Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbau einer planwidrigen Überversorgung
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zum Urteil vom 28. Juli 1998 – 3 AZR 100/98 –, zur Veröffentlichung vorgesehen
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 2 Abs. 1, 5; BGB § 242; BetrVG §§ 76-77, 87 Abs. 1 Nr. 10; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 16. Dezember 1997 – 9 (4) Sa 784/97 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Betriebsrente richtig berechnet ist, insbesondere welche Gesamtversorgungsobergrenzen auf die Versorgungsansprüche des Klägers anzuwenden sind.
Der am 14. November 1944 geborene Kläger war vom 1. April 1959 bis zum 31. Mai 1994 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Die Beklagte hatte im Jahre 1951 eine betriebliche Versorgung eingeführt, die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten umfaßte. Die Alters- und Invaliditätsrente der Angestellten betrug nach einer Wartezeit von zehn Jahren 15 % des letzten Grundgehalts. Der Steigerungssatz belief sich für jedes weitere Dienstjahr auf 1 %. Durch die Rentenreform des Jahres 1957 erhöhten sich die meisten Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich. Daraufhin nahm die Beklagte in ihre ab 1. Januar 1958 geltenden Richtlinien (RL 58) Gesamtversorgungsobergrenzen auf. Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren durften die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersversorgung insgesamt nur 65 % des letzten Grundgehalts betragen. Dieser Prozentsatz erhöhte sich für jedes weitere Dienstjahr um 0,75 % bis zu höchstens 80 % bei 45 Dienstjahren. Diese Vorschriften wurden unverändert in die Versorgungsrichtlinien vom 6. Mai 1968 (RL 68) übernommen.
Die Beklagte schloß dieses Versorgungswerk zum 31. Dezember 1973 für neu eintretende Arbeitnehmer. Für sie wurden ungünstigere Versorgungsregelungen geschaffen. Den vorher eingestellten Arbeitnehmern teilte die Beklagte mit Schreiben vom 12. Dezember 1974 „zur Wahrung Ihres Besitzstandes” mit, daß sich ihre Altersversorgung nach den Bestimmungen der Richtlinien vom 6. Mai 1968 richte. Seit 1980 versuchte die Beklagte mehrfach, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die in den RL 68 enthaltenen Gesamtversorgungsobergrenzen entsprechend der Entwicklung der Nettoarbeitseinkommen abzuändern. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung. Im April 1993 errichtete das Arbeitsgericht Köln auf Antrag der Beklagten eine Einigungsstelle. Die Einigungsstelle beschloß am 4. Dezember 1993, Abschnitt VIII B 2 a und b RL 68 wie folgt zu ändern:
„2.a) Die Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Versorgung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie folgt begrenzt:
Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf 59 % des letzten Grundgehaltes. Für jedes weitere Dienstjahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,6 % bis zu höchstens 71 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf freiwilliger Höherversicherung oder freiwilliger Weiterversorgung beruhen, bleiben unberücksichtigt.
2.b) Unabhängig von der Bestimmung in 2.a) wird die betriebliche Rente in jedem Falle mit einem Mindestrentenbetrag in Höhe von 40 % der gemäß 1. ermittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente gewährt; sie darf jedoch zusammen mit der Sozialversicherungsrente 100 % des pensionsfähigen Nettoentgelts nicht überschreiten.”
Aufgrund dieses Spruchs errechnete die Beklagte eine monatliche Betriebsrente des Klägers in Höhe von 688,00 DM.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 1.014,63 DM zu. Die früheren Gesamtversorgungsobergrenzen seien unverändert anzuwenden. Ihre Geschäftsgrundlage sei nicht weggefallen. Die Neuregelung sei auch nicht angemessen.
Der Kläger hat beantragt festzustellen,
daß ihm über die von der Beklagten berechnete Betriebsrentenanwartschaft von 688,00 DM hinaus insgesamt 1.014,66 DM monatlich Betriebsrente ab Eintritt des Versorgungsfalles 65. Lebensjahr am 14. November 2009 zusteht.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Gesamtversorgungsobergrenze sei auch gegenüber dem Kläger wirksam geändert worden. Eine planwidrige Überversorgung habe vorgelegen. Die von der Einigungsstelle beschlossene Anpassungsregelung sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht keine höhere Versorgungsanwartschaft zu.
