Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Gesundheitspflegerin nach AVR Diakonie
Leitsatz (redaktionell)
Auch nach den bis zum 31. Oktober 2013 geltenden Fassung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland bestand Anspruch auf eine Vergütung aus der Entgeltgruppe 8 nur für Gesundheitspfleger, denen Aufgaben übertragen waren, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar waren.
Normenkette
AVR Diakonie § 12
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 2015 – 8 Sa 1821/14 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Beklagte ist eine diakonische Einrichtung und betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Die Klägerin ist dort als Krankenschwester beschäftigt. Der in diesem Krankenhaus bestehende Pflegedienst arbeitet in der Organisationsform der Bezugspflege. Eine Pflegekraft übernimmt deshalb die gesamte Pflege eines Patienten und erstellt den dafür erforderlichen Pflegeplan. Die Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum in der Abteilung Psychotherapie und Psychosomatik beschäftigt. Das Behandlungskonzept dieser Abteilung beinhaltet schwerpunktmäßig tiefenpsychologisch fundierte Einzel- und Gruppentherapie.
Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 19./28. Februar 2000 gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW EKD) in der jeweils gültigen Fassung. Am 23. Januar 2014 wurde deren Umbenennung in Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) beschlossen.
Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2007 wurden die Eingruppierungsregelungen der Anlage 1 zu den AVR-DW EKD geändert. Ua. wurde in den Eingruppierungskatalog in der bis zum 31. Oktober 2013 geltenden Fassung (künftig AVR-DW EKD aF) bei der Entgeltgruppe 8 Abschnitt A das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie” eingefügt. Nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juni 2012 (– 4 AZR 438/10 –) beschloss der Schlichtungsausschuss der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD am 21. Oktober 2013 „zur Klarstellung” die Änderung dieses Richtbeispiels, das seit dem 1. November 2013 folgende Fassung hat:
„Gesundheits- und Krankenpfleger/in im OP-Dienst und in der Intensivpflege; Fachpflegekräfte in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit oder Gesundheits- und Krankenpfleger/in mit vergleichbaren Aufgaben”.
Außerdem wurde folgende Besitzstandsregelung unter 1 b beschlossen:
„Gesundheitspflegern/innen in der Psychiatrie, die am 31. Oktober 2013 in die Entgeltgruppe 8 A eingruppiert sind, wird für die Dauer ihres Arbeitsverhältnisses ein dynamischer Besitzstand garantiert.”
Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechtslage wird auf deren Darstellung in der Entscheidung des Senats vom 12. April 2016 (– 6 AZR 284/15 – Rn. 2 bis Rn. 7) verwiesen.
Die Klägerin wird seit dem 1. Juli 2007 nach der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD vergütet. Mit Schreiben vom 10. Juni 2013 machte sie ohne Erfolg ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD geltend. Nach rechtskräftiger Abweisung eines Teils ihrer Klage begehrt sie noch die Zahlung des Differenzbetrags zwischen den Entgeltgruppen 7 und 8 AVR-DW EKD für die Zeit von Juli 2012 bis Dezember 2013 in rechnerisch unstreitiger Höhe sowie die Feststellung, die Beklagte sei seit dem 1. Februar 2014 verpflichtet, ihr den Unterschiedsbetrag zwischen diesen Entgeltgruppen zu zahlen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Anspruch auf die begehrte Vergütung folge aus dem institutionsbezogen zu verstehenden Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie” in Entgeltgruppe 8 Abschnitt A AVR-DW EKD aF. Die Arbeitsvertragliche Kommission habe sich für eine typisierende Bewertung entschieden, wonach die Gesundheitspflege in den dort genannten Einrichtungen regelmäßig mit erhöhten Anforderungen verbunden und deshalb nach der Entgeltgruppe 8 zu bewerten sei. Hilfsweise hat sie die Ansicht vertreten, ihr Anspruch ergebe sich auch bei einem tätigkeitsbezogenen Verständnis unmittelbar aus diesem Richtbeispiel. Sie erbringe wie alle bei der Beklagten tätigen Krankenschwestern – sei es mit oder ohne Fachweiterbildung – die Tätigkeit, die von Krankenschwestern in der Psychiatrie gefordert werde. Eine Pflegefachkraft mit „normaler” pflegerischer Tätigkeit existiere in der Einrichtung der Beklagten nicht. Die psychische Pflege erfordere einen einheitlich aufeinander abgestimmten Pflegeplan, bei dem es nicht denkbar sei, einzelne Funktionen voneinander abzugrenzen. Darum betreibe das Krankenpflegepersonal in psychiatrischen Einrichtungen psychiatrische Pflege. Aus der Stellenbeschreibung für Pflegefachkräfte idF vom 30. November 2005, dem Anforderungsprofil der Beklagten für die Aufgaben in der psychiatrischen Krankenpflege idF vom 13. Dezember 2005 sowie der von der Klägerin absolvierten Weiterbildung in mehreren psychiatrischen Bereichen, die zur Diplomvorprüfung im Fach Psychologie geführt habe, folge, dass die Beklagte nicht damit gehört werden könne, dass die Klägerin nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse einer fachweitergebildeten Krankenschwester in der Psychiatrie verfüge.
