Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach Einigungsvertrag. Personalratsbeteiligung

 

Normenkette

Einigungsvertrag Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet A Abschn. III Nr. 16; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2, Nr. 15 Buchst. a; BetrVG §§ 102-103; KSchG §§ 1, 17 ff., § 23; AGB-DDR § 55; BAT-O § 53 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 31.01.1994; Aktenzeichen 5 Sa 334/93)

ArbG Schwerin (Urteil vom 08.04.1993; Aktenzeichen 3 Ca 3721/92)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 31. Januar 1994 – 5 Sa 334/93 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 2 EV) stützt.

Die im Jahre 1962 geborene Klägerin war seit dem 1. August 1982 im Schuldienst der ehemaligen DDR tätig. Sie ist als Lehrerin unterer Klassen mit dem Zusatzfach Werken ausgebildet. Seit Oktober 1991 befand sie sich in „Kurzarbeit ohne Restarbeitspflicht” und wurde gelegentlich zu Vertretungsunterricht an verschiedenen Schulen herangezogen. Zuletzt war sie – obwohl ohne sonderpädagogische Ausbildung – der Lernbehindertenschule in L. zugewiesen.

Am 25. Mai 1992 erhielt die Klägerin ein Kündigungsschreiben mit folgendem Inhalt:

H., am 25.05.1992

Das Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch die Kultusministerin,

diese vertreten durch das Schulamt H.

Ordentliche Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses

Sehr geehrte Frau W.,

leider muß ich Ihnen mitteilen, daß Ihr Arbeitsverhältnis hiermit zum

31.07.1992

gekündigt wird.

Die Kündigung ist erforderlich, da im Zuge der Schulreform sowie infolge einer bereits aus der Vergangenheit herrührenden personellen Überbesetzung nicht mehr alle Lehrkräfte mit den Fächern

der Unterstufe/Werken

benötigt werden und Sie deshalb mangels Bedarf nicht weiterbeschäftigt werden können.

Wegen des erheblichen Überhangs an Lehrkräften ist auch Ihre anderweitige Verwendung nicht möglich.

Grundlage dieser Kündigung ist der Einigungsvertrag (Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nummer 1 Abs. 4 Ziff. 2 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 und 2 Arbeitsgesetzbuch der DDR).

Sollte die Kündigung nicht fristgemäß sein, gilt sie für den nächstmöglichen Kündigungstermin.

Wir danken Ihnen für die geleistete Arbeit.

Im Auftrag gez. H. K. …

H. K. Schulrat

Land Mecklenburg-Vorpommern Landkreis H.

Zum Zeitpunkt der Kündigung war noch kein Hauptpersonalrat im Kultusministerium gebildet worden. Auf der Ebene des Schulamtes bestand ein Bezirkspersonalrat, der aus den ersten regelmäßigen Wahlen nach dem Personalvertretungsgesetz der DDR hervorgegangen war.

Der Beklagte hat den Bezirkspersonalrat an der streitgegenständlichen Kündigung gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Kündigungsvorgänge beteiligt. Am 27. April 1992 fand eine Beratung zwischen zwei Schulräten und Vertretern des Bezirkspersonalrats statt, in welcher dem Personalrat Listen mit den Namen der zu kündigenden Lehrerinnen und Lehrer (134 Entlassungen) übergeben wurden. Das hierüber erstellte Protokoll lautet im wesentlichen wie folgt:

„Es wurden grundsätzlich nur Kündigungen mangels Bedarf ausgesprochen.

In der Beratung ging es auch um Versetzungen der einzelnen Kollegen.

  • die vielen Versetzungen sind durch die Vergrößerungen der Gymnasien bedingt, da keine Ausschreibung vorgenommen wurde
  • bei den Versetzungen war man bemüht, größere Entfernungen für die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer zu vermeiden
  • die Lehrerinnen und Lehrer fachgerecht einzusetzen
  • bei Ablehnung der Versetzung könnte die Kündigung ausgesprochen werden
  • Versetzungen sind als soziale Maßnahme zu sehen
  • Es wird angestrebt, daß sich Lehrerinnen und Lehrer Stellen teilen um größere Härten zu vermeiden – hauptsächlich im Grundschulbereich
  • Kündigungsfrist wird nach AGB zum 30. Juli 1992 eingehalten
  • einige Lehrerinnen und Lehrer bekommen befristeten Arbeitsvertrag für Schwanger – einschließlich Mütterschutzfrist u. Erziehungsurlaub usw. angeboten.
  • Kündigungsschutz für Personalräte ist aufgehoben
  • Die Kündigungen werden den Schulleitern übergeben, die sie dann an die betreffenden Lehrerinnen und Lehrer weiterleiten
  • Personalrat hat Schweigepflicht”

Der Bezirkspersonalrat hat allen Kündigungen mit Schreiben vom 21. Mai 1992 pauschal widersprochen. Darin heißt es u.a., die Bedarfsfrage sei noch nicht endgültig und eindeutig geklärt, desweiteren seien weder in der Begründung der Kündigung noch in der Erörterung die Auswahlkriterien ersichtlich geworden.

Mit ihrer am 15. Juni 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 8. Juli 1992 zugestellten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Sie hat das Vorliegen eines Personalüberhangs bestritten und den Beklagten aufgefordert, die Kriterien der Sozialauswahl und die sozialen Daten der vergleichbaren Arbeitnehmer zu benennen. Der Beklagte habe versäumt, ein Angebot auf Teilzeitbeschäftigung zu unterbreiten. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt und die maßgebliche Kündigungsfrist nicht eingehalten worden. Schließlich fehle es an der nach § 17 KSchG erforderlichen Massenentlassungsanzeige.

Die Klägerin hat beantragt

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 25. Mai 1992 zum 31. Juli 1992 nicht aufgelöst sei, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestehe,
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Klagantrag Ziffer 1 den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Lehrerin weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, nach einem Kabinettsbeschluß vom 24. Oktober 1991 hätten landesweit 4.270 Lehrerstellen abgebaut werden müssen. In der Lernbehindertenschule in L. habe ein Überhang von sechs Stellen bestanden. Einem Bedarf von 16,5 Stellen bei 15 Schulklassen hätten zum Kündigungstermin 24 Lehrkräfte gegenübergestanden. Eine Lehrerin sei im Erziehungsurlaub gewesen, eine andere nach H. versetzt worden. Neben 14 Lehrkräften mit sonderpädagogischer Qualifikation seien ein Musiklehrer und eine Lehrerin als Mitglied des Personalrats weiterzubeschäftigen gewesen. Zwei weitere Lehrkräfte seien, zum Teil aus gesundheitlichen Gründen, mit reduzierter Wochenstundenzahl eingesetzt worden. Einer Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG habe es nicht bedurft. Gleichwohl seien vorsorglich die Kriterien Dauer der Zugehörigkeit zur Dienststelle, Lebensalter, Familienstand, Anzahl der Unterhaltsberechtigten. Einkünfte von Ehegatten, etwaige Nebenverdienste, Umschulungsmöglichkeiten, andere Berufsaussichten und die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Vorruhestandes berücksichtigt worden.

