Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsgeld und Krankenbezüge bei Schwerbehinderten
Leitsatz (amtlich)
- Nach § 37 Abs. 2 Unterabs. 5 BAT (in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 31. Oktober 1979), wird der Zeitraum, für den der Angestellte Anspruch auf Krankenbezüge hat, auf zwei Monate verkürzt, wenn der Angestellte eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht.
- Diese tarifliche Bestimmung verstößt gegen § 42 Satz 1 SchwbG, wenn der Angestellte die Erwerbsunfähigkeitsrente wegen der Behinderungen bezieht, die seine Eigenschaft als Schwerbehinderter begründen.
Normenkette
SchwbG § 42; BGB §§ 134, 284 Abs. 1, § 291 S. 1, §§ 389, 611 Abs. 1, § 812 Abs. 1, § 816 Abs. 2; AVG § 61
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 02.04.1982; Aktenzeichen 5 Sa 4/82) |
ArbG Reutlingen (Urteil vom 20.11.1981; Aktenzeichen 2 Ca 247/81) |
Tenor
- Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2. April 1982 – 5 Sa 4/82 – wird zurückgewiesen; jedoch hat das beklagte Land nur 4 % Zinsen von 8.897,54 DM ab 30. April 1981 und aus weiteren 303,58 DM ab 12. Februar 1982 zu zahlen.
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg aufgehoben, soweit es die Klage auf Zahlung von Übergangsgeld in Höhe von 7.249,89 DM nebst 4 % Zinsen ab 1. Juni 1981 abgewiesen und über die Kosten entschieden hat.
- Im Umfang dieser Aufhebung wird die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 20. November 1981 – 2 Ca 247/81 – zurückgewiesen.
- Das beklagte Land hat die gesamten Kosten der ersten Instanz sowie die Kosten der Berufungs- und Revisionsinstanz zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin fordert Übergangsgeld und Gehalt für die Dauer ihrer Erkrankung.
Die am 24. Mai 1920 geborene Klägerin war vom 1. März 1968 bis zum 31. August 1980 beim Finanzamt B… als Angestellte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin verdiente zuletzt – ohne Kindergeld und Sparzulage – monatlich 2.429,63 DM brutto.
Durch Bescheid des Versorgungsamts R… vom 10. Februar 1976 wurde die Klägerin als Schwerbehinderte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 % anerkannt. In der Zeit vom 30. Januar bis 14. März 1980 und vom 19. März bis 25. Juli 1980 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Für diese Zeiten zahlte das beklagte Land zunächst Krankenbezüge.
Durch Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 25. Juli 1980 wurde der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab 1. Februar 1980 zuerkannt. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. August 1980.
Die Klägerin ist der Auffassung, das beklagte Land müsse ihr Übergangsgeld nach § 62 Abs. 1 BAT zahlen. Für die Zeit vom 1. April bis 25. Juli 1980 habe sie Anspruch auf Krankenbezüge. Die in § 37 Abs. 2 BAT für den Fall des Rentenbezuges vorgesehene Kürzung des Krankenlohnes verstoße gegen § 42 SchwbG und sei deshalb nichtig. Dazu hat sie behauptet, die Erwerbsunfähigkeit beruhe auf den Leiden, die auch zur Anerkennung als Schwerbehinderte geführt hätten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. das beklagte Land zu verurteilen, an sie 9.201,12 DM nebst 4 % Zinsen aus je 2.429,63 DM ab 16. April 1980, 16. Mai 1980, 16. Juni 1980, aus 1.608,85 DM ab 16. Juli 1980 und aus 303,58 DM ab 12. Februar 1980 zu zahlen,
2. das beklagte Land zu verurteilen, an sie 7.249,89 DM nebst 4 % Zinsen ab 1. Juni 1981 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach § 37 Abs. 2 Unterabs. 5b BAT habe die Klägerin Anspruch auf Krankenbezüge nur bis zum 31. März 1980, da sie bereits ab 1. Februar 1980 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen habe. Im streitigen Zeitraum vom 1. April bis 25. Juli 1980 habe die Klägerin zu Unrecht 9.201,12 DM Krankenbezüge erhalten. Dieser Betrag sei nach der tariflichen Regelung als Vorschuß auf die Rente zu behandeln. Der Anspruch auf Übergangsgeld sei nach § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT ausgeschlossen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Zahlung von Übergangsgeld stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil abgeändert: Es hat die Klage auf Zahlung von Übergangsgeld abgewiesen und andererseits das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin 9.201,12 DM nebst den geforderten Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt, mit der sie ihre Sachanträge weiterverfolgen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie hat – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – Anspruch auf Übergangsgeld nach § 62 Abs. 1 BAT. Dagegen ist die Revision des beklagten Landes im wesentlichen unbegründet. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Recht Krankenbezüge für die Zeit vom 1. April bis 25. Juli 1980 zugesprochen. Beide Ansprüche der Klägerin durften nach § 42 SchwbG nicht zum Nachteil der Klägerin ausgeschlossen werden; die entsprechenden Bestimmungen des BAT sind nichtig (§ 134 BGB).
