Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Arbeiters im Gesundheitswesen

 

Normenkette

MTL II § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 09.03.1995; Aktenzeichen 12 Sa 2057/93)

ArbG Münster (Urteil vom 08.10.1993; Aktenzeichen 4 Ca 2314/92)

 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. März 1995 – 12 Sa 2057/93 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 8. Oktober 1993 – 4 Ca 2314/92 – wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung und der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Entlohnung des Klägers für die Zeit von Oktober 1990 bis September 1992.

Der Kläger absolvierte in den Jahren 1973 bis 1975 eine Fernmeldeinstallateurlehre. Nach Erlangung der Fachoberschulreife ließ er sich in den Jahren 1976 bis 1979 zum Radio- und Fernmeldetechniker ausbilden. Von Oktober 1979 bis Februar 1980 nahm er bei der Handwerkskammer Münster an einem Grundlehrgang I „Elektrotechnische Grundlagen der Elektronik” teil. Der Kläger trat im Jahre 1981 in die Dienste des beklagten Landes. Er wurde als Förderanlagentechniker bei der Technischen Abteilung der Verwaltung der Kliniken und der Medizinischen Institute der W.-Universität M. eingestellt. Arbeitsvertraglich wurde die Geltung der jeweiligen Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Länder (MTL II) vereinbart. Seit Oktober 1992 wird der Kläger als Angestellter der Klinikverwaltung weiterbeschäftigt und nach der VergGr. IV b BAT vergütet. Der Kläger gehörte bis einschließlich September 1992 der Gruppe Fördertechnik an, die vorrangig die AWT-Anlage und außerdem die Rohrpostanlage im Schichtdienst betreut. Der Kläger war seit Januar 1986 zum Vorarbeiter bestellt worden. In dieser Funktion waren ihm auch die beiden Meister der Gruppe unterstellt. Seit März 1991 wurde er zum Vertreter des Leiters der Gruppe in Abwesenheitsfällen bestimmt.

Bei der AWT-Anlage handelt es sich um eine automatische Warentransportanlage, mit der Versorgungsgüter für vier Gebäudekomplexe des Klinikums (Zahnklinik, Versorgungstrakt und zwei sog. Bettentürme einschließlich der OP-Trakte) befördert werden. Mit ihr werden diese Bereiche mit Patientenverpflegung versorgt und Wäsche und Müll befördert. Außerdem werden medizinischer Fachbedarf und Medikamente transportiert. Die Anlage besteht hauptsächlich aus Aufzügen, Hängebahnen und der Prozeßsteuerung.

Die in der Universitätsklinik eingesetzte vollautomatische Rohrpostanlage verbindet die Zahn-, Mund- und Kieferklinik und das Versorgungszentrum mit dem Zentralgebäude einschließlich der sog. Bettentürme und befördert sämtliche Schriftstücke.

Der Kläger besuchte auf Veranlassung der Klinikenverwaltung im Sommersemester 1983 an der Universität einen Pascal-Programmierkurs (18 Stunden) und eine Vorlesung über Mikroprozessoren (22 Stunden). Zuvor hatte der Kläger bereits im Wintersemester 1982/1983 an einer Vorlesung „Einführung in die EDV” des Rechenzentrums der Universität teilgenommen (ca. 20 Stunden). Ab 1985 nahm er an einer betriebsinternen Fortbildung der Firma Siemens für Bedienung, Instandsetzung und Steuerung des AWT-Hängebahnsystems und Siemensgroßrechner teil. Im August 1991 absolvierte der Kläger einen einwöchigen Volkshochschulkurs „Betriebssystem MS-DOS”.

Im Zuge des Änderungstarifvertrages vom 24. April 1991 zum Lohngruppenverzeichnis zum MTL II, mit dem rückwirkend zum 1. Oktober 1990 die Lohngruppen geändert wurden, wurde der Kläger mit Vertrag vom 9. September 1991 ab 1. Oktober 1990 von der Lohngruppe VIII a a.F. in die Lohngruppe 7 a n.F. umgruppiert. Im Oktober 1991 beantragte der Kläger rückwirkend zum 1. Oktober 1990 die Einreihung in die Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1 MTL II. Das beklagte Land lehnte eine Höhergruppierung ab, weil der Kläger nicht die persönlichen Voraussetzungen dieser Lohngruppe erfülle. Der Kläger habe keine zusätzliche fachliche Fortbildung erhalten.

Der Kläger hat die gegenteilige Ansicht vertreten und im einzelnen dargetan, die zusätzliche fachliche Fortbildung ergebe sich aus dem näher erörterten fachlichen Inhalt der von ihm besuchten Kurse und Lehrgänge, sowie der intensiven betriebsinternen Fortbildung bei der Firma Siemens.

Der Kläger hat beantragt,

das das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit von Oktober 1990 bis September 1992 einschließlich eine Vergütung der Lohngruppe 9, Fallgruppe 18.1 MTL II zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keine Spezialanlage im Sinne der Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1 betreut. Bei der AWT-Anlage und der Rohrpostanlage handelt es sich nicht um eine speziell auf die Erfordernisse eines Krankenhauses der Maximalversorgung zugeschnittenen Einrichtung. Deshalb fehle dem Kläger auch insoweit eine zusätzliche fachliche Fortbildung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Klageabweisung. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz zur Klageabweisung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des Einreihungsmerkmals der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 MTL II. Der Kläger betreue nach zusätzlicher fachlicher Fortbildung die zentrale AWT-Anlage sowie die vollautomatische Rohrpostanlage. Beides seien Spezialeinrichtungen in einem Krankenhaus der Maximalversorgung.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand.

II. Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 21 Abs. 1 MTL II i.V.m. § 2 Abs. 1 des TV über das Lohngruppenverzeichnis zum MTL, wonach für die Einreihung in die Lohngruppe die mit mindestens der Hälfte der vergleichbaren regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszuübende Tätigkeit maßgebend ist. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des Einreihungsmerkmals der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 MTL II, die wie folgt lautet:

„18. Im Gesundheitswesen

18.1 Arbeiter der Lohngruppe 4 Nr. 1 mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägig anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens 3 Jahren (z.B. Elektromechaniker, Energieelektroniker, Kälteanlagenbauer, Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, Meß- und Regelmechaniker) mit Meisterbrief oder mit einer zusätzlichen fachlichen Fortbildung, die verschiedene Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen (z.B. zentrale Sauerstoffanlagen, zentrale Vakuumanlagen, zentrale Lachgasanlagen, zentrale Druckluftanlagen, zentrale Sterilisationsanlagen, zentrale Destillieranlagen, zentrale Meß-, Steuer- und Regelanlagen für Klima- und Kälteanlagen in Krankenhäusern der Maximalversorgung) warten, instand setzen, die Betriebsbereitschaft gewährleisten und in der Lage sind, die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen.

…”

1. Der Kläger betreut keine Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlagen im Sinne dieser Tarifnorm.

Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1996 (- 4 AZR 247/95 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) den Tarifbegriff, Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen im Sinne des Einreihungsmerkmals der Fallgruppe 18.1 dahin ausgelegt, daß es sich um Einrichtungen und Anlagen handeln muß, die speziell medizinisch/klinischen Zweckes dienen müssen. Diesem aus dem Oberbegriff Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlagen und den in dem Klammerzusatz angeführten Beispielen sonstiger zentraler Anlagen gewonnenen Auslegungsergebnis einschließlich deren ausführliche Begründung schließt sich der erkennende Senat voll inhaltlich an. Insoweit wird auf die Entscheidung des Vierten Senats Bezug genommen (vgl. auch Urteil des Senats vom 16. April 1997 - 10 AZR 343/95 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen.

Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1996 (- 4 AZR 247/95 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) den Tarifbegriff, Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen im Sinne des Einreihungsmerkmals der Fallgruppe 18.1 dahin ausgelegt, daß es sich um Einrichtungen und Anlagen handeln muß, die speziell medizinisch/klinischen Zweckes dienen müssen. Diesem aus dem Oberbegriff Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlagen und den in dem Klammerzusatz angeführten Beispielen sonstiger zentraler Anlagen gewonnenen Auslegungsergebnis einschließlich deren ausführliche Begründung schließt sich der erkennende Senat voll inhaltlich an. Insoweit wird auf die Entscheidung des Vierten Senats Bezug genommen (vgl. auch Urteil des Senats vom 16. April 1997 - 10 AZR 343/95 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Bei diesem Inhalt des Tarifbegriffs Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlage dienen die AWT-Anlage und die Rohrpostanlage jedoch nicht der medizinischen Versorgung. Es fehlt an einer krankenhausspezifischen klinischen Zweckbestimmung. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden mit der AWT-Anlage vier verschiedene Klinikbereiche mit Patientenverpflegung versorgt. Es werden Wäsche und Müll befördert. Darüber hinaus werden medizinischer Fachbedarf und Medikamente transportiert. Die Rohrpostanlage befördert Schriftstücke von dem Zentralbereich zu verschiedenen Kliniken und umgekehrt. Die AWT-Anlage und die Rohrpostanlage sind damit keine Spezialanlagen im vorstehend erörterten Sinne (so auch BAG Urteil vom 18. Dezember 1996, aaO, unter Ziffer 4.3.4 und 5.). Sie dienen - auch soweit mit der AWT-Anlage Medikamente und medizinischer Fachbedarf befördert werden - nicht speziell medizinischen Zwecken. Sie sind vielmehr zur Ver- und Entsorgung von Transportgütern sowie zur Beförderung von Schriftstücken beliebiger Art ausgelegt. Zur medizinischen Versorgung bedarf es dieser Einrichtungen nicht zwingend. Die Versorgung der krankenhaustypischen Bereiche mit medizinischem Fachbedarf kann auch vorübergehend auf herkömmliche Weise erledigt werden. Ein funktionsfähiger Krankenhausbetrieb ist somit auch in einem Krankenhaus der Maximalversorgung nicht unabdingbar auf eine AWT-Anlage bzw. eine Rohrpostanlage angewiesen.

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger auch keine zusätzliche fachliche Fortbildung im Sinne dieser Tarifnorm erhalten. Es kann dahingestellt bleiben, welche einzelnen Voraussetzungen beim Tatbestandsmerkmal "zusätzliche fachliche Fortbildung" gegeben sein müssen (vgl. dazu z.B. BAG Urteil vom 10. Juli 1996 - 4 AZR 759/94 - AP Nr. 2 zu § 17 TV Arb Bundespost). Vorliegend fehlt es an einer entsprechenden fachlichen Fortbildung des Klägers, weil die AWT-Anlage und die Rohrpostanlage, an denen er fortgebildet worden ist, nicht spezifisch klinischen Belangen dient.

III. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1102135

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge