Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten hat auch dann ein Teilnahmerecht an einer örtlichen Versammlung der Schwerbehinderten, wenn es nicht um Angelegenheiten geht, die mit den überörtlichen Aufgaben des Bezirksvertrauensmanns gemäß § 24 Abs. 5 SchwbG aF in Zusammenhang stehen.

 

Normenkette

SchwbG (i.d.F. vom 8. Oktober 1979, BGBl I S. 1649) § 22 Abs. 5; SchwbG (i.d.F. vom 8. Oktober 1979, BGBl I S. 1649) § 23 Abs. 8; SchwbG (i.d.F. vom 8. Oktober 1979, BGBl I S. 1649) § 24 Abs. 2; SchwbG (i.d.F. vom 8. Oktober 1979, BGBl I S. 1649) § 24 Abs. 5; SchwbG (i.d.F. vom 8. Oktober 1979, BGBl I S. 1649) § 24 Abs. 6; BPersVG § 52 Abs. 1, § 53

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 11.06.1986; Aktenzeichen 3 Sa 15/86)

ArbG Bocholt (Urteil vom 21.11.1985; Aktenzeichen 1 (4) Ca 1708/85)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Juni 1986 – 3 Sa 15/85 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger als Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten für die Teilnahme an einer örtlichen Versammlung der Schwerbehinderten Reisekosten zu erstatten sind.

Der seit dem 1. Juli 1959 beim Verteidigungskreiskommando in B… als Kraftfahrer beschäftigte Kläger ist freigestellter Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten beim Territorialkommando Nord, das aus dem Gebiet der Bundesländer Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen besteht. Am 22. April 1985 fuhr er von B… mit seinem PKW auf Einladung des Vertrauensmanns der Schwerbehinderten beim Gerätedepot G… zu der örtlichen Versammlung der Schwerbehinderten nach G…. Die Beklagte lehnte die vom Kläger geltend gemachten Reisekosten in Höhe von insgesamt 267,60 DM (755 km à 0,32 DM und Tagesgeld von 26,-- DM) mit der Begründung ab, die Teilnahme des Klägers an der Versammlung sei nicht notwendig gewesen.

Der Kläger vertritt die Ansicht, die Beklagte sei zur Zahlung der Reisekosten gemäß § 23 Abs. 8 SchwbG, § 52 Abs. 1 BPersVG verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 267,60 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. Juni 1985 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Teilnahme des Klägers an der Versammlung der Schwerbehinderten habe nicht zu seinen Aufgaben gemäß § 24 Abs. 5 SchwbG gehört, weil nach der Tagesordnung keine Angelegenheiten behandelt worden seien, die mehrere Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den Vertrauensmännern der einzelnen Dienststellen nicht hätten geregelt werden können.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Abweisungsbegehren weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Reisekosten zu der durch den örtlichen Vertrauensmann der Schwerbehinderten einberufenen Versammlung der Schwerbehinderten mit der Begründung bejaht, für eine solche Versammlung fänden die Vorschriften der Personalversammlung entsprechende Anwendung. Daher habe der Kläger als Bezirksvertrauensmann ein solches Teilnahmerecht, weil seine rechtliche Stellung mit dem eines Mitglieds des Bezirkspersonalrats vergleichbar sei. Dieses Teilnahmerecht des Bezirksvertrauensmanns an der örtlichen Versammlung der Schwerbehinderten könne nicht von dem Vorliegen von Themen abhängig gemacht werden, die mit dem überörtlichen Aufgabenbereich des Bezirksvertrauensmanns in Zusammenhang stehen. Denn das Teilnahmerecht des Bezirksvertrauensmanns diene der Information und Kontaktpflege, um seine eigentlichen Aufgaben gewissenhaft wahrnehmen zu können.

II. Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist rechtlich zutreffend.

1. Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 i.Verb. mit § 24 Abs. 6 SchwbG (in der hier anzuwendenden Fassung vom 8. Oktober 1979, BGBl I S. 1649) gilt für den Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten § 23 SchwbG entsprechend. Gemäß § 23 Abs. 8 SchwbG trägt somit der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Bezirksvertrauensmanns entstehenden Kosten. Dazu gehören auch die Reisekosten.

