Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis
Normenkette
Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 10. März 1994 Nr. 3.1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 03.04.1997; Aktenzeichen 6 Sa 153/95) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 06.09.1995; Aktenzeichen 3 Ca 1234/95) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 3. April 1997 – 6 Sa 153/95 – hinsichtlich des Zahlungsantrags aufgehoben.
Insoweit wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob die Beklagte dem Kläger Schadensersatz schuldet, weil sie ihn nach Abschluß der Berufsausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen hat.
Der Kläger wurde von der Beklagten zum Konstruktionsmechaniker ausgebildet. Auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 10. März 1994 (TV BS) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dort ist u. a. folgendes bestimmt:
“3. Übernahme von Auszubildenden
3.1 Auszubildende werden im Grundsatz nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung für mindestens 6 Monate in ein Arbeitsverhältnis übernommen, soweit dem nicht personenbedingte Gründe entgegenstehen. Der Betriebsrat ist hierüber unter Angabe der Gründe zu unterrichten.
3.2 Mit Zustimmung des Betriebsrates kann von der Verpflichtung nach Absatz 3.1 abgewichen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat.”
Während des Ausbildungsverhältnisses fehlte der Kläger krankheitsbedingt im Jahr 1992 an 20 und im Jahr 1994 an 39 Arbeitstagen. Die Fehlzeiten des Jahres 1993 sind zwischen den Parteien streitig. Die schulischen Leistungen des Klägers waren überwiegend mangelhaft. Im Ausbildungsjahr 1993/94 erreichte er das Ausbildungsziel nicht. In den Jahren 1991 bis 1993 mahnte die Beklagte den Kläger fünfmal wegen geringer Leistungen ab. Im Jahr 1994 erfolgten zwei weitere schriftliche Abmahnungen. Nach Abschluß der Ausbildung am 1. Februar 1995 übernahm die Beklagte den Kläger nicht in ein Arbeitsverhältnis.
Mit der am 9. Februar 1995 eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab 2. Februar 1995 zu haben.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,
1. festzustellen, daß zwischen den Parteien mit Wirkung ab 2. Februar 1995 ein unbefristetes – hilfsweise auf mindestens sechs Monate befristetes – Arbeitsverhältnis als Konstruktionsmechaniker besteht,
2. hilfsweise zu 1.:
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger mit Wirkung ab 2. Februar 1995 ein Angebot zum Abschluß eines unbefristeten – hilfsweise auf mindestens sechs Monate befristeten – Arbeitsvertrages als Konstruktionsmechaniker zu machen,
3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Konstruktionsmechaniker zu beschäftigen.
Im zweiten Rechtszug hat der Kläger seine Klage im Wege der Anschlußberufung erweitert und zusätzlich beantragt,
hilfsweise zu Ziff. 1 des Tenors des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 6. September 1995 – 3 Ca 1234/95 –:
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger mit Wirkung ab 2. Februar 1995 – höchsthilfsweise ab Rechtskraft einer obsiegenden Entscheidung im vorliegenden Verfahren – ein Angebot zum Abschluß eines bis zum 1. September 2040 befristeten Arbeitsvertrages als Konstruktionsmechaniker zu machen,
hilfsweise zu 2.:
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger mit Wirkung ab 2. Februar 1995 – höchsthilfsweise ab Rechtskraft einer obsiegenden Entscheidung im vorliegenden Verfahren – ein angemessenes Angebot zum Abschluß eines auf mindestens sechs Monate – höchsthilfsweise bis zum 1. September 2040 – befristeten Arbeitsvertrages zu machen,
hilfsweise zu 1. bis 3.:
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.339,05 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich hieraus errechnenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten und Leistungsstörungen während der Ausbildung habe sie den Kläger wegen entgegenstehender personenbedingter Gründe nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen müssen.
