Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung für teilzeitbeschäftigte Lehrkraft
Normenkette
BeschFG 1985 § 2 Abs. 1, § 6; BGB §§ 134, 611, 612 Abs. 2, § 242; BAT § 70
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der beklagten Stadt gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. April 1990 – 2 Sa 427/88 – wird zurückgewiesen.
2. Die beklagte Stadt hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die beklagte Stadt verpflichtet ist, der Klägerin unter Anrechnung der erhaltenen Bezüge für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis 31. August 1986 anteilige Vergütung nach der VergGr. II a der Anlage 1 a zum BAT zu zahlen.
Die am 22. Mai 1954 geborene Klägerin, die Assessorin für das Lehramt ist, war aufgrund der Arbeitsverträge vom 8. Oktober 1984 und vom 22. Oktober 1985 vom 24. September 1984 bis 31. August 1986 bei der beklagten Stadt an der Beruflichen Schule IV als teilzeitbeschäftigte Lehrerin für die Fächer Deutsch und Sozialkunde tätig. Sie unterrichtete wöchentlich elf bzw. zehn Stunden. Die wöchentliche Regelstundenzahl eines vollbeschäftigten vergleichbaren Lehrers beträgt 23 Stunden. Die Klägerin erhielt eine nach Jahreswochenstunden bemessene Vergütung.
Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin geltend gemacht, die Vergütungsvereinbarung der Parteien sei im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 ab 1. Mai 1985 unwirksam. Mit ihrer am 29. September 1987 bei Gericht eingegangenen Klage hat sie von der beklagten Stadt die Nachzahlung der Differenz zwischen der ihr gewährten Vergütung und der anteiligen Vergütung eines angestellten Lehrers nach der VergGr. II a BAT begehrt. Soweit die Klägerin auch die anteiligen Beträge für Sonderzuwendung und Urlaubsgeld geltend gemacht hatte, ist der Rechtsstreit rechtskräftig erledigt.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
die beklagte Stadt zu verurteilen, an sie 15.889,61 DM nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 5. Januar 1988 zu zahlen.
Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Vergütungsvereinbarungen der Parteien seien rechtswirksam. In § 3 Buchst. q BAT liege eine zulässige tarifliche Abweichung von § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Im übrigen sei die unterschiedliche Behandlung einer Lehrkraft, die weniger als halbschichtig arbeite, sachlich gerechtfertigt. Schließlich hat die beklagte Stadt geltend gemacht, etwaige Ansprüche der Klägerin seien nach § 70 BAT verfallen, jedenfalls aber verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 13.132,35 DM stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat durch Schlußurteil die Berufung der beklagten Stadt wegen eines Betrages von 11.787,84 DM nebst zugehörigen Zinsen zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision, mit der die beklagte Stadt die Abweisung der Klage in vollem Umfange erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Vergütungsvereinbarung der Parteien verstoße gegen das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte in § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und sei daher gemäß § 134 BGB nichtig. Die der Klägerin zustehende Vergütung müsse gemäß § 612 Abs. 2 BGB nach der üblichen Vergütung vollzeitbeschäftigter Lehrkräfte ermittelt werden. Diese sei nach der Praxis des öffentlichen Dienstes auch bei der Vergütung der Lehrer nach den unmittelbar nicht anwendbaren Bestimmungen der Anlage 1 a zum BAT zu berechnen. Deshalb stünden der Klägerin die Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis 31. August 1986 in der rechnerisch nicht bestrittenen Höhe zu. Die Ansprüche seien weder nach § 70 BAT verfallen noch seien sie verwirkt.
Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis und im wesentlichen auch in allen Teilen seiner Begründung zu folgen.
