Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde persönliche Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1; Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1, Abs. 5 Ziff. 2
Verfahrensgang
LAG Brandenburg (Urteil vom 13.06.1994; Aktenzeichen 6 Sa 144/94) |
ArbG Neuruppin (Urteil vom 16.12.1993; Aktenzeichen 3 Ca 2561/93) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 13. Juni 1994 – 6 Sa 144/94 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Die im Jahre 1930 geborene Klägerin war seit August 1957 in der Volksbildung der ehemaligen DDR tätig. Sie war Mitglied der SED und von 1964 bis 1972 Parteisekretärin. Während ihrer Zeit als Lehrerin in L. fertigte und unterzeichnete sie am 23. Mai 1968 nach zwei vorausgegangenen Kontaktgesprächen folgende schriftliche Erklärung:
„Verpflichtung
Ich, Erika J., geb. am …, wohnhaft in L. Fr.-Engels-Str. 14, werde den Genossen des MfS zeitweilig meine Wohnung zur Verfügung stellen.
Ich werde über diese Angelegenheit mit niemandem sprechen. Desweiteren werde ich den Genossen alle Probleme, die mir in diesem Zusammenhang zur Kenntnis gelangen, mitteilen. Ich wähle mir den Decknamen „F.”.
Erika J. L., den 23.5.68”
Die Klägerin hatte anschließend dreimal Kontakt zum Ministerium für Staatssicherheit (künftig: MfS) wegen ihrer Wohnung, die nicht im Sinne der Verpflichtungserklärung genutzt worden ist. Ob die Klägerin Sachzuwendungen erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig. Anläßlich ihres Umzuges nach H. im August 1976 wurde ihr Vorgang beim MfS abgeschlossen. Nach der Übernahme durch den Beklagten unterrichtete sie ab August 1992 an einer Förderschule für geistig behinderte Kinder im Fach Geschichte.
Unter dem 9. Mai 1991 versicherte die Klägerin in einem Fragebogen, weder für das frühere MfS bzw. das Amt für Nationale Sicherheit noch für eine der Untergliederungen dieser Amter oder vergleichbare Institutionen tätig gewesen zu sein. Sie verneinte die weiteren Fragen „Haben Sie finanzielle Zuwendungen von einer der genannten Stellen erhalten?” und „Haben Sie eine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit einer der genannten Stellen unterschrieben?”.
Am 25. August 1993 erhielt der Beklagte einen die Klägerin betreffenden Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit, aus dem sich die vorstehenden Verbindungen zum MfS ergeben. Nach Anhörung der Klägerin am 31. August 1993 teilte der zuständige Kreisschulrat mit Schreiben vom selben Tage dem Bezirkspersonalrat mit, er beabsichtige, der Klägerin wegen Tätigkeit für das MfS und wegen wahrheitswidriger Angaben im Fragebogen außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Der Personalrat stimmte mit Schreiben vom 1. September 1993 einer ordentlichen Kündigung zu. Mit Schreiben vom 7. September 1993, der Klägerin zugegangen am selben Tage, kündigte der Beklagte außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. November 1993.
Mit der am 13. September 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei nicht für das MfS tätig gewesen und habe keine Zuwendungen von ihm erhalten. Die Angaben im Fragebogen seien wahrheitsgemäß. Sie habe sich nicht daran erinnert, eine schriftliche Erklärung abgegeben zu haben. Im Mai 1968 habe sie ein Fernstudium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam absolviert; sie sei damals schwangerschaftsbedingt krank gewesen und habe am 24. Mai eine Prüfung in Geschichte erwartet. Wegen der damit einhergehenden nervlichen Anspannung sei ihre Unterschriftsleistung am 23. Mai beiläufig und vornehmlich deshalb erfolgt, um den Mitarbeiter des MfS loszuwerden. Sie sei persönlich für den Lehrerberuf geeignet. Eine zusätzliche Loyalität, wie etwa das Eintreten für eine bestimmte Ordnung, könne von ihr nicht verlangt werden. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 7. September 1993 nicht beendet worden sei.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Die Klägerin sei mit dem Bereithalten der Wohnung für das MfS tätig geworden. Dafür habe sie Sachzuwendungen erhalten. Daß sie die Verpflichtungserklärung vergessen habe, sei unglaubwürdig. Mit den wahrheitswidrigen Angaben im Fragebogen habe sie einen groben Verstoß im Vertrauensbereich begangen. Ihr fehle daher die Glaubwürdigkeit, den ihr anvertrauten Schülern die Grundwerte der Verfassung zu vermitteln. Daraus folge auch ihre persönliche Ungeeignetheit, auf der die hilfsweise ordentliche Kündigung beruhe. Die Klägerin habe bei Abgabe der Verpflichtungserklärung weder in einer Notsituation gestanden, noch habe der Kontakt zum MfS auf dienstlichen Verpflichtungen beruht. Vielmehr sei all das freiwillig erfolgt und lediglich der Wohnungswechsel Grund für die Beendigung der Kontakte mit dem MfS gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat nur die außerordentliche Kündigung für unwirksam erachtet. Es hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 7. September 1993 mit dem 31. März 1994 sein Ende gefunden habe, und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die allein noch streitgegenständliche ordentliche Kündigung vom 7. September 1993 wirksam ist.
