Schulamts …, laut der sie verpflichtet wurde, ihr Amt im Auftrag der freiheitlichen, demokratischen, sozialen und rechtsstaatlichen Ordnung auszuüben. In einer Stellungnahme des Schulkollegiums vom 3. Februar 1992 zur langjährigen Tätigkeit der Klägerin heißt es:
„Die Beschäftigten unserer Schule sprachen Frau F. im Februar 1990 ihr Vertrauen aus. Sie begründeten dies damit, daß sie immer bestrebt war, anstehende Probleme im gegenseitigen Einvernehmen aller Beteiligten zu lösen. In diesem Zusammenhang räumte sie den Schülern und Lehrern das Recht ein, ihre Meinung offen und ehrlich zu äußern, ohne daß ihnen daraus Nachteile erwuchsen.”
In einer Stellungnahme des Schulelternrates vom 10. Februar 1992 ist davon die Rede, man habe mit Befremden die Kündigungsabsicht bezüglich der Klägerin zur Kenntnis genommen; die angeführten Zweifel an ihrer Fähigkeit, die Schüler im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung glaubwürdig erziehen zu können, bestünden zu Unrecht: Die Klägerin habe in ihrer Tätigkeit seit 1971 als Lehrerin und seit 1982 als Direktorin eine engagierte pädagogische Arbeit geleistet, habe sich neuen Unterrichtsmethoden gegenüber aufgeschlossen gezeigt und bei Forschungsprojekten der … Universität mitgearbeitet; nach der politischen Wende habe sie sich offen und ehrlich in Diskussionen mit Eltern und Schülern mit den gewandelten Wertvorstellungen auseinandergesetzt und sich erfolgreich um Glaubwürdigkeit bemüht.
Mit Schreiben des Oberschulamtes vom 16. Juni 1992 wurde der Klägerin zum 30. September 1992 unter Berufung auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Absatz 4 Ziffer 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) mit der Begründung gekündigt, aufgrund ihrer früheren Tätigkeit sei sie nicht geeignet, junge Mensche im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung glaubwürdig zu erziehen. Zu dieser Kündigung hatte der Beklagte den Bezirkspersonalrat mit Schreiben vom 16. April 1992 unter Beifügung des Ankündigungsschreibens vom 6. März 1992 und eines Anhörungsprotokolls vom 4. Februar 1992 angehört und anläßlich einer mündlichen Erörterung am 7. Mai 1992 weitere Informationen erteilt. Der Bezirkspersonalrat hat sich hiernach nicht mehr geäußert.
Die Klägerin hat eine mangelnde Eignung für den Lehrerberuf bestritten. Sie hat vorgebracht, ihre Aufgabe als Lehrerin und Schulleiterin mit großem persönlichen Engagement, außerordentlicher pädagogischer Leidenschaft und hohem fachlichen Einsatz wahrgenommen zu haben. Schülerschaft, Elternschaft und Kollegen hätten dies nachträglich bestätigt. Von idealistischer Grundhaltung getragen und beseelt von dem Willen, als Lehrerin sich für die Schüler intensiv einzusetzen und das Schulleben mitgestalten zu können, habe sie sich bewußt im Jahre 1977 zur SED-Mitgliedschaft entschlossen. Diese Mitgliedschaft sei möglich gewesen, ohne in menschlicher oder politischer Hinsicht sich zu kompromittieren. Sie habe sich um Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit bemüht. Als ehrenamtliche Parteisekretärin habe sie dafür gekämpft, daß die Pastorentochter F. zur EOS delegiert wurde. Das Amt der ehrenamtlichen Parteisekretärin habe sie als stellvertretende Direktorin abgegeben, weil die pädagogische Arbeit für sie an erster Stelle gestanden habe. Zur Direktorin sei sie bestellt worden, weil der Vorgänger wegen Alkoholabhängigkeit die Schule nicht mehr habe leiten können. Sie habe sich in ihrer Arbeit dafür eingesetzt, daß die Kinder zu selbstbewußten, selbständigen, kritischen Menschen erzogen wurden; auch religiöse Ideen und religiös-kirchliches Engagement sei von ihr bewußt akzeptiert worden; Empfehlungen für Schüler seien nie nach politischen Gesichtspunkten abgegeben worden, u.a. habe sie einen bestimmten Schüler, der zur EOS, und zwar unter Einschluß einer Offizierslaufbahn wollte, davon abgehalten (Beweis: Dr. K., Dr. S., W.).