II.1. Der Senat hat seit seiner vom Landesarbeitsgericht seinem Urteil zugrunde gelegten ersten einschlägigen Entscheidung vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) in ständiger Rechtsprechung bei der Frage der Vergütung teilzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis die Vergütung nach Jahreswochenstunden wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 in Verb. mit § 134 BGB für rechtsunwirksam angesehen und ausgeführt, an die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Als übliche Vergütung im Sinne der genannten Vorschrift sei im Hinblick auf die im öffentlichen Dienst herrschende Übung, nach Tarif zu vergüten, die tarifliche Vergütung anzusehen. Daher hätten die teilzeitbeschäftigen Lehrer anstelle der Vergütung nach Jahreswochenstunden Anspruch auf anteilige Vergütung, wie sie den jeweils vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrern zustehe (so außer der angeführten Entscheidung weiter die Urteile des Senats vom 10. Januar 1990 – 5 AZR 11/89 – und – 5 AZR 522/88 –; vom 21. März 1990 – 5 AZR 265/89 –, jeweils nicht zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 – und – 5 AZR 218/90 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen, sowie – 5 AZR 219/90 – und – 5 AZR 220/90 –; vom 12. Dezember 1990 – 5 AZR 546/89 –, – 5 AZR 618/89 – und – 5 AZR 631/89 –; sämtlich nicht zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. An der vorgenannten in den veröffentlichten Entscheidungen näher begründeten Ansicht ist festzuhalten, sowohl zu der Frage, ob eine anderweitige tarifliche Regelung im Sinne von § 6 BeschFG vorliegt, wie zu dem Fehlen sachlicher Gründe für die Schlechterstellung von Teilzeitkräften, jedenfalls wenn die Teilzeittätigkeit nicht neben einer vollen anderweitigen Berufstätigkeit ausgeübt wird (vgl. dazu das zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 22. August 1990 – 5. AZR 543/89 –). Der Hinweis der beklagten Stadt auf Art. 21 BayBesG a.F. rechtfertigt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine andere Wertung.
III. Die Ansprüche der Klägerin sind weder verfallen (§ 70 BAT) noch verwirkt (§ 242 BGB).
1. § 612 Abs. 2 BGB betrifft die Höhe der Vergütung. Diese ist im öffentlichen Dienst üblicherweise die tarifliche Vergütung. Die rein rechnerische Größe einer bestimmten Vergütung umfaßt aber nicht auch gleichzeitig noch andere – rein rechtliche – Merkmale, die zum Wesen einer bestimmten tariflichen Vergütung gehören können. Vor allem ist es der rechnerischen Höhe einer Vergütung nicht wesenseigen, an eine bestimmte tarifliche Ausschlußklausel gebunden zu sein (so ausdrücklich Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II 1 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Weiter darf nicht übersehen werden, daß es eine „tarifliche Vergütung” für angestellte Lehrer nicht gibt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anlage 1 a zum BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte beschäftigt sind. Ihre Vergütung wird durch ministerielle Eingruppierungserlasse geregelt, deren Inhalt jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden muß (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.). Deshalb sind die Vergütungen der unter Nr. 5 der Vorbemerkungen fallenden Beschäftigten solche vertraglicher Art, und lediglich ihre Höhe ist durch Heranziehung der Vergütungssätze des BAT an der tariflichen Vergütung ausgerichtet. Hieraus ergeben sich zusätzliche Bedenken dagegen, die Ausschlußklausel des BAT mit der nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Höhe der Vergütung in Verbindung zu bringen.
2. Da eine unmittelbare Geltung des § 70 BAT für die streitbefangene Zeit schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil § 3 Buchst. q BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 maßgeblichen Fassung Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten von der Tarifgeltung ausschloß, hätten die Parteien die Anwendbarkeit des § 70 BAT vertraglich vereinbaren müssen (wie dies in dem vom Senat durch Teil-Urteil am 25. Januar 1909 – 5 AZR 161/88 – entschiedenen Rechtsstreit der Fall war). Daß dies geschehen sei, ist nicht vorgetragen.
3. Die Klägerin braucht sich schließlich auch nicht entgegenhalten zu lassen, sie wolle zwar die Vorteile der tariflichen Vergütung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber die damit üblicherweise verbundenen Ausschlußregelungen nicht gegen sich gelten lassen. Tarifliche Ausschlußklauseln müssen, wenn sie nicht kraft Tarifgebundenheit der Vertragsparteien gelten, ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre auch für die ursprünglichen Vertragsbeziehungen der Parteien zulässig gewesen. Daß sie für die Klägerin nicht getroffen worden ist, kann nicht zu ihrem Nachteil ausschlagen.
4. Schließlich kann sich das beklagte Land nicht darauf berufen, der Anspruch der Klägerin sei wegen illoyaler Verspätung gemäß § 242 BGB verwirkt. Zur Verwirkung gehört nämlich auch der Umstand, daß dem Schuldner die Erfüllung der verspätet geltend gemachten Forderung nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist. Daß dies der Fall sei, dazu hat die beklagte Stadt nichts vorgetragen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Kessel, Buschmann
Fundstellen