I. Die Klägerin hat nach § 62 Abs. 1 BAT Anspruch auf Übergangsgeld in Höhe von 7.249,89 DM (3 Monatsvergütungen).
1. Nach § 62 Abs. 1 BAT erhält ein Angestellter bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ein Übergangsgeld, wenn er das 21. Lebensjahr vollendet und in einem ununterbrochenen Angestelltenverhältnis von mindestens einem Jahr bei demselben Arbeitgeber gestanden hat. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Sie war ununterbrochen zwölf Jahre beim beklagten Land beschäftigt und schied mit 60 Jahren aus. Daraus ergibt sich nach den Berechnungsgrundsätzen des § 63 Abs. 2 BAT ein Übergangsgeld von 7.249,89 DM.
Dieser Anspruch wäre nach § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT, eingefügt durch den 45. Änderungs-TV zum BAT vom 31. Oktober 1979 mit Geltung ab 1. Januar 1980, ausgeschlossen. Denn nach dieser Bestimmung erhält der Angestellte kein Übergangsgeld für einen Zeitraum von Beginn des 3. Monats seit dem Beginn einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn das Arbeitsverhältnis vor Beginn der Erwerbsunfähigkeit begründet worden war. Damit wollten die Tarifvertragsparteien einen Doppelbezug von Rente und Übergangsgeld vermeiden, der nur den Rentenversicherungsträgern zugute gekommen wäre. Nach § 61 AVG (entsprechend § 1284 RVO und § 81 RKG) ruht der Anspruch auf Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente, wenn er für mehr als zwei Monate mit einem Anspruch auf Arbeitsentgelt (hier Übergangsgeld) zusammentrifft. Ein solcher Ruhensfall – zu Lasten der Arbeitgeber – sollte durch die neu eingeführte Zwei-Monats-Grenze vermieden werden (vgl. Böhm/Spiertz, BAT, Stand April 1983, § 62 Rz 18; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand März 1984, § 62 Erläuterung 16; Crisolli/Tiedtke, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, § 62 Erl. 38; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Oktober 1983, § 62 Rz 16).
2. Diese tarifliche Bestimmung ist jedoch nichtig. Sie verstößt gegen § 42 SchwbG (in der hier maßgebenden Fassung vom 8. Oktober 1979, die bis zum 31. Dezember 1981 galt). Nach § 42 Satz 1 SchwbG dürfen Renten, die der Schwerbehinderte wegen seiner Behinderung bezieht, bei der Bemessung des Arbeitsentgelts nicht berücksichtigt werden.
