Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung. Nachtarbeits- und Feiertagszuschläge
Leitsatz (redaktionell)
vgl. auch Urteil vom 28. Mai 1996 – 3 AZR 294/95 –, n.v.
Normenkette
TVG § 1 Auslegung; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. April 1995 – 8 Sa 115/94 – aufgehoben, soweit es über einen Teilbetrag in Höhe von 417,06 DM entschieden hat, und zur anderweitigen Verhandlung auch über die Kosten der Revision an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
2. Im übrigen wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf die Revision der Beklagten unter Zurückweisung im übrigen aufgehoben und in der Hauptsache neu gefaßt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. September 1994 – 6 Ca 424/93 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,66 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 30. September 1993 zu zahlen.
In Höhe von 139,73 DM wird die Klage abgewiesen.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger
- je Stunde angeordneter Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Wochentag von Montag bis Samstag fallen, einen Zuschlag von 150 % zu zahlen;
- je Stunde für angeordnete Nachtarbeit 20 % Zuschlag zu zahlen.
Im übrigen wird der weitergehende Feststellungsantrag zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Nachtarbeits- und Feiertagszuschläge.
Der Kläger ist seit dem 29. Mai 1989 bei der Beklagten als Schichttechniker beschäftigt. Er ist in der sog. Wochenendwechselschicht tätig und wird im wöchentlichen Wechsel in der Samstags- und Sonntags-Tagschicht (6.00 Uhr bis 18.00 Uhr) bzw. der Samstags- und Sonntagsnachtschicht (18.00 Uhr bis 6.00 Uhr) eingesetzt. Zusätzlich hat er Freitags-Frühschichten zu übernehmen und an bestimmten Feiertagen zu arbeiten. In der Anlage vom 14. November 1990 zum Anstellungsvertrag haben die Parteien u.a. vereinbart:
„1. Der Arbeitnehmer wird in Wochenendwechselschicht unter Einschluß von Freitagen (Frühschicht) tätig. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zusätzlich, an bestimmten gesetzlichen Feiertagen (Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai, Himmelfahrt, Pfingstmontag, 3. Oktober, Buß- und Bettag) entsprechend dem Wochenendschichtmodell zu arbeiten. …
…
3. Zulagen und Zuschläge bestimmen sich nach den tariflichen und betrieblichen Vereinbarungen.
…”
Der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie in den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein sowie in den Landkreisen Harburg und Stade vom 18. Mai 1990 (MTV) regelt die Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit wie folgt:
„§ 6
Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
…
2. Begriff der Nachtarbeit
Nachtarbeit ist die zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit.
2.1 Tarifgebiet Hamburg und Umgebung
Regelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie mindestens fünf Arbeitstage umfaßt.
Unregelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie weniger als fünf Arbeitstage umfaßt.
…
2.2 Tarifgebiet Schleswig-Holstein
Regelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie mindestens fünf aufeinanderfolgende Arbeitstage umfaßt oder regelmäßig wöchentlich wiederkehrend geleistet wird.
Unregelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie weniger als fünf Arbeitstage umfaßt und nicht wöchentlich wiederkehrend geleistet wird.
…
§ 7
Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
1. Zuschläge für Arbeitnehmer im Tarifgebiet Hamburg und Umgebung
1.1 Höhe des Zuschlages
Die Arbeitnehmer erhalten je Stunde für angeordnete
…
b) |
Nachtarbeit, soweit nicht unregelmäßige bzw. Regelmäßige Nacht- oder Nachtschichtarbeit vorliegt, |
50,0 % Zuschlag |
c) |
Regelmäßige Nachtarbeit oder regelmäßige Wechselschichtarbeit in der Nacht |
12,5 % Zuschlag |
d) |
Unregelmäßige Nachtarbeit oder unregelmäßige Wechselschichtarbeit in der Nacht |
20,0 % Zuschlag |
e) |
Sonntagsarbeit |
50,0 % Zuschlag |
… |
|
|
g) |
Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Wochentag fallen, an dem im Betrieb regelmäßig gearbeitet wird, |
150,0 % Zuschlag |
h) |
Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Wochentag fallen, an dem im Betrieb regelmäßig nicht gearbeitet wird, |
100,0 % Zuschlag |
i) |
Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen, |
100,0 % Zuschlag |
1.2 Treffen mehrere Zuschläge zusammen, so ist nur der höhere Zuschlag zu zahlen.
…”
Die Beklagte zahlte dem Kläger im Jahre 1993 für die Arbeit am Ostersonntag, Ostermontag, Himmelfahrt, Pfingstsonntag und Pfingstmontag einen Feiertagszuschlag von 100 %. Für die Nachtarbeit in der Zeit vom 1. Februar bis 30. April 1993 erhielt er einen Zuschlag von 12,5 %.
