Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifgeltung im Beitrittsgebiet. Gleichbehandlung
Leitsatz (redaktionell)
Vgl. heutiges Urteil des erkennenden Senats in der Sache – 6 AZR 335/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. März 1997 – 13 Sa 130/96 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1996 der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 (BAT) oder der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung fand.
Der Kläger war seit dem 15. November 1989 beim Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen, in der ehemaligen DDR beschäftigt. Seit der Herstellung der Einheit Deutschlands besteht das Arbeitsverhältnis zum beklagten Land fort. Seitdem ist der Kläger ununterbrochen als Verwaltungsangestellter im Dienstgebäude der Senatsverwaltung für Finanzen in der K. straße im ehemaligen Ostberlin eingesetzt. Im Arbeitsvertrag vom 11. November 1991 haben die Parteien die Anwendung des BAT-O vereinbart.
Dreizehn Angestellte der Senatsverwaltung für Finanzen, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet sind und die seit 1991 bzw. 1992 wegen des Umzugs ihrer Dienststellen im Dienstgebäude der Finanzverwaltung in der N. Straße im ehemaligen Westberlin beschäftigt wurden, erhielten ab September 1992 Leistungen nach den Bestimmungen des BAT. Auch nach ihrer Rückkehr auf Arbeitsplätze im östlichen Tarifgebiet wandte das beklagte Land auf diese Arbeitsverhältnisse zunächst weiterhin die Bestimmungen des BAT an. Ab Januar 1996 gewährte das beklagte Land diesen Arbeitnehmern unter Berufung auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats im Urteil vom 26. Oktober 1995 (– 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, sog. „Feuerwehrurteil”) die Leistungen nach BAT nur noch unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Für das zweite Halbjahr 1995 forderte es unter Beachtung der sechsmonatigen Ausschlußfrist des § 70 BAT-O den Differenzbetrag zwischen der Vergütung nach BAT und BAT-O von den Arbeitnehmern zurück, unterstellte aber gleichzeitig einen „Wegfall der Bereicherung”, so daß es im Ergebnis nicht zur Rückzahlung kam. Außerdem meldete das beklagte Land die betreffenden Arbeitnehmer rückwirkend bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ab. Zum 1. Juli 1996 stellte das beklagte Land die zuletzt unter Vorbehalt erfolgte Zahlung der Vergütung nach BAT ein und wandte seitdem auf die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer die Bestimmungen des BAT-O an. Außerdem forderte das beklagte Land die im ersten Halbjahr 1996 unter Vorbehalt geleisteten Differenzbeträge zurück unter gleichzeitiger Stundung dieser Überzahlungen bis auf weiteres. Mit Schreiben vom 4. Juli 1997 machte das beklagte Land die Differenzbeträge für den Monat Juni 1996 geltend und behielt sie in zwei Raten von den laufenden Bezügen der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auf sein Arbeitsverhältnis seien aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1996 die Bestimmungen des BAT anzuwenden gewesen. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegenüber den Arbeitnehmern, denen das beklagte Land nach ihrer Rückkehr auf Arbeitsplätze im Geltungsbereich des BAT-O weiterhin übertariflich Leistungen nach BAT gewährt habe, bestehe nicht. Solange diese Arbeitnehmer die übertariflichen Leistungen nicht zurückgezahlt hätten, stünden sie auch dem Kläger aus Gründen der Gleichbehandlung zu. Daß das beklagte Land Rückforderungsansprüche geltend gemacht habe, sei unerheblich, denn dies allein beseitige den gleichheitswidrigen Zustand für die Vergangenheit nicht.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1996 der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) nebst den diesen ergänzenden Tarifverträgen anzuwenden war.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch auf Gleichbehandlung bestehe nicht. Den in das östliche Tarifgebiet zurückgekehrten Arbeitnehmern seien weiterhin Leistungen nach BAT gewährt worden, weil sich das beklagte Land dazu rechtsirrtümlich aufgrund des sog. „Posturteils” des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68 = AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost) für verpflichtet gehalten habe. Daraus könne der Kläger jedoch keine Rechte herleiten, denn ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe nicht. Außerdem habe ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung des Klägers gegenüber den in das Beitrittsgebiet zurückgekehrten Arbeitnehmern bestanden, da das beklagte Land den voraussichtlich dauerhaft im Geltungsbereich des BAT tätigen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet waren, in Vollzug des sog. „Posturteils” entweder einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag oder die schriftliche Zusicherung gegeben habe, daß auf ihre Arbeitsverhältnisse das jeweilige Westtarifrecht angewendet werde. Die so entstandenen arbeitsvertraglichen Ansprüche dieser Arbeitnehmer auf Vergütung nach dem BAT hätten vom beklagten Land einseitig nicht beseitigt werden können. Dies stelle einen sachlichen Grund für die Weitergewährung von Leistungen nach westlichem Tarifrecht an diese Arbeitnehmer auch nach ihrer Rückkehr in das östliche Tarifgebiet dar.
