Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung. Wegfall wegen gesetzlicher Rente. Verringerung und Wegfall des Abfindungsanspruchs bei Entstehen eines Anspruchs aus der gesetzlichen Rentenversicherung. rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab einem vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegenden Zeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
- Die Regelung in § 4 Abs. 7 iVm. Abs. 6 TV soziale Absicherung, nach der sich die tarifliche Abfindung wegen einer kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprechend verringert, wenn die Zahl der zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Entstehen des Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung liegenden Kalendermonate geringer ist als die der Abfindung zugrunde liegende Anzahl von Bruchteilen der Monatsvergütung, bewirkt den völligen Wegfall des Abfindungsanspruchs, wenn das Rentenstammrecht unmittelbar nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden ist.
- Die Tarifvorschrift erfasst auch eine dem Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückwirkend bewilligte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn der Rentenanspruch schon im gekündigten Arbeitsverhältnis entstanden war (teilweise Aufgabe von BAG 26. November 1998 – 6 AZR 272/97 – ZTR 1999, 475; 16. Juli 1998 – 6 AZR 647/96 –; 20. November 1997 – 6 AZR 215/96 – AP ZPO § 551 Nr. 47; 20. März 1997 – 6 AZR 732/95 –; 30. Januar 1997 – 6 AZR 695/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: DDR Nr. 31 = EzA TVG § 4 Personalabbau Nr. 6).
Orientierungssatz
- Nach § 4 Abs. 2 Unterabs. 1 TV soziale Absicherung beträgt die Abfindung eines aus Gründen des Personalabbaus gekündigten Arbeitnehmers für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit ein Viertel, mindestens aber die Hälfte und höchstens das Fünffache der letzten Monatsvergütung. Die Abfindung verringert sich gemäß § 4 Abs. 7 iVm. Abs. 6 TV soziale Absicherung entsprechend, wenn die Zahl der zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Entstehen des Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung liegenden Kalendermonate geringer ist als die der Abfindung zugrunde liegende Anzahl von Bruchteilen der Monatsvergütung.
- Der tarifliche Kürzungstatbestand erfasst auch eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, deren Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an das Arbeitsverhältnis vorliegen. Er ist auch erfüllt, wenn das entsprechende Rentenstammrecht noch während des Arbeitsverhältnisses entsteht, die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch erst nach der kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer rückwirkend bewilligt wird. In beiden Fällen verringert sich die Abfindung auf Null.
Normenkette
BAT-O § 59; Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 4 vom 16. Oktober 2000 (TV soziale Absicherung) § 4 Abs. 1; Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 4 vom 16. Oktober 2000 (TV soziale Absicherung) § 4 Abs. 2; Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 4 vom 16. Oktober 2000 (TV soziale Absicherung) § 4 Abs. 5 Buchst. a; Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 4 vom 16. Oktober 2000 (TV soziale Absicherung) § 4 Abs. 6; Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nr. 4 vom 16. Oktober 2000 (TV soziale Absicherung) § 4 Abs. 7
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 05.06.2003; Aktenzeichen 8 Sa 538/02) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 23.05.2002; Aktenzeichen 7 Ca 9685/01) |
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine tarifliche Abfindung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin war vom 1. September 1976 bis zum 31. März 2001 beim Beklagten und dessen Rechtsvorgänger als Lehrerin beschäftigt. Zuletzt war sie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH) die einzige Lehrkraft für besondere Aufgaben im Fach Russisch. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Ab Januar 1995 war die Arbeitszeit der Klägerin auf 75 vH der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Angestellten herabgesetzt.
Mit Schreiben vom 29. September 2000 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis auf Grund eines Rückgangs der Russischausbildung zum 31. März 2001. Zugleich bot er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab April 2001 mit 50 vH der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Angestellten an. Die Klägerin lehnte dieses Angebot ab. Darauf hin endete das Arbeitsverhältnis am 31. März 2001. Bereits am 30. August 2000 hatte die Klägerin einen Rentenantrag gestellt. Mit Bescheid vom 20. Juni 2001 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte rückwirkend zum 1. September 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die Klägerin hat vom Beklagten erfolglos die Zahlung einer der Höhe nach unstreitigen Abfindung von 13.845,91 Euro nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 idF des Änderungstarifvertrags Nr. 4 vom 16. Oktober 2000 (TV soziale Absicherung) verlangt. Dort heißt es:
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Abfindung
(1) Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis aus Gründen des Personalabbaus entweder gekündigt oder durch Auflösungsvertrag beendet wird, erhält eine Abfindung.