Nachdem das Arbeitsgericht unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte dazu verurteilt hatte, dem Kläger mit Wirkung ab 2. Februar 1995 den Abschluß eines auf mindestens sechs Monate befristeten Arbeitsvertrages als Konstruktionsmechaniker anzubieten, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger nur noch seinen Zahlungsantrag aus der Berufungsinstanz weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist hinsichtlich des vom Kläger allein noch zur Entscheidung gestellten Zahlungsantrags begründet und führt insoweit gemäß § 565 Abs. 1 ZPO zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht hat den Zahlungsantrag mit unzutreffender Begründung abgewiesen. Für eine abschließende Entscheidung des erkennenden Senats fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen, § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend erkannt, daß dem Kläger gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Form eines Schadensersatzanspruchs zustehen kann, wenn die Beklagte den Kläger im Anschluß an seine Berufsausbildung zu Unrecht nicht nach § 3 TV BS in ein Arbeitsverhältnis übernommen hat.
1. Der erkennende Senat hat im Anschluß an das Senatsurteil vom 14. Mai 1997 (– 7 AZR 159/96 – AP Nr. 2 zu § 611 BGB Übernahme ins Arbeitsverhältnis, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) mit Urteilen vom 14. Oktober 1997 (– 7 AZR 298/96 – und – 7 AZR 811/96 –, beide ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils zu I 1 bis I 4 der Gründe; vgl. auch Senatsurteil vom 12. November 1997 – 7 AZR 422/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu A I der Gründe) entschieden, daß die Bestimmung der Nr. 3 TV BS zwar nicht zur automatischen Begründung eines Arbeitsverhältnisses führt, wohl aber den ausbildenden Arbeitgeber verpflichtet, dem Auszubildenden im unmittelbaren Anschluß an die erfolgreich bestandene Abschlußprüfung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis für die Dauer von mindestens sechs Monaten anzubieten, soweit kein tariflicher Ausnahmetatbestand vorliegt.
a) Der Senat hat ausgeführt, daß die Tarifnorm der Nr. 3 TV BS ein an den Arbeitgeber gerichtetes Einstellungsgebot enthält, das von § 1 Abs. 1 TVG gedeckt ist. Das gilt entgegen den im vorliegenden Rechtsstreit vertieften Rechtsauffassung der Beklagten auch für Normen zur Regelung bereits laufender Rechtsverhältnisse. Auch sie entstehen in Ausübung kollektiver Privatautonomie und beruhen mittelbar auf dem Willen des tarifgebundenen Arbeitgebers, der mit dem Verbandsbeitritt seinen Verband zum Abschluß von Normen legitimiert hat. Der Verbandsbeitritt bewirkt die Unterwerfung unter geltendes und künftiges Tarifrecht. Soweit dadurch Grundrechte der einzelnen Verbandsmitglieder nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG durch überraschende wie z.B. “rückwirkende” Regelungen beeinträchtigt werden, üben die staatlichen Gerichte als Grundrechtsverpflichtete im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG im Rahmen der ihnen obliegenden Schutzpflicht die Kontrolle darüber aus, ob die grundrechtlichen Belange der Koalitionsmitglieder in angemessener Weise berücksichtigt sind. So verhält es sich im Streitfall, wie der Senat in seinen bereits angezogenen Urteilen vom 14. Oktober 1997 (BAG, a a O) ausführlich dargelegt hat. Das gilt auch hinsichtlich des Einstellungsgebots für bereits beschäftigte Auszubildende. Bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen und von Ausbildungsverhältnissen muß der Arbeitgeber stets damit rechnen, daß ihm die Tarifvertragsparteien hinsichtlich dieser Rechtsverhältnisse später zusätzliche unmittelbar und zwingend geltende Verpflichtungen auferlegen. Im übrigen handelt es sich nicht um eine echte Rückwirkung im Sinne des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots, weil nicht in einen abgeschlossenen Tatbestand eingegriffen wird.
b) Aufgrund der Nr. 3 TV BS kann der Auszubildende vom Arbeitgeber nur den Abschluß eines Arbeitsvertrags für die Dauer von sechs Monaten verlangen, nicht aber für einen längeren Zeitraum oder auf unbestimmte Dauer. Dies ergibt sich auch aus dem Zweck der tariflichen Regelung. Die Tarifvertragsparteien haben verhindern wollen, daß der Auszubildende im unmittelbaren Anschluß an seine Berufsausbildung arbeitslos wird. Die Vermeidung einer solchen Anschlußarbeitslosigkeit dient zwei Zwecken: Zum einen soll dem Auszubildenden durch eine an das Ausbildungsverhältnis anschließende Weiterbeschäftigung in einem Arbeitsverhältnis der Erwerb von Berufspraxis ermöglicht werden, um seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Zum anderen soll für den Fall einer sich an das sechsmonatige Arbeitsverhältnis anschließenden Arbeitslosigkeit erreicht werden, daß dem etwa später zu beanspruchenden Arbeitslosengeld gemäß § 112 Abs. 2 des damals geltenden AFG der in dem sechsmonatigen Arbeitsverhältnis erzielte Verdienst und nicht gemäß § 112 Abs. 5 Satz 2 AFG die niedrigere Ausbildungsvergütung zugrunde gelegt wird.