Die Klägerin hat zuletzt – soweit für die Revision von Belang – beantragt
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie seit dem 1. Februar 2014 und für die Zukunft den Unterschiedsbetrag zwischen der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 2 und der Entgeltgruppe 8 Erfahrungsstufe 2 AVR-DW EKD in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.364,83 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin sei zutreffend in die Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert. Der verkürzte Terminus „in der Psychiatrie” sei auch schon nach den AVR-DW EKD aF tätigkeitsbezogen zu verstehen gewesen. Das sei durch den Spruch des Schlichtungsausschusses lediglich klargestellt worden. Die Klägerin sei auch nicht originär in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert. Ihr seien Regelaufgaben der allgemeinen Krankenpflege übertragen worden. In der Einrichtung der Beklagten sei die „Regelbehandlung” der Normalfall und bilde den überwiegenden Anteil der Tätigkeiten. Der Klägerin seien im Rahmen der Bezugspflege keine zusätzlichen Aufgaben übertragen worden, die ihrer Tätigkeit das spezifische Gepräge einer „psychiatrischen” Pflege gäbe. Die Klägerin sorge durch ihre Pflegetätigkeit allenfalls für die Gestaltung eines therapeutischen Milieus.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem in die Revision gelangten Umfang stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Dagegen hat nur die Beklagte Berufung eingelegt, die das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren einer vollständigen Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung konnte der Klage nicht stattgegeben werden. Für eine Eingruppierung in das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie” und damit in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD reicht es nicht aus, in einer Einrichtung tätig zu sein, die der Psychiatrie zuzuordnen ist. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob die Klage begründet ist, weil die Tätigkeit der Klägerin die Anforderungen des Richtbeispiels erfüllt. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der Streit der Parteien kann durch die begehrte Feststellung beseitigt werden. Entgegen der Annahme der Revision steht dem auch nicht entgegen, dass der Beschluss des Schlichtungsausschusses der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD vom 21. Oktober 2013 unter 1 b den begünstigten Arbeitnehmern nur einen dynamischen Besitzstand garantiere, ohne zu regeln, wie dieser zu gewähren sei. Die Klägerin beruft sich hinsichtlich ihres Anspruchs für die Zeit nach dem 1. November 2013 zum einen nicht ausschließlich auf diese Garantie, sondern macht auch geltend, sie sei originär in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert. Zum anderen ist die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, materiell-rechtlich so gestellt zu werden, als sei sie in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert, und sich dabei ggf. auf die Besitzstandsklausel stützen kann, eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags.
II. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht selbst feststellen. Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), sondern war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (20. Juni 2012 – 4 AZR 438/10 –) angenommen, die Klägerin habe die Voraussetzungen des Richtbeispiels „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie” bereits dadurch erfüllt, dass sie ihre Pflegetätigkeit in einer Einrichtung erbringe, in der psychiatrisch erkrankte Patienten behandelt werden. Aufgrund der Besitzstandsregelung des Schlichtungsausschusses könne die Klägerin auch für die Zeit nach dem 1. November 2013 eine Vergütung der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD in Form des Unterschiedsbetrags zwischen der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD und dieser Entgeltgruppe beanspruchen.