Das Berufungsgericht hat angenommen, diese gesetzliche Regelung stehe der tariflichen Regelung nicht entgegen. Wenn kein Anspruch auf Übergangsgeld entstehe, könne das Anrechnungsverbot des § 42 SchwbG nicht eingreifen. Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen.
a) Das Übergangsgeld ist, was das Berufungsgericht auch nicht in Frage stellt, Arbeitsentgelt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. zuletzt Urteil vom 13. Juli 1982 – 3 AZR 576/80 – AP Nr. 3 zu § 42 SchwbG, zu 3a der Gründe mit weiteren Nachweisen). Dem schließt sich auch der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts an. Zu dem geschützten Arbeitsentgelt im Sinne von § 42 SchwbG gehören nur solche Vergütungsbestandteile nicht, die wegen ihres Versorgungscharakters mit der wegen der Behinderung gezahlten Rente vergleichbar sind, etwa wenn der Arbeitgeber nur einen Vorschuß auf die zu erwartende Rente zahlt und sich ausdrücklich Verrechnung vorbehält (vgl. Urteil des Senats vom 10. November 1982 – 5 AZR 349/80 – AP Nr. 4 zu § 42 SchwbG, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Das ist jedoch beim Übergangsgeld nicht der Fall (vgl. BAG Urteil vom 19. Juli 1983 – 3 AZR 88/81 – DB 1983, 2423, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
b) § 42 Satz 1 SchwbG verbietet nicht nur die Anrechnung von Renten auf das Übergangsgeld, wie das Berufungsgericht meint. Die Vorschrift geht weiter. Sie verbietet jede Berücksichtigung von Renten zum Nachteil des schwerbehinderten Arbeitnehmers, die dieser wegen der Behinderung bezieht. Die Anrechnung auf das Arbeitsentgelt wird nur beispielhaft erwähnt. Nach § 42 Satz 1 SchwbG ist es bedeutungslos, in welcher rechtstechnischen Form die dem Schwerbehinderten zustehenden Renten berücksichtigt werden. Nach dem Zweck des Gesetzes ist es unerheblich und in der Wirkung für den Schwerbehinderten gleichgültig, ob Vergütungsansprüche von vornherein ausgeschlossen werden, ob nur eine Kürzung vorgesehen ist oder ob einzelvertraglich oder tarifvertraglich Ruhenstatbestände geschaffen werden (vgl. BAG Urteil vom 13. Juli 1982 – 3 AZR 576/80 – AP Nr. 3 zu § 42 SchwbG, zu 3c der Gründe). Dem Schwerbehinderten soll das Arbeitsentgelt verbleiben, das er erhalten würde, wenn er wegen seiner Behinderung keine Versorgungsbezüge zu beanspruchen hätte (vgl. bereits zum Schutzzweck des vergleichbaren § 83 BVG: BAG 8, 359, 360 = AP Nr. 14 zu § 16 TOA, zu I der Gründe; zu § 42 SchwbG vgl. zuletzt das zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehene Urteil des BAG vom 16. November 1982 – 3 AZR 165/81 –, zu 3a der Gründe). Zwar will der Gesetzgeber den Doppelbezug von Rente und Arbeitslohn vermeiden. Für den Schwerbehinderten ist es jedoch nicht gleichgültig, in welcher Form der Doppelbezug von Lohn und Versorgungsleistungen ausgeschlossen wird. Die verschiedenen Regelungsformen führen für die betroffenen Schwerbehinderten nicht zum gleichen Ergebnis. Der Wegfall des Übergangsgeldes kann für den berechtigten Arbeitnehmer wesentlich ungünstiger sein als das Ruhen des Rentenbezuges nach § 61 AVG (§ 1284 RVO, § 81 RKG). § 42 Satz 1 SchwbG steht also einer arbeitsrechtlichen Regelung entgegen, soweit der Arbeitnehmer eine Erwerbsunfähigkeitsrente wegen der Behinderung bezieht, die auch zur Anerkennung als Schwerbehinderter geführt hat.
3. Nach dem unstreitigen Sachverhalt steht fest, daß die Klägerin eine Rente wegen der Leiden erhält, die auch zur Anerkennung als Schwerbehinderte geführt haben.