Das Arbeitsgericht hat der Klage einschließlich des Antrags, den Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum zur VBL anzumelden, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie – nach Rücknahme des auf Anmeldung zur VBL gerichteten Antrags – unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im Umfang des zuletzt beim Landesarbeitsgericht gestellten Antrags weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage, soweit noch anhängig, zu Recht unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Klagebegehren rechtfertige sich nicht aus dem als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Das beklagte Land habe den aus dem Geltungsbereich des BAT auf Arbeitsplätze im Geltungsbereich des BAT-O zurückgekehrten Arbeitnehmern weiterhin Leistungen nach BAT erbracht, weil es irrtümlich davon ausgegangen sei, dazu rechtlich verpflichtet zu sein. Eine willentliche Besserstellung dieser Arbeitnehmer gegenüber dem Kläger sei nicht erfolgt. Nachdem das beklagte Land seinen Rechtsirrtum erkannt habe, habe es die tarifwidrig erbrachten Leistungen nur noch während eines begrenzten Zeitraums unter Vorbehalt weitergewährt und die Vergütungsdifferenz, soweit dies rechtlich möglich gewesen sei, zurückgefordert. Der Kläger begehre daher Leistungen, die andere Arbeitnehmer in der Vergangenheit zu Unrecht erhalten hätten. Darauf habe der Kläger jedoch keinen Anspruch, weil es eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht gebe.
B. Diese Ausführungen sind im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1996 die Bestimmungen des BAT weder tariflich noch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Anwendung, vielmehr galten die Vorschriften des BAT-O.
I. Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Arbeitnehmer der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte) und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages (im folgenden: EV) genannten Gebiet begründet sind.
1. Der Kläger übt eine der Rentenversicherung der Angestellten unterliegende Beschäftigung beim beklagten Land aus.
2. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist im Beitrittsgebiet begründet.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist ein Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet, wenn dort der Grund der Entstehung des Arbeitsverhältnisses liegt und der Bezug zum Beitrittsgebiet gegenwärtig noch besteht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt, sind diese Voraussetzungen gegeben (BAG Urteile vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – BAGE 76, 57 = AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O und vom 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – BAGE 78, 108 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O). Für den gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet ist grundsätzlich die Lage des Arbeitsplatzes entscheidend (BAGE 76, 57, 61 = AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, zu II 2 b der Gründe; BAGE 78, 108, 112 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O, zu I 3 a der Gründe; BAG Urteile vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 614/94 – BAGE 79, 215, 217 = AP Nr. 1 zu § 1 BMT-G II, zu II 2 a der Gründe; vom 20. März 1997 – 6 AZR 10/96 – BAGE 85, 322, 327 f. = AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O, zu II 3 c der Gründe; vom 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – AP Nr. 1 zu § 15 MTL II, zu II 1 a der Gründe und – 6 AZR 475/96 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 b der Gründe).
b) Der Grund für die Entstehung des Arbeitsverhältnisses des Klägers lag im Beitrittsgebiet. Es bestand bereits seit 1989 in der ehemaligen DDR beim Magistrat von Berlin und wurde nach Herstellung der Einheit Deutschlands vom beklagten Land fortgeführt. Der Bezug zum Beitrittsgebiet besteht gegenwärtig fort, denn der Arbeitsplatz des Klägers befindet sich in der K. straße im ehemaligen Ostberlin.