2. Der erkennende Senat hat in seinen oben angeführten Urteilen vom 14. Oktober 1997 (– 7 AZR 298/96 –, zu III der Gründe, und – 7 AZR 811/96 –, zu I 6b der Gründe) entschieden, daß der ausbildende Arbeitgeber, sofern der Auszubildende seine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach Abschluß der Ausbildung verlangt hat, durch eine pflichtwidrige und schuldhafte Verweigerung der Abgabe eines der Tarifnorm entsprechenden Angebots in Schuldnerverzug geraten kann. Wird während des Schuldnerverzugs die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Auszubildenden für die Dauer von sechs Monaten in einem Arbeitsverhältnis zu beschäftigen, infolge Zeitablaufs unmöglich, ist er dem Auszubildenden nach § 280 in Verb. mit §§ 284, 287 Satz 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Ein solcher Schadensersatzanspruch des Auszubildenden ist jedoch nur auf eine Entschädigung in Geld gemäß § 251 Abs. 1 BGB gerichtet. Denn der Zustand, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Satz 1 BGB), läßt sich nicht mehr dadurch herbeiführen, daß der Auszubildende erst längere Zeit nach Abschluß der Berufsausbildung in ein Arbeitsverhältnis übernommen wird, weil hier durch die Zwecke der Tarifnorm nicht mehr erreicht werden könnten.
3. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Unrecht einen auf Unmöglichkeit während des Schuldnerverzugs gestützten Schadensersatzanspruch des Klägers mit der Begründung verneint, es fehle an einem Verschulden der Beklagten, da sie aufgrund eines unverschuldeten Rechtsirrtums über den Inhalt der unklaren und nicht zweifelsfrei auszulegenden Tarifregelung ein rechtzeitiges Vertragsangebot an den Kläger unterlassen habe. Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 14. Oktober 1997 (– 7 AZR 298/96 –, zu II 2 der Gründe) entschieden hat, vermag diese Überlegung die Abweisung des Zahlungsantrags nicht zu rechtfertigen. Für das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums reicht es nicht aus, daß die Rechtslage ungeklärt ist. Darüber hinaus ist erforderlich, daß der Schuldner die Rechtslage sorgfältig geprüft und gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Rechtsmeinung gefunden hat. Die Berufung des Schuldners auf eine ihm günstige Ansicht im Schrifttum genügt dafür nicht, wohl aber die Bestätigung seiner Rechtsmeinung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. bereits BAG Urteil vom 12. November 1992 (– 8 AZR 503/91 – BAGE 71, 350, 353 = AP Nr. 1 zu § 285 BGB, zu I 1 der Gründe). Im Streitfall ist weder ersichtlich, daß die Beklagte bei Beendigung der Ausbildung durch den Kläger die Rechtslage sorgfältig geprüft hätte noch hat sie auf Anhaltspunkte verweisen können, die zu diesem Zeitpunkt die von ihr vertretene Rechtsmeinung als richtig erscheinen ließen. Die Beklagte handelte daher auf eigenes Risiko, wenn sie die Tarifnorm ohne derartige konkrete Anhaltspunkte ausschließlich in einem ihr günstigen Sinne verstand.