2. Die Revision rügt mit Recht, dass dieses einrichtungsbezogene Verständnis dem tatsächlichen Begriffsinhalt des Richtbeispiels „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie” in den AVR-DW EKD aF nicht gerecht wird. Das Merkmal „in der Psychiatrie” war auch schon in der bis zum 31. Oktober 2013 geltenden Fassung der AVR-DW EKD (fach)tätigkeitsbezogen zu verstehen. Gefordert war die Übertragung fachspezifischer Tätigkeiten. Anspruch auf eine Vergütung aus der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD hatten und haben deshalb nur Gesundheitspfleger, denen Aufgaben übertragen sind, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar sind und die deshalb Aufgaben der psychiatrischen Gesundheitspflege zu verrichten haben. Das hat der nunmehr allein zuständige erkennende Senat unter Aufgabe der entgegenstehenden Rechtsprechung des Vierten Senats vom 20. Juni 2012 (– 4 AZR 438/10 –) mit seinem Urteil vom 12. April 2016 (– 6 AZR 284/15 – Rn. 28 ff.) entschieden und mit Urteil vom 27. April 2017 (– 6 AZR 284/16 – Rn. 16) bestätigt. An dieser Rechtsprechungsänderung hält der Senat ungeachtet kritischer Stimmen im Schrifttum (Roßbruch PflR 2016, 783, 784) sowie der Ausführungen der Klägerin in der Revisionsinstanz fest und nimmt insoweit Bezug auf seine Ausführungen in der Entscheidung vom 29. Juni 2017 (– 6 AZR 785/15 – Rn. 19 bis Rn. 26).
3. Auf die seit dem 1. November 2013 geltende Besitzstandsregelung kann sich die Klägerin nicht berufen, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht nach Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD aF vergütet wurde (BAG 12. April 2016 – 6 AZR 284/15 – Rn. 36, 40).
4. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob der Klägerin Tätigkeiten übertragen worden sind, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar sind.
a) Das Landesarbeitsgericht hat – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – keine Feststellungen zum konkreten Inhalt der der Klägerin übertragenen Tätigkeit getroffen. Dass es im Ergebnis offengelassen hat, welcher streitige Tatsachenvortrag hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin zutrifft, begründet entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht keine den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindende Tatsachenfeststellung. Die von § 559 Abs. 2 ZPO verlangte Feststellung, dass die Behauptungen der Klägerin oder der Beklagten zur tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit der Klägerin wahr seien, hat es gerade nicht getroffen. Ohnehin könnten selbst Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die auf seine Auffassung zurückzuführen sind, für die streitbefangene Eingruppierung sei ein einrichtungsbezogenes Verständnis maßgeblich, den Senat nicht binden, weil sie auf einem von der Revision erfolgreich gerügten Rechtsfehler gründen (vgl. BeckOK ZPO/Kessal-Wulf Stand 15. Juni 2017 ZPO § 559 Rn. 10).
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Zurückverweisung nicht entgegen, dass die Klägerin die zur Feststellung ihrer Tätigkeit erforderlichen Tatsachen bereits in den Vorinstanzen hätte vortragen können. Eine Zurückverweisung nach § 563 Abs. 1 ZPO ist auch dann erforderlich, wenn das Berufungsgericht wie hier aufgrund des von ihm vertretenen Rechtsstandpunkts rechtlich gebotene Hinweise nach § 139 ZPO unterlassen hat. Die Zurückverweisung eröffnet dem Gericht dann die Möglichkeit, den Parteien die erforderliche Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben (vgl. BAG 27. April 2017 – 6 AZR 284/16 – Rn. 23; BGH 17. März 1995 – V ZR 100/93 – zu IV 1 der Gründe, BGHZ 129, 112).
c) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
aa) Zunächst wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, sie erbringe dieselbe Tätigkeit wie alle bei der Beklagten tätigen Krankenschwestern, sei es mit oder ohne Fachweiterbildung, oder ob ihr, wie die Beklagte vorgebracht hat, keine zusätzlichen Aufgaben neben denen einer Krankenpflegefachkraft übertragen worden sind, die ihrer Tätigkeit das Gepräge einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie gäben. Es wird dabei beachten müssen, dass dem von der Beklagen in diesem Zusammenhang angesprochenen Gesichtspunkt der Personalbedarfsbemessung keine Bedeutung zukommt. Maßgeblich ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 12 Abs. 2 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD allein, welche tatsächlichen Tätigkeiten der Klägerin und den anderen Arbeitnehmern übertragen sind, die die Tätigkeitsmerkmale einer Entgeltgruppe erfüllen und der Tätigkeit das Gepräge geben. Sollte das Landesarbeitsgericht feststellen, dass der Klägerin von der dafür verantwortlichen Person dieselben Aufgaben übertragen worden sind wie Fachpflegekräften in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit, die deshalb in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD aF bzw. AVR-DD eingruppiert waren bzw. sind, wird es auch die Klägerin in die Entgeltgruppe 8 einzugruppieren haben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Beklagte darlegt, dass die von ihr nach der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD vergüteten Fachpflegekräfte tatsächlich das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie” nicht erfüllen (vgl. KGH.EKD 10. Februar 2016 – I-0124/W17-14 – zu II 2 b der Gründe) und sie etwaige Überzahlungen dieser Arbeitnehmer einstellt. Erbrächte sie dagegen weiter – dann bewusst – zu hohe Entgeltzahlungen an bestimmte Arbeitnehmer, bestünde auch für die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung im Arbeitsrecht Anspruch auf ein Entgelt aus der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD (vgl. BAG 27. August 2008 – 4 AZR 484/07 – Rn. 40, BAGE 127, 305).