Der Kläger hat für die genannten Feiertage nach § 7 Nr. 1.1 Buchst. g MTV einen Feiertagszuschlag von 150 % verlangt. Die Unterschiedsbeträge zwischen den gezahlten und den geforderten Feiertagszuschlägen beliefen sich unstreitig für Ostersonntag auf 138,31 DM brutto, für Ostermontag auf 139,73 DM brutto und für die übrigen drei Feiertage (Christi Himmelfahrt, Pfingstsonntag und Pfingstmontag) auf insgesamt 417,06 DM brutto. Für die geleistete Nachtarbeit hat er nach § 7 Nr. 1.1 Buchst. d MTV einen Nachtzuschlag von 20 % gefordert. Der Differenzbetrag zum gezahlten Nachtzuschlag beträgt unstreitig insgesamt 100,35 DM brutto.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 795,45 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 1993 zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn je Stunde für angeordnete Arbeit an gesetzlichen Feiertagen einen Zuschlag in Höhe von 150 % zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn je Stunde für angeordnete Nachtarbeit einen Zuschlag in Höhe von 20 % zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nur teilweise begründet. Dem Kläger steht ein höherer Nachtarbeitszuschlag zu. Einen höheren Feiertagszuschlag kann er nur für Feiertage verlangen, die auf Montag bis einschließlich Samstag fallen, nicht jedoch für Feiertage, die auf einen Sonntag fallen. Die Sache ist nach § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, als der Kläger für Christi Himmelfahrt, Pfingstsonntag und Pfingstmontag insgesamt 417,06 DM an weiteren Zuschlägen verlangt, den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht zu entnehmen ist, wie sich dieser Betrag auf Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag einerseits und Pfingstsonntag andererseits verteilt.
I. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 1993 noch einen Nachtarbeitszuschlag von 100,35 DM brutto zu zahlen. Der dem Kläger zustehende Nachtarbeitszuschlag beläuft sich nicht auf 12,5 %, sondern auf 20 %.
1. Im Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, in dem der Kläger tätig ist, beträgt der Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit oder regelmäßige Wechselschichtarbeit in der Nacht 12,5 % (§ 7 Nr. 1.1 Buchst. c MTV). Der Zuschlag erhöht sich nach § 7 Nr. 1.1 Buchst. d MTV bei unregelmäßiger Nachtarbeit oder unregelmäßiger Wechselschichtarbeit in der Nacht auf 20 %. Die Tätigkeit des Klägers war einerseits unregelmäßige Nachtarbeit, andererseits regelmäßige Wechselschichtarbeit. Da der Kläger gleichzeitig die Voraussetzungen beider Zuschlagsregelungen erfüllt, ist nach § 7 Nr. 1.2 MTV der höhere Zuschlag zu zahlen.
a) Der Begriff der unregelmäßigen Nachtarbeit ist für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung in § 6 Nr. 2.1 MTV näher bestimmt. Danach liegt eine regelmäßige Nachtarbeit vor, wenn sie mindestens fünf Arbeitstage umfaßt. Um eine unregelmäßige Nachtarbeit handelt es sich, wenn sie weniger als fünf Arbeitstage umfaßt. Ob die fünf Nachtarbeitstage unmittelbar aufeinanderfolgen müssen, kann dahingestellt bleiben. Eine Unterbrechung durch freie Tage mag unschädlich sein. Zwischen den Arbeitstagen mit Nachtschicht darf jedoch kein Arbeitstag mit einer Tagschicht liegen. Während es im Tarifgebiet Schleswig-Holstein genügt, wenn die Nachtarbeit entweder fünf aufeinanderfolgende Arbeitstage umfaßt oder regelmäßig wöchentlich wiederkehrend geleistet wird, haben die Tarifvertragsparteien die zweite Alternative für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung nicht übernommen, sondern sich dort auf die erste Alternative beschränkt. Im vorliegenden Fall umfaßt die vom Kläger jeweils geleistete Nachtarbeit keine fünf Arbeitstage. Er arbeitete höchstens vier Tage in der Woche und wechselte wöchentlich zwischen Tag- und Nachtschicht. Soweit er freitags eingesetzt wurde, war er in der Frühschicht (6.00 bis 14.00 Uhr) tätig.
