Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung und tarifliche Befristungsgrundform. Parallelsache zu – 7 AZR 701/99 –
Normenkette
BGB § 620
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 14. September 1999 – 2 Sa 48/99 – wird zurückgewiesen mit der klarstellenden Maßgabe, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund Befristung zum 31. Dezember 1998 beendet ist.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 31. Dezember 1998 geendet hat.
Der Kläger wurde nach § 1 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags vom 7. März 1996 “als vollbeschäftigter Angestellter auf bestimmte Zeit nach der Anlage 2a (SR 2a) zum MTA als Aushilfsangestellter zur Aushilfe für die Zeit bis zum 31. Dezember 1998 beim Arbeitsamt Hamburg eingestellt”. Auch nach einem dem Kläger bei Abschluß des Arbeitsvertrags zur Kenntnis gegebenen Vermerk sollte die Beschäftigung als “Aushilfsangestellter (SR 2a Nr. 1 Buchst. c MTA)” erfolgen. Nach § 2 des Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vom 21. April 1961 (MTA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.
Die Sonderregelungen für Zeitangestellte, Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer und für Aushilfsangestellte der Bundesanstalt für Arbeit (SR 2a MTA) enthalten ua. folgende Bestimmungen:
Nr. 1
“Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte,
- deren Arbeitsverhältnis mit Ablauf einer kalendermäßig bestimmten Frist enden soll (Zeitangestellte),
- die für eine Aufgabe von begrenzter Dauer eingestellt sind und bei denen das Arbeitsverhältnis durch Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder durch Ablauf einer kalendermäßig bestimmten Frist enden soll (Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer),
- die zur Vertretung oder zeitweiligen Aushilfe eingestellt werden (Aushilfsangestellte).”
Nr. 2
“
- Im Arbeitsvertrag ist zu vereinbaren, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird.
Im Arbeitsvertrag des Zeitangestellten ist die Frist anzugeben, mit deren Ablauf das Arbeitsverhältnis enden soll.
Im Arbeitsvertrag des Angestellten für eine Aufgabe von begrenzter Dauer ist die Aufgabe zu bezeichnen und anzugeben, mit Ablauf welcher Frist oder durch Eintritt welchen Ereignisses das Arbeitsverhältnis enden soll.
Im Arbeitsvertrag des Aushilfsangestellten ist anzugeben, ob und für welche Dauer er zur Vertretung oder zeitweilig zur Aushilfe beschäftigt wird.
”
In der Durchführungsanordnung der Beklagten heißt es zu Nr. 1 SR 2a MTA unter anderem:
“Sachliche Gründe für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Zeitangestellten werden in der Regel nicht vorliegen, da die in der Praxis auftretenden Anlässe den Tatbeständen der Vertretung oder Aushilfe, evtl. noch der Wahrnehmung von Aufgaben von begrenzter Dauer, zugeordnet werden können. In Zweifelsfällen ist zu berichten.
Als sachlicher Grund kommt nicht der Haushaltsplan in Frage, insbesondere nicht das Fehlen von Stellen für Plankräfte (Kapitel 6 Titel 422 01 oder 425 01). Eine Befristung kann weder auf Stellen für Plankräfte mit dem Haushaltsvermerk “kw” (künftig wegfallen) gestützt werden noch auf die Tatsache, daß nur Mittel (Ermächtigungen) für Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag (Kapitel 6 Titel 425 02) zur Verfügung stehen.”
