Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspätete Urteilsabsetzung

 

Normenkette

ZPO § 551 Nr. 7

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 30.11.1995; Aktenzeichen 14 Sa 27/95)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.09.1994; Aktenzeichen 4 Ca 9348/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. November 1995 – 14 Sa 27/95 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin ist neben ihrem Schwager, dem Geschäftsführer der Beklagten, und ihrer Schwiegermutter Gesellschafterin der Beklagten. Sie besitzt 35 % der Geschäftsanteile, während der Geschäftsführer der Beklagten 30 % der Anteile hält. Daneben ist er Treuhänder der Anteile seiner Mutter.

Die Klägerin war seit 1. April 1966 bei der Beklagten, die neben der Klägerin acht Arbeitnehmer auf fünfeinhalb Vollzeitstellen beschäftigt, als Angestellte tätig, zuletzt als Prokuristin zu einer monatlichen Bruttovergütung von 5.000,00 DM. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen vom 8. November und 7. Dezember 1993, die die Beklagte darauf stützt, die Klägerin habe in zahlreichen Fällen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigungen gewandt. Sie hat u.a. geltend gemacht, sie habe sich niemals illoyal gegenüber dem Unternehmen verhalten, sondern stets versucht, zum Wohl des Unternehmens und im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben zu handeln. Die Kündigungen verstießen außerdem gegen § 9 Abs. 2 d des Gesellschaftsvertrages.

Die Klägerin hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt

festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlosen Kündigungen vom 8. November 1993 und 7. Dezember 1993 aufgelöst wurde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgebracht, die Klägerin habe sich fortlaufend in Überschreitung ihrer Kompetenzen als Chefin geriert und dabei das Betriebsklima unerträglich gestört. Das Fehlverhalten der Klägerin habe schließlich dazu geführt, daß der Geschäftsführer die Absicht gehabt habe, die Geschäftsleitung niederzulegen und mehrere Mitarbeiter mit der Kündigung gedroht hätten.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten, soweit der Rechtsstreit Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, zurückgewiesen. Das am 30. November 1995 verkündete Urteil ist mit den Unterschriften der Richter versehen am 29. Mai 1996 zur Geschäftsstelle gelangt. Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 551 Nr. 7 ZPO.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, weil der absolute Revisionsgrund gem. § 571 Nr. 7 ZPO vorliegt. Das angefochtene Urteil ist als Urteil ohne Entscheidungsgründe anzusehen.

I. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat mit Beschluß vom 27. April 1993 (– GmS-OGB 1/92 – AP Nr. 21 zu § 551 ZPO) erkannt, daß abweichend von der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefaßtes Urteil i.S.v. § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen anzusehen ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen (BAG Urteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 501/92 – BAGE 74, 44 = AP Nr. 22 zu § 551 ZPO; Senatsurteile vom 7. Oktober 1993 – 2 AZR 293/93 –, n.v. und vom 12. Januar 1995 – 2 AZR 408/94 – SGb 1995, 250).

II. Das angefochtene Urteil vom 30. November 1995 ist erst am 29. Mai 1996 ordnungsgemäß unterzeichnet zur Geschäftsstelle gelangt, wie sich aus dem Aktenvermerk des Landesarbeitsgerichts (Bl. 293 VorA) ergibt. Das angefochtene Urteil, das danach nicht innerhalb von fünf Monaten nach seiner Verkündung mit Tatbestand und Entscheidungsgründen von allen Richtern unterschrieben zur Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts gelangt ist, gilt nach dem Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts i.S.v. § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen. Es ist deshalb auf die entsprechende ordnungsgemäße Verfahrensrüge der Beklagten hin ohne weitere Sachprüfung gem. §§ 564, 565 ZPO aufzuheben.

 

Unterschriften

Etzel, Bröhl, Fischermeier, Nielebock, Mauer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093243

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