Der Besuch der Kreisparteischule 1981/82 sei üblich gewesen; auf Verlangen der Partei habe sie die Bezirksparteischule per Fernstudium absolviert. Die Darstellung des Beklagten, sie habe an der militärischen Nachwuchsgewinnung mitgewirkt, sei unzutreffend. Sie habe auch nie aus eigener Initiative über Schüler und Kollegen berichtet, habe nie „Auffälligkeiten” weitergemeldet und sei dazu auch nicht aufgefordert worden. Bei den Sicherheitsorganen habe sie nur positive Aussagen gemacht, u.a. bei Westreiseanträgen. Bei monatlichen Gesprächen mit dem Schulrat habe sie nie einen politischen Bericht abgegeben; bei Weiterbildungsseminaren habe sie nur fachlich-pädagogische Themen behandelt (Beweis: die benannten Zeugen).
Auch nach der politischen Wende habe sie sich den neuen Aufgaben und Verpflichtungen gestellt; dabei habe sie Lehrerfortbildungskurse für neu ernannte Schulleiter vom 12. bis 16. November 1990 und später vom 26. bis 30. August 1991 ebenso absolviert, wie ein Fortbildungsseminar zum Thema „Menschenbild – Werte und Normen” vom 2. bis 6. Dezember 1991, das vom Land Baden-Württemberg ausgerichtet worden sei.
Die Klägerin hatte schließlich in den Vorinstanzen geltend gemacht, der Bezirkspersonalrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Die Klägerin hat in der Revisionsinstanz noch beantragt.
- es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Oberschulamtes L. vom 16. Juni 1992 mit Ablauf des 30. September 1992 oder zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst wird,
- der Beklagte wird verurteilt, sie, die Klägerin, auch weiterhin als Leiterin der Oberschule/Mittelschule zu beschäftigen.
- es wird festgestellt, daß der Beklagte ihr auch weiterhin Vergütung aus der Vergütungsgruppe I b BAT-O zuzüglich 4 % Zinsen auf die jeweilige Nettodifferenz statt gewährter Vergütung aus Vergütungsgruppe III BAT-O schuldet.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Klägerin sei aufgrund der von ihr ausgeübten Punktionen in das System der Staatsüberwachung der DDR eingebunden gewesen. Auch der Direktor sei ein wichtiges Instrument in dem von der SED installierten Informations- und Kontrollsystem gewesen. Die Klägerin habe sich in überdurchschnittlicher Weise mit den Zielen und Ideologien der SED identifiziert, wie aus der Kontinuität ihres aktiven Einsatzes von der Parteisekretärtätigkeit, über den Besuch der Kreisparteischule und den Aufstieg der stellvertretenden Direktorin und später Direktorin bis zur Absolvierung der Bezirksparteischule zu entnehmen sei. Auch schon der Schulparteisekretär habe eine herausgehobene Lenkungs- und Kontrollfunktion gehabt; er sei immer Mitglied der Schulleitung gewesen, habe Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Beförderungen gehabt; er habe den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele kontrolliert und überwacht und über das politische Klima an der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten gehabt, und zwar unter Nennung der Namen bei nicht linientreuen Äußerungen. Der Parteisekretär sei auch für die Werbung für politischen Berufsnachwuchs verantwortlich gewesen. Aufgrund dieser vielfältigen Aufgaben und Einflußnahmen im Sinne der SED-Bildungspolitik habe auch zur Berufung in diese Funktion eine Identifikation mit den Zielen der SED gehört, die in der Ausübung der Funktion durchgesetzt worden sei.