II. Der Kläger wurde durch die Anwendung des BAT-O im streitgegenstandlichen Zeitraum gegenüber anderen Arbeitnehmern des beklagten Landes nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (vgl. BVerfG Beschluß vom 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39, 58). Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies jedoch, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (st. Rspr., vgl. BAG Urteile vom 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 3 a der Gründe; vom 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, 210 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, zu I 2 a der Gründe).
2. Zwar wurde der Kläger gegenüber Arbeitnehmern, die nach einem auf Dauer bzw. auf nicht absehbare Zeit angelegten Einsatz im Geltungsbereich des BAT auf Arbeitsplätze im Geltungsbereich des BAT-O zurückgekehrt sind, ungleich behandelt, denn diese Arbeitnehmer haben zunächst bis zum 30. Juni 1996 Leistungen nach westlichem Tarifrecht erhalten, obwohl sie nach ihrer Rückkehr ins Beitrittsgebiet tariflich nur Leistungen nach BAT-O zu beanspruchen hatten (vgl. BAG Urteile vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 667/94 – BAGE 79, 224 = AP Nr. 3 zu § 1 TV Ang Bundespost; vom 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 – AP Nr. 6 zu § 1 BAT-O, zu III 2 der Gründe; vom 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, 209 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, zu I 1 a der Gründe; vom 20. März 1997 – 6 AZR 10/96 – BAGE 85, 322, 329 = AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O, zu II 4 der Gründe; vom 25. Juli 1998 – 6 AZR 515/97 – AP Nr. 1 zu § 15 MTL II, zu II 1 c der Gründe). Der Kläger kann jedoch nicht verlangen, mit diesen Arbeitnehmern gleichbehandelt zu werden. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus den Grundsätzen, die der erkennende Senat im Urteil vom 26. Oktober 1995 (BAGE 81, 207 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O) angewandt hat. Dabei kann offenbleiben, ob das beklagte Land individualvertraglich verpflichtet war, diesen Arbeitnehmern auch nach Rückkehr auf Arbeitsplätze im Beitrittsgebiet Leistungen nach BAT zu gewähren oder ob es diese Leistungen rechtsirrtümlich erbracht hat, weil es sich dazu tariflich oder arbeitsvertraglich für verpflichtet hielt.
a) Der erkennende Senat hat im Urteil vom 26. Oktober 1995 (a.a.O.) entschieden, daß ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der einem Angestellten nach einer Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT weiterhin Leistungen nach diesem Tarifvertrag und nicht nach dem auf das Arbeitsverhältnis nunmehr wieder anzuwendenden BAT-O gewährt, andere Angestellte auf vergleichbaren Arbeitsplätzen gleichbehandeln muß. Hat er jedoch die Leistungen nach BAT weitergewährt, weil er sich dazu für rechtlich verpflichtet hielt, kann er diese Praxis jederzeit beenden mit der Folge, daß ab diesem Zeitpunkt keiner der vergleichbaren Angestellten die Anwendung des BAT verlangen kann. Bis dahin besteht ein Anspruch auf Gleichbehandlung, wenn der Arbeitgeber die zu Unrecht gewährten Leistungen nicht zurückfordert.
b) Das beklagte Land hat die in den Geltungsbereich des BAT-O zurückgekehrten Arbeitnehmer nicht weiterhin nach BAT vergütet, weil es ihnen übertarifliche Leistungen gewähren wollte, sondern weil es glaubte, dazu rechtlich verpflichtet zu sein, und zwar sowohl tariflich als auch arbeitsvertraglich.