A. Die Klage ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Bereits mit dem Entstehen einer Versorgungsanwartschaft wird ein betriebsrentenrechtliches Rechtsverhältnis begründet (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 239 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu A III 1 der Gründe; Urteil vom 26. August 1997 – 3 AZR 235/96 – AP Nr. 27 zu § 1 BetrAVG Ablösung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu A I der Gründe). Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Inhalts und Umfangs seiner Versorgungsrechte, damit er frühzeitig etwa bestehende Versorgungslücken schließen kann (vgl. u.a. BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 –, aaO, zu A III 2 a der Gründe; Urteil vom 27. Januar 1998 – 3 AZR 444/96 – AP Nr. 38 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu I der Gründe).
B. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann nach Vollendung des 65. Lebensjahrs nur die von der Beklagten errechnete Betriebsrente von monatlich 688,00 DM verlangen.
I. Die Beklagte hat zu Recht die von der Einigungsstelle beschlossene Gesamtversorgungsobergrenze angewandt. Die Änderung der Versorgungsordnung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die Frage, ob der Spruch der Einigungsstelle wirksam ist, war bereits Gegenstand des Beschlußverfahrens (– 3 ABR 21/95 – AP Nr. 4 zu § 83 a ArbGG 1979). Das Arbeitsgericht hatte dem Antrag des Betriebsrats, die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festzustellen, nur insoweit stattgegeben, als Abschnitt VIII B 2 b (Mindestversorgung) geändert worden ist. Auf die Beschwerde der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats insgesamt abgewiesen. Der Senat hat die nach Ausscheiden des letzten Betriebsratsmitglieds eingelegte Rechtsbeschwerde mit Beschluß vom 27. August 1996 (– 3 ABR 21/95 –, aaO) als unzulässig verworfen. In den Gründen (aaO, zu B II 3 der Gründe) hat er offengelassen, ob dadurch der Beschluß des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig geworden ist. Auch im vorliegenden Rechtsstreit kommt es nicht darauf an. Ebensowenig spielt es eine Rolle, wie weit die Bindungswirkung reichen würde. Das Landesarbeitsgericht hatte richtig entschieden. Die Einigungsstelle durfte die Gesamtversorgungsobergrenzen absenken.
a) Unschädlich ist es, daß der Spruch der Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung ersetzte und in Rechte aus einer Gesamtzusage eingriff. Die Gesamtzusage ist zwar der einzelvertraglichen Ebene zuzuordnen. Das Günstigkeitsprinzip steht aber einer Betriebsvereinbarung nicht entgegen, soweit die Geschäftsgrundlage der Versorgungszusage weggefallen ist und damit die bisherigen Versorgungsregelungen vertragsrechtlich nicht mehr geschützt sind (vgl. BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 75 f. = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C IV 2 und 3 der Gründe). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Entwicklung der Steuern und Sozialversicherungsabgaben hatte zu einer planwidrigen Überversorgung geführt.
b) Ob eine planwidrige Überversorgung vorliegt, hängt von dem in der jeweiligen Versorgungsordnung angestrebten Versorgungsgrad ab. Gesamtversorgungssysteme können auf eine geringfügige Aufstockung der Sozialversicherungsrenten, die Erhaltung des im aktiven Dienst erreichten Lebensstandards oder eine darüber hinausgehende Versorgung ausgerichtet sein. Wenn der Arbeitgeber eine Überversorgung vertraglich verspricht, muß er sie erbringen, ohne sich auf veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen berufen zu können (BAG Urteile vom 30. Oktober 1984 – 3 AZR 236/82 – BAGE 47, 130, 136 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung, zu II 1 c der Gründe und vom 23. Oktober 1990 – 3 AZR 260/89 – BAGE 66, 145, 151 f. = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 2 a und b der Gründe). Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber die Überversorgung nicht bewußt in Kauf genommen, sondern lediglich eine Vollversorgung angestrebt.
aa) Wenn die Versorgungszusage nicht auf einer individuellen Vereinbarung, sondern auf einer allgemeinen Versorgungsordnung beruht, kommt es für die Feststellung des Versorgungszieles auf den Zeitpunkt an, in dem das Versorgungssystem geschaffen worden ist. Bei einer Gesamtzusage ist auf deren Erteilung und nicht auf den Beginn des einzelnen Arbeitsverhältnisses abzustellen. Sie hat für alle angesprochenen Arbeitnehmer den gleichen Inhalt und die gleiche Bedeutung.