Der Beklagte hat weiter vorgetragen, die Kündigung sei auch in personalvertretungsrechtlicher Hinsicht nicht unwirksam. Sie sei vom Kultusministerium, nicht vom Schulamt ausgesprochen worden. Der Minister habe die Entscheidung an sich gezogen. Die Schulräte seien nur zur vorbereitenden Ermittlung der Bedarfsverhältnisse und der notwendigen Auswahlentscheidungen eingeschaltet worden. Aufgrund ministerieller Anleitung hätten sie Kündigungslisten zusammenstellen und im Ministerium vorlegen müssen. Diese Listen seien vom 21.–24. April 1992 durch 13 leitende Mitarbeiter des Ministeriums durchgesehen und in jedem Einzelfall vom Ministerium bestätigt oder abgelehnt worden. Die Schulräte hätten zum Zeitpunkt der Kündigung keine Kündigungsbefugnis mehr gehabt. Daher wäre allein der seinerzeit noch nicht gebildete Hauptpersonalrat beim Ministerium beteiligungsberechtigt gewesen. Die Anhörung des Bezirkspersonalrats sei nicht Wirksamkeitsvoraussetzung gewesen und nur vorsorglich im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit erfolgt. Dieses noch für das Amt für Volksbildung gewählte Gremium sei mit der Bildung der Schulämter aufgrund des Schulreformgesetzes vom 26. April 1991 untergegangen. Im übrigen habe es sich um eine ordnungsgemäße Beteiligung auf der Grundlage der Kündigungslisten gehandelt. Der Personalvertretung seien der in Betracht kommende Personenkreis, die Kündigungsgründe, die Kriterien der Sozialauswahl sowie die gesamten Sozialdaten bekanntgegeben worden. Sie sei darüber hinaus an allen Beratungen zum Stellenabbau beteiligt worden.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage, während die Klägerin Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 25. Mai 1992 sei schon nach § 79 Abs. 4 PersVG-DDR unwirksam, weil der Bezirkspersonalrat als zuständige Personalvertretung auf der Ebene des Schulrats (Schulamts) nicht ordnungsgemäß mitgewirkt habe. Ihm seien die maßgeblichen Erwägungen des Dienstherrn zur Entlassung der Klägerin nicht mitgeteilt worden. Als untere Landesbehörde sei das Schulamt eine Dienststelle, bei der eine Personalvertretung zu bilden sei. Dem Schulrat als Vorsteher dieser Behörde habe das Kündigungsrecht zugestanden. Das Ministerium habe die Entscheidung nicht an sich gezogen. Das ergebe sich bereits daraus, daß die Kündigung vom Schulrat ausgesprochen worden sei. Der Beklagte habe auch nicht schlüssig vorgetragen, daß über die Kündigung tatsächlich allein im Ministerium entschieden worden sei. Er habe keine konkreten Tatsachen dafür vorgebracht, daß die Bildung des Bezirkspersonalrats nichtig gewesen oder dessen Mandat mit den Ämtern für Volksbildung untergegangen sei. Der Beklagte habe nicht konkret dargelegt, welche die Kündigung begründenden Umstände er dem Bezirkspersonalrat im einzelnen mitgeteilt habe. Die Wendung, es sei „der in Betracht kommende Personenkreis” mitgeteilt worden, sei doppeldeutig. Es sei nach dem Protokoll der Beratung vom 27. April 1992 anzunehmen, daß nicht die gesamte Vergleichsgruppe, sondern nur der zur Kündigung vorgesehene Personenkreis bezeichnet worden sei. Zur Auswahl habe der Beklagte genauso doppeldeutig vorgetragen. Zudem sei die Auswahlentscheidung mit dienstlichen Interessen und nicht mit sozialen Gesichtspunkten begründet worden. Ein so formelhafter und substanzloser Vortrag sei unbeachtlich, da die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung gerade kritisiert habe, dem Bezirkspersonalrat seien die genannten allgemeinen Kriterien der Sozialauswahl bezogen auf den Fall der Klägerin nicht mitgeteilt worden.

B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Ob die Kündigung vom 25. Mai 1992 aus personalvertretungsrechtlichen Gründen unwirksam ist, kann nach dem festgestellten Sachverhalt nicht abschließend beurteilt werden.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das Gesetz zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) – Personalvertretungsgesetz – vom 22. Juli 1990 (GBl.-DDR I S. 1014, künftig: PersVG-DDR) auf den Streitfall Anwendung findet. Das ergibt sich aus der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 Buchstabe a zum Einigungsvertrag. Das Personalvertretungsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 1993 (GVBl. S. 125) ist erst nach Ausspruch der Kündigung in Kraft getreten.

2. Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 PersVG-DDR wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. In Angelegenheiten, in denen die Dienststelle nicht zur Entscheidung befugt ist, ist an Stelle des Personalrats die bei der zuständigen Dienststelle gebildete Stufenvertretung zu beteiligen (§ 82 Abs. 1 PersVG-DDR; für § 82 Abs. 1 BPersVG vgl. zuletzt BAG Beschluß vom 14. Dezember 1994 – 7 ABR 14/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 2 b der Gründe), für die auch § 79 PersVG-DDR entsprechend gilt (§ 82 Abs. 4 PersVG-DDR). Eine Kündigung ist gemäß § 79 Abs. 4 PersVG-DDR unwirksam, wenn der zuständige Personalrat nicht beteiligt worden ist.

3. Das Landesarbeitsgericht wird erneut prüfen müssen, ob eine zuständige Personalvertretung gebildet war.

a) Für die Kündigung gegenüber der Klägerin waren einerseits der Schulrat des Schulamts H. als Dienstvorgesetzter der Klägerin, andererseits die Kultusministerin des Beklagten zuständig. Nach § 2 Abs. 2 der Vorläufigen Dienstordnung für die Lehrerinnen und Lehrer an den öffentlichen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern vom 9. Juli 1991 (Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern 1991 S. 684) sind der Schulrat und die zuständigen Mitarbeiter des Kultusministeriums „Dienstvorgesetzter einer Lehrkraft und damit zu Entscheidungen in Personalangelegenheiten und zu dienstlichen Weisungen berechtigt”. Entscheidungsbefugt ist danach auch der Kultusminister selbst. Die Entscheidungsbefugnis besteht nicht etwa nur gemeinsam mit dem Schulrat, sondern jeweils als einzelne. Der Wortlaut des Erlasses vom 9. Juli 1991 gibt nichts für das Erfordernis eines gemeinschaftlichen Handelns her. Demgegenüber war der vom Landesarbeitsgericht angewandte Erlaß des Kultusministers vom 29. April 1991 durch den späteren Erlaß überholt.

b) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Begründung angenommen, der Schulrat (und nicht die Kultusministerin) habe die Kündigung ausgesprochen. Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sie ist zum einen von dem rechts fehlerhaften Ausgangspunkt beeinflußt, allein der Schulrat sei von Rechts wegen zum Kündigungsausspruch befugt gewesen. Zum anderen fehlt es an einer Auslegung des Kündigungsschreibens vom 25. Mai 1992. Der Senat kann diese Auslegung nicht selbst nachholen. Nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens liegt eine Kündigung durch das beklagte Land unter Angabe von Vertretungsverhältnissen vor. Allerdings kann das Land nur durch bestimmte Behörden handeln. Ob die Kündigung durch die erstgenannte Kultusministerin oder das zuletzt genannte Schulamt ausgesprochen worden ist, muß nach den gesamten, vom Landesarbeitsgericht bisher nicht aufgeklärten Umständen ermittelt werden. Die Unterzeichnung durch den Schulrat „im Auftrag” spricht eher dafür, daß er die Kündigung nicht selbst verantwortlich aussprechen wollte (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 83/93 – n.v., zu II 3 der Gründe). In Betracht kommt aber auch eine Kündigung durch beide Behörden gemeinsam.

c) Zuständige Personalvertretung war der bei der kündigenden Behörde gewählte Personalrat. Da kein Hauptpersonalrat gebildet war, war bei einer Kündigung allein durch das Ministerium kein Personalrat zu beteiligen. Eine Zuständigkeit des Bezirkspersonalrats über § 82 Abs. 6 PersVG-DDR oder § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR kommt nicht in Betracht (vgl. nur BAG Urteil vom 19. Januar 1995, a.a.O., zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Hat (auch) der Schulrat gekündigt, war dagegen eine Mitwirkung des Bezirkspersonalrats erforderlich.

d) Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es fehle an konkretem Tatsachenvortrag dafür, die Bildung des Bezirkspersonalrats sei nichtig gewesen oder dessen Mandat sei mit den Ämtern für Volksbildung untergegangen. Das neue Vorbringen des Beklagten hierzu in der Revisionsinstanz kann nach § 561 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden.