Auch als Direktorin habe die Klägerin mit den Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR zusammenzuarbeiten gehabt, sei für die Gewinnung militärischen Nachwuchses und die Zulassung von linientreuen Schülern zu weiterführenden Schulen zuständig gewesen. Sie habe über die politisch-ideologische Situation an der Schule zu berichten und Meldungen bei außergewöhnlichen Vorkommnissen zu erstatten gehabt. Der Beklagte hat schließlich behauptet, dem Bezirkspersonalrat seien die Kündigungsgründe in ausreichender Form mitgeteilt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat wegen der Personalratsanhörung Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin K. und hat alsdann die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält die Klägerin an ihrem Klagebegehren fest.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung, § 565 ZPO.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei nicht nach § 79 Abs. 4 PersVG/DDR unwirksam, weil der Personalrat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Die Zeugin K. habe bekundet, daß der Personalrat über alle Kündigungsgründe, Fakten und Funktionen der Klägerin unterrichtet worden sei; die Zeugin habe ferner angegeben, daß der Bezirkspersonalrat in der Folgezeit nach der Erörterung keine schriftlichen Einwendungen mehr erhoben habe.
Die Voraussetzungen für eine Kündigung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV seien erfüllt, weil die früheren Betätigungen der Klägerin in der DDR das Erscheinungsbild einer Lehrerin ergäben, die sich mit dem SED-Staat in besonderer Weise identifiziert habe. Schon ihre Tätigkeit als Parteisekretärin habe darin bestanden, an den Zielen des SED-Staates, die vor allem in der Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der BRD bestanden, mitzuwirken; der Parteisekretär habe an seiner Schule Parteiversammlungen zu leiten gehabt, in denen das politische Klima an der Schule besprochen wurde; ferner habe er monatliche Berichte über das politische Klima an die SED-Kreisleitung abzugeben, den Direktor zu kontrollieren und zu überwachen gehabt, damit dieser die vorgegebenen politischen Ziele realisierte. Ebenso habe der Parteisekretär auf die politische Bildung der Kinder. Jugendlichen und Lehrer Einfluß nehmen können. Als Parteisekretärin ebenso wie als Direktorin habe die Klägerin an der Schule durchgesetzt, daß begabte und leistungsbereite Kinder nach allen Möglichkeiten gefördert wurden, ohne daß allerdings die Klägerin aus dem Bildungssystem der ehemaligen DDR ausgeschert sei. Andernfalls hätten die idealen Verhältnisse, für die die Klägerin nach ihrem Vortrag gesorgt haben wolle, im Verlaufe ihrer Parteisekretär- und Direktorentätigkeit zu einem gestörten Verhältnis zur Parteileitung geführt. Die von der Klägerin angeführten positiven Eigenschaften brächten keine Gegensätzlichkeit hinsichtlich einer bejahenden Einstellung zur SED-Ideologie zum Ausdruck. Ein Abrücken von der Linie der SED sei für die Klägerin während ihrer Zeit als Parteisekretärin nicht feststellbar. Der Werdegang der Klägerin entspreche daher der sozialistischen Kaderpolitik, mittels deren die SED ihre Machtausübung abgesichert habe. Auch der Besuch der Bezirksparteischule 1986/87, für den keinerlei Zwangslage für die Klägerin bestanden habe, belege, daß es bei ihrer Zugehörigkeit zum Nomenklaturkader bleiben sollte und die Partei weiterhin auf sie setzen konnte.
Zwar habe die Klägerin ihre Schule bis 1992 weitergeleitet, es sei jedoch nicht zu beanstanden, daß der Beklagte weiter die Besorgnis hege, es handele sich nur um eine äußere, scheinbare Anpassung. Der Besuch der Fortbildungsveranstaltungen könne in gleicher Weise Ausdruck einer taktischen Wendigkeit sein, wie auch einen echten persönlichen Meinungswandel darstellen. Erforderlich sei, daß Zweifel an der künftigen Verfassungstreue der Klägerin ausgeräumt seien.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zu Recht eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung, Nichtberücksichtigung von Entlastungsvorbringen und erhebt eine durchgreifende formelle Rüge.
1. Da die Klägerin als Lehrerin dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern angehörte (Art. 20 Abs. 1 EV), ist die Kündigung zulässig, wenn die Klägerin wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV den Anforderungen nicht entspricht. Dazu sind in der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX. auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, m.w.N.; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP Nr. 35 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl. dazu neuerdings auch BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – MDR 1995, 721) zum Nachweis einer solchen mangelnden Eignung aufgrund besonderer Identifikation des Lehrers mit den grundgesetz-feindlichen Zielen der SED bzw. von Entlastungstatsachen – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die dann indiziert ist, wenn z.B. ein in der früheren DDR tätig gewesener Lehrer sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Positionen in Staat und Partei, die ein Lehrer seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufheben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, a.a.O.). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist: Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sog. Wende „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangt würde, der mit der Umsetzung der grundgesetz-feindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt ebenfalls davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf des Vortrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel (vgl. dazu nachfolgend unter 2 b). Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.