Das Berufungsgericht geht von diesem Rechtssatz aus. Seine rechtlichen Ausführungen und die tatsächlichen Feststellungen beziehen sich allerdings auf § 37 Abs. 2 Unterabs. 5 BAT. Sie treffen aber in gleicher Weise zu für die hier zu entscheidenden Rechtsfragen bei der Bemessung des Übergangsgeldes. In diesem Zusammenhang legt das Berufungsgericht dar, daß die ersten drei von insgesamt fünf Behinderungen, die zur Anerkennung der Klägerin als Schwerbehinderte geführt haben, auch ursächlich für die Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit waren, nämlich die Herzerkrankung, der Zustand nach gynäkologischer Totaloperation und die verformenden Veränderungen am Zwölffingerdarmanfangteil. Insoweit hat sich das Berufungsgericht zu Recht auf die Feststellungen in den internistischen gutachterlichen Befunden bezogen. Darüber hinaus kann der Senat selbst feststellen, daß die verbleibenden zwei im Bescheid des Versorgungsamtes aufgeführten Behinderungen (Verlust der Gallenblase und Bewegungseinschränkungen im linken Kniegelenk) auch Ursache waren für die Gewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Denn diese Leiden werden im internistischen und orthopädischen Gutachten als Leiden genannt, die zum Verlust der Erwerbsfähigkeit geführt haben. Damit steht fest, daß sämtliche Behinderungen, die zur Anerkennung der Klägerin als Schwerbehinderte im Jahre 1976 geführt haben, auch Ursache für den Verlust der Erwerbsfähigkeit der Klägerin im April 1980 waren. Die der Klägerin gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente wurde daher wegen der Leiden gewährt, die die Schwerbehinderung verursacht hatten.
Zur Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs brauchte das Berufungsgericht keinen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen. Auch der Senat kann anhand der ausgewiesenen Befunde die Schlußfolgerung selbst ziehen. Der vom Gutachter erhobene Befund ist eindeutig. Er erlaubt die vom Berufungsgericht und vom Senat gezogene Schlußfolgerung, ohne daß ein weiterer Sachverständiger hinzugezogen werden müßte.
4. Ihren Anspruch auf Übergangsgeld hat die Klägerin rechtzeitig schriftlich geltend gemacht (§ 70 Abs. 1 BAT). Der erste Teilbetrag war am 15. September 1980 fällig. Ihr Schreiben vom 11. Februar 1981 mit der schriftlichen Geltendmachung ist dem beklagten Land vor dem 15. März 1981, also vor Ablauf von sechs Monaten, zugegangen.
II. Für die Zeit vom 1. April bis 25. Juli 1980 standen der Klägerin Krankenbezüge nach § 37 Abs. 2 BAT in der ab 1. Januar 1980 geltenden Fassung zu. Das beklagte Land durfte deshalb weder die Rente der Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 3.319,40 DM einziehen. Es konnte auch nicht wirksam mit Ansprüchen der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis (Lohnansprüche nach § 611 Abs. 1 BGB, Anspruch auf eine anteilige Zuwendung für 1980 und Urlaubsabgeltung) in Höhe von 5.578,14 DM aufrechnen. Schließlich muß es die von der Klägerin unter Vorbehalt gezahlten 303,58 DM zurückzahlen. Diese Ansprüche der Klägerin nach § 816 Abs. 2 BGB, § 611 Abs. 1 BGB und § 812 Abs. 1 BGB hängen nur davon ab, ob die Klägerin Anspruch auf Krankenbezüge für die Zeit vom 1. April bis 25. Juli 1980 hatte. Das ist – in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht – zu bejahen.
1. Für den Fall, daß der Angestellte Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, wird der Bezugszeitraum für Krankenbezüge nach § 37 Abs. 2 Unterabs. 5b BAT verkürzt. Der Angestellte erhält Krankenbezüge längstens für zwei Monate vom Beginn der Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung an. Der Bezugszeitraum wäre mithin am 31. März oder, falls die Tage, an denen die Klägerin zwischenzeitlich arbeitsfähig war (vom 15. bis 18. März 1980) nicht mitgerechnet werden, am 4. April 1980 abgelaufen.