b) Unerheblich ist es, daß der Kläger seine unregelmäßige Nachtarbeit im Rahmen einer regelmäßigen Wechselschichtarbeit leistete.
aa) Im Gegensatz zum Begriff der „regelmäßigen Nachtarbeit” haben die Tarifvertragsparteien den Begriff der „regelmäßigen Wechselschichtarbeit in der Nacht” nicht in § 6 MTV definiert. Die Anforderungen für die Regelmäßigkeit einer „Nachtarbeit” können nicht auf die Regelmäßigkeit einer „Wechselschichtarbeit in der Nacht” übertragen werden. Dies widerspräche dem unmißverständlich auf die Nachtarbeit beschränkten Wortlaut des § 6 Nr. 2.1 MTV und der Systematik des § 7 Nr. 1.1 Buchst. c und d MTV. Die Zuschlagsregelung des § 7 Nr. 1.1 Buchst. c und d MTV enthält für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung im Gegensatz zur Nachtarbeitszuschlagsregelung in § 7 Nr. 2.4 MTV für das Tarifgebiet Schleswig-Holstein nicht eine, sondern zwei Möglichkeiten. Wäre die Regelmäßigkeit in beiden Alternativen gleich zu verstehen, so wäre die Unterscheidung bedeutungslos. Sinnlose Regelungen können jedoch den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden. Ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch liegt eine regelmäßige Wechselschichtarbeit in der Nacht vor, wenn sie nach einer im voraus bestimmten Regel laufend anfällt. Diese Voraussetzung erfüllt die vom Kläger zu leistende Wochenendschichtarbeit.
bb) Die beiden Alternativen in den Zuschlagsregelungen des § 7 Nr. 1.1 Buchst. c und d MTV schließen sich nach dem Tarifwortlaut nicht aus, sondern stehen nebeneinander. Arbeiten in der Nacht können gleichzeitig unter § 7 Nr. 1.1 Buchst. c und d MTV fallen. Nach § 7 Nr. 1.2 MTV ist, wenn mehrere Zuschläge zusammentreffen, der höhere Zuschlag zu zahlen. Dies entspricht auch dem Zweck des § 7 Nr. 1.1 Buchst. c und d MTV. Die Tarifvertragsparteien gehen von einer den höheren Zuschlag rechtfertigenden größeren Belastung der Arbeitnehmer aus, wenn eine der beiden Alternativen vorliegt. Diese Tatsachenbewertung der Tarifvertragsparteien ist von den Gerichten zu respektieren. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt nicht vor.
c) Der Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlich gewährten Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 12,5 % und dem zu zahlenden in Höhe von 20 % beläuft sich für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 1993 unstreitig auf 100,35 DM.
II. Für die montags bis einschließlich samstags anfallende Feiertagsarbeit steht dem Kläger nicht ein Zuschlag in Höhe von 100 %, wie die Beklagte angenommen hat, sondern ein Zuschlag in Höhe von 150 % zu. Der Zuschlag von weiteren 50 % für die im Jahre 1993 am Ostermontag geleistete Feiertagsarbeit beträgt unstreitig 138,31 DM brutto. Die Höhe des dem Kläger für Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag noch zustehenden Feiertagszuschlags hat das Landesarbeitsgericht noch aufzuklären.