4. Soweit das Landesarbeitsgericht den Zahlungsantrag mit der Hilfsbegründung abgewiesen hat, der Kläger habe nicht dargelegt, auf welcher Grundlage er den seinem Schadensersatzbegehren zugrunde gelegten Monatslohn in Höhe von 4.088,00 DM berechnet habe, ist dies ebenfalls rechtsfehlerhaft. Der Kläger hat sein mit Schriftsatz vom 4. November 1996 hilfsweise geltend gemachtes Schadensersatzbegehren in Höhe von 24.339,05 DM brutto damit begründet, daß ihm bei einer Übernahme in ein Arbeitsverhältnis durch die Beklagte für den Zeitraum vom 2. Februar 1995 bis zum 31. Juli 1995 ein monatliches Arbeitsentgelt von 4.088,00 DM brutto zugestanden hätte. Damit hat er den von ihm beanspruchten Schadensersatz auf der Grundlage der Beschäftigung berechnet, die ihm die Beklagte zur Begründung eines der Tarifnorm entsprechenden Arbeitsverhältnisses nach seiner Ansicht hätte anbieten müssen. Zum Inhalt der von der Beklagten tarifvertraglich geschuldeten Beschäftigung hat der Kläger bereits im ersten Rechtszug mit Schriftsatz vom 4. September 1995 die Auffassung vertreten, sofern die Beklagte ihn nicht in ein Arbeitsverhältnis entsprechend seinem Ausbildungsberuf übernehmen müsse, sei sie zumindest zum Abschluß eines Arbeitsvertrages zu angemessenen Bedingungen verpflichtet. Ferner hat der Kläger in diesem Zusammenhang nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) unbestritten vorgetragen, die Beklagte habe andere Auszubildende zum Teil als angelernte Arbeiter mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 4.081,00 DM brutto weiterbeschäftigt. Diese Umstände rechtfertigen die Annahme, daß der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage einer Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als angelernter Arbeiter berechnen wollte, auch wenn er insoweit einen anderen Monatsverdienst angegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hätte daher ohne einen entsprechenden Hinweis an den Kläger nicht von einer fehlenden Darlegung der Schadenshöhe ausgehen dürfen.
II. Der Senat vermag nach den bisherigen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen, ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch zusteht oder nicht. Deshalb ist der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dazu gibt der Senat folgende Hinweise:
1. Das Landesarbeitsgericht wird auf der Grundlage der bereits angeführten Senatsurteile vom 14. Oktober 1997 (– 7 AZR 298/96 –, zu II 1 b der Gründe, und – 7 AZR 811/96 –, zu III 1 der Gründe) zunächst zu prüfen haben, ob die Beklagte zur Übernahme des Klägers verpflichtet war oder ob dieser Übernahme personenbedingte Gründe im Sinne der Nr. 3.1 TV BS entgegenstanden. Dabei wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der “personenbedingten Gründe” nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG verstanden wissen wollten. Denn beim TV BS geht es nicht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein bereits bestehendes bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufgelöst werden kann, sondern darum, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt erst begründet werden soll. Auch die dem § 1 Abs. 2 KSchG zugrunde liegende Unterscheidung zwischen in der Person bzw. in dem Verhalten liegenden Gründen entspricht nicht dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien. Es kann nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten etwa in Fällen grober Pflichtverletzungen, die sich auf die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses belastender auswirken können als Gründe in der Person des Auszubildenden, dem Arbeitgeber keine Möglichkeit zur Ablehnung der Übernahme einräumen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff “personenbedingt” in Nr. 3.1 TV BS (im Gegensatz zu den aus der Arbeitgebersphäre stammenden Gründen der Nr. 3.2 TV BS) die aus der Sphäre des Auszubildenden stammenden und damit auch verhaltensbedingte Gründe erfassen wollten.
Schon hieraus ergibt sich, daß sich die tatrichterliche Würdigung, ob die im konkreten Einzelfall geltend gemachten “personenbedingten Gründe” einer Übernahme des Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis im Sinne der Nr. 3.1 TV BS “entgegenstehen”, nicht an vergleichbaren Begriffen des Kündigungsschutzgesetzes, sondern nur an Sinn und Zweck dieser tariflichen Regelung zu orientieren hat, wie er oben näher beschrieben worden ist. Beide dort genannten Zwecke sollen nach den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung in einem funktionierenden Arbeitsverhältnis und nicht durch eine einseitige Leistung des Arbeitgebers an den Auszubildenden erreicht werden. Deshalb sind als “entgegenstehende personenbedingte Gründe” in erster Linie solche Umstände anzusehen, die einem zweckentsprechenden Vollzug des Arbeitsverhältnisses, auch unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Arbeitsleistung und/oder einem vertragsgerechten Verhalten des übernommenen Auszubildenden, in Frage stellen können.