I. Die Beteiligung der Personalvertretung richtete sich nach dem BPersVG, wie sich aus der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 zum Einigungsvertrag ergibt. Das Personalvertretungsgesetz für das Land Brandenburg vom 15. September 1993 ist erst nach Ausspruch der Kündigung in Kraft getreten. Umstände, die für eine nicht ordnungsgemäße Beteiligung der zuständigen Personalvertretung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat unstreitig dem Bezirkspersonalrat mit Schreiben vom 31. August 1993 seine Absicht zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung mitgeteilt und ihn dabei über die persönlichen Daten der Klägerin, den Kündigungsgrund und die Kündigungsart informiert. Dem Anhörungsschreiben waren der Personalfragebogen mit den beanstandeten Antworten und das Protokoll des Bundesbeauftragten beigefügt. Dem Personalrat waren damit die Umstände bekannt, die den Beklagten zur Kündigung veranlaßt haben und auf die dieser auch im Verlaufe des Prozesses die Kündigung gestützt hat. Der Personalrat hat der ordentlichen Kündigung vor Kündigungsausspruch zugestimmt. Die Klägerin hat ihre Behauptung einer fehlerhaften Personalratsbeteiligung auch nicht weiter konkretisiert. In der Revisionsinstanz hat sie keine Rüge hierzu erhoben.
II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Klägerin fehle die persönliche Eignung, weil sie für das MfS eine Verpflichtungserklärung abgegeben und dies auf Befragen des Beklagten wahrheitswidrig geleugnet habe. Die Abgabe einer Verpflichtungserklärung für das MfS aufgrund eines freien Willensentschlusses und ohne entschuldigenden Zwang begründe bereits Zweifel an der persönlichen Eignung eines Arbeitnehmers für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst. An dieser Eignung fehle es in aller Regel, wenn der Arbeitnehmer die berechtigte Frage des Arbeitgebers nach einer solchen Verpflichtungserklärung wahrheitswidrig verneine. Die Einzelumstände sprächen gegen die persönliche Eignung der Klägerin. Sie habe die Verpflichtungserklärung ohne Not und aus freien Stücken abgegeben und in der Überzeugung von der Richtigkeit ihres Tuns gehandelt. Ihre seinerzeitige Streßsituation sei nicht maßgebend für die Abgabe der Erklärung gewesen. Daß es zu einer Zusammenarbeit mit dem MfS nicht gekommen sei, sei nicht auf die Klägerin zurückzuführen. Die Klägerin habe auch nicht sichtbar werden lassen, daß sie von den Zielsetzungen der SED und ihrem Unterdrückungssystem tatsächlich abgerückt sei. Sie hätte die Frage nach der Abgabe einer Verpflichtungserklärung ohne weiteres wahrheitsgemäß beantworten können, zumal es zu einem Tätigwerden für das MfS gar nicht gekommen sei. Soweit sie sich auf fehlendes Erinnerungsvermögen berufen habe, könne dem nach den gegebenen Umständen kein Glauben geschenkt werden. Die Klägerin habe sogar ausgeführt, von ihr könne eine zusätzliche Loyalität, wie etwa das Eintreten für eine bestimmte Ordnung, nicht verlangt werden.
2. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts der neuen Bundesländer die in der Anlage I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Die Klägerin unterrichtete am 3. Oktober 1990 an einer öffentlichen Schule und gehörte deshalb dem öffentlichen Dienst im Beitrittsgebiet an (vgl. etwa Senatsurteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 331/92 – BAGE 72, 350 = AP Nr. 20 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP Nr. 35, a.a.O.). Anwendbar war demnach zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 7. September 1993 auch die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV, denn durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I S. 1546) ist diese Kündigungsregelung bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden. Das Verlängerungsgesetz ist wirksam. Die dagegen vereinzelt erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch, wie der Senat mit Urteil vom 27. Juni 1996 (– 8 AZR 1024/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe) entschieden hat.
3. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV war die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entsprach. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – BAGE 72, 361 = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und – 8 AZR 127/93 – BAGE 75, 46 = AP Nr. 18, a.a.O., jeweils m.w.N.) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:
a) Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
b) Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
c) Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
d) Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit den Zielen der SED identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – BAGE 76, 323, 331 f. = AP Nr. 22, a.a.O., zu B II 3 b der Gründe).
4. Eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV verstößt nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine früheren Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hat.
5. Der Senat hat in den Urteilen vom 26. August 1993 und 14. Dezember 1995 (– 8 AZR 561/92 – BAGE 74, 120 = AP Nr. 8 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu B II 4 c der Gründe und – 8 AZR 356/94 – AP Nr. 56 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B III 1 der Gründe) ausgeführt, daß erhebliche Zweifel an der persönlichen Eignung eines Angestellten für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst begründet sind, wenn dieser aufgrund eines freien Willensentschlusses und ohne entschuldigenden Zwang eine Erklärung unterzeichnet hat, künftig für das MfS als inoffizieller Mitarbeiter tätig zu werden. Das MfS bildete den eigentlichen Repressionsapparat des SED-Staates. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber in Abs. 5 EV Rechnung getragen. Steht fest, daß sich der Angestellte freiwillig dem Repressionsapparat des MfS zur Verfügung gestellt hat, indiziert dies die Annahme seiner mangelnden persönlichen Eignung für eine Tätigkeit in einer mit Bildungsaufgaben betrauten Einrichtung.
In den vorgenannten Urteilen hat der Senat weiterhin entschieden, daß auch die Falschbeantwortung von Fragen nach einer MfS-Tätigkeit und einer Verpflichtungserklärung regelmäßig die mangelnde persönliche Eignung für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst offenbart. Diese Fragen sind zulässig und vom Arbeitnehmer wahrheitsgemäß zu beantworten (Senatsurteile vom 26. August 1993, a.a.O., und vom 7. September 1995 – 8 AZR 828/93 – AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Ausübung des Fragerechts ist für den öffentlichen Arbeitgeber von besonderer Bedeutung. Sie dient letztlich der Bereinigung des übernommenen öffentlichen Dienstes von vorbelastetem Personal und damit der Schaffung einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung, einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut. Wer zu diesen Fragen falsche Angaben macht, mißbraucht das Vertrauen seines Dienstherrn gröblich. Das gilt auch dann, wenn der Verpflichtungserklärung bzw. der Tätigkeit für das MfS etwa nur eine mindere Bedeutung zukam; denn dies zu beurteilen kann nicht dem Arbeitnehmer überlassen bleiben. Berechtigte Fragen sind generell wahrheitsgemäß zu beantworten. Die Falschbeantwortung belegt aber nicht zwangsläufig die mangelnde persönliche Eignung. Neben dem Maß individueller Schuld des Arbeitnehmers sind vielmehr alle sonstigen Umstände des Einzelfalles, die für oder gegen die persönliche Eignung des Arbeitnehmers sprechen, in die Beurteilung einzubeziehen. Hat z.B. der Arbeitnehmer später, als er noch nicht mit der Aufdeckung seiner früheren Tätigkeit für das MfS rechnen mußte, diese offenbart und so dem Arbeitgeber die sachgerechte Entscheidung über eine Weiterbeschäftigung ermöglicht, kann dies eine positive Prognose hinsichtlich der künftigen Loyalität des Arbeitnehmers zulassen (vgl. BAG Urteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 862/94 – AP Nr. 53 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX).
6. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler eine mangelnde persönliche Eignung der Klägerin für den Lehrerberuf nach Abs. 4 Ziff. 1 EV angenommen.
a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden sind, hat die Klägerin die Verpflichtungserklärung ohne Not und aus freien Stücken abgegeben. Zwar hat sie angeführt, seinerzeit unter schwangerschafts- und prüfungsbedingtem Streß gehandelt zu haben. Dieser Umstand bewirkt jedoch schon deshalb keine entscheidende Entlastung, weil die Klägerin bereits in den vorausgegangenen Gesprächen Gelegenheit hatte, eine Zusammenarbeit mit dem MfS abzulehnen. Diese Möglichkeit hat die Klägerin nicht nur nicht wahrgenommen; sie hatte nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts vielmehr letztlich gar nicht den Willen, eine Zusammenarbeit abzulehnen. Insoweit kommt auch dem Vortrag der Klägerin, sie habe keine Zuwendungen erhalten, keine Entlastungsqualität zu. Daß es zu der gewollten Zusammenarbeit mit dem MfS nicht gekommen ist, vermag die Indizwirkung der Verpflichtungserklärung nicht zu erschüttern. Dies beruhte nicht auf einer Entscheidung der Klägerin, sondern allein auf Umständen innerhalb des MfS. Es geht hier nicht um das tatsächliche Bereitstellen einer Wohnung, welches grundsätzlich schon eine die außerordentliche Kündigung rechtfertigende Tätigkeit im Sinne von Abs. 5 Ziff. 2 EV darstellen würde (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 1995, a.a.O.), sondern um die mit der Verpflichtungserklärung dokumentierte Bereitschaft, eine solche Tätigkeit für das MfS auszuüben. Schließlich führte nicht ein Willensentschluß der Klägerin zum Abschluß des Vorgangs beim MfS, sondern ihr damit in keinem Zusammenhang stehender Umzug nach H.