bb) Die RL 58 führten eine Gesamtversorgungsobergrenze ein. Aus ihr ergibt sich, daß die Betriebsrenten lediglich die Sozialversicherungsrenten ergänzen und den bisherigen Lebensstandard in einem gewissen, von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängigen Umfang gewährleisten sollten. Bei einer Überschreitung der Gesamtversorgungsobergrenze war die Betriebsrente zu kürzen. Durch diese Ausgestaltung der Versorgungsordnung wurde der Versorgungsbedarf in den Vordergrund gestellt. Er richtete sich nach dem Einkommen, das die Betriebsrentner als aktive Arbeitnehmer erzielt hatten. Eine geplante Überversorgung läßt sich weder den RL 58 noch den Begleitumständen entnehmen.
(1) Als die Rentenreform 1957 zu deutlichen Erhöhungen der gesetzlichen Renten führte, nahm die Beklagte in die RL 58 Gesamtversorgungsobergrenzen auf. Daraus ergibt sich, daß die Beklagte die Betriebsrentner nicht besser stellen wollte als die aktiven Arbeitnehmer, sondern allenfalls den bisherigen Lebensstandard aufrecht erhalten wollte. Die in den RL 58 eingeführte Gesamtversorgungsobergrenze entsprach diesem Versorgungsziel. Damals erschien ein Abschlag von 20 % vom Bruttoarbeitsverdienst als ausreichend, um die Abgabenbelastung auszugleichen, die auf die Arbeitsverdienste vergleichbarer Arbeitnehmer entfiel. Im Urteil vom 10. April 1962 (– 3 AZR 346/61 – BAGE 13, 70, 77 = AP Nr. 83 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu III 3 der Gründe) und im Beschluß vom 8. Dezember 1981 (– 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 341 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b (1) der Gründe) hat das Bundesarbeitsgericht eine Bruttolohnquote von 85 % als geeignete, äußerste Grenze einer Vollversorgung angesehen. Dies entspricht den allgemein zugänglichen statistischen Erkenntnissen, die zu den offenkundigen Tatsachen i. S. d. § 291 ZPO gehören. Im Jahre 1958 lag das Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit bei 85,1 % (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1964 Abschnitt XXIII 9, S. 554). Die Gesamtversorgungsobergrenze der RL 58 von 80 % lag sogar darunter. Damit trug die Beklagte der Vergütungsstruktur des erfaßten Arbeitnehmerkreises Rechnung.
(2) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß die Versorgungsordnung einen generalisierenden und pauschalierenden Maßstab anwenden darf. Unerheblich ist es, wenn bereits 1958 in fünf Fällen die Steuern und Sozialversicherungsabgaben insgesamt über 20 % lagen. Der gewählte Prozentsatz baute auf einer Schätzung auf, die auf den Regelfall zugeschnitten war. Die Pauschalierung konnte zwar – im Gegensatz zu einer rechnerisch exakten Ermittlung der jeweils letzten Nettoeinkünfte – zu Unter- oder Überversorgungen führen. Dies ändert aber nichts an dem Ziel, die Arbeitnehmer bei Eintritt in den Ruhestand vor Einbrüchen im Lebensstandard zu schützen (vgl. BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 395 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 b (1) der Gründe).
(3) Soweit die RL 58/68 eine Mindestrente von 40 % vorsahen, haben sie allenfalls eine engbegrenzte Überversorgung in Kauf genommen. Der später eingetretene Umfang der Überversorgung war planwidrig. Auch die Mindestversorgung durfte der zwischenzeitlichen Entwicklung angepaßt werden.
(4) Die Beibehaltung der Obergrenze von 80 % des Bruttogehalts in den RL 68 besagt nicht, daß die Beklagte seither Überversorgungen hinnehmen wollte. Schweigen und Untätigkeit enthalten nur in Ausnahmefällen eine Willenserklärung. Soweit Regelungen unverändert bleiben, behalten sie grundsätzlich ihren bisherigen Inhalt. Aus einer planwidrigen Überversorgung wird nicht ohne weiteres eine zugesagte. Eine derartige Umgestaltung der Versorgungsregelung hätte eine entsprechende Änderung der Gesamtzusage vorausgesetzt. Die Beklagte hat keine solche Willenserklärung abgegeben.
Im übrigen hatten sich in der Zeit von 1958 bis zum Erlaß der Richtlinien vom 6. Mai 1968 die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer nicht so erhöht, daß die Beklagte von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgehen mußte. Während die Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit im Jahre 1958 bei 85,1 % des Bruttoverdienstes lagen, beliefen sie sich im Jahre 1967 auf 81,6 % und im Jahre 1968 auf 80,4 % (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1969 Abschnitt XXIV 9, S. 503).
cc) Die weitere Entwicklung der gesetzlichen Abzüge führte zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Während sich bei den Arbeitseinkommen der aktiven Arbeitnehmer die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge seit 1958/68 laufend erhöhten, stiegen die Steuern und Sozialversicherungsabgaben der Betriebsrentner nicht in entsprechendem Umfang. Die durchschnittlichen Abzüge beliefen sich 1991 auf insgesamt 31,5 % der Bruttoarbeitsentgelte, so daß die durchschnittlichen Nettoverdienste auf 68,5 % sanken (Essig/Strohm, Wirtschaft und Statistik, 1991, 577, 591). Diese Entwicklung hat sich auch im Jahre 1993 fortgesetzt (vgl. Tabellen in Wirtschaft und Statistik, 1995, 286). Vor allem die Auswirkungen der Steuerprogression und die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge führten dazu, daß die Nettoverdienstquote drastisch abnahm. Die Abzüge lagen um mehr als 50 % über dem Niveau von 1958/68. Überversorgungen waren nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Dies war mit dem Versorgungsziel, das den RL 58/68 zugrunde lag, nicht mehr zu vereinbaren.
c) Wie stark die Beklagte durch die unveränderte Fortzahlung der Betriebsrenten belastet würde, spielt keine Rolle. Der Abbau einer Überversorgung ist weder ein Fall der wirtschaftlichen Notlage noch ein Fall des unverhältnismäßigen Auseinanderklaffens von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzstörung), sondern ein Fall der Zweckverfehlung. Er hängt nicht von der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ab (vgl. BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 394 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 a der Gründe, m.w.N.).
2. Die von der Einigungsstelle beschlossene Änderung der Versorgungsordnung setzt die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage um und hält sich dabei in den rechtlich zulässigen Grenzen. Sie trägt den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit Rechnung.
a) Mit der Änderung der Gesamtversorgungsobergrenzen hat die Beklagte angemessen auf die zwischenzeitlich eingetretene Überversorgung reagiert. Der Abbau einer Überversorgung rechtfertigt grundsätzlich auch Eingriffe in den erdienten Besitzstand (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 340 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b der Gründe; Urteil vom 17. März 1987 – 3 AZR 64/84 – BAGE 54, 261, 273 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 c (1) der Gründe; Urteil vom 27. August 1996 – 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38, 54 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu IV 2 b der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Die geänderte Gesamtversorgungsobergrenze ist geeignet, die planwidrige Überversorgung zu beseitigen. Die Anpassungsregelung hält sich im Rahmen der Geschäftsgrundlage, die den RL 58/68 zugrunde lag.
aa) Die Gesamtversorgungsobergrenze wurde entsprechend der zwischenzeitlichen Entwicklung der Abgabenbelastung abgesenkt. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des Gesamtversorgungssystems. Es stellt auf den Versorgungsbedarf ab. Er hängt davon ab, welche Beträge den aktiven Arbeitnehmern zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts und ihrer persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung standen. Mit der Veränderung der Abgabenbelastung verändert sich auch der Versorgungsbedarf.
bb) Das verfügbare Arbeitseinkommen ist auch bei bruttolohnbezogenen Gesamtversorgungsobergrenzen entscheidend. Bruttoentgelt- und nettoentgeltbezogene Gesamtversorgungsobergrenzen dienen dem gleichen Ziel. Sie legen fest, in welchem Umfang der bisherige Lebensstandard abgesichert werden soll (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B II 3 c der Gründe). Je mehr bei den gesetzlichen Abgaben auf den Einzelfall abgestellt wird, desto genauer wird das Versorgungsziel erreicht. Andererseits ist der Verwaltungsaufwand um so größer, je mehr die individuellen Verhältnisse berücksichtigt werden. Versorgungsordnungen dürfen typisieren und pauschalieren, müssen es aber nicht. Für welchen Weg sich die Betriebspartner entscheiden, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage.
Die bruttoentgeltbezogene Gesamtversorgungsobergrenze in den RL 58/68 baute auf einer Schätzung auf. Sie konnte – gemessen an einer rechnerisch exakten Ermittlung der jeweiligen letzten Nettoeinkünfte – zu einer geringfügigen Unter- oder Überversorgung führen. Dies ändert nichts an dem Ziel, dem Arbeitnehmer mit Eintritt in den Ruhestand ein bedarfsorientiertes Einkommen zu sichern. Auch Nettoklauseln müssen nicht exakt, sondern nur annäherungsweise das Versorgungsziel erreichen (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 395 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 b (1) der Gründe). Im Spruch der Einigungsstelle ist das bisherige Versorgungssystem beibehalten und den veränderten Verhältnissen angepaßt worden.
cc) Die Einigungsstelle hat nicht nur die Abgabenentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern, sondern auch die Abgabenentwicklung bei den Betriebsrentnern berücksichtigt. Während im Jahre 1958 auf die Renten nahezu aller Arbeitnehmer fast keine Abgaben entfielen, müssen die Betriebsrentner nunmehr Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung leisten. Auf die Abgabenlast der Betriebsrentner hat die Einigungsstelle in ihrem Spruch vom 4. Dezember 1993 ausdrücklich hingewiesen und im Ergebnis auf die Nettorentenbezüge abgestellt. Die auf die Betriebsrenten entfallenden Abgaben wurden durch eine fünfprozentige Anhebung der zunächst vorgesehenen Steigerungssätze ausgeglichen. Diese Pauschalierung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
dd) Unerheblich ist es, wieviele Arbeitnehmer die höchstmögliche Beschäftigungsdauer von 45 Dienstjahren erreichen können. Bei geringeren Dienstzeiten sollte nach den RL 58/68 keine Vollversorgung, sondern ein geringerer Versorgungsgrad erreicht werden. Dieser ursprünglich vorgesehene Versorgungsgrad wird durch die Anpassungsregelung wiederhergestellt. Eine die Anpassungsbefugnis begründende „Überversorgung” kann auch insoweit vorliegen, als die Versorgungsordnung nur einen unterhalb der letzten Nettoeinkünfte liegenden Versorgungsgrad angestrebt hat und dieser Versorgungsgrad nunmehr aufgrund der Änderungen im Abgabenrecht planwidrig erheblich überschritten wird (BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B II 3 a der Gründe).
b) Das Vertrauen der Arbeitnehmer auf eine Gesamtversorgung von mehr als 100 % des Nettoeinkommens ist nicht schutzwürdig (ständige Rechtsprechung; BAG Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 340 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 der Gründe; Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 396 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 1 der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Es besteht kein Anlaß, diese Rechtsprechung zu ändern. Auch im vorliegenden Fall konnten die Begünstigten nicht darauf vertrauen, daß die Arbeitgeberin der Fehlentwicklung nicht mehr begegnen werde.
aa) Ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer hat der Senat selbst dann verneint, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er beabsichtige, den Altbestand von Versorgungsberechtigten auch künftig zu schonen. Solche Erwartungen müßten in rechtsverbindlicher Weise festgelegt werden, bei einer Betriebsvereinbarung etwa durch den Ausschluß der Kündigung (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 –, aaO, zu III 2 der Gründe). Die Beklagte hat sich zu keinem Zeitpunkt rechtsgeschäftlich verpflichtet, die Überversorgung beizubehalten. Selbst eine entsprechende Absichtserklärung fehlt.
bb) Ein Vertrauenstatbestand ergibt sich nicht daraus, daß die Gesamtversorgungsobergrenzen erst nach längerer Zeit angepaßt wurden (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Unter welchen Voraussetzungen eine Überversorgung vorliegt und abgebaut werden darf, wurde erst nach 1980 durch das Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen geklärt (vgl. BAG Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 342 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b (1) der Gründe; Urteil vom 9. Juli 1985 – 3 AZR 546/82 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu I 2 b der Gründe). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte seit 1980 mehrfach versucht, wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Überversorgung mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung über die Änderung der RL 68 zu schließen.
4. Eine einzelfallbezogene Angemessenheitsprüfung (konkrete Billigkeitskontrolle) kommt bei Überversorgungen nur in Ausnahmefällen in Betracht. Von einer besonderen Härte kann keine Rede sein, wenn die Gesamtversorgungsobergrenze auf das Niveau zurückgeführt wird, dessen Überschreitung schlechthin nicht schutzwürdig ist (BAG Urteil vom 23. Oktober 1990 – 3 AZR 260/89 – BAGE 66, 146, 154 = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu IV der Gründe). Selbst wenn der Kläger mit der Überversorgung gerechnet und sich hierauf eingestellt hat, verdient er keinen Schutz (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 398 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 3 der Gründe).
II. Die Beklagte ist bei der ratierlichen Kürzung der Versorgungsanwartschaft richtig vorgegangen. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis steht dem Arbeitnehmer nur ein Teilanspruch zu. Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG sind die in den Versorgungsrichtlinien festgelegten Gesamtversorgungsobergrenzen bereits bei der Berechnung dieses Teilanspruchs zu berücksichtigen. Sie sind nicht erst auf die zeitanteilig ermittelte Rente anzuwenden (BAG Urteil vom 12. November 1991 – 3 AZR 520/90 – BAGE 69, 19, 23 ff. = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 3 der Gründe).
1. Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG ist zunächst die Rente zu ermitteln, die dem Versorgungsberechtigten ohne das vorzeitige Ausscheiden zustünde. In diese Berechnung sind sämtliche Bemessungsgrundlagen einzubeziehen. § 2 BetrAVG enthält keine Einschränkungen, wenn Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind. Die gesetzliche Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob die Versorgungsordnung eine volle oder teilweise Anrechnung der Sozialversicherungsrenten auf die Betriebsrenten oder eine Begrenzung der Gesamtversorgung aus Betriebsrenten und Sozialversicherungsrenten vorsieht. Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG sollen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres fortbesteht, und vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer nicht die gleiche Altersversorgung erhalten. Die vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer müssen nach § 2 Abs. 1 BetrAVG eine zeitanteilige Kürzung der Betriebsrente hinnehmen.
2. Von § 2 Abs. 1 BetrAVG kann zwar zugunsten der Anwartschaftsberechtigten abgewichen werden. Die Versorgungsordnung enthält aber keine Anhaltspunkte dafür, daß eine derartige Besserstellung vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer gewollt war. Im Gegenteil: Die vor dem Betriebsrentengesetz erlassene Versorgungsordnung machte die Zahlung von Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten davon abhängig, daß der Arbeitnehmer nicht vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausschied. Diese Einschränkung verstößt zwar gegen die Unverfallbarkeitsvorschrift des § 1 BetrAVG und ist nach § 17 Abs. 3 BetrAVG, § 134 BGB unwirksam. Aus dieser Regelung ergibt sich aber, daß vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer keinesfalls mehr als die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Betriebsrente erhalten sollten.
3. Der Senat hat zwar folgende Auslegungsregel entwickelt: Eine Höchstbegrenzungsklausel ist im Zweifel so auszulegen, daß Teilrenten zunächst unabhängig von der Höchstbegrenzungsklausel zu berechnen sind und die so ermittelten Renten erst bei Überschreiten der Höchstgrenzen zu kürzen sind (BAG Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 341/88 – AP Nr. 18 zu § 6 BetrAVG, zu I 2 b der Gründe, m.w.N.). Diese Auslegungsregel betrifft aber die Berechnung von Teilrenten bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand und bezieht sich nicht auf das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Die Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist nach § 6 BetrAVG ein Versorgungsfall. § 6 BetrAVG regelt nicht, wie die vorgezogene Betriebsrente zu berechnen ist, sondern überläßt dies den Versorgungsordnungen. Die darauf zugeschnittene Auslegungsregel läßt sich nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles übertragen (BAG Urteil vom 12. November 1991 – 3 AZR 520/90 – BAGE 69, 19, 25 = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 3 b der Gründe). Für diese Fallgestaltung enthält § 2 BetrAVG eine gesetzliche Berechnungsvorschrift.
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Friedrich, Dr. Michels ist wegen Ablauf seiner Amtszeit an der Unterschrift verhindert. Dr. Heither, G. Hauschild
Fundstellen