(2) Die Abfindung beträgt für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit (§ 19 BAT-O …) ein Viertel der letzten Monatsvergütung (§ 26 BAT-O …) bzw. des letzten Monatstabellenlohnes (§ 21 Abs. 3 MTArb-O, …), mindestens aber die Hälfte und höchstens das Fünffache dieser Vergütung bzw. dieses Lohnes.
…
(5) Eine Abfindung steht nicht zu, wenn
a) die Kündigung aus einem vom Arbeitnehmer zu vertretenden Grund (z.B. Ablehnung eines anderen angebotenen Arbeitsplatzes, es sei denn, daß ihm die Annahme nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann) erfolgt ist …
(6) Tritt der Arbeitnehmer in ein Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen/BAT ein und ist die Zahl der zwischen der Beendigung des alten und der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses liegenden Kalendermonate geringer als die der Abfindung zugrunde liegende Anzahl von Bruchteilen der Monatsvergütung/des Monatslohnes (Absatz 2), verringert sich die Abfindung entsprechend. Überzahlte Beträge sind zurückzuzahlen.
(7) Absatz 6 gilt entsprechend, wenn innerhalb des gleichen Zeitraums ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entsteht.”
Die Klägerin hat gemeint, ihr stehe ein Abfindungsanspruch in Höhe des Fünffachen ihrer letzten Bruttomonatsvergütung zu. Die Annahme des Änderungsangebots sei ihr nicht zumutbar gewesen. Dem Abfindungsanspruch stehe die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht entgegen. Ihr Rentenanspruch sei bereits vor der kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden.
Die Klägerin hat beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.845,91 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Klägerin steht keine Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu.
Ob ein Abfindungsanspruch nach § 4 Abs. 5 TV soziale Absicherung schon ausgeschlossen ist, weil die Klägerin das Angebot auf eine weitere Verringerung ihrer Arbeitszeit im Wege der Änderungskündigung auf 50 vH einer Vollzeitbeschäftigten nicht angenommen hat und deswegen das Arbeitsverhältnis der Parteien kündigungsbedingt zum 31. März 2001 endete, braucht nicht entschieden zu werden. Ein Abfindungsanspruch wäre jedenfalls nach § 4 Abs. 7 TV soziale Absicherung wegen der rückwirkenden Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit ab dem 1. September 2000 entfallen.
a) Nach § 4 Abs. 6 TV soziale Absicherung verringert sich der Anspruch auf Abfindung aus § 4 Abs. 1 TV soziale Absicherung, wenn der Arbeitnehmer wieder in ein Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber iSd. § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen/BAT eintritt und die Zahl der zwischen der Beendigung des alten und der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses liegenden Kalendermonate geringer ist als die der Abfindung zugrunde liegende Zahl von Bruchteilen der Monatsvergütung (§ 4 Abs. 2 TV soziale Absicherung). Das gilt gemäß § 4 Abs. 7 TV soziale Absicherung entsprechend, wenn innerhalb des gleichen Zeitraums ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entsteht. Diese Regelungen bewirken den völligen Wegfall des Abfindungsanspruchs, wenn das neue Arbeitsverhältnis bei einem von der Tarifvorschrift erfassten Arbeitgeber unmittelbar an das alte anschließt oder der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. Das folgt bei der Rentenbewilligung aus der Verwendung der Wörter “innerhalb … entsteht”, mit denen die Tarifvertragsparteien nicht auf die Fälligkeit der monatlichen Rentenzahlung, sondern auf das Rentenstammrecht abgestellt haben (st. Rspr., vgl. BAG 26. November 1998 – 6 AZR 272/97 – ZTR 1999, 475; 16. Juli 1998 – 6 AZR 647/96 –; 20. November 1997 – 6 AZR 215/96 – AP ZPO § 551 Nr. 47; 20. März 1997 – 6 AZR 732/95 –; 30. Januar 1997 – 6 AZR 695/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: DDR Nr. 31 = EzA TVG § 4 Personalabbau Nr. 6).
b) Allerdings ist der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden. Die noch im laufenden Arbeitsverhältnis beantragte Rente wurde ihr mit Bescheid vom 20. Juni 2001 rückwirkend zum 1. September 2000 bewilligt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt auch das zum völligen Wegfall des Abfindungsanspruchs. Ein solches Auslegungsergebnis geben der Anknüpfungspunkt der Anrechnungsvorschrift und die damit im Zusammenhang stehende Tarifregelung des § 59 Abs. 1 BAT-O sowie der Sinn und Zweck der Abfindungsregelung vor.