2. Das Berufungsgericht ist allerdings im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß die langjährige Tätigkeit der Klägerin zunächst als Parteisekretärin, als stellvertretende Direktorin und dann Direktorin nach Besuch der Kreis- und Bezirksparteischule der SED für eine besondere Identifikation mit dem SED-Staat spricht.
a) Was die Parteisekretärtätigkeit angeht, entspricht dies der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.; Senatsurteile vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP, a.a.O. und vom 30. März 1995 – 2 AZR 495/93 – n.v., zu II 5 a der Gründe). Danach haben die Parteisekretäre als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetz-feindlichen Ziele der SED mitzuwirken gehabt; wer wiederholt in ein solches wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann davon ausgegangen werden, daß er sich mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert hat. Die allgemeine Funktion des Parteisekretärs hatte die Klägerin nicht bestritten. Das Berufungsgericht ist demnach folgerichtig zu entsprechenden, den Senat bindenden Feststeilungen (§ 561 ZPO) gelangt. Wenn die Klägerin von 1978 bis 1981 ehrenamtliche Parteisekretärin war, so muß nach dem üblichen Zwei-Jahres-Turnus auch zumindest eine Wiederwahl erfolgt sein.
b) Das Landesarbeitsgericht ist ferner wiederum im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, daß der Besuch der Kreisparteischule 1981/82, die Beförderung der Klägerin zur stellvertretenden Direktorin und Direktorin und der nachfolgende Besuch der Bezirksparteischule 1986/87 insgesamt wiederum für eine besondere Identifikation mit dem SED-Staat sprechen. Denn auch die Ämter der stellvertretenden Direktorin und Direktorin – zumindest das des Schuldirektors – waren parteinah ausgerichtet, wie sich u.a. aus der Verordnung über die Sicherung einer festen Ordnung an den allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen – Schulordnung vom 29. November 1979 (GWR I S. 433) ergibt. Nach § 10 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2, 4. Halbsatz Schulordnung war der Direktor auch zuständig für die politische Leitung der Schule; gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Schulordnung bestand die Verpflichtung des Direktors, seiner Leitungstätigkeit u.a. die Beschlüsse der SED zugrunde zu legen. Ebenso belegt § 11 Abs. 1 Satz 1 Schulordnung die enge Bindung des Schuldirektors an die Partei. Der Beklagte hatte auch vorgetragen, es habe zu den Aufgaben des Schuldirektors gehört, mit den Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR und mit der SED zusammenzuarbeiten sowie die politisch-ideologische Situation an der Schule zu kontrollieren und auf diese einzuwirken, militärischen Nachwuchs zu gewinnen und linientreue Schüler für weiterführende Schulen zuzulassen.
c) Diesem Vorbringen und typischen Bild eines Schuldirektors ist allerdings die Klägerin entgegengetreten. Sie hat sich nach ihrem Sachvortrag dafür eingesetzt, Kinder zu selbstbewußten, selbständigen, kritischen Menschen zu erziehen und auch religiöse Ideen und religiös-kirchliches Engagement zu akzeptieren; sie habe Empfehlungen nie nach politischen Gesichtspunkten ausgerichtet, u.a. einen Schüler, der zur EOS unter gleichzeitiger Offizierslaufbahn wollte, hiervon abgehalten; sie habe auch nicht an der militärischen Nachwuchsgewinnung mitgewirkt, aus eigener Initiative nie über Schüler und Kollegen berichtet, nie „Auffälligkeiten” weitergemeldet und bei den Sicherheitsorganen nur positive Aussagen, u.a. bei Westreiseanträgen, gemacht; schließlich habe sie bei den monatlichen Gesprächen mit dem Schulrat nie politische Berichte abgegeben und bei Weiterbildungsseminaren habe sie nur fachlich-pädagogische Themen behandelt. Für diesen gesamten Sachvortrag hatte sich die Klägerin auf Vernehmung von drei Zeugen (Dr. K., Dr. S., W.) berufen, wobei das Landesarbeitsgericht dem gemäß Beweisbeschluß vom 31. August 1993 nachgehen wollte. Erst in der nachfolgenden Verhandlung vom 23. November 1993 ist das Landesarbeitsgericht hiervon abgerückt, was grundsätzlich möglich ist (vgl. etwa BAG Urteil vom 5. April 1995 – 4 AZR 144/94 – n.v., zu I 2 a der Gründe, m.w.N.). Allerdings hat der Klägervertreter nunmehr vorsorglich Schriftsatznachlaß zur Substantiierung des Verhaltens der Klägerin als Schulleiterin gemäß den bisherigen Ausführungen beantragt; er sei davon ausgegangen, daß wegen der gerichtlichen Ladung der Zeugen keine prozessualen Bedenken gegen ihre Vernehmung bestanden hätten.