4. Sofern das Landesarbeitsgericht die Zuständigkeit des Bezirkspersonalrats wieder bejaht, wird dessen ordnungsgemäße Beteiligung erneut zu prüfen sein. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Bezirkspersonalrat sei nicht vollständig unterrichtet worden, hält nach den bisherigen Feststellungen der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die nicht ordnungsgemäße Beteiligung stehe der unterbliebenen Beteiligung nach § 79 Abs. 4 PersVG-DDR gleich. Wenn das Beteiligungsrecht des Personalrats gem. § 79 Abs. 1 PersVG-DDR als Wirksamkeitsvoraussetzung auf Kündigungen nach Abs. 4 EV Anwendung findet (Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu II 1 der Gründe), so bedarf es auch hier einer ordnungsgemäßen Beteiligung nach den Vorschriften des Gesetzes (vgl. nur BAG Urteil vom 16. September 1993 – 2 AZR 267/93 – AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2 b cc der Gründe; BAG Urteil vom 5. Februar 1981 – 2 AZR 1135/78 – AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 12. Januar 1995 – 2 AZR 456/94 – n.v., zu B II 1 der Gründe; BVerwG Beschluß vom 9. Mai 1985 – 2 C 23.83 – ZBR 1985, 347).

b) Gemäß § 79 Abs. 1 PersVG-DDR ist der Arbeitgeber u.a. verpflichtet, den Personalrat unter eingehender Darlegung des Sachverhalts über die Kündigungsgründe zu informieren (Senatsurteil vom 23. September 1993, a.a.O., zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Es hat aber nicht hinreichend beachtet, daß der Arbeitgeber nur diejenigen Gründe mitteilen muß, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluß maßgebend sind (vgl. nur BAG Urteil vom 18. Mai 1994 – 2 AZR 920/93 – AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1, 2 der Gründe). Nach dem bisherigen Vortrag des Beklagten waren maßgebliche Gründe der Stellenüberhang und eine Auswahl aus dienstlichen Gründen im Rahmen des Schulkollegiums. Wenn das Landesarbeitsgericht die Mitteilung der „gesamten Vergleichsgruppe” vermißt, so ergibt das keine unvollständige Unterrichtung, weil die gesamte Vergleichsgruppe für den Kündigungsentschluß des Beklagten erklärtermaßen nicht maßgebend war. Eine fehlende Unterrichtung über die Sozialdaten aller vergleichbaren Arbeitnehmer konnte ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 79 Abs. 4 PersVG-DDR führen, da die Kündigung nach der Darstellung des Beklagten gerade nicht auf einer Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten beruhte. Das Landesarbeitsgericht wird daher noch aufklären müssen, ob die subjektiv maßgeblichen Gründe für die Kündigung dem Bezirkspersonalrat mitgeteilt worden sind. Das könnte nicht nur im Rahmen der Besprechung vom 27. April 1992 geschehen sein. Der Beklagte hat vielmehr geltend gemacht, der Bezirkspersonalrat sei darüber hinaus an allen Beratungen zum Stellenabbau beteiligt worden.

II. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit der Kündigung nach Abs. 4 Ziff. 2 EV nicht geprüft. Der Senat kann dies in Ermangelung von Feststellungen zum Bedarf und zur weiteren Verwendbarkeit der Klägerin nicht selbst nachholen. Die Wirksamkeit der Kündigung in materiell-rechtlicher Hinsicht richtet sich nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom 19. Januar 1995 (– 8 AZR 914/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Soweit eine zuständige Personalvertretung bestand, können nur solche Kündigungsgründe Berücksichtigung finden, die vor Ausspruch der Kündigung Gegenstand der Unterrichtung des Personalrats waren. Dieser für die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 102 und § 103 BetrVG in ständiger Rechtsprechung vertretene Grundsatz (BAG Urteil vom 2. April 1987 – 2 AZR 418/86 – AP Nr. 96 zu § 626 BGB, zu A II 2 c aa der Gründe; BAG Urteil vom 26. September 1991 – 2 AZR 132/91 – AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu A III 1 der Gründe) gilt in gleicher Weise für § 79 PersVG-DDR; denn die Unterrichtung dient auch hier dem Zweck, der Vertretung der Arbeitnehmer eine sachgerechte Stellungnahme zur Kündigungsabsicht zu ermöglichen.

Danach sind bei einer materiell-rechtlichen Überprüfung der Kündigung vom 25. Mai 1992 gem. Abs. 4 Ziff. 2 EV auch nur die dem Bezirkspersonalrat mitgeteilten Auswahlüberlegungen zu berücksichtigen, wenn dessen Zuständigkeit festgestellt werden kann. Die vom Arbeitgeber angestellten Auswahlüberlegungen gehören zum Kündigungsgrund und sind dem Personalrat unaufgefordert mitzuteilen (für die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG: BAG Urteil vom 29. März 1984 – 2 AZR 429/83 (A) – BAGE 45, 277 = AP Nr. 31 zu § 102 BetrVG 1972). Dem steht nicht entgegen, daß der Arbeitgeber materiell-rechtlich im Kündigungsschutzprozeß ohne entsprechende Rüge des Arbeitnehmers nur die betrieblichen Gründe eines mangelnden Bedarfs darlegen muß (Senatsurteil vom 19. Januar 1995, a.a.O., zu C III 4 der Gründe).

III. Die Rüge der Klägerin, es fehle an der nach § 17 KSchG erforderlichen Massenentlassungsanzeige, geht fehl. Nach Kapitel VIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 6 der Anlage I zum Einigungsvertrag ist das Kündigungsschutzgesetz im Beitrittsgebiet mit bestimmten, u.a. die §§ 18 bis 21 betreffenden Maßgaben in Kraft getreten. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 KSchG gelten die Vorschriften des Dritten Abschnitts dieses Gesetzes für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen. Im Unterschied zum allgemeinen Kündigungsschutz (§§ 1 bis 14 KSchG) und zum Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung und Personalvertretung (§§ 15, 16 KSchG) gelten die Vorschriften über anzeigepflichtige Entlassungen (§§ 17 bis 22 a KSchG) somit nicht für den gesamten öffentlichen Dienst, sondern nur für solche öffentlichen Betriebe, die wirtschaftliche Zwecke verfolgen (KR-Becker, 3. Aufl., § 23 KSchG Rz 35; KR-Rost, 3. Aufl., § 17 KSchG Rz 25; Herschel/Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, 6. Aufl., § 23 Rz 19 ff.). Die öffentliche Schulverwaltung fällt nicht in den Geltungsbereich der §§ 17 ff. KSchG.

IV. Entgegen der Auffassung der Klägerin fand auf die Kündigung nach Abs. 4 Ziff. 2 EV weder § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 (GBl.-DDR I S. 444) noch § 53 Abs. 2 BAT-O Anwendung (vgl. nur BAG Urteil vom 27. Oktober 1994 – 8 AZR 60/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu 1–3 der Gründe). Der Beklagte hat mit der Kündigung vom 25. Mai 1992 zum 31. Juli 1992 die Kündigungsfrist des § 55 Abs. 2 AGB-DDR gewahrt.

V. Der Klagantrag Ziff. 2 zielt auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits. Das Landesarbeitsgericht wird auch hierüber – nach den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (– GS 1/84BAGE 48, 122 ff. = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) – neu entscheiden müssen.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Rosendahl, Rödder

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093064

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge