Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Arbeitnehmers für Diebstahlsverlust
Normenkette
BGB §§ 611, 276 Abs. 1 S. 2, §§ 389, 663, 665, 670, 672, 675, 688; ZPO § 561 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 23.12.1987; Aktenzeichen 5 Sa 577/87) |
ArbG Elmshorn (Urteil vom 06.08.1987; Aktenzeichen 3b Ca 917/87) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 23. Dezember 1987 – 5 Sa 577/87 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war bei dem Beklagten als Busfahrer beschäftigt. Der Beklagte hat vom Lohn des Klägers für den Monat Mai 1987 470,– DM einbehalten mit der Begründung, der Kläger habe eingenommene Fahrgelder in dieser Höhe nicht mit ihm abgerechnet.
Der Kläger hat vorgetragen, das Geld sei während seiner Frühstückspause aus dem verschlossenen Bus gestohlen worden. Ihn treffe kein Verschulden an dem Diebstahl. Er hat mit der am 5. Juni 1987 zugestellten Klage beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 470,– DM netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger müsse für den Fehlbetrag einstehen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf restlichen Lohn für den Monat Mai 1987 nicht zu. Dieser Anspruch ist durch Aufrechnung des Beklagten erloschen (§ 389 BGB). Der Beklagte konnte von dem Kläger wegen des Diebstahls der 470,– DM Schadenersatz verlangen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe das Geld aus dem Erlös der Fahrscheine ordnungsgemäß verwahren und regelmäßig montags, mittwochs und freitags mit dem Beklagten abrechnen müssen. Der Kläger habe seine Sorgfaltspflicht nicht schon dadurch erfüllt, daß er am Tag des Diebstahls (19. Februar 1987) in der Zeit von 9.25 Uhr bis 9.50 Uhr den Bus verschlossen gehalten habe. Wenn der ordnungsgemäß abgeschlossene Bus nach dem eigenen Vortrag des Klägers ohne Gewaltanwendung und ohne Hinterlassung von Spuren durch unbefugte Dritte geöffnet werden könne, habe der Kläger die ihm anvertrauten Fahrgeldeinnahmen besonders verwahren müssen. Der über dem Fahrersitz befindliche verschließbare Kasten sei dafür geeignet, seine Benutzung dem Kläger möglich und vom Zeitaufwand her auch zumutbar gewesen.
2. Die Angriffe, die die Revision dagegen erhebt, greifen nicht durch.
a) Die Revision meint, nicht die Bestimmungen über Verwahrung und Auftrag (§§ 688, 675, 663, 665 bis 670, 672 bis 674 BGB) seien anzuwenden, nach denen der Kläger sich bei Unmöglichkeit der Herausgabe entlasten müsse. Der Kläger hafte nur aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung. Der Beklagte müsse somit beweisen, daß der Kläger den Verlust des Geldes zu vertreten habe. Aber selbst wenn man davon ausgehe, daß der Kläger sich entlasten müsse, seien die Voraussetzungen der Haftung nicht gegeben. Der Kläger habe seinen Arbeitsvertrag nicht verletzt. Allein die Existenz des abschließbaren Kastens über dem Fahrersitz habe den Kläger nicht verpflichtet, das Geld dort zu verschließen. Unstreitig sei es betriebsunüblich gewesen, die Fahrgeldeinnahmen während der Pausen besonders zu sichern. Auch bestehe keine entsprechende Anordnung des Beklagten. Vielmehr gebe es einen Holzkasten neben der Kasse unter dem Drucker, der für Papiergeld vorgesehen sei. Der Kläger habe seine Verwahrungspflicht erfüllt, indem er das Papiergeld dort belassen und den Bus abgeschlossen habe.
b) Dem ist nicht zu folgen. Der Kläger hat das gestohlene Geld zu ersetzen, weil er es nicht ordnungsgemäß verwahrt hat. Dahinstehen kann, ob der Kläger darlegen und beweisen muß, daß ihn an der Unmöglichkeit der Herausgabe kein Verschulden trifft oder ob der Beklagte darlegen und beweisen muß, daß der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten in bezug auf die Verwahrung des Geldes schuldhaft verletzt hat (vgl. dazu BAG Urteil vom 29. Januar 1985 – 3 AZR 570/82 – AP Nr. 87 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich, daß der Kläger fahrlässig den Diebstahl des Geldes ermöglicht hat.
Wie das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen hat, war der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet, das eingenommene Geld bis zur Abrechnung mit dem Beklagten ordnungsgemäß, d.h. so zu verwahren, daß es normalerweise nicht gestohlen werden konnte. Diese Pflicht hat der Kläger fahrlässig (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) verletzt, indem er das Geld in dem nicht verschließbaren Holzkasten unter dem Drucker liegen ließ, als er sich bei Antritt der Frühstückspause von dem Bus entfernte. Unstreitig ließ der Bus sich, auch wenn er verschlossen war, von außen mit einem Vierkantschlüssel öffnen. Dies ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll des Landesarbeitsgerichts vom 23. Dezember 1987, das für das Revisionsgericht neben dem Tatbestand des Berufungsurteils maßgebend ist (§ 561 Abs. 1 ZPO). Da ein solcher Schlüssel für jeden leicht zu beschaffen ist, hätte der Kläger das Geld nicht ohne weitere Sicherung im Bus liegen lassen dürfen, als er seine Arbeitspause antrat. Im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Revisionserwiderung kommt es nicht darauf an, daß sich über dem Fahrersitz der verschließbare Kasten befand. Weder begründete erst dieser die Pflicht, das Geld zu sichern, noch bot er dafür die einzige Möglichkeit. Von dem Kläger war vielmehr zu verlangen und es war ihm auch zuzumuten, das Geld notfalls mitzunehmen, als er in die Pause ging. Dies gilt jedenfalls für die Banknoten. Ob es auch für größere Mengen Münzgeld gelten würde, kann dahinstehen. Bei dem gestohlenen Geld handelte es sich ausschließlich um Papiergeld. Dieses durfte der Kläger keinesfalls in dem unter dem Drucker befindlichen unverschlossenen Kasten liegen lassen, als er den Bus verließ. Wollte der Kläger den über dem Fahrersitz befindlichen verschließbaren Kasten nicht benutzen, weil ihm auch dieser zu unsicher war, oder war er ihm als Sicherungsmöglichkeit nicht bewußt, so mußte er das Geld einstecken, als er sich entfernte. Dadurch, daß er die Sicherung des Geldes unterließ, verletzte er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt.
Der Beklagte braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, die besondere Verwahrung eingenommenen Fahrgeldes während der Pausen sei betriebsunüblich gewesen. Unstreitig waren die Fahrgelder montags, mittwochs und freitags abzurechnen. Daraus ergab sich für den Kläger die Pflicht, das Geld in der Zwischenzeit so zu verwahren, daß es nicht vermeidbaren Diebstahlsrisiken ausgesetzt war. Diese Pflicht hat der Kläger schuldhaft verletzt. Anders wäre allenfalls zu entscheiden, wenn der Beklagte gewußt hätte, daß die Fahrer das Geld während der Pausen ungesichert im Bus liegen ließen und dies – zumindest stillschweigend – gebilligt hätte. Das hat der Kläger jedoch nicht substantiiert behauptet.
c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ein mitwirkendes Verschulden des Beklagten abgelehnt. Es war Sache des Klägers, wie er die Banknoten sicher verwahrte. Darin, daß der Beklagte den Bus während der Pausen nicht bewachen ließ, lag kein Mitverschulden. Dem Beklagten ist auch nicht anzulasten, daß er keine besonderen Anweisungen für die Aufbewahrung des Geldes erteilt hatte. Dem Kläger mußte sich auch ohne einen entsprechenden Hinweis seines Arbeitgebers aufdrängen, daß er das Geld, indem er es ungesichert in einem Bus liegen ließ, der mit einem einfachen Vierkantschlüssel geöffnet werden konnte, der Diebstahlsgefahr aussetzte, die sich schließlich verwirklichte.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Plenge, Hannig
Fundstellen
Haufe-Index 988680 |
BB 1990, 925 |