2. Diese tarifliche Bestimmung ist nach § 42 Satz 1 SchwbG für den Fall nichtig, daß der Angestellte eine Erwerbsunfähigkeitsrente wegen der Behinderungen bezieht, die auch zur Anerkennung als Schwerbehinderter geführt haben. Insofern gilt für § 37 Abs. 2 Unterabs. 5 nichts anderes als für § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT bezüglich des Übergangsgeldes. Der Bezugszeitraum für Krankenbezüge darf wegen der Erwerbsunfähigkeitsrente, die die Klägerin bezogen hat, nicht verkürzt werden.
a) Die Krankenbezüge gehören zum geschützten Arbeitsentgelt im Sinne von § 42 SchwbG. Sie sind nicht zu vergleichen mit Werkszulagen, die nur im Vorgriff auf Sozialleistungen gezahlt werden und in ihrer Zweckbestimmung den Renten vergleichbar sind, die der Schwerbehinderte wegen seiner Behinderung aus der Sozialversicherungsrente zu erwarten hat (vgl. Urteil des Senats vom 10. November 1982 – 5 AZR 349/80 – AP Nr. 4 zu § 42 SchwbG zu I 2 der Gründe; zu Versorgungsleistungen mit dieser Zweckbestimmung vgl. Urteil des Dritten Senats vom 19. Juli 1983 – 3 AZR 88/81 –). Krankenbezüge entsprechen in ihrer Zweckbestimmung nicht einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
b) Regelungen, die die Bezugsfrist für Krankenbezüge davon abhängig machen, ob eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gezahlt wird, sind Regelungen zur Bemessung des Arbeitsentgelts. § 42 Satz 1 SchwbG verbietet jede Berücksichtigung von Renten zum Nachteil des Arbeitnehmers, die dieser wegen seiner Behinderung erhält. Auch in diesem Zusammenhang ist es bedeutungslos, ob Vergütungsansprüche von vornherein ausgeschlossen oder ob vertraglich oder tarifvertraglich Ruhenstatbestände geschaffen werden (vgl. wiederum BAG Urteil vom 13. Juli 1982 – 3 AZR 576/80 – AP Nr. 3 zu § 42 SchwbG zu 3c der Gründe).
c) Richtig ist, daß der Schwerbehinderte insoweit durch § 42 SchwbG bevorzugt wird. Er erhält die Krankenbezüge statt seiner Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Das ist im Regelfall für ihn auch günstiger. Das Gesetz will jedoch diese Bevorzugung des Schwerbehinderten (vgl. BAG Urteil vom 10. Mai 1978 – 4 AZR 740/76 – AP Nr. 1 zu § 42 SchwbG, Bl. 2 R der Gründe). Die Gewährung von Rente wegen der Behinderung darf sich nicht nachteilig auf seine Ansprüche auf Arbeitsentgelt auswirken. Andererseits ist durch § 61 AVG (§ 1284 RVO, § 81 RKG) sichergestellt, daß der Angestellte Krankenbezüge und Rente über den Zeitraum von zwei Monaten hinaus nicht nebeneinander beziehen kann.
3. Damit steht fest, daß das beklagte Land zu Unrecht von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 3.319,40 DM eingezogen hat, die es nach § 816 Abs. 2 BGB an die Klägerin herausgeben muß. Weiter hat das beklagte Land an die Klägerin 5.578,14 DM Lohn, anteilige Jahressonderzahlung 1980 und Urlaubsabgeltung zu zahlen. Diese Ansprüche der Klägerin sind nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB). Schließlich muß das beklagte Land die ohne Rechtsgrund von der Klägerin gezahlten 303,58 DM nach § 812 Abs. 1 BGB zurückzahlen. Insgesamt stehen daher der Klägerin die eingeklagten 9.201,12 DM zu.
Zinsen aus diesem Betrag kann die Klägerin erst ab Rechtshängigkeit dieser Ansprüche verlangen (§ 291 Satz 1 BGB). Die Klägerin fordert insoweit keine Krankenbezüge; diese hatte sie erhalten. Sie fordert Herausgabe des zu Unrecht eingezogenen Betrages und macht rückständige Lohnforderungen geltend. Daß das beklagte Land mit diesen Zahlungen zu einem früheren Zeitpunkt in Verzug geraten war (§ 284 Abs. 1 BGB), ist nicht dargelegt.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Heither, Dr. Florack, Pallas
Richter Schneider ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert
Dr. Thomas
Fundstellen
Haufe-Index 1745554 |
BAGE, 270 |