b) Das Landesarbeitsgericht ist ferner ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin die durch die Falschbeantwortung indizierte mangelnde persönliche Eignung ebenfalls nicht entkräftet hat. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, die Behauptung der Klägerin, sie habe sich bei der Falschbeanwortung der Frage an die seinerzeitige Verpflichtungserklärung nicht mehr erinnert, sei falsch, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hat das Berufungsgericht festgestellt, daß eine tatsächliche Behauptung wahr oder unwahr sei, so ist diese Feststellung grundsätzlich für das Revisionsgericht bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO). Die Bindung entfällt nur dann, wenn hinsichtlich des Verfahrens, das zu dieser Feststellung geführt hat, eine zulässige und begründete Verfahrensrüge erhoben worden ist (vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 2. Aufl., § 75 Rz 18). Eine solche Rüge ist im Streitfall nicht erhoben worden. Dessen ungeachtet hat das Landesarbeitsgericht auch nachvollziehbar dargelegt, warum der Behauptung der Klägerin kein Glauben geschenkt werden könne. Das Landesarbeitsgericht hat demnach ein substantiiertes Entlastungsvorbringen der Klägerin zu Recht verneint.
c) Die Klägerin hat auch ansonsten keinerlei Umstände vorgetragen, die für eine Abkehr von den Zielsetzungen der SED und dafür sprechen könnten, daß sie sich nunmehr zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekenne und geeignet sei, den ihr anvertrauten Schülern die Grundwerte unserer Verfassung glaubwürdig zu vermitteln. Sie hat vielmehr im Gegenteil schon in der Klagschrift die Auffassung vertreten, daß man von ihr eine zusätzliche Loyalität für eine bestimmte Ordnung nicht verlangen könne. Dies hat sie nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts auch auf Vorhalt im Termin vom 13. Juni 1994 nicht entkräftet. Noch in der Revisionsbegründung hat die Klägerin bekräftigt, an besonderer Loyalität könne von ihr nur verlangt werden, daß sie den Schuldienst tatsächlich ausführe. Sie hat damit selbst bestätigt, daß die Wertung des Landesarbeitsgerichts, ihr fehle die persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV, nicht zu beanstanden ist. Die Klägerin verkennt, daß der öffentliche Arbeitgeber nach dem Grundgesetz und den entsprechenden landesrechtlichen Normen nur solche Lehrer einsetzen darf, die zu den Werten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen (Senatsurteile vom 18. März 1993 und 7. September 1995, a.a.O.). Zur Eignung eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst gehört deshalb das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, das gerade bei einer früheren Bereitschaft, sich dem gegen diese Wertordnung gerichteten Repressionsapparat des MfS zur Verfügung zu stellen, nicht mit der Auffassung in Frage gestellt werden darf, ein „Eintreten für diese oder jene Ordnung” könne der Dienstherr nicht verlangen. Eine solche Einstellung entkräftet gerade nicht die indizierten Zweifel daran, daß der Lehrer den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln und jederzeit die Gewähr dafür bieten werde, daß er auch in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
d) Die Würdigung aller Einzelumstände durch das Landesarbeitsgericht mit dem Ergebnis einer mangelnden persönlichen Eignung der Klägerin ist demnach nicht zu beanstanden. Einer Prüfung, ob zusätzlich die langjährige Tätigkeit der Klägerin als Parteisekretär für eine mangelnde persönliche Eignung spricht, bedurfte es nicht.
III. Das Landesarbeitsgericht hat danach zutreffend festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung beendet worden ist. Durch die Anwendung der längeren tarifvertraglichen Kündigungsfrist (vgl. hierzu BAG Urteil vom 26. Mai 1994 – 6 AZR 27/94 – AP Nr. 1 zu § 53 BAT-O) ist allein der Beklagte beschwert, der die Entscheidung nicht angefochten hat.
IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, R. Iskra, Dr. Haible
Fundstellen