Die Beklagte richtete 1996 für verschiedene Ballungszentren Sonderprüfgruppen zur verstärkten Bekämpfung der illegalen Beschäftigung ein. In einem Schreiben des Präsidenten der Beklagten vom Januar 1996 heißt es hierzu, es sei “davon auszugehen, daß verstärkte Prüfungen und zusätzliche Maßnahmen eine bessere Beachtung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften zur Folge haben werden. Dies und die dabei zu gewinnenden Erfahrungen lassen eine befristete Durchführung auf die Dauer von drei Jahren gerechtfertigt erscheinen.” Der Haushaltsplan der Beklagten sah 1996 65 Mio. DM vor für “Vergütungen der Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag für die Durchführung der Regierungsvereinbarungen über die Entsendung und Beschäftigung ausländischer Werkvertragsarbeitnehmer und im Zusammenhang damit stehender verstärkter Bekämpfung der illegalen Beschäftigung im Baubereich, die zusätzlich bis zum 31.12.1998 beschäftigt werden.” Nach den Erläuterungen im Haushaltsplan lag dem Mittelansatz ein “Bedarf von 1000 (-) Kräften mit befristetem Arbeitsvertrag zugrunde”.
Der Kläger war als Bürosachbearbeiter für Angelegenheiten des Außendienstes in der Leistungsabteilung der für Hamburg eingerichteten Sonderprüfgruppe AD Bau tätig. Die Sonderprüfgruppen AD Bau bestanden nicht über den 31. Dezember 1998 hinaus fort. Die Beklagte richtete aber ab 1. Januar 1999 zur Fortsetzung der Bekämpfungsaktivitäten dauerhaft eine Prüfgruppe Bau mit 1.000 zusätzlichen Dienstposten ein. Nach einem Schreiben des Präsidenten der Beklagten vom 13. Mai 1998 sollten die in den Prüfgruppen AD Bau eingesetzten Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen werden, soweit sie geeignet sind und die Übernahme von Nachwuchskräften nicht gefährdet ist. Die Bewerbung des Klägers um eine Weiterbeschäftigung lehnte die Beklagte ab.
Mit der am 21. Januar 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Befristung seines Arbeitsvertrags zum 31. Dezember 1998 sei unwirksam, da ein sachlicher Grund hierfür nicht vorgelegen habe.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 1998 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn als Bürosachbearbeiter in der Prüfgruppe Bau weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei als Aushilfsangestellter zur Aushilfe eingestellt worden. Die Befristungsgrundform “Zeitangestellter” sei nicht vereinbart worden. Grund für die Befristung sei die vorübergehende Einrichtung der Sonderprüfgruppe AD Bau gewesen. Die Befristung sei wegen der zeitlich begrenzten Zurverfügungstellung von Haushaltsmitteln wirksam.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht entsprochen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht auf Grund Befristung am 31. Dezember 1998 geendet.
- Wie die gebotene Auslegung ergibt und der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, wird mit der Feststellungsklage ausschließlich die in § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG (in der vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung) vorgesehene gerichtliche Feststellung begehrt, das Arbeitsverhältnis habe nicht auf Grund Befristung am 31. Dezember 1998 geendet. Ein anderer Beendigungszeitpunkt oder Beendigungsgrund ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Der im Tenor des Urteils des Landesarbeitsgerichts enthaltene Zusatz “sondern über den 31. Dezember 1998 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht” hat keine selbständige Bedeutung. Der Senat hat dies durch eine klarstellende Maßgabe im Urteilsausspruch berücksichtigt.
Wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, ist die im Arbeitsvertrag vom 7. März 1996 zum 31. Dezember 1998 vereinbarte Befristung unwirksam. Auf Haushaltsgründe kann sich die Beklagte zur Begründung der Befristung bereits wegen der vereinbarten Befristungsgrundform nicht berufen. Den Sachgrund des vorübergehenden Mehrbedarfs hat sie nicht hinreichend dargetan.
Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Befristung lasse sich unter Haushaltsgesichtspunkten nicht rechtfertigen, weil bei Vertragsschluß keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, daß nach dem 31. Dezember 1998 mit dem Wegfall der für die Beschäftigung ua. des Klägers erforderlichen Haushaltsmittel zu rechnen gewesen sei. Der Senat läßt dahinstehen, ob dem Landesarbeitsgericht in dieser Begründung zu folgen wäre. Denn die Beklagte kann die Befristung bereits deshalb nicht auf die zeitlich begrenzte Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln stützen, weil sich dieser Sachgrund nicht der arbeitsvertraglich vereinbarten Befristungsgrundform des Aushilfsangestellten zuordnen läßt.