bb) Sollte die Beklagte bei der Aufgabenzuweisung zwischen Arbeitnehmern, die „einfache” Tätigkeiten als Krankenpfleger verrichten, und solchen, die Aufgaben einer Fachpflegekraft für Psychiatrie erfüllen, differenzieren, wird das Landesarbeitsgericht feststellen müssen, ob der Klägerin Tätigkeiten übertragen worden sind, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar sind. Es wird der Klägerin Gelegenheit geben müssen, vorzutragen, welche Aufgaben ihr konkret übertragen worden sind und welche fachspezifischen Tätigkeiten sie vergleichbar einer Fachpflegekraft verrichtet (vgl. BAG 27. April 2017 – 6 AZR 284/16 – Rn. 25). Inwieweit sich diese Tätigkeit von der einer Gesundheits- und Krankenpflegerin im Sinne des Richtbeispiels der Entgeltgruppe 7 Abschnitt A AVR-DW EKD bzw. AVR-DD unterscheidet und den Tätigkeiten entspricht, die die von der Beklagten eingesetzten und nach der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD vergüteten Fachpflegekräfte in der Psychiatrie verrichten, muss erkennbar sein. Der bloße Verweis auf das bei der Beklagten geltende System der Bezugspflege genügt zur erforderlichen Darlegung der Gleichwertigkeit der prägenden Tätigkeit der Klägerin mit der einer Fachpflegekraft für sich allein nicht, weil sich die Bezugspflege auf die Krankenpflege im engeren Sinn beschränken kann. Auch der bloße Bezug auf eine – zudem möglicherweise veraltete – Stellenbeschreibung oder Anforderungsprofile ersetzt ebenso wie deren bloße Wiederholung den erforderlichen Tatsachenvortrag nicht (vgl. BAG 24. August 2016 – 4 AZR 251/15 – Rn. 30). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich die Stellenbeschreibung erkennbar auf das tarifliche Tätigkeitsmerkmal bezieht, im Rahmen der Stellenbeschreibung also erkennbar auf die tariflichen Merkmale abgestellt wird (BAG 16. November 2011 – 4 AZR 777/09 – Rn. 22). Ob das der Fall ist, wird das Landesarbeitsgericht zu würdigen haben.
Auf der Grundlage der festgestellten Tätigkeit der Klägerin wird das Landesarbeitsgericht sodann zu prüfen haben, ob die Erfüllung der Aufgaben einer Fachpflegekraft die Tätigkeiten der Klägerin iSd. § 12 Abs. 2 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD prägt. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Gesamttätigkeit der Klägerin die Merkmale des von ihr reklamierten Richtbeispiels erfüllt. Eine Aufspaltung der Gesamttätigkeit in einzelne Arbeitsvorgänge erfolgt nicht. Anders als nach dem bis Ende Juni 2007 geltenden Eingruppierungsrecht ist die überwiegend auszuübende Tätigkeit nicht mehr ausschlaggebend. Darum kommt es dafür, ob Tätigkeiten das für die Eingruppierung erforderliche Gepräge aufweisen, auch nicht mehr auf das zeitliche Ausmaß der Tätigkeit (so noch BAG 5. April 1995 – 4 AZR 1043/94 – zu II 4 a der Gründe), sondern gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD allein darauf an, dass die Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrags ist. Tätigkeiten, die nur einen geringen Anteil der Gesamttätigkeit ausmachen und ihr deshalb nicht das Gepräge geben können, sind allerdings außer Acht zu lassen (BAG 27. April 2017 – 6 AZR 284/16 – Rn. 26).
cc) Sollte das Landesarbeitsgericht feststellen, dass die Tätigkeit der Klägerin vom Richtbeispiel der „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie” nicht voll erfasst wird, wird es das Eingruppierungsbegehren der Klägerin anhand der Obersätze der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD prüfen müssen, soweit der Tatsachenvortrag der Klägerin dazu Anlass gibt (BAG 27. April 2017 – 6 AZR 284/16 – Rn. 27).
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Gallner, Lauth, C. Klar
Fundstellen
Dokument-Index HI11197653 |