Zu der Tätigkeit des Klägers als Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten gehört auch die Teilnahme an einer durch den örtlichen Vertrauensmann der Schwerbehinderten einberufenen örtlichen Versammlung der Schwerbehinderten. Auf die vom örtlichen Vertrauensmann der Schwerbehinderten gemäß § 22 Abs. 5 SchwbG einberufene Versammlung der Schwerbehinderten finden nämlich gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 SchwbG die für Personalversammlungen geltenden Vorschriften der §§ 48 ff. BPersVG entsprechende Anwendung. Nach § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG kann aber an einer Personalversammlung ein Mitglied der Stufenvertretung teilnehmen. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift für den Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten bedeutet, daß ihm das Teilnahmerecht an den durch den örtlichen Vertrauensmann einberufenen Versammlungen der Schwerbehinderten zusteht. Denn die Stellung des Bezirksvertrauensmanns der Schwerbehinderten ist mit der eines Mitglieds des Bezirkspersonalrats vergleichbar, wie der in § 24 Abs. 2 SchwbG, geregelte Wahlmodus beweist, der dem des Bezirkspersonalrats in § 53 BPersVG nachgebildet ist (vgl. Gröninger, SchwbG, Stand Juni 1984, § 24 Rz 3).

2. Zu Unrecht meint die Revision, die Beklagte brauche deswegen die entstandenen Reisekosten nicht zu tragen, weil die Teilnahme des Klägers als Bezirksvertrauensmann an der örtlichen Versammlung der Schwerbehinderten nicht erforderlich gewesen sei. Zwar ist der Revision zuzustimmen, daß es gemäß § 24 Abs. 5 SchwbG originäre Aufgabe des Bezirksvertrauensmanns der Schwerbehinderten ist, die Interessen der Schwerbehinderten in Angelegenheiten zu vertreten, die mehrere Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und die von den Vertrauensmännern der einzelnen Dienststellen nicht geregelt werden können. Das Teilnahmerecht des Bezirksvertrauensmanns an örtlichen Versammlungen der Schwerbehinderten kann aber gleichwohl nicht vom Vorliegen eines derartigen Sachverhalts rechtlich mit der Folge abhängig gemacht werden, daß die Erforderlichkeit der Teilnahme bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 5 SchwbG entfällt.

Wie sich aus der Entstehungsgeschichte und dem inneren Zusammenhang des § 23 SchwbG ergibt, handelt es sich bei den dort genannten Rechten und Pflichten eines Vertrauensmanns der Schwerbehinderten nicht um eine abschließende Regelung über dessen Rechtsstellung, sondern um eine Generalklausel, durch die der Vertrauensmann der Schwerbehinderten dem Mitglied eines Personalrats gleichgestellt wird. Dies gilt auch für den Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten, weil gemäß § 24 Abs. 6 SchwbG die Vorschrift des § 23 SchwbG entsprechende Anwendung findet (vgl. BAGE 52, 335 = AP Nr. 2 zu § 23 SchwbG). Damit steht er in seiner rechtlichen Stellung einem Mitglied des Bezirkspersonalrats gleich. Dieser hat jedoch gemäß § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG ein gesetzliches Teilnahmerecht an Personalversammlungen, ohne daß dies durch irgendwelche Voraussetzungen eingeschränkt wird. Es verstieße daher gegen das Gleichstellungsgebot des § 23 Abs. 3 SchwbG, wenn das Teilnahmerecht des Bezirksvertrauensmanns an örtlichen Versammlungen der Schwerbehinderten nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 5 SchwbG gegeben wäre. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die Einberufung einer Versammlung der Schwerbehinderten im wesentlichen zur Information und nicht zur Lösung von aufgetretenen Problemen erfolgt. Das Teilnahmerecht des Bezirksvertrauensmanns dient deshalb dem Austausch von Informationen zwischen dem Bezirksvertrauensmann und den versammelten Bediensteten. Er soll die Probleme der Bediensteten nicht nur über den örtlichen Vertrauensmann, sondern von den Bediensteten selbst erfahren, sich ihnen direkt zur Diskussion stellen und wenn erforderlich, sie sachgerecht beraten können.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Röhsler, Dr. Jobs, Schneider, Hohnheit, Dr. Walz

 

Fundstellen

Haufe-Index 872441

BAGE, 217

RdA 1988, 319

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