aa) Die Abfindung nach § 4 TV soziale Absicherung knüpft an die kündigungsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Im Gegensatz dazu endet nach § 59 Abs. 1 BAT-O in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (aF) das Arbeitsverhältnis eines Angestellten mit Ablauf des Monats, in dem ihm ein Bescheid des Trägers der Rentenversicherung wegen der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugeht. Das gilt nach der Rspr. des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer nach dem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen (9. August 2000 – 7 AZR 214/99 – BAGE 95, 264). Dementsprechend sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Abfindung nach § 4 Abs. 1 TV soziale Absicherung nach dem Willen der Tarifvertragsparteien schon nicht erfüllt, wenn das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist durch Zustellung eines Bescheids über die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente endet. In einem solchen Fall besteht für eine soziale Absicherung des Arbeitnehmers für eine Übergangszeit kein weitergehender Bedarf, weil dieser sein Einkommen im unmittelbaren Anschluss an das Arbeitsverhältnis dauerhaft durch Rentenleistungen erzielt und sich im laufenden Arbeitsverhältnis auf einen Hinzuverdienst neben der Rente nicht einstellen kann.
bb) Das Regelungsziel wird allerdings nur erreicht, wenn eine positive Entscheidung des Rentenversicherungsträgers noch während des Arbeitsverhältnisses erfolgt und dem Angestellten auch zugeht. Dieser tarifliche Zusammenhang zwischen Rentengewährung und dem damit verbundenen Eintritt der auflösenden Bedingung des Arbeitsverhältnisses legt es nach dem Zweck des Abfindungsanspruchs nicht nahe, dass die Tarifvertragsparteien eine Anrechnung nach § 4 Abs. 7 TV soziale Absicherung auf solche Fälle beschränken wollten, in denen der Angestellte erst nach der kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des in § 4 Abs. 6 TV soziale Absicherung geregelten Übergangszeitraums einen Rentenantrag stellt, dem der Träger der Rentenversicherung bei Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit und Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen regelmäßig bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung stattgibt (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rn. 27).
cc) Dementsprechend haben die Tarifvertragsparteien im Falle der Rentengewährung auch nur eine entsprechende Geltung des § 4 Abs. 6 TV soziale Absicherung angeordnet. Das zwingt mit Blick auf den in dieser Tarifvorschrift geregelten Sachverhalt dazu, auf die sozialrechtlichen Besonderheiten des Rentenbewilligungsverfahrens bei der Auslegung der Vorschriften Rücksicht zu nehmen. Denn bei der § 4 Abs. 6 TV soziale Absicherung zugrundeliegenden Fallgestaltung kann ein neues Arbeitsverhältnis frühestens nach der Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses eine soziale Absicherung des Angestellten bewirken. Demgegenüber kann eine Erwerbsunfähigkeitsrente unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses rückwirkend für die Zeit eines bereits beendeten Arbeitsverhältnisses bewilligt werden, wobei sich die soziale Absicherung des Arbeitnehmers durch Leistungen der Rentenversicherung ebenfalls erst unmittelbar an das durch Kündigung beendete Arbeitsverhältnis anschließt. Für die davor liegende Zeit prägt es die Einkommensverhältnisse des Angestellten nicht, weil eine mögliche Rentennachzahlung erst mit der Rentenbewilligung entsteht. Stellte die Tarifnorm – wie das Landesarbeitsgericht unter Hinweis auf die zu einem anderen Sachverhalt ergangene Senatsentscheidung vom 1. Juni 1995 (– 6 AZR 926/94 – BAGE 80, 158, 161 ff.) meint – allein auf das Entstehen des Rentenstammrechts ab, hätte dies zur Folge, dass der Zugang des Rentenbescheids im laufenden Arbeitsverhältnis wegen der in § 59 BAT-O geregelten auflösenden Bedingung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Abfindungsanspruch auslöste, während die rückwirkende Rentenbewilligung im Anschluss an ein bereits beendetes Arbeitsverhältnis die Anwendung der Anrechnungsvorschrift ausschlösse und dem Angestellten einen ungekürzten Abfindungsanspruch beließe. Damit hinge der Abfindungsanspruch bei einer Rentengewährung nicht von einem typischen Absicherungsbedarf des Arbeitnehmers für die Dauer der in dieser Tarifvorschrift geregelten Übergangszeit ab, sondern allein von der zeitlichen Dauer des Entscheidungsprozesses beim Rentenversicherungsträger.