Die hierzu mit der Revision erhobene Verfahrensrüge mangelnder Aufklärung (§§ 139, 286 ZPO) greift durch. Sie entspricht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozeßrüge (Senatsurteile vom 22. Juli 1982 – 2 AZR 30/81 – AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II der Gründe und vom 25. Januar 1990 – 2 AZR 398/89 – n.v., zu II 1 b bb der Gründe). Die Klägerin hat mit der Revision geltend gemacht, was sie im einzelnen vorgetragen hätte, wenn das Landesarbeitsgericht entgegen seiner ursprünglichen Auffassung Gelegenheit zu weiterer Substantiierung eingeräumt hätte.
So hätte sie durch Dr. K., der nie Mitglied der SED gewesen sei und dessen Frau, die 1980 aus der SED ausgetreten sei, unter Beweis gestellt, daß beide Eltern während ihrer Direktorentätigkeit Mitglied in den Elternvertretungen geblieben seien, weil sich die Klägerin gerade um die Integration aller Gruppen, u.a. auch sogenannter Intelligenzler – was nicht der gewünschten Kaderpolitik der SED entsprach – gekümmert habe; die Klägerin habe eine sachliche und kritische Auseinandersetzung in allen Problembereichen – auch gegen den Widerstand einzelner Elternvertreter oder Lehrkräfte – gefordert, was sie anläßlich mehrerer offizieller Veranstaltungen betont habe; wenn z.B. kritische Äußerungen in Schüleraufsätzen als Staats- und parteifeindliches Gedankengut gebrandmarkt werden sollten, dann habe sie sich für einen großen Meinungsspielraum der Schüler eingesetzt, um eigene Ideen und Wege entwickeln und finden zu können; ein besonderes parteipolitisches Engagement sei in der Tätigkeit der Klägerin nicht erkennbar gewesen; sie habe nach der Wende die Eltern bei dem Aufbau demokratischer Elternvertretungen sehr unterstützt.
Die Klägerin hat ferner mit der Revision geltend gemacht, sie hätte durch Dr. S. für folgenden weiteren Sachvortrag Beweis angetreten:
Während der Zeit der Klägerin als Parteisekretärin sei ihm bei Hospitationen nie bewußt geworden, daß die Klägerin Parteisekretär der Schule war; sie habe sich 1981 trotz vieler Widerstände für die Durchführung von zwei Rock-Konzerten in der Turnhalle der Schule eingesetzt; die Klägerin habe sich im August 1983, obwohl im Herrschaftsbereich von der Kulturministerin Honecker zu dieser Zeit das Fach Informatik fast „eine schwarze Kunst” gewesen sei, dafür eingesetzt, daß eine entsprechende Arbeitsgemeinschaft, auch wenn sie nicht unter der Überschrift „Informatik” laufen durfte, für „Mathematische Methoden in Technik und Naturwissenschaften” eingeführt wurde; gegen große Widerstände der Schulverwaltung der Stadt und des Ministeriums habe die Klägerin Konzepte zum Gruppenunterricht im Fach Mathematik erarbeitet, wobei deren Veröffentlichung noch bis 1990 verhindert worden sei.
Die Revision hat ferner vorgetragen, sie hätte durch die Zeugin W. unter Beweis gestellt, daß die Klägerin sich in der Umbruchphase für die neuen Schulstrukturformen bis zur Erschöpfung eingesetzt habe; die Klägerin habe sich früher für christlich gebundene Schüler aus Medizinerkreisen eingesetzt, wobei sie nur auf fachliche Leistung gesehen und den Jugendlichen ihren weiteren Schulweg nicht verbaut habe.
Dieses Entlastungsvorbringen ist dahin zu würdigen, daß jedenfalls in der Amtsausübung der Klägerin nicht mehr von einer besonderen Identifikation mit den SED-Zielen geredet werden kann. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß auch im Hinblick auf die teilweise zeitlich weit zurückliegenden Umstände sowohl in der Konkretisierung wie auch in der Beweisführung keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Insofern würde es auch nicht in das übliche Parteisekretärbild passen, daß die Klägerin dafür gekämpft haben will, daß die Pastorentochter … F. zur EOS delegiert wurde. Diesen Sachvortrag, der allerdings hinsichtlich der näheren Umstände und auch zeitlich bisher nicht genau fixiert ist, hat der Beklagte – soweit ersichtlich – nicht bestritten. Er kann – zumindest im Zusammenwirken mit dem weiteren Entlastungsvortrag der Klägerin zur Direktorentätigkeit – nicht unberücksichtigt bleiben.
d) Schließlich greift auch die Rüge der Revision durch, das Landesarbeitsgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Entlastungsvorbringen zur Tätigkeit der Klägerin nach der Wende auseinandergesetzt.
Die Klägerin hat zunächst darauf hingewiesen, sie sei durch das Schulkollegium als Direktorin bestätigt und mit der Ernennungsurkunde vom 28. August 1990 auf eine freiheitliche, demokratische, soziale und rechtsstaatliche Ordnung verpflichtet worden. Die Klägerin hat dazu weiter geltend gemacht, was auch vom Beklagten nicht bestritten worden ist, sie habe sich dem durch Lehrerfortbildungskurse für neu ernannte Schulleiter in der Zeit vom 12. bis 16. November 1990 und vom 26. bis 30. August 1991 gestellt. Dafür hat die Klägerin entsprechende Nachweise des Niedersächsischen Landesinstituts für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung vorgelegt. Schließlich hat die Klägerin am Fortbildungsseminar des Kultusministeriums Baden-Württemberg zum Thema „Menschenbild – Werte und Normen” teilgenommen, wobei es um pädagogische, philosophische und rechtliche Fragen zum Menschenbild ging. Diese Fortbildungsmaßnahmen zeigen, daß es der Klägerin offensichtlich um eine Neuorientierung ging. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, hierbei könne es sich gleicherweise um eine taktische Wendigkeit wie auch um einen echten persönlichen Meinungswandel handeln, läßt nicht erkennen, für welche Variante sich das Landesarbeitsgericht nun festlegen will; sie bleibt daher in sich widersprüchlich.
Gerade dies wird das Landesarbeitsgericht – auch unter Berücksichtigung eines eventuellen Beweisergebnisses zu dem oben gewürdigten Vorbringen (II 2 b und c) – neu zu würdigen haben. Der Senat hat auch in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 11. Mai 1995 – 2 AZR 749/94 – n.v., zu II 2 d der Gründe) dem Besuch derartiger Fortbildungsveranstaltungen erhebliche Bedeutung beigemessen; es komme darauf an, kritische Äußerungen eines Lehrers vor der Wende, eventuelle fachbezogene Ausführungen während seiner früheren Tätigkeit und sein früheres Verhalten mitzuwürdigen und danach zu prüfen, ob die Fortbildungsveranstaltungen gewissermaßen nur mit innerem Vorbehalt und nur zum Schein besucht worden seien. Das Landesarbeitsgericht wird daher auch diese Umstände aufklären und gegebenenfalls neu würdigen müssen.
3. Mit der Kündigungsschutzklage unterliegen auch die weiteren geltend gemachten Ansprüche (Weiterbeschäftigung, Vergütungs-Feststellungsantrag) der Zurückverweisung.
Unterschriften
Bitter, Bröhl, Fischermeier, Nielebock, Bartz
Fundstellen