Die Befristung ist nicht durch den der Befristungsgrundform des Aushilfsangestellten zuzuordnenden Sachgrund des vorübergehenden Mehrbedarfs gerechtfertigt.
- Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein zusätzlicher, vorübergehender Arbeitskräftebedarf die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dafür muß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einiger Sicherheit zu erwarten sein, daß für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht. Hierüber ist eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Eine bloße Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs reicht für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht aus (BAG 12. September 1996 – 7 AZR 790/95 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 182 = EzA BGB § 620 Nr. 142, zu II 3a der Gründe mwN). Die Prognose hat sich darauf zu beziehen, ob im Zeitpunkt des Ablaufs der Befristung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Bedarf mehr an der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers besteht. Wird die Prognose durch die spätere Entwicklung bestätigt, besteht eine ausreichende Vermutung dafür, daß sie hinreichend fundiert erstellt worden ist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, Tatsachen vorzutragen, nach denen zumindest im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses diese Prognose nicht gerechtfertigt war. Hat sich die Prognose nicht bestätigt, muß der Arbeitgeber die ihm bei Vertragsschluß bekannten Tatsachen vorbringen, die ihm jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt den hinreichend sicheren Schluß darauf erlaubten, daß nach Ablauf der Befristung kein konkreter Bedarf mehr an der Arbeitsleistung des eingestellten Arbeitnehmers bestehen werde (BAG 12. September 1996 – 7 AZR 790/95 – aaO, zu II 4 der Gründe).
- Hiernach hat die Beklagte den Sachgrund des zeitlich vorübergehenden Mehrbedarfs nicht hinreichend dargetan. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erwartet werden, daß nach dem vorgesehenen Vertragsende kein Bedarf für die Tätigkeit des Klägers mehr bestehen werde. Die Beklagte hat insbesondere nicht hinreichend dargelegt, weshalb der Bedarf an der Tätigkeit der in der Sonderprüfgruppe AD Bau beschäftigten Arbeitnehmer nur als vorübergehend einzuschätzen war. Bei den der Sonderprüfgruppe Bau zugewiesenen Aufgaben der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung im Bereich der Bauwirtschaft handelte es sich erkennbar nicht um ein einmaliges, seiner Art und seinem Inhalt nach zeitlich begrenztes Projekt, sondern um eine Daueraufgabe. Die im Schreiben des Präsidenten der Beklagten vom Januar 1996 enthaltene Annahme, verstärkte Prüfungen und zusätzliche Maßnahmen würden eine bessere Beachtung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften zur Folge haben, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht als spekulativ bezeichnet und nicht für ausreichend erachtet, um eine tatsächliche Grundlage für eine begründete Prognose zum künftigen Wegfall des insoweit vorhandenen Arbeitskräftebedarfs abzugeben. Die spätere Entwicklung hat eine solche Prognose auch nicht bestätigt. Denn die Beklagte hat zum 1. Januar 1999 eine aus insgesamt 1.000 Mitarbeitern bestehende Prüfgruppe Bau gegründet, die jedenfalls auch die Aufgaben der bisherigen Sonderprüfgruppe AD Bau übernommen und fortgeführt hat. Daher wäre es Sache der Beklagten gewesen, die Tatsachen vorzutragen, die ihr zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gleichwohl den hinreichend sicheren Schluß darauf erlaubten, daß nach Ablauf der Befristung kein konkreter Bedarf an der Arbeitsleistung des Klägers mehr bestehen werde. Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
- Nachdem nicht ersichtlich ist, daß die Beklagte eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nach der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung ablehnt, war der Weiterbeschäftigungsantrag dahin zu verstehen, daß mit ihm die Weiterbeschäftigung lediglich bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits begehrt wird. Der Antrag fiel daher dem Senat nicht zur Entscheidung an.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Linsenmaier, Wolf, Coulin
Fundstellen