dd) Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, verlangt § 4 Abs. 7 TV soziale Absicherung nach seinem Zweck im Falle der Rentengewährung die Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 4 Abs. 6 TV soziale Absicherung auch in den Fällen, in denen dem Angestellten eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach der kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückwirkend für eine Zeit bewilligt wird, in der das Arbeitsverhältnis noch bestanden hat. Die Abfindung nach § 4 TV soziale Absicherung bezweckt die sozialen Absicherung des Arbeitnehmers bei seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst. Tritt er danach wieder in diesen ein oder entsteht für ihn ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soll die Abfindung nur die Übergangszeit sozial absichern, die nicht durch anderweitiges Arbeitseinkommen im öffentlichen Dienst oder durch eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckt ist (BAG 20. November 1997 – 6 AZR 215/96 – AP ZPO § 551 Nr. 47). Daraus wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien nur die Übergangszeit mit der Abfindung sozial absichern wollten und bei Fehlen einer solchen – wie das beim Bezug einer Rente im unmittelbaren Anschluss an das gekündigte Arbeitsverhältnis stets der Fall ist – eine Absicherung nicht für erforderlich gehalten haben.
- Mit dieser Auslegung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinen Entscheidungen vom 26. November 1998 (– 6 AZR 272/97 – ZTR 1999, 475), 16. Juli 1998 (– 6 AZR 647/96 –), 20. November 1997 (– 6 AZR 215/96 – AP ZPO § 551 Nr. 47), 20. März 1997 (– 6 AZR 732/95 –) und 30. Januar 1997 (– 6 AZR 695/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: DDR Nr. 31 = EzA TVG § 4 Personalabbau Nr. 6), wonach mit dem “gleichen Zeitraum” iSd. § 4 Abs. 7 TV soziale Absicherung wie im Falle des Abs. 6 ein mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginnender Zeitraum gemeint ist und eine Verringerung der Abfindung voraussetzt, dass das Rentenstammrecht nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden ist. Diese Entscheidungen betrafen Rentenansprüche, die nicht während, sondern unmittelbar nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden waren und schon deshalb den völligen Wegfall der Abfindungsansprüche zur Folge hatten. Die Begründung, nach der für eine Verringerung der Abfindung gemäß § 4 Abs. 7 iVm. Abs. 6 TV soziale Absicherung in allen Fällen das Rentenstammrecht erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sein müsse, war nicht tragend.
- Auch die Entscheidung des Senats vom 1. Juni 1995 (– 6 AZR 926/94 – BAGE 80, 158) steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Sie betrifft einen anderen Sachverhalt. Der dortige Kläger hatte vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses über mehrere Jahre hinweg eine Berufsunfähigkeitsrente nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung des § 43 SGB VI neben seinem Arbeitseinkommen bezogen. Die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente alten Rechts konnte jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen nach § 59 Abs. 1 BAT-O aF das Arbeitsverhältnis beenden, weil diese Rente keine Lohnersatz-, sondern eine Lohnausgleichsfunktion hatte. Sie sollte Einkommensminderungen ausgleichen, die dem Berufsunfähigen dadurch entstehen, dass er seinen erlernten Beruf nicht mehr ausüben kann und darauf angewiesen ist, seinen Lebensunterhalt durch die Ausübung einer geringer qualifizierten und damit typischerweise auch schlechter bezahlten Tätigkeit zu sichern (BAG 28. Juni 1995 – 7 AZR 555/94 – AP BAT § 59 Nr. 6 = EzA BGB § 620 Nr. 134). Dementsprechend endete das Arbeitsverhältnis trotz der in § 59 BAT-O aF geregelten auflösenden Bedingung der Rentengewährung wegen Berufsunfähigkeit nicht, wenn der Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz innehatte und nach dem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen seine arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen konnte. Diese Voraussetzung waren im Falle des Klägers des damaligen Verfahrens erfüllt. Dementsprechend bezog er bereits im laufenden Arbeitsverhältnis neben dem Arbeitseinkommen zusätzlich Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Form einer Berufsunfähigkeitsrente, die seinen sozialen Status bereits während der Dauer des Arbeitsverhältnisses geprägt haben. Die kündigungsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkte für ihn während der tariflich geregelten Übergangszeit einen Wegfall von Arbeitseinkommen, der gerade nicht durch die bereits zuvor gezahlte Berufsunfähigkeitsrente gemildert und folgerichtig durch eine Abfindung nach § 4 Abs. 1 TV soziale Absicherung auszugleichen war.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, Wendlandt, Oye
Fundstellen
BAGE 2006, 23 |
BB 2004, 2136 |
DB 2004, 2106 |
NZA 2004, 1229 |
ZTR 2004, 589 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 16 |
NJ 2005, 27 |
PersR 2005, 209 |
RiA 2005, 171 |
AUR 2004, 398 |
BAGReport 2005, 186 |
Tarif aktuell 2004, 12 |