Das beklagte Land nahm irrtümlich an, daß die Bestimmungen des BAT nicht nur während eines dauerhaften bzw. auf nicht absehbare Zeit erfolgenden Einsatzes im westlichen Tarifgebiet auf im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnisse anzuwenden sind, wie der erkennende Senat im Urteil vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68 = AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost) entschieden hat, sondem auch, wozu im vorgenannten Urteil nicht Stellung zu nehmen war, nach Rückkehr dieser Arbeitnehmer auf Arbeitsplätze im Beitrittsgebiet. Dies ergibt sich aus den Rundschreiben II Nr. 156/1992 vom 11. November 1992 und II Nr. 172/1992 vom 3. Dezember 1992, in denen das beklagte Land unter Berufung auf das sogenannte „Posturteil” des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 (a.a.O.) zum Ausdruck brachte, daß im Falle eines auf Dauer beabsichtigten Einsatzes eines Arbeitnehmers im Geltungsbereich des BAT dieser Tarifvertrag auch bei einer auf dem Umzug der Beschäftigungsdienststelle beruhenden Rückkehr in das östliche Traifgebiet weiterhin anzuwenden sei. Aus der vom Kläger vorgelegten Senatsvorlage Nr. 177/96 vom 17. Mai 1996 läßt sich nichts anderes entnehmen, denn dort wird die Weitergewährung von Leistungen nach den Westtarifverträgen im nachhinein als „unzutreffende Antizipation künftiger BAG Rechtsprechung” bezeichnet.
Außerdem ging das beklagte Land davon aus, daß es arbeitsvertraglich verpflichtet sei, die Leistungen nach dem BAT weiterzugewähren. Dies ergibt sich aus dem Rundschreiben II Nr. 106/1995 vom 18. Dezember 1995. Danach hat das beklagte Land daraus, daß die im westlichen Tarifgebiet eingesetzten Arbeitnehmer mit im Beitrittsgebiet begründeten Arbeitsverhältnissen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im sog. „Posturteil” vom 30. Juli 1992 (a.a.O.) „… vom Geltungsbereich des BAT/BMT-G erfaßt werden und nach § 4 BAT/BMT-G dies durch schriftlichen Arbeitsvertrag zu vereinbaren ist,… die Schlußfolgerung gezogen, daß diese Vereinbarung auch bei einer Rückkehr in das Beitrittsgebiet fortgilt. …” Auch nach der Senatsvorlage Nr. 177/96 vom 17. Mai 1996 beruhte die Weitergewährung von Leistungen nach westlichem Tarifrecht „auf der Rechtsauffassung, daß entsprechende arbeitsvertragliche Ansprüche entstanden seien, die nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnten”.
Es mag dahinstehen, ob das beklagte Land tatsächlich individualvertragliche Zusagen erteilt hat oder ob die von ihm abgegebenen Erklärungen lediglich als deklaratorische Wiedergabe der tariflichen Rechtslage zu werten sind. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind insoweit widersprüchlich. Einerseits heißt es im Tatbestand des Berufungsurteils, die dauerhaft im ehemaligen Westberlin eingesetzten Arbeitnehmer hätten „einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag entsprechend den üblichen Standardverträgen bzw. eine schriftliche Zusicherung und Ergänzung der Arbeitsverträge erhalten, daß auf ihr Arbeitsverhältnis der jeweilige Tarifvertrag-West angewendet” werde. Andererseits hat das Landesarbeitsgericht im nächsten Absatz des Tatbestandes ausgeführt, diese Arbeitnehmer hätten nach Rückkehr in das östliche Tarifgebiet „rechtsirrtümlich” weiterhin Vergütung nach BAT erhalten. Rechtsirrtum und arbeitsvertragliche Zahlungspflicht schließen sich aber gegenseitig aus. Dieser Widerspruch bedarf jedoch keiner Aufklärung, weil im Ergebnis in keinem Fall ein Gleichbehandlungsanspruch des Klägers besteht.
aa) Sofern das beklagte Land rechtsirrtümlich nicht nur von einer tariflichen, sondern auch von einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Weitergewährung von Leistungen nach BAT ausging, konnte es diesen Irrtum nach Kenntniserlangung korrigieren. Dies hat es – anders als in dem tatrichterlich festgestellten Sachverhalt, der dem Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1995 (a.a.O.) zugrunde laggetan, indem es zunächst die Weiterzahlung der Vergütung nach BAT unter den Vorbehalt der Rückforderung stellte, die übertariflichen Zahlungen ab dem 1. Juli 1996 endgültig einstellte und die überzahlten Beträge, soweit dies rechtlich möglich war, zurückforderte. Zwar verblieben den begünstigten Arbeitnehmern die bis zum 31. Dezember 1995 gewährten übertariflichen Leistungen endgültig. Dies begründet jedoch keinen Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift nur ein bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, nicht jedoch beim bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug. Deshalb ist ein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Irrtum” zu verneinen (so im Ergebnis auch BAG Urteile vom 13. Dezember 1972 – 4 AZR 147/72 – AP Nr. 37 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; vom 13. August 1980 – 5 AZR 325/78 – AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972, zu III 2 b der Gründe; vom 19. August 1987 – 5 AZR 222/86 – n.v., zu II 2 der Gründe; BGH Urteil vom 26. März 1985 – VI ZR 245/83 – NJW 1985, 2482, 2484, zu II 3 b der Gründe). Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber nach Kenntnis von seinem Irrtum die bis dahin ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen weiter gewährt und rechtlich mögliche Rückforderungsansprüche nicht geltend macht. Ab diesem Zeitpunkt erbringt er bewußt zusätzliche freiwillige Leistungen. Dabei muß er die vergleichbaren Arbeitnehmer gleichbehandeln. Stellt er hingegen die rechtsgrundlosen Zahlungen alsbald nach Kenntniserlangung von seinem Irrtum ein und ergreift alle rechtlich möglichen Maßnahmen zur nachträglichen Korrektur seines Irrtums, ist für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum.
Das beklagte Land hat nachdem es von der Presseerklärung zum Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1995 (a.a.O.) und von dem vollständig abgefaßten Urteil des erkennenden Senats vom 23. Februar 1995 (– 6 AZR 667/94 – BAGE 74, 224 = AP Nr. 3 zu § 1 TV Ang Bundespost) Kenntnis erlangt hatte, in dem erstmals höchstrichterlich entschieden wurde, daß auf das im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnis eines
Angestellten nach einem auf Dauer angelegten Einsatz im Geltungsbereich des BAT ab dem Zeitpunkt seiner Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet wieder die Bestimmungen des BAT-O anzuwenden sind, die gebotenen und rechtlich möglichen Maßnahmen zur Korrektur seines Irrtums ergriffen. Daß den begünstigten Arbeitnehmern letztlich die bis zum 31. Dezember 1995 geleisteten Überzahlungen verblieben sind, beruht darauf, daß die Rückforderung dieser Beträge aus Rechtsgründen nicht möglich war. Am Jahresende 1995, als dem beklagten Land sein Rechtsirrtum erkennbar wurde, scheiterte die Rückforderung von Überzahlungen aus der Zeit vor dem 1. Juli 1995 an der tariflichen Ausschlußfrist des § 70 BAT-O. Für die im zweiten Halbjahr 1995 erfolgten Überzahlungen hat das beklagte Land den Wegfall der Bereicherung unterstellt und damit letztlich von einer Rückforderung der überzahlten Beträge bis zum 31. Dezember 1995 abgesehen. Dies begegnet angesichts der beim beklagten Land bestehenden Verwaltungsvorschrift, nach der der Wegfall der Bereicherung im Falle von Gehaltsüberzahlungen bis zu 10 v.H., im Höchstfall DM 200,–, vermutet wird, keinen rechtlichen Bedenken, denn die Vergütungsdifferenz zwischen BAT und BAT-O betrug bis Oktober 1995 10 %, in der Zeit danach 6 %, sodaß der monatliche Höchstbetrag der Überzahlung von DM 200,– allenfalls bei Arbeitnehmern der höheren Vergütungsgruppen geringfügig überschritten sein konnte. Gemessen an der Vielzahl der betroffenen Arbeitnehmer handelte es sich dabei um Einzelfälle, die das beklagte Land angesichts des ansonsten erforderlichen – bei einer wirtschaftlichen Betrachtung unangemessenen – Verwaltungsaufwands vernachlässigen durfte (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 2 c der Gründe).
Daß das beklagte Land die übertarifliche Vergütung für das erste Halbjahr 1996 zunächst noch unter Vorbehalt gezahlt und deren Rückzahlung später gestundet hat, ist im Hinblick auf die damals erhobene, im Ergebnis erfolglos gebliebene Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1995 (a.a.O.) rechtlich nicht zu beanstanden, zumal das beklagte Land zwischenzeitlich begonnen hat, die gestundeten Beträge einzuziehen.
bb) Sollte das beklagte Land den ins Beitrittsgebiet zurückgekehrten Arbeitnehmern die übertariflichen Leistungen weitergewährt haben, weil es dazu aufgrund von individualvertraglichen Zusagen verpflichtet war, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. In diesem Fall bestünde der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung des Klägers ab dem Zeitpunkt der Rückkehr der begünstigten Arbeitnehmer auf Arbeitsplätze im Beitrittsgebiet in den vom beklagten Land eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Auch dadurch, daß das beklagte Land dem Kläger keine auf Gewährung von Leistungen nach BAT gerichtete Zusage erteilt hat, wurde er nicht sachwidrig ungleich behandelt, denn die etwaigen Zusagen wurden in Vollzug des sog. „Posturteils” des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 (a.a.O.) erteilt. Dieses Urteil betraf ausschließlich die Anwendbarkeit westlichen Tarifrechts auf im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich westlichen Tarifrechts beschäftigt wurden. Deshalb war es nicht sachfremd, daß das beklagte Land Zusagen – wenn überhaupt – nur an solche Arbeitnehmer erteilte, die im westlichen Tarifgebiet eingesetzt waren. Dies war jedoch beim Kläger zu keinem Zeitpunkt der Fall.
Schließlich könnte sich der Kläger nicht darauf berufen, daß sich das beklagte Land durch die Erteilung von Zusagen auch für die Zeit nach Rückkehr der begünstigten Arbeitnehmer in das Beitrittsgebiet individualrechtlich gebunden hat.
Die Zusagen beruhten, wie sich nicht nur aus dem Vorbringen des beklagten Landes im vorliegenden Rechtsstreit, sondern auch aus den Rundschreiben II Nr. 156/1992 vom 11. November 1992 und II Nr. 172/1992 vom 3. Dezember 1992 ergibt, auf dem Bestreben des beklagten Landes, das „Posturteil” des erkennenden Senats vom 30. Juli 1992 (a.a.O.) zu vollziehen. Sofern das beklagte Land dadurch individualvertraglich übertarifliche Ansprüche begründet haben sollte, konnte es sich davon nach Kenntnis seines Irrtums zwar nicht mehr lösen und die übertariflichen Zahlungen auch für die Vergangenheit nicht mehr zurückfordern. Es konnte den gleichen Fehler jedoch in anderen Fällen vermeiden, indem es nach Klärung der tariflichen Rechtslage weitere Zusagen dieses Inhalts unterließ (Senatsurteil vom 25. Juni 1998 – 6 AZR 515/97 – AP Nr. 1 zu § 15 MTL II, zu II 2 der Gründe). Daß das beklagte Land solche individualrechtlichen Zusagen auch noch nach Bekanntwerden der Senatsurteile vom 23. Februar 1995 (a.a.O.) und vom 26. Oktober 1995 (a.a.O.) erteilt hätte, ist nicht ersichtlich und wurde von den Parteien nicht behauptet. Davon ist auch wegen der im Zweifel auf Normvollzug gerichteten Praxis des beklagten Landes nicht auszugehen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Beus, Schwarck
Fundstellen
Haufe-Index 1251975 |
BB 1998, 2584 |
FA 1999, 70 |
AuA 1999, 85 |