Tatsachen für eine derartige Beeinträchtigung eines künftigen Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber darzulegen. Denn mit der Geltendmachung eines vom Regelfall abweichenden Ausnahmetatbestands macht der Arbeitgeber eine rechtsvernichtende Einwendung geltend. Der Arbeitgeber genügt seiner Darlegungslast nicht mit dem bloßen Hinweis auf vergangene Ereignisse, wie etwa während des Ausbildungsverhältnisses eingetretene Fehlzeiten. Erforderlich ist vielmehr eine Prognose des Arbeitgebers, in welcher Weise und in welchem Ausmaß das Arbeitsverhältnis durch zu erwartende Fehlzeiten in seiner zukünftigen Durchführung belastet sein werde. Hierfür können zwar in der Vergangenheit liegende krankheitsbedingte Fehlzeiten ein Indiz sein; dies erspart aber nicht den Vortrag des Arbeitgebers über Art und Umfang der drohenden Beeinträchtigung des ggf. nur sechs Monate andauernden Arbeitsverhältnisses. Da es an dieser Darlegung bisher fehlt, wird das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren den Parteien insoweit Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben haben.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht nach § 18 des Manteltarifvertrags für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden verfallen. Denn ein Arbeitsverhältnis ist zwischen den Parteien nicht begründet worden; für Ausbildungsverhältnisse gilt die Ausschlußfrist gemäß § 1.1.3.3 dieses Manteltarifvertrags nicht. Der Manteltarifvertrag für Auszubildende in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden enthält ebensowenig eine Ausschlußfrist wie der TV BS. In der Protokollnotiz zum TV BS wird lediglich bestimmt, daß für den TV BS die Geltungsbereiche der Manteltarifverträge für Arbeiter und Angestellte sowie für Auszubildende maßgebend sind. Diese Vorschrift regelt mithin nur den Geltungsbereich des TV BS und macht die übrigen Bestimmungen der Manteltarifverträge nicht zu seinem Inhalt.
3. Zur Höhe eines möglichen Schadensersatzanspruchs kann der Senat wegen des Fehlens tatsächlicher Feststellungen keine näheren Hinweise geben. Nach der bereits angeführten Senatsrechtsprechung (Urteile vom 14. Oktober 1997 – 7 AZR 298/96 –, zu III 3 der Gründe, und – 7 AZR 811/96 –, zu III 5 der Gründe) ist die Höhe eines möglichen Schadensersatzanspruchs in Geld davon abhängig, welche Art von Beschäftigung der Arbeitgeber hätte anbieten müssen, um den tarifvertraglichen Anspruch des Auszubildenden auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zu erfüllen. Danach richtet sich die Bestimmung der Art und Höhe des Arbeitsentgelts, das der Arbeitgeber dem Auszubildenden zu entrichten gehabt hätte. Das ausgefallene Arbeitsentgelt ist seinerseits Grundlage für die Bemessung des Geldersatzanspruchs des Auszubildenden.
Der Kläger hat seinen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage einer Beschäftigung als angelernter Arbeiter mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 4.088,00 DM brutto für die Zeit vom 2. Februar 1995 bis zum 31. Juli 1995 berechnet. Das Landesarbeitsgericht wird daher zunächst festzustellen haben, ob der Kläger während des gesamten Zeitraums für eine Beschäftigung bei der Beklagten zur Verfügung gestanden hätte, sofern diese ihm fristgerecht ein Übernahmeangebot unterbreitet hätte. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, ob die Beklagte bereits mit der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses durch die bestandene Abschlußprüfung (§ 14 Abs. 2 BBiG) oder erst durch den Zugang eines nachträglich erklärten Übernahmeverlangens des Klägers in Schuldnerverzug geraten ist. Ferner wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte den Kläger ebenso wie andere weiterbeschäftigte Auszubildende als angelernten Arbeiter mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von 4.081,00 DM brutto übernehmen mußte oder ob sie ihm auch eine andere Art der Beschäftigung mit einer geringeren Vergütung hätte anbieten dürfen.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Straub, Schiele
Fundstellen