1. Nach § 7 Nr. 1.1 Buchst. g und h MTV hängt die Höhe des Zuschlags davon ab, ob die Feiertagsarbeit auf einen Wochentag fällt, an dem im Betrieb regelmäßig gearbeitet wird (150 % Zuschlag) oder regelmäßig nicht gearbeitet wird (100 % Zuschlag). Im Betrieb der Beklagten wird werktags regelmäßig gearbeitet. Unerheblich ist es, daß der Kläger und die Wochenendschichtarbeiter in der Regel montags bis donnerstags nicht arbeiten mußten. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht auf die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Klägers oder der Wochenendschichtarbeiter an.
a) Soweit der MTV auf die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers abstellt, hat er dies ausdrücklich so formuliert (vgl. u.a. § 2 Nr. 2.1, § 3 Nr. 1.2 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1.2.2 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1.5, Nr. 4.1, Nr. 4.4 Satz 1, Nr. 4.5 Satz 1, § 5 Nr. 1 Satz 2, § 6 Nr. 1 Abs. 1). Die Zuschlagsregelungen knüpfen in § 7 Nr. 3.7 Satz 1 ebenfalls an die „individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit” an. Dagegen haben die Tarifvertragsparteien diese Formulierung bei der Zuschlagsregelung für die Arbeit an Wochenfeiertagen (§ 7 Nr. 1.1 Buchst. g und h MTV) nicht übernommen, sondern die regelmäßige Arbeit „im Betrieb” ohne Einschränkung für maßgeblich erklärt. Weder sind Arbeitnehmergruppen mit besonderen Arbeitszeiten, wie etwa Teilzeitkräfte, ausgeklammert worden noch sind für sie Sonderregelungen zum Feiertagszuschlag geschaffen worden.
b) Der tarifvertragliche Zweck des erhöhten Feiertagszuschlags gebietet keine einschränkende Auslegung (teleologische Reduktion) des § 7 Nr. 1.1 Buchst. g MTV. Sinn und Zweck einer tariflichen Regelung sind insbesondere dem Wortlaut und der Systematik des Tarifvertrags zu entnehmen. Nach § 7 Nr. 1.1 Buchst. g und h MTV kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer ohne die Feiertagsarbeit einen Anspruch auf Feiertagsvergütung nach dem Feiertagslohnzahlungsgesetz (nunmehr § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz) gehabt hätte. Es genügt, daß nach den regelmäßigen Arbeitszeiten im Betrieb entweder bei den an einem Wochenfeiertag eingesetzten Arbeitnehmern selbst oder bei ihren Arbeitskollegen ein feiertagsbedingter Arbeitsausfall möglich ist. Wie sich aus der tarifvertraglichen Ausgestaltung ergibt, berücksichtigt der erhöhte Zuschlag nach § 7 Nr. 1.1 Buchst. g MTV, daß Arbeiten verrichtet werden, deren Ausfall Vergütungsansprüche ohne Arbeitsleistung auslösen würde. Dementsprechend steht auch den Arbeitnehmern ein erhöhter Zuschlag zu, die einen feiertagsbedingten Ausfall von Arbeitskräften überbrücken. Der Anreiz zur Übernahme derartiger Tätigkeiten wurde mit der vorliegenden Zuschlagsregelung verstärkt.
c) Unerheblich ist es, wenn die Produktion an bestimmten Tagen – im vorliegenden Fall samstags – nur eingeschränkt fortgeführt wird. Nach dem Wortlaut des § 7 Nr. 1.1 Buchst. g und h MTV kommt es nicht darauf an, ob der Wochentag, auf den der Feiertag fällt, für die Mehrzahl der Arbeitnehmer zur regelmäßigen Arbeitszeit zählt. Auch an einem Wochentag, an dem üblicherweise lediglich ein Teil der Belegschaft tätig ist, wird „im Betrieb regelmäßig gearbeitet”. Soweit an einem solchen Wochentag feiertagsbedingte Arbeitsausfälle durch Feiertagsarbeit vermieden werden, entspricht es dem Sinn und Zweck des § 7 Nr. 1.1 Buchst. g MTV, daß die eingesetzten Arbeitnehmer Anspruch auf den erhöhten Zuschlag haben.
2. Für die Arbeit an Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen, steht dem Kläger nicht der geforderte Zuschlag in Höhe von 150 %, sondern lediglich der gezahlte Zuschlag in Höhe von 100 % zu. Der Zuschlagsanspruch des Klägers für Ostersonntag und Pfingstsonntag 1993 ist demgemäß bereits erfüllt und damit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
a) Auf § 7 Nr. 1.1 Buchst. g MTV kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht stützen. Sonntage sind keine Wochentage i.S. dieser Tarifvorschrift.
aa) Der Tarifwortlaut spricht mehr gegen als für die Einbeziehung der auf einen Sonntag fallenden Feiertage. Nach dem überwiegenden Sprachgebrauch sind unter Wochentagen alle Kalendertage mit Ausnahme der Sonntage zu verstehen (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 6, S. 765; Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., S. 1750). Allerdings ist der Wortlaut nicht eindeutig, weil unter Wochentagen teilweise auch alle sieben Tage der Woche verstanden werden (vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band 30, S. 954) und der Tarifvertrag für die Tage Montag bis Samstag auch den Ausdruck Werktage verwendet. Der Gesamtzusammenhang führt jedoch zu einem klaren Auslegungsergebnis.
bb) § 7 Nr. 1.1 Buchst. g und h MTV sprechen nicht von „Kalendertagen” oder ohne Einschränkung von „Tagen”, sondern erfassen mit dem Ausdruck „Wochentage” ebenso wie in §§ 7 Nr. 1.3 mit dem Ausdruck „Wochenfeiertage” nur einen Teil der Feiertage. Für die Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen, enthält § 7 Nr. 1.1 Buchst. i MTV eine eigenständige Zuschlagsregelung. Bei Sonntagsfeiertagen wird nicht darauf abgestellt, ob im Betrieb regelmäßig gearbeitet oder nicht gearbeitet wird. Der Zuschlag beträgt einheitlich 100 %.
b) Diese tarifliche Zuschlagsregelung ist wirksam. Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle. Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben. Sie haben lediglich zu kontrollieren, ob die Grenzen der Tarifautonomie überschritten sind. Tarifverträge sind von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das Grundgesetz und zwingendes Gesetzesrecht verstoßen (BAG Urteil vom 12. Februar 1992 – 7 AZR 100/91 – AP Nr. 5 zu § 620 BGB Altersgrenze, zu III 1 der Gründe; BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 5. Dezember 1995 – 3 AZR 226/95 –, n.v., zu B I 3 c der Gründe, jeweils m.w.N.). Ein derartiger Verstoß liegt nicht vor.
aa) Auch die Tarifvertragsparteien sind an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden, der Teil der objektiven Wertordnung ist und als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht (vgl. u.a. BVerfGE 21, 362, 372 = AP Nr. 9 zu § 1542 RVO, zu B II 3 a der Gründe). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn im wesentlichen gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden (vgl. u.a. BVerfGE 25, 198, 205; 25, 314, 321; 31, 101, 109; 36, 321, 328; 40, 65, 85; 49, 280, 283). Für die unterschiedliche Behandlung der Wochenfeiertage und der Sonntagsfeiertage gibt es vertretbare Gründe. Der Senat hat nicht zu prüfen, ob eine andere Regelung gerechter gewesen wäre.
bb) Der erhöhte Zuschlag nach § 7 Nr. 1.1 Buchst. g MTV setzt voraus, daß an diesem Wochentag im Betrieb regelmäßig gearbeitet wird. Regelmäßige Sonntagsarbeit wollen die Tarifvertragsparteien jedoch möglichst verhindern. Um die Einhaltung der Sonntagsruhe weitestgehend zu sichern, können die Tarifvertragsparteien die Arbeit an Sonntagen einschränken und von erhöhten Zuschlägen absehen, um einen zusätzlichen Anreiz zur Sonntagsarbeit zu vermeiden.
c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf einen Zuschlag von 150 % für die Arbeit an Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat nicht zwischen Feiertagsarbeit an Sonntagen und Feiertagsarbeit von Montag bis einschließlich Samstag unterschieden. Der Schichtleiter R, auf dessen Rechtsstreit mit der Beklagten das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, verlangte den erhöhten Zuschlag von 150 % ausdrücklich nur für die Feiertage von Montag bis einschließlich Donnerstag, nicht aber für die auf einen Sonntag fallenden Feiertage, obwohl die Beklagte seit 1. April 1993 den Zuschlag von 150 % ausschließlich für die Feiertage gewährt, die auf einen Freitag oder Samstag fallen. Herr R begnügte sich bei Feiertagsarbeit an Sonntagen mit einem Zuschlag von 100 % und behauptete nicht, daß die Beklagte bisher auch bei sonntäglicher Feiertagsarbeit einen Zuschlag von 150 % zahlte. Eine Differenzierung zwischen Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen, und den übrigen Feiertagen enthalten auch die Schreiben des Klägers vom 12. Juni 1993 und vom 18. Juli 1993, mit denen er seine Ansprüche auf höhere Zuschläge geltend machte. In diesen Schreiben wandte er sich jeweils in Nr. 1 gegen die „einseitig vorgenommene Kürzung des Feiertagszuschlages für Ostermontag” bzw. „für Himmelfahrt und Pfingstmontag”. In Nr. 2 machte er „weiterhin einen Anspruch in Höhe von 150 % für Ostersonntag” bzw. „für Pfingstsonntag” unter Hinweis auf die tariflichen Regelungen geltend.
bb) Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen nicht auf arbeitsvertragliche Anspruchsgrundlagen für einen erhöhten Zuschlag bei sonntäglicher Feiertagsarbeit berufen. Das Landesarbeitsgericht hatte zwar von sich aus alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Dem Sachvortrag des Klägers läßt sich aber nicht entnehmen, daß die Parteien für die Feiertagsarbeit an Sonntagen einen übertariflichen Zuschlag vereinbarten oder eine entsprechende Betriebsübung bestand. Selbst wenn die Beklagte bis einschließlich 31. März 1993 auch bei Arbeiten an Feiertagen, die auf einen Sonntag fielen, einen Zuschlag von 150 % gewährt hätte, würde dies allein noch nicht zu einer arbeitsvertraglichen, übertariflichen Zahlungspflicht führen. Eine betriebliche Übung setzt ein Verhalten des Arbeitgebers voraus, das auf einen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen schließen läßt (vgl. BAGE 23, 213, 220 f. = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 2 b der Gründe; BAGE 49, 290, 295 = AP Nr. 22 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 2 a der Gründe; BAGE 59, 73, 84 f. = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3 a der Gründe, m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, daß der Kläger dafür darlegungs- und beweispflichtig ist. Die Beklagte hat behauptet, sie habe lediglich die tariflichen Leistungen gewähren wollen und den höheren Zuschlag aufgrund eines Irrtums bei der Tarifauslegung gezahlt. Der Kläger hat dies nicht bestritten.
Glaubt der Arbeitgeber einer tariflichen Verpflichtung nachzukommen und ist für den Arbeitnehmer erkennbar, daß der Arbeitgeber sich nur normgemäß verhalten will, so fehlt der für eine betriebliche Übung erforderliche rechtsgeschäftliche Verpflichtungstatbestand (vgl. BAG Urteil vom 13. August 1980 – 5 AZR 325/78 – AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972, zu III 1 a der Gründe; BAGE 38, 291, 295 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn; BAG Urteil vom 26. August 1987 – 4 AZR 155/87 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Brotindustrie; BAGE 73, 191, 199 f. = AP Nr. 3 zu § 12 AVR Diakonisches Werk, zu II 2 c der Gründe). Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß er annehmen durfte, die Beklagte zahle den erhöhten Zuschlag unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen. Wie die divergierenden Tarifauskünfte zeigen, bestanden Auslegungsschwierigkeiten, so daß bei Zahlung des höheren Zuschlages eine Fehlinterpretation des Tarifvertrages nicht auszuschließen war und nicht ohne weiteres von einer freiwilligen, übertariflichen Zahlung ausgegangen werden konnte. Der Kläger hätte darlegen müssen, aus welchen Verhaltensweisen der Beklagten und welchen Umständen er darauf schließen durfte, daß die Beklagte nicht nur ihren tariflichen Pflichten nachkommen, sondern sich zu einer übertariflichen Leistung verpflichten wollte. Ein derartiger Sachvortrag fehlt.
3. Der Kläger hat für Christi Himmelfahrt, Pfingstsonntag und Pfingstmontag 1993 einen Betrag von insgesamt 417,06 DM eingeklagt. Für Pfingstsonntag steht ihm jedoch kein weiterer Feiertagszuschlag zu. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil läßt sich der auf diesen Tag entfallende Teilbetrag nicht herausrechnen. Dies hat das Landesarbeitsgericht nachzuholen.
Unterschriften
Kremhelmer, Mikosch, Richter Bepler ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert. Kremhelmer, Schwarze